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Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit während der Elternzeit

Landesarbeitsgericht Köln

Az.: 9 Sa 86/12

Urteil vom 08.08.2012

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 20.12.2011 – 5 Ca 1536/11 – wird kostenpflichtig mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 2) des erstinstanzlichen Urteils wie folgt lautet:

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Klageantrag zu 1) mit einer auf 20 Wochenstunden reduzierten Arbeitszeit, und zwar dienstags bis freitags in der Zeit von 08:30 Uhr bis 13:30 Uhr, zu beschäftigen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

T a t b e s t a n d

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin nach ihrer Elternzeit Anspruch auf Verringerung ihrer Arbeitszeit hat.

Die Klägerin, geboren am    1970, verheiratet, 2 Kinder, ist seit dem 1. November 1991 bei der Beklagten, einem Pharmaunternehmen, als Pharmareferentin im Außendienst mit einem Home-Office an ihrem Wohnort in S   . A   beschäftigt.

Die Beklagte beschäftigt weltweit etwa 4900 Mitarbeiter/innen, davon in D   2100 mit knapp 200 Außendienstmitarbeiter/innen.

Die Beklagte strukturierte zum 1. Januar 2010 den Außendienst bundesweit neu und teilte ihn in 3 gleichberechtigte Linien auf. Zu den Aufgaben der Klägerin als Mitarbeiterin der Linie 1 gehört es, 174 von der Beklagten ausgewählte Allgemeinmediziner, Praktiker und Internisten über die von der Beklagten angebotenen Produkte zu beraten. Bundesweit sind insgesamt 130 Mitarbeiter/innen mit einer solchen Aufgabe befasst, wobei die Größe des Gebiets von der Kundendichte abhängt. Weitere 51 Außendienstmitarbeiter/innen, die der Linie 2 zugeordnet sind, besuchen Spezialisten, Kliniken und Ambulanzen, und weitere 10 Außendienstmitarbeiter/innen große Kliniken und Ambulanzen.

Die Beklagte stellt ihren Außendienstmitarbeiter/innen die für die Arbeitsleistung notwendige Infrastruktur zur Verfügung, darunter bei Nichtbenutzung des privaten Personenkraftwagens auch einen Dienstwagen, und zahlt monatlich eine Arbeitsraumpauschale. Sie schult ihre Außendienstmitarbeiter/innen in Trainings und Tagungen und auch durch E-Learnings, wobei deren jährlicher zeitlicher Umfang zwischen den Parteien streitig ist.

Die Klägerin gebar ihr erstes Kind am    2005. Nach Beendigung des Mutterschutzes am 1. November 2005 arbeitete die Klägerin bei der Beklagten bis zum 31. Oktober 2006 in Teilzeit und sodann wieder in Vollzeit.

Nach der Geburt ihres zweiten Kindes am    2008 nahm die Klägerin Elternzeit bis zum 31. Juli 2011 in Anspruch. Während dieses Zeitraums wurde sie vom 23. August 2010 bis einschließlich 31. Juli 2011 von der Beklagten in Teilzeit mit 20 Stunden pro Woche gegen ein Entgelt in Höhe von monatlich EUR 2.216,00 brutto einschließlich einer übertariflichen Zulage beschäftigt.

Mit Schreiben vom 22. März 2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, sie über das Ende ihrer Elternzeit hinaus weiterhin mit 20 Stunden pro Woche, aufgeteilt auf 4 Arbeitstage, und zwar dienstags bis freitags von jeweils 8.30 Uhr bis 13.30 Uhr, zu beschäftigen. Mit Schreiben vom 8. Juni 2011 lehnte dies die Beklagte unter Hinweis auf entgegenstehende betriebliche Gründe ab.

Mit der vorliegenden Klage, die am 30. Juni 2011 beim Arbeitsgericht Siegburg eingegangen ist, verfolgt die Klägerin weiterhin ihr Teilzeitbegehren mit der von ihr gewünschten Lage der Arbeitszeit.

Die Klägerin ist der Ansicht, die von der Beklagten vorgetragenen betrieblichen Gründe stünden ihrer Teilzeitbeschäftigung nicht entgegen. Es fehle bereits an einem schlüssigen entgegenstehenden Organisationskonzept der Beklagten.

Sie habe in dem ihr ab dem 1. Oktober 2010 zugewiesenen Gebiet, das ihr zu 90 % nicht bekannt gewesen sei,  erfolgreicher als einige vollzeitbeschäftigte Pharmareferenten das zum 1. Oktober 2010 neu eingeführte Medikament „P   “ beworben. Die anderen – alle in Vollzeit – beschäftigten Pharmareferenten hätten dagegen zu diesem Zeitpunkt bereits seit 9 Monaten in ihrem jeweiligen neuen Verkaufsgebiet gearbeitet und Kundenkontakte aufbauen können. Sie verweist darauf, dass sie als einzige Teilzeitbeschäftigte in einem sog. Performance Manager über den Erfolg bei der Vermarktung des Medikaments durch die für die Beklagten tätigen Pharmareferenten bei 130 Rangstellen immerhin die Ränge 112/115/120 in bestimmten Zeiträumen erreicht habe. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass u. a. für sie als Außendienstmitarbeiterin im Bereich der kassenärztlichen V   N   zusätzliche Erschwernisse dadurch gegolten hätten, dass diese Vereinigung den Ärzten empfohlen habe, dieses Präparat nur sehr wenig einzusetzen.

Die Beklagte erwarte von den vollzeitbeschäftigten Pharmareferenten, dass sie pro 1440 Kunden besuchten. Sie habe im Zeitraum Januar 2011 bis Juli 2011 664 Kunden besucht und damit deutlich mehr als nach dieser Vorgabe von ihr als Teilzeitbeschäftigter habe erwartet werden können.

Auch könne ihre Teilzeittätigkeit mit erforderlichen Fortbildungen und Besprechungen in Einklang gebracht werden. Der Aufwand betrage durchschnittlich 17 Tage pro Jahr, da sogenannte E-Learnings (Online-Schulungen) außerhalb der Arbeitszeit erledigt würden.

Sie könne auch an Kundenveranstaltungen teilnehmen, die in der Regel abends oder an den Wochenenden stattfänden. Ebenso sei sie bereit, an ganztägigen Schulungen teilzunehmen.

Sie und ihr Ehemann hätten entschieden, die Betreuung ihrer beiden Kinder ab 15.00 Uhr selbst zu übernehmen, um die Kinder in einer wesentlichen Entwicklungsphase nicht ausschließlich Dritten zu überlassen. Ihre dreijährige Tochter sei in einer Kindertagesstätte untergebracht, die von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr geöffnet sei. Ihr sechsjähriger Sohn besuche die Grundschule, in der eine Betreuung bis 16.00 Uhr (freitags bis 15.00 Uhr) angeboten werde.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihrem Antrag auf Reduzierung der vertraglichen Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden ab dem 1. August 2011 dienstags bis freitags von jeweils 8.30 Uhr bis 13.30 Uhr zuzustimmen,

2. hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, sie – die Klägerin – außerhalb der Arbeitszeit von Dienstag bis Freitag in der Zeit von 8.30 Uhr bis 13.30 Uhr zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe bei der Neustrukturierung ihres Außendienstes die Gebiete so festgelegt, dass die möglichen Kunden von einem/einer mit 37,5 Wochenstunden vollzeitbeschäftigten Außendienstmitarbeiter/in betreut werden könnten. Dabei gehe sie davon aus, dass die Außendienstmitarbeiter/innen nach Abzug von Urlaubs- und Brückentagen durchschnittlich jährlich an 180 sogenannten „Feldtagen“ tatsächlich im Außendienst Kunden besuchten. Bei durchschnittlich 8 Kundenbesuchen pro „Feldtag“ ergäben sich insgesamt pro Jahr etwa 1440 mögliche Kundenbesuche. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und damit 53 % einer Vollzeitbeschäftigung errechne sich ein um etwa 676 Besuche verringertes Volumen, wobei die tatsächliche Zahl noch niedriger sei angesichts des wie bei Vollzeitbeschäftigten gleichhohen Schulungsaufwandes für Teilzeitmitarbeiter/innen. So habe im Jahr 2011 aufgrund von Tagungen, Trainings und VC (Virtual Classroom)-Konferenzen an insgesamt 41 Arbeitstagen keine Außendiensttätigkeit „im Feld“ stattfinden können. Das entspreche bei der von der Klägerin gewünschten Arbeitszeit von 856 Stunden (251 Werktage ohne Samstage abzüglich 30 Urlaubstage und 7 Brückentage bei einer 5-Tage-Woche entsprechen 171,2 Arbeitstagen in einer 4-Tage-Woche bei einer Arbeitszeit von jeweils 5 Stunden pro Tag) und damit einem Anteil von 36 % ihrer Arbeitszeit. Bei der Einstellung einer Ersatzkraft zur Auffüllung der bei der Klägerin um 17,5 Wochenstunden – auf das Jahr bezogen um 749 Arbeitsstunden – reduzierten Arbeitszeit, läge bei dieser der Anteil der unproduktiven Arbeitszeit bei über 40 %. Somit betrage die produktive jährliche Arbeitszeit von zwei teilzeitbeschäftigten Pharmareferenten/innen 990 Stunden, wohingegen sie sich auf 1297,5 Stunden bei einem Vollzeitbeschäftigten belaufe. Die Produktivität der beiden Teilzeitbeschäftigten betrage mithin nur 76 % der einer Vollzeitkraft. Insbesondere dieser Umstand sei als betrieblicher Grund anzuerkennen, der einer Teilzeitbeschäftigung entgegenstehe.

Es komme hinzu, dass die Klägerin bei Stattgabe ihres Teilzeitbegehrens überwiegend nicht an Kundenveranstaltungen oder Tagungen, die in den Abendstunden oder auch über mehrere Tage stattfänden, nicht teilnehmen könne. Sie könne sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, sie sei bereit, an derartigen Veranstaltungen und Tagungen auch außerhalb ihrer Arbeitszeit teilzunehmen.

Aus der Teilzeitbeschäftigung der Klägerin während der Elternzeit bis zum 31. Juli 2011 könne nicht gefolgert werden, dass betriebliche Gründe einer Teilzeitbeschäftigung auf Dauer nicht entgegenstünden. Für sie – die Beklagte – sei bei der befristeten Teilzeitbeschäftigung die Überlegung maßgebend gewesen, dass es andernfalls bei einer vorübergehenden Nichtbesetzung des Gebiets oder bei der Neueinstellung einer Vollzeitkraft ebenfalls zu Betreuungsdefiziten und Umsatzrückgängen kommen werde.

Ein Anspruch auf eine Teilzeitbeschäftigung bereits während der Dauer des Rechtsstreits bestehe ohnehin nicht.

Das Arbeitsgericht Siegburg hat durch Urteil vom 20. Dezember 2011 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Teilzeitbegehren der Klägerin sei mit der Angabe des Umfangs der wöchentlichen Arbeitszeit und der Arbeitszeitlage hinreichend bestimmt. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Geltendmachung des Anspruchs nach § 8 TzBfG lägen angesichts der Zahl der regelmäßig Beschäftigten, der Dauer des Arbeitsverhältnisses und der eingehaltenen dreimonatigen Ankündigungsfrist vor. Die Beklagte habe auch rechtzeitig das Teilzeitbegehren der Klägerin abgelehnt. Betriebliche Gründe iSd. § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG stünden dem Teilzeitverlangen der Klägerin nicht entgegen. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei in 3 Stufen zu prüfen, ob betriebliche Gründe dem Teilzeitbegehren entgegenstünden. Zwar liege der von der Beklagten als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung ein betriebliches Organisationskonzept zugrunde. Denn dazu gehöre auch die Entscheidung darüber, Verkaufsgebiete festzulegen und zu bestimmen, wie sie von Pharmareferenten/innen betreut würden. Ihre unternehmerische Organisationsfreiheit berechtige sie, zunächst einzuschätzen, dass für die sachgerechte Betreuung eines Verkaufsgebietes die Tätigkeit einer vollzeitbeschäftigten Kraft mit 37,5 Stunden pro Woche erforderlich sei. Allerdings könne nicht festgestellt werden, dass sich diese Einschätzung in der Praxis als richtig erwiesen habe. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass es während der Teilzeitbeschäftigung der Klägerin ab dem 23. August 2010 in ihrem Vertriebsgebiet zu erheblichen Einbußen gekommen sei. Immerhin habe die Klägerin besser als ein Teil der vollzeitbeschäftigten Pharmareferenten abgeschnitten, als sie in den Jahren 2010 und 2011 in bestimmten Vergleichszeiträumen die Ränge 112/115/120 bei insgesamt 129 Rangstellen erreicht habe. Die Beklagte sei daher gehalten für die Betreuung des der Klägerin zugewiesenen Verkaufsgebietes eine weitere Teilzeitkraft einzustellen, was keine unverhältnismäßige Kostenbelastung mit sich bringe. Die Beklagte berufe sich in diesem Zusammenhang auf die durch regelmäßige Qualifizierungsveranstaltungen entstehenden Kosten. Sofern man entsprechend dem Vorbringen der Beklagten davon ausgehe, dass sowohl bei Vollzeitkräften als auch bei Teilzeitkräften jeweils 41 Arbeitstage mit 7,5 Arbeitsstunden für Qualifizierungen anfielen, errechne sich der Anteil an der Gesamtarbeitszeit bei Vollzeitkräften mit 19,16 % und bei der weiteren Teilzeitkraft mit nicht unverhältnismäßigen 41,05 %. Auch könne die Klägerin bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Rechtsstreits von der Beklagten verlangen, dass sie entsprechend ihrem Begehren beschäftigt werde, wobei es sachgerechter sei, dies in Form eines Unterlassungstitels zu fassen. Dies gebiete der verfassungsrechtliche Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG, sofern – wie hier – ein Teilzeitbegehren nach Rückkehr aus der Elternzeit gestellt werde. Überwiegende Interessen der Beklagten an einer Vollzeitbeschäftigung der Klägerin während der Dauer des Rechtsstreits bestünden nicht. Der Unterlassungsausspruch stehe nicht einer Teilnahme der Klägerin an Schulungsveranstaltungen außerhalb der bezeichneten Arbeitszeiten entgegen.

Das Urteil ist der Beklagten am 4. Januar 2012 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 20. Januar 2012 Berufung einlegen und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14. März 2012 – am 13. März 2012 begründen lassen.

Sie trägt weiterhin vor, die von der Klägerin gewünschte Arbeitszeit im Umfang von 53 % der Arbeitszeit eines/einer vollzeitbeschäftigten Pharmareferenten/in würde zu einer erheblichen Einbuße der Produktivität und des Umsatzes führen. Selbst bei Einstellung einer weiteren Teilzeitkraft, die erhebliche Personalkosten verursache, könne die Betreuung des Verkaufsgebietes nicht in gleicher Weise wie bei einer Vollzeitkraft gewährleistet werden. An mindestens 34 Arbeitstagen pro Jahr fänden Schulungen und andere Treffen statt, an denen die Pharmareferenten teilnehmen müssten. Im Jahr 2010 seien aufgrund der Einführung des neuen Produkts „P   “ sogar 46 und im Jahr 2011 41 derartige nicht produktive Arbeitstage angefallen. Auch im Jahr 2012 werde voraussichtlich die Zahl der nicht produktiven Arbeitstage erheblich über 34 liegen. Da der Aufwand für Schulungen, Mitarbeiterbesprechungen und Kundenveranstaltungen etc. bei einer Teilzeitkraft genauso hoch sei wie bei einer Vollzeitkraft, sei bei einer Teilzeitkraft das Verhältnis zu den produktiven Tagen viel schlechter als bei einer Vollzeitkraft. Während bei einer Vollzeitkraft der Anteil bei 16 % ihrer Gesamtarbeitszeit liege, betrage der Anteil bei der von der Klägerin gewünschten Arbeitszeit mindestens 30 %. Bei Vollzeitkräften kalkuliere sie mit 1440 Kundenbesuchen pro Jahr, wohingegen bei der begehrten Teilzeitbeschäftigung von nur 632 Kundenbesuchen auszugehen sei. Auch wenn sie eine weitere Teilzeitkraft mit einer Arbeitszeit von 47 % eines vollzeitbeschäftigten Pharmareferenten für das Verkaufsgebiet der Klägerin einstelle, verbleibe es angesichts der auch bei dieser zu berücksichtigenden – mindestens 34 – nicht produktiven Tage bei einem Ausfall von 272 Kundenbesuchen. Eine volle Kompensation könne nur durch Einstellung einer dritten Teilzeitkraft erreicht werden.

Im Jahr 2011 sei es wegen der Teilzeittätigkeit der Klägerin zu einem Betreuungsdefizit von etwa 595 Kundenbesuchen mit einem Umsatzverlust von EUR 158.255,00 gekommen (Berechnung: Bl. 310 d. A.). Bei einem Ausfall von 272 Kundenbesuchen, mit dem bei der Einstellung einer weiteren Teilzeitkraft zu rechnen sei, ergebe sich eine zu erwartende Umsatzeinbuße von etwa EUR 72.352,00 bei erhöhten Arbeitsplatzkosten. Während sie ein/e vollzeitbeschäftigter/vollzeitbeschäftigte Pharmareferent/in durchschnittlich EUR 122.475,00 koste, müsse sie für zwei Teilzeitbeschäftigte EUR 167.047,00 veranschlagen. Hinzu kämen noch doppelte Kosten für Home-Office und eventuell einen Dienstwagen in Höhe von EUR 12.465,00 pro Jahr sowie erhöhte Kosten für von der Klägerin nachzuholende Fortbildungsveranstaltungen, die zunächst regulär außerhalb ihrer Arbeitszeit stattgefunden hätten, und für die Fortbildung der weiteren Teilzeitkraft. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, sie sei notfalls bereit, auch mehr als 20 Stunden zu arbeiten und auch an außerhalb der gewünschten Arbeitszeit stattfindenden Schulungen und Kundenveranstaltungen teilzunehmen. Maßgeblich sei allein, wie sie innerhalb der von ihr begehrten Arbeitszeit die anfallenden Arbeiten einschließlich Fortbildung und Kundentreffen verrichten könne. Beispielsweise habe die Klägerin an einer VE-Tagung am 19. Januar 2012 nicht teilnehmen können, so dass für sie eine Nachholveranstaltung am 31. Januar 2012 während ihrer Arbeitszeit mit einem zusätzlichen Kostenaufwand von EUR 200,00 habe stattfinden müssen. Eine Vertriebsgesamttagung vom 2. Mai 2012 bis zum 4. Mai 2012 habe für die Klägerin am 11. Mai 2012 nachgeholt werden müssen, und zwar unter Anpassung der Inhalte mit einem Aufwand von 3 Stunden und zusätzlichen Tagungsraumkosten in Höhe von EUR 185,00. Eine SE-Tagung vom 19. März 2012 habe für die Klägerin am 20. März 2012 an einem anderen Ort und mit zusätzlichen Fahrtkosten für den Vertriebsleiter und zusätzlichen Seminarraumkosten in Höhe von EUR 200,00 nachgeholt werden müssen. Während die vollzeitbeschäftigten Pharmareferenten/innen im Zeitraum Januar 2012 bis Juni 2012 im Durchschnitt an 3 bis 4 Kundenveranstaltungen (Messen, Abendessen usw.) teilgenommen hätten, habe die Klägerin in diesem Zeitraum nur eine medizinische Fachangestelltenschulung absolviert. Die Klägerin könne aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung selbstorganisierte lokale Veranstaltungen nicht durchführen, wohingegen die anderen Pharmareferenten im Jahr 2012 (bis Juli) im bundesweiten Schnitt 3 bis 4 derartige Veranstaltungen selbst organisiert hätten. Sie habe nicht an drei ganztägigen Großveranstaltungen der Vertriebseinheit West (davon 2 über 2 Tage und 1 an einem 1 Tag) nicht teilnehmen können, ohne dass dafür Ersatz organisiert worden sei. Weiterhin hätten mehrere Ersatzveranstaltungen für weitere Schulungen organisiert werden müssen, die die Klägerin aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung nicht habe besuchen können. In einem Fall habe ein Coaching-Trainer die halbtägige Unterrichtung der Klägerin mit dem vollen Tagessatz von EUR 1.500,00 abgerechnet. Abgesehen davon könnten wesentliche Coaching-Inhalte innerhalb eines halben Tages nicht vermittelt werden. Teamabsprachen dürften nur zu bestimmten Zeiten erfolgen.

Sie – die Beklagte – habe während der Elternzeit der Klägerin vom 23. August 2010 bis zum 31. Juli 2011 die Betreuungsdefizite in dem Verkaufsgebiet hingenommen, weil es sich um einen vorübergehenden Zeitraum gehandelt habe und weil sie bei der befristeten Neueinstellung einer Vollzeitkraft durch die erforderliche Einarbeitung und Schulung auch mit Umsatzeinbußen habe rechnen müssen.

Für einen Anspruch auf Beschäftigung entsprechend dem Teilzeitbegehren gebe es keine gesetzliche oder vertragliche Rechtsgrundlage.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts  Siegburg vom 20. Dezember 2011 – 5 Ca 1536/11 – die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass Ziffer 2 des erstinstanzlichen Urteils wie folgt lautet:

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Klageantrag zu 1) mit einer auf 20 Wochenstunden reduzierten Arbeitszeit, und zwar dienstags bis freitags in der Zeit von 8.30 Uhr bis 13.30 Uhr, zu beschäftigen.

Sie trägt weiterhin vor, sie habe als Teilzeitbeschäftigte sowohl während der Elternzeit als auch im Zeitraum ab Januar 2012 erfolgreicher den Marktanteil in ihrem Bezirk erhöht als ein Teil der vollzeitbeschäftigten Pharmareferenten/innen (vgl. Bl. 357 d. A.). Auch seien ihre Leistungen durchgehend mit „gut“ beurteilt worden. Im Jahr 2011 habe sie – wie auch die anderen Pharmareferenten der Linie 1 – ausschließlich an der Neueinführung des Medikaments „P   “ mitgewirkt. Die Beklagte stelle in ihrem Vorbringen auf den Gesamtumsatz ab und berücksichtige nicht die für die bei einer Vergleichsbeurteilung wichtigen Faktoren: Produkt, Vertriebsstruktur, unterschiedliche Empfehlungen von Kassenärztlichen Vereinigungen und unterschiedliche regionale Bedingungen. In der Linie 1 gebe es 130 Gebiete und 5 Vertriebseinheiten. Sie gehöre zur Vertriebseinheit West mit 3 Subeinheiten. In ihrer Subeinheit Großraum K   /B   /R   /S   arbeiteten 8 vollzeitbeschäftigte Pharmareferenten und sie – die Klägerin – als Teilzeitkraft. Sie hätten in der Zeit von Februar 2011 bis Dezember 2011 insgesamt einen Umsatz in Höhe von EUR 548.476,00 erwirtschaftet, wobei ihr Umsatzanteil im Jahr 2011 sich auf  EUR 65.935,00 belaufen habe, obwohl sie in diesem Zeitraum 7 Monate als Teilzeitkraft gearbeitet habe. Sie habe auch während der Teilzeitbeschäftigung an allen notwendigen Schulungen und Veranstaltungen teilgenommen, und zwar im Jahr 2011 an 17 Tagen, und sei auch gerne bereit, an Fortbildungen und Veranstaltungen unter Überschreitung der regelmäßigen Teilzeit teilzunehmen. Sie habe im Jahr 2012 an Schulungen und Veranstaltungen ohne Überstunden teilgenommen und habe dabei 14 Arbeitsstunden während der regelmäßigen Arbeitszeit aufwenden müssen.  Fortbildungsinhalte habe sie zügig durch Unterrichtung während ihrer Arbeitszeit und durch Selbststudium erlernt. Die Beklagte habe eine Nachschulung nur für sie – die Klägerin – durchgeführt, obwohl auch eine andere Pharmareferentin Interesse an einer Teilnahme an dieser Veranstaltung angezeigt habe. Die Treffen in ihrem Team fänden ohne großen Zeitaufwand statt, wobei die Abstimmung während der Arbeitszeit am Telefon erfolge. Im Jahr 2011 habe sie an einem Tag mit einem externen Coach Kunden besucht. Im Jahr 2012 habe dieser Coaching-Tag am 26. April stattgefunden, wobei sechs Besuche absolviert worden seien. Die Inhalte der diesjährigen Außendiensttagung seien ihr am 11. Mai 2012 während ihrer Arbeitszeit an drei Stunden vermittelt worden. Die Beklagte habe dabei erhebliche Hotel-, Bewirtungs-, Tagungs- und Fahrtkosten einsparen können.

Sie verweist auf die von der Beklagten verabschiedete Zielvereinbarung zur Erlangung des Zertifikats zum Audit Beruf und Familie, die u. a. ausdrücklich die Erprobung von unterschiedlichen Teilzeitvolumen und Modellen im Außendienst vorsehe. Sie sei gegenüber den Mitarbeitern und dem Betriebsrat auf einer Betriebsversammlung am 17. März 2011 als Unternehmensziel bezeichnet worden.

Die Beklagte könne ohne weiteres durch Einstellung einer weiteren Teilzeitkraft dafür Sorge tragen, dass in ihrem Vertriebsgebiet dieselbe Anzahl von Kundenbesuchen wie bei einem durchschnittlichen vollzeitbeschäftigten Pharmareferenten erfolgten, wobei die dabei entstehenden Mehrkosten für Fortbildung, Home-Office und ggf. Dienstwagen zumutbar seien. Die erforderlichen Absprachen und der gebotene Austausch mit den anderen Pharmareferenten seien nicht gefährdet. Auch könne die erforderliche Abstimmung mit den Vorgesetzten zügig und zielführend erfolgen, wobei naturgemäß der Aufwand für die Führungsperson bei zwei Teilzeitkräften höher sei als bei einer Vollzeitkraft.

Sie könne auch von der Beklagten verlangen, bereits während der Dauer des Rechtsstreits als Teilzeitkraft beschäftigt zu werden. Ihr aus dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie herzuleitender Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung werde faktisch vereitelt, wenn er erst nach jahrelangem Rechtsstreit durchgesetzt werden könne. Sie verweist auf den Weiterbeschäftigungsanspruch für die Dauer eines Beendigungsrechtsstreits.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig.

Sie ist nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und innerhalb der Fristen nach § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden.

II. In der Sache hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg.

1. Zutreffend hat das Arbeitsgericht Siegburg der Klage auf Zustimmung zur Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin stattgegeben.

Zudem ist auf den geänderten Antrag der Klägerin zu erkennen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie bereits während der Dauer des Rechtsstreits mit den von ihr gewünschten Arbeitszeiten zu beschäftigen.

Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz ihre Klage teilweise geändert, indem sie ihr Beschäftigungsbegehren während der Dauer des Rechtsstreits statt mit einem Unterlassungsantrag (keine Beschäftigung außerhalb der begehrten Arbeitszeit) mit einem Handlungsantrag (Beschäftigung während der begehrten Arbeitszeit) verfolgt. Eine solche Klageänderung durch Änderung des Klageantrags bei gleich bleibendem Sachverhalt (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl., § 263 Rdn. 7) ist nach § 263 ZPO zulässig, wenn sie sachdienlich ist oder die Beklagte sich hierauf rügelos eingelassen hat. Die Klageänderung ist sachdienlich, da mit dem geänderten Klageantrag das von der Klägerin stets verfolgte Begehren auf (a) Teilzeitbeschäftigung und (b) während der angegebenen Arbeitszeiten in vollem Umfang bezeichnet wird. Dagegen ist der Unterlassungsantrag – jedenfalls dem Wortlaut nach – nur darauf gerichtet, eine Beschäftigung außerhalb dieser Arbeitszeiten zu verbieten. Abgesehen davon hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 8. August 2012 nach der erfolgten Modifikation des Klageantrags nicht erklärt, dass sie der Änderung widerspreche.

2. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte, dass diese ihr Angebot, die regelmäßige Arbeitszeit auf 20 Stunden zu reduzieren, annimmt.

a. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 8 TzBfG lagen zum Zeitpunkt des Änderungsverlangens der Klägerin am 22. März 2011 vor. Das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten, die in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt (§ 8 Abs. 7 TzBfG), und der Klägerin bestand länger als 6 Monate, § 8 Abs. 1 TzBfG.

b. Die 3-monatige Ankündigungsfrist des § 8 Abs. 2 S. 1 TzBfG hat die Klägerin gewahrt durch ihr Schreiben vom 22. März 2011, mit dem sie von der Beklagten verlangte, die bereits während der Elternzeit gewährte Verringerung der Arbeitszeit für die Zeit ab dem 1. August 2011 fortzusetzen.

c. Die Beklagte hat das Verringerungsbegehren der Klägerin rechtzeitig mit Schreiben vom 8. Juni 2011 nach einem zwischen ihrem Personalreferenten, dem Vorgesetzen der Klägerin und der Klägerin geführten Gespräch abgelehnt, so dass die Zustimmung der Beklagten nicht kraft Fiktion ersetzt worden ist (§ 8 Abs. 5 S. 2 TzBfG).

d. Zutreffend hat das Arbeitsgericht Siegburg angenommen, dass dem Verringerungsbegehren der Klägerin betriebliche Gründe iSd. § 8 Abs. 4 S. 1 und 2 TzBfG nicht entgegenstehen.

Nach § 8 Abs. 4 S. 1 und 2 TzBfG hat der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen, falls betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Ein entgegenstehender betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Insoweit genügt es, wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare Gründe hat. Diese Gründe müssen hinreichend gewichtig sein. Der Arbeitgeber kann deshalb die Ablehnung nicht allein mit seiner abweichenden unternehmerischen Vorstellung von der „richtigen“ Arbeitszeitverteilung begründen (vgl. ständige Rechtsprechung des BAG,  z. B. Urteil vom 13. Oktober 2009 – 9 AZR 910/08 – ).

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erfolgt die Prüfung der Gründe des Arbeitgebers, aus denen sich die Unteilbarkeit des Arbeitsplatzes oder die Unvereinbarkeit der gewünschten Teilzeitarbeit mit den betrieblichen Arbeitszeitmodellen ergeben soll, regelmäßig in drei Stufen. Zunächst ist festzustellen, ob der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung überhaupt ein betriebliches Organisationskonzept zugrunde liegt und – wenn das zutrifft – um welches Konzept es sich handelt (erste Stufe). In der Folge ist zu untersuchen, inwieweit die aus dem Organisationskonzept folgende Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegensteht (zweite Stufe). Schließlich ist in einer dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen. Dabei ist die Frage zu klären, ob das betriebliche Organisationskonzept oder die zugrunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung wesentlich beeinträchtigt werden. Maßgeblich für das Vorliegen der betrieblichen Gründe ist der Zeitpunkt der Ablehnung des Arbeitszeitwunsches durch den Arbeitgeber (vgl. z. B. BAG, Urteil vom 13. Oktober 2009 – 9 AZR 910/08 – und vom 15. Dezember 2009 – 9 AZR 72/09 – ).

Daran gemessen ist zunächst festzuhalten, dass nach dem betrieblichen Organisationskonzept die Beklagte der Klägerin ein Verkaufsgebiet im Großraum K   /B   /R   t/S     zugewiesen hat, dessen Betreuungsaufwand sie – wie auch bei sämtlichen anderen Verkaufsgebieten –  mit 37,5 Wochenarbeitsstunden veranschlagt (Stufe 1). Sie hat damit im Rahmen ihrer unternehmerischen Organisations- und Gestaltungsfreiheit über die Kapazität an Arbeitskräften sowie an Arbeitszeit und deren Verteilung auf einzelne Betreuungsgebiete entschieden (vgl. dazu: BAG, Urteil vom 21. Juni 2005 – 9 AZR 409/04 – ). Diese Entscheidung ist durch die Praxis insoweit bestätigt worden, dass die Klägerin zunächst nach ihrer am 31. Juli 2011 beendeten Elternzeit als Vollzeitkraft in diesem Verkaufsgebiet gearbeitet hat. Sie hat nicht vorgetragen, dass sie während dieser Zeit beruflich nicht ausgelastet war und das geschuldete Arbeitspensum innerhalb von 20 Wochenarbeitsstunden hätte erledigen können. Vielmehr verweist sie selber darauf, dass die Betreuung sämtlicher Kunden in ihrem Verkaufsgebiet nur durch Einstellung einer weiteren Teilzeitkraft erreicht werden kann.

Die Beklagte ist aber nach Ansicht der Kammer gehalten, eine organisatorische Änderung für das Verkaufsgebiet der Klägerin vorzunehmen durch Einstellung einer Teilersatzkraft (Stufe 2). Diese kann nach dem Verhältnis ihrer Arbeitszeit von 17,5 Wochenstunden zu der Arbeitszeit der Klägerin von 20 Wochenstunden einen Teil der Kunden in dem Verkaufsgebiet der Klägerin übernehmen, ohne dass die Größe des Verkaufsgebietes verändert werden muss. Eine Verringerung des Betreuungsaufwands in dem Bezirk würde damit vermieden werden.

Der pauschale Einwand der Beklagten, bei gleichbleibendem Schulungsaufwand für beide Teilzeitkräfte stehe diesen insgesamt weniger Arbeitszeit für Kundenbesuche zur Verfügung als einer Vollzeitkraft und dadurch würde sich die Betreuungsintensität verringern, kann nicht durchgreifen. Zutreffend hat das Bundesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass eine rein proportionale Betrachtung des Arbeitsaufwandes nach der Kundenzahl nicht erfolgen kann. Vielmehr hängt der zeitliche Aufwand für die Betreuung eines Verkaufsgebiets von weiteren Faktoren ab, wie dem Umfang der Bestellungen, dem Beratungsbedarf und der Anzahl der an der Kaufentscheidung beteiligten Personen (vgl. BAG, Urteil vom 21. Juni 2005 – 9 AZR 409/04 – ). Auch zeigt sich häufig, dass gerade Beschäftigte besonders beruflich engagiert sind, wenn sie während der Kinderbetreuungsphase als Teilzeitkraft weiterhin im Beruf bleiben können.

Entscheidend können daher nur die tatsächlichen betrieblichen Erfahrungen während der Teilzeitbeschäftigung von Pharmareferenten sein (vgl. dazu auch: BAG, Urteil vom 13. Oktober 2009 – 9 AZR 910/08 – ). Dazu ist festzuhalten, dass die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, sie habe gemessen nach ihrem Arbeitszeitanteil weit mehr Kunden besucht als es die Beklagte in diesem Verfahren als Vorgabe vortrage. Wenn die Beklagte für eine Vollzeitkraft durchschnittlich 1440 Kundenbesuche pro Jahr vorgebe, so habe sie bei einer rein auf ihre verringerte Arbeitszeit bezogenen Betrachtung von ihr 768 Kundenbesuche pro Jahr (1440: 37,5 x 20) erwarten dürfen. Tatsächlich habe sie während ihrer Teilzeitbeschäftigung im ersten Halbjahr 2011 664 Kunden und im Zeitraum Januar 2012 bis Mai 2012 397 Besuche und damit im Durchschnitt 6,5 Besuche pro „Feldtag“ absolviert, also weit mehr als es dieser Vorgabe entspreche. Begründete Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin zu wenig Zeit für die einzelnen Kundenbesuche aufwendet und es dadurch zu Umsatzeinbußen gekommen ist, sind von der Beklagten nicht vorgetragen worden. Im Gegenteil ist festzustellen, dass die teilzeitbeschäftigte Klägerin während der Elternzeit bei einem Ranking-Vergleich mit den vollzeitbeschäftigten Pharmareferenten bei insgesamt 129 Rangstellen in bestimmten Zeiträumen die Ränge 112/115/120  erreichte und damit vor einem Teil der Vollzeitkräfte lag. Auch hat sie unwidersprochen vorgetragen, sie habe in ihrer Subvertriebseinheit K   /B   /R   /S   im Zeitraum Februar 2011 bis Dezember 2011 zusammen mit 8 vollzeitbeschäftigten Pharmareferenten einen Gesamtumsatz in Höhe von EUR 548.476,00 erwirtschaftet, wobei ihr Umsatzanteil auf das Jahr 2011 bezogen EUR 65.935,00 betragen habe.

Im Rahmen der von ihr gewünschten Arbeitszeit können Schulungsveranstaltungen, die an Nachmittagen oder ganztägig stattfinden, von der Klägerin zwar nicht besucht werden. Unabhängig davon, dass die Klägerin der Beklagten ihre Bereitschaft mitgeteilt hat, für derartige Veranstaltungen eine Veränderung der Lage ihrer Arbeitszeit zu akzeptieren, ist aber festzuhalten, dass Schulungsinhalte im Nachhinein komprimiert an sie weitergegeben werden können. Die Klägerin wirft auch zu Recht die Frage auf, inwiefern diese nachholenden Schulungen allein für sie stattfinden und nicht auch andere Pharmareferenten eingeladen werden, die während der regulären Schulung aus persönlichen Gründen verhindert waren. Das pauschale Vorbringen der Beklagten, die Kenntnisse und Fähigkeiten der Klägerin blieben aufgrund fehlender Teilnahme an den regulären Schulungsveranstaltungen hinter denen der Vollzeitkräfte zurück, was sich erfahrungsgemäß auf die Geschäftstätigkeit auswirke, ist nicht anhand der Umsatzergebnisse belegbar. Vielmehr zeigen auch die von der Beklagten mit dem letzten Schriftsatz vom 20. Juli 2012 vorgetragenen Grafiken An- und Abstiege sowohl in Zeiträumen, in denen die Klägerin als Teilzeitkraft gearbeitet hat als auch in Zeiträumen, in denen sie nach Ende der Elternzeit vollzeitig tätig war.

Die Beklagte hat im Übrigen nicht geltend  gemacht, am Arbeitsmarkt gebe es keine fachlich geeigneten Bewerber, die bereit seien, in dem sich durch die Arbeitszeitreduzierung der Klägerin ergebenden Umfang zu arbeiten, also 17,5 Stunden pro Woche. Anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 21. Juni 2005 – 9 AZR 409/04 – entschiedenen Fall, bei dem es um die Reduzierung von 37,5 auf 30 Wochenstunden ging, steht hier die Einstellung einer Ersatzkraft mit einer Arbeitszeit von 47 % einer Vollzeitkraft und damit einem für den Lebensunterhalt ausreichenden Einkommen in Frage.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Teilzeitbeschäftigung nach der Geburt des zweiten Kindes vom 23. August 2010 bis zum 31. Juli 2011 ebenso wenig wie die durch das erstinstanzliche Urteil erzwungene Teilzeitbeschäftigung ab Anfang 2012 den Schluss rechtfertigen, der Arbeitsplatz der Klägerin sei unteilbar, bei Einstellung einer Teilersatzkraft werde es zu erheblichen Beeinträchtigungen bei der Betreuung der Kunden im Verkaufsgebiet der Klägerin kommen.

Die durch die Arbeitszeitreduzierung bei der Klägerin und die Einstellung einer Teilersatzkraft entstehende Kostenbelastung führt auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Kostenbelastung iSd. § 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG (3. Stufe). Zunächst kann davon ausgegangen werden, dass der teilweise Ausfall der Klägerin bei der Kundenbetreuung durch Einstellung einer Ersatzkraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 17,5 Stunden ausgeglichen werden kann, und nicht etwa im Hinblick auf den Schulungsbedarf eine höhere Arbeitszeit mit dieser vereinbart werden muss. (- Anzumerken ist, dass die Argumentation der Beklagten nicht nachvollziehbar ist, sie müsse ggf. sogar zwei Ersatzkräfte einstellen. -). Zwar trifft es zu, dass der schulungsbedingte Ausfall an „Feldtagen“ bei zwei Teilzeitkräften höher ist als bei einer Vollzeitkraft. Jedoch hat die Klägerin dargetan, dass sie sowohl während der Elternzeit als auch im laufenden Jahr als Teilzeitbeschäftigte mehr Kunden besucht hat, als – ausgehend von den Vorgaben für Vollzeitbeschäftigte – die Beklagte von ihr anteilig erwarten konnte. Soweit zusätzliche Schulungskosten dadurch entstehen, dass für die Klägerin und ggf. auch für die weitere Teilersatzkraft Schulungen nachgeholt werden müssen, ist die Beklagte zunächst auf das Angebot der Klägerin zu verweisen, die Arbeitszeitlage für solche Veranstaltungen einvernehmlich abzuändern. Mit der Teilersatzkraft kann von vornherein eine entsprechende Vereinbarung getroffen werden. Im Übrigen weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass bei der Beurteilung von Mehrkosten durch komprimierte Nachschulungen auch zu berücksichtigen ist, inwiefern Fahrt-, Bewirtungs- und Übernachtungskosten für die Klägerin eingespart worden sind, und inwiefern diese Nachschulungen auch für andere Pharmareferenten/innen genutzt werden können, die bei der regulären Schulung verhindert waren. Die Beklagte muss sich entgegenhalten lassen, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, die Einrichtung von Teilzeittätigkeit werde in aller Regel dem Arbeitgeber neben gewissen betriebsorganisatorischen auch finanzielle Nachteile bringen (vgl. § 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG). Es obliegt ihr daher, auch Schulungen und Nachschulungen so zu organisieren, dass sie möglichst effizient genutzt werden. Gleiches gilt für Kundenveranstaltungen, wobei sie ebenfalls mit der Klägerin ggf. eine Veränderung der Arbeitszeitlage verabreden und mit der Teilersatzkraft von vornherein vereinbaren kann. Auch führen die Kosten für das Home-Office der weiteren Teilzeitkraft und den ihr ggf. zur Verfügung zu stellenden Dienstwagen nicht zu einer unzumutbaren Belastung für die Beklagte.

Die Beklagte muss sich insoweit an der von ihr verabschiedeten und auf einer Betriebsversammlung vorgestellten  Zielvereinbarung „Beruf und Familie“ festhalten lassen, die gerade auch eine Arbeitszeitflexibilisierung u. a. im Außendienst als Unternehmensziel vorsieht und dabei die Erprobung von Teilzeitmodellen ausdrücklich erwähnt. An keiner Stelle wird erwähnt, dass dadurch keine oder nur geringe Mehrkosten entstehen dürfen.

Begründete gesonderte Einwände gegen die von der Klägerin begehrte Verteilung der 20-stündigen Wochenarbeitszeit auf bestimmte Vormittage – dienstags bis freitags von jeweils 8.30 Uhr bis 13.30 Uhr – hat die Beklagte nicht erhoben.

Nach alledem hat das Arbeitsgericht Siegburg zu Recht die Beklagte verurteilt, dem Antrag der Klägerin auf Reduzierung der vertraglichen Arbeitszeit von 20 Wochenstunden ab dem 1. August 2011 mit der genannten Verteilung der Arbeitszeit auf 4 Vormittage zuzustimmen. Die Zulässigkeit einer Verurteilung zur Annahme eines Vertragsangebots, das rückwirkend auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist, besteht seit Inkrafttreten des § 311 a BGB i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (vgl. z. B. BAG, Urteil vom 15. Dezember 2009 – 9 AZR 72/09 – ).

3. Die Beklagte ist auch verpflichtet, die Klägerin bereits während der Dauer des Rechtsstreits zu den geänderten Vertragsbedingungen vorläufig zu beschäftigen.

Zwar sieht das TzBfG nicht ausdrücklich eine vorläufige Regelung vor. Jedoch ist in Fällen des Teilzeitbegehrens einer Frau nach Rückkehr aus der Elternzeit die verfassungsrechtliche Wertung des Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Familie) zu beachten. Dieser verfassungsrechtliche Hintergrund erlaubt und gebietet es, ähnlich wie bei der Entwicklung des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs nach unwirksamer Kündigung (Großer Senat des BAG vom 27. Februar 1985 – 1 GS 1/84 -), aus dem grundrechtlich gewährleisteten Schutz eine Pflicht der Gerichte zur tatsächlichen Gewährleistung dieser Rechtspositionen herzuleiten. Andernfalls wäre für eine Mutter, die neben ihrem Beruf auch an Wochentagen die Betreuung ihrer Kinder zeitweise übernehmen möchte oder muss, für einen ganz erheblichen Zeitraum die tatsächliche Realisierung dieser Möglichkeit erheblich erschwert oder sogar abgeschnitten. Aus den Wertungen der Grundrechte ergeben sich Schutzpflichten des Staates, eine Verwirklichung dieser Wertungen auch in den Rechtsbeziehungen zwischen Privaten sicherzustellen. Es ist daher bei derartigen Fallkonstellationen anzunehmen, dass das arbeitgeberseitige Weisungsrecht schon für den weiteren Verlauf des Rechtsstreits dahin begrenzt ist, die von der Klägerin begehrten Arbeitszeiten einzuhalten. Die Klägerin kann in dieser Situation nicht auf ein bloßes Leistungsverweigerungsrecht mit den Risiken weiterer rechtlicher Auseinandersetzungen einschließlich arbeitgeberseitiger Kündigungen verwiesen werden (Anschluss an LAG Niedersachsen, Urteil vom 15. April 2008 – 11 Sa 1374/07 – ). Da das Begehren auf eine tatsächliche Beschäftigung während der von der Klägerin genannten Zeiten gerichtet ist und nicht (nur) auf eine Unterlassung einer Beschäftigung außerhalb dieser Zeiten, ist entsprechend dem zuletzt gestellten Beschäftigungsantrag zu erkennen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der sich keine grundsätzlichen Rechtsfragen stellten, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht beantwortet sind. Zwar gilt dies nicht für den Antrag auf Beschäftigung bereits während der Dauer des Rechtsstreits. Angesichts des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie geht die Kammer von einer eindeutigen Rechtslage aus, bei der abweichende Entscheidungen nicht zu erwarten sind.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.

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