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Bonuszahlung: Schadensersatz für entgangene bei unterlassener Zielvorgabe

LAG  Mainz, Az.: 8 Sa 201/15, Urteil vom 15.12.2015

1.    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 10.03.2015 – Az.: 2 Ca 1542/14 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

BonuszahlungenDie Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für den Monat Juni 2014 noch Arbeitsentgelt zusteht. Ferner begehrt der Kläger die Abänderung des erteilten Arbeitszeugnisses.

Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, welches als Partner der S. in W. die kundenspezifische Integration aller notwendigen Prozesse im Distributions- und Lagerbereich in Logistiksysteme von S. realisiert.

Der Kläger war ab 01.06.2012 zunächst als Trainee und sodann als Systemanalytiker im Betrieb der Beklagten beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 11.04.2012/12.04.2012 vereinbarten die Parteien unter § 3 folgende Regelung zur Vergütung des Klägers:

„§ 3, Vergütung

Der Mitarbeiter erhält ein monatliches Gehalt von EUR 3.500,– brutto, das zwölfmal im Jahr jeweils am Monatsende auf ein vom Mitarbeiter anzugebendes Konto überwiesen wird.

Darüber hinaus ist vorgesehen, dass der Mitarbeiter nach erfolgreichem Abschluss des Traineeprogrammes am jeweils gültigen, freiwilligen Bonusplan teilnimmt. Auf dessen Grundlage wird ihm eine freiwillige, variable monatliche Abschlagszahlung gezahlt, auf die auch bei längerer Gewährung kein Rechtsanspruch besteht.

Zusätzlich erhält der Mitarbeiter nach Abschluss der Probezeit und der erfolgreichen Teilnahme am Traineeprogramm ab dem danach nächsten turnusgemäßen Termin eine Direktversicherung mit einem Jahresbetrag von EUR 1.752.–, deren Beiträge das Unternehmen trägt.“

Die Beklagte zahlte an den Kläger nach Abschluss des Traineeprogrammes zusätzlich zur monatlichen Grundvergütung von EUR 3.500,– brutto weitere EUR 567,–brutto bis einschließlich Mai 2014.

Der Kläger nahm vom 04.06.2012 bis 05.06.2012 an einer Inhouse-Schulung zum Thema „Prozesse in Logistics Execution“ (Zertifikat Bl. 76 d. A.) sowie vom 06.06.2012 bis zum 08.06.2012 an einer Inhouse-Schulung zum Thema „EMW 100 (LP version)“ (Zertifikat Bl. 77 d. A.) teil. Wegen der Einzelheiten der Schulungsinhalte wird auf S. 6 f. des Berufungsbegründungsschriftsatzes vom 09.07.2015 (Bl. 169 f. d. A.) verwiesen. Der Kläger bearbeitete im Rahmen seiner Tätigkeit für die Beklagte verschiedene Projekte mit Logistikbezug. Insoweit wird auf die klägerische Aufstellung in der Berufungserwiderung vom 09.07.2015, S. 7 f. (Bl. 170 f. d. A.) Bezug genommen.

Für das Jahr 2013 existierte ein von der Beklagten vorgegebener Bonusplan, während für das Jahr 2014 kein Bonusplan seitens der Beklagten aufgestellt wurde.

Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist von 6 Monaten zum 30.06.2014.

Mit Schreiben vom 25.06.2014 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er aufgrund der erreichten Leistungswerte die Zielerreichung für den Leistungswert Z1, der Grundlage der monatlichen Vorauszahlung in Höhe von EUR 567,– gewesen sei, nicht erreicht habe und kündigte eine Verrechnung des Junigehalts mit dem Rückforderungsbetrag an. Für Juni 2014 rechnete die Beklagte gemäß der erteilten Abrechnung (Blatt 19 d. A.) nur das Grundgehalt in Höhe von EUR 3.500,– brutto ab und zog von diesem Betrag EUR 2.835,– brutto – und damit die von Januar 2014 bis Mai 2014 jeweils gezahlten EUR 567,– – ab. Es ergab sich ein Nettoauszahlungsbetrag in Höhe von EUR 792,93.

Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem Datum des 30.06.2014 ein Arbeitszeugnis (Bl.78 d. A.), in dem sie dem Kläger ein „den Mindestanforderungen entsprechendes logistisches Wissen“ bescheinigt. Das Zeugnis enthält keine Verhaltensbewertung.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, eine Zielvorgabe für das Jahr 2014 sei ihm nie gemacht worden. Für den Fall einer unterstellten Zielvorgabe bestreite, er, dass er eine solche nicht erreicht habe. Im Übrigen habe die Beklagte das Erreichen der angeblichen Zielvorgabe dadurch vereitelt, dass ihm keine umsatzrelevanten Tätigkeiten zugewiesen worden seien.

Seiner Auffassung nach stehe ihm stehe für Juni 2014 der volle Bruttoentgeltanspruch von insgesamt EUR 4.067,– zu. Eine Verrechnung mit den geleisteten Bonuszahlungen habe nicht vorgenommen werden dürfen, da er hierauf einen Anspruch gehabt habe: Der diesbezügliche Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag sei unwirksam. Da die Beklagte ihm weder eine Zielvorgabe gemacht habe noch umsatzrelevante Tätigkeiten zugewiesen habe, könne die Beklagte ihm eine mangelnde Zielerreichung nicht vorwerfen. Die Inanspruchnahme seines Erholungsurlaubes sei nicht negativ anzurechnen.

In der Güteverhandlung vom 23.09.2014 haben die Parteien einen Teilvergleich über die ursprünglich zusätzlich beantragte Auskunftserteilung und Übertragung der Direktversicherung geschlossen.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt:

1.    Die Beklagte wird verurteilt, an ihn brutto EUR 4.067,00 abzüglich bereits gezahlter netto EUR 792,93 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlich festgesetzten Basiszinssatz seit dem 01.07.2014 zu bezahlen.

2.    Die Beklagte wird verurteilt, das ihm unter dem 30.06.2014 erteilte Arbeitszeugnis im 2. Absatz der 2. Seite wie folgt abzuändern: „Herr A. verfügt auch über ein fundiertes logistisches Wissen.“

3.    Die Beklagte wird verurteilt, das ihm unter dem 30.06.2014 erteilte Arbeitszeugnis auf Seite 2 um eine Bewertung seines Verhaltens gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden wie folgt zu ergänzen: „Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war stets einwandfrei.“

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die Aufrechnung des Junigehalts mit den nicht erzielten Lohnleistungen wegen Einschränkung des Pfändungsfreibetrages als nicht möglich ansehen sollte, hat sie beantragt:

Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte EUR 2.835,– brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Kläger hat diesbezüglich beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Bonuszahlung von EUR 567,– brutto sei freiwillig, so dass der Kläger per se keinen Rechtsanspruch darauf habe. Selbst wenn man davon ausgehe, dass nach dem entsprechenden Bonusplan eine Vergütung zu zahlen wäre, habe der Kläger die Leistung nicht erbracht, welche sie unter dem 28.03.2014 für ihn festgelegt habe. Dies hänge mit erheblichen Fehlzeiten des Klägers durch Erkrankungen und Urlaubsnahme sowie mit der Ablehnung von umsatzträchtigen Arbeiten durch den Kläger zusammen.

Das Zeugnis sei korrekt erteilt. Dem Kläger könne kein fundiertes logistisches Wissen bescheinigt werden, da er allenfalls geringe logistische Erfahrung habe sammeln können. Dem Kläger könne auch kein stets einwandfreies Verhalten bescheinigt werden, zumindest nicht in Bezug auf Vorgesetzte und Kollegen, da der Kläger während des bestehenden Arbeitsverhältnisses andere Mitarbeiter abgeworben habe, so dass auch sie – wie der Kläger – zur Firma S. S. gewechselt seien.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat der Klage mit Schluss-Urteil vom 10.03.2015 stattgegeben.

Das Arbeitsgericht hat die geltend gemachten Vergütungsansprüche mit der Begründung zugesprochen, der Kläger habe einen vertraglichen Anspruch auf die geltend gemachten Zahlungen aus § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag erworben. Ein aufrechenbarer Rückzahlungsanspruch aus § 812 BGB im Hinblick auf die von der Beklagten geleisteten Zahlungen von Januar bis Mai 2014 in Höhe von jeweils EUR 567,– brutto stehe der Beklagten nicht zu, da die zusätzlichen Zahlungen nicht rechtsgrundlos erfolgt seien. Der Freiwilligkeitsvorbehalt in § 3 des Arbeitsvertrages sei nach § 307 Abs. 1 S 2 BGB wegen Intransparenz unwirksam. Die Bonusregelung sei insgesamt intransparent gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, da die Ausgestaltung der Bonusregelung im Vertragswerk nicht abschließend festgelegt sei: Da der Arbeitgeber im Hinblick auf die Bonusausgestaltung ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht habe, hätten die Kriterien für die Ausübung des dem Arbeitgeber insoweit zustehenden Ermessens nach Überzeugung des Arbeitsgerichts im Vertrag selbst fixiert werden müssen, so dass die Bonusvereinbarung gemäß § 306 Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden sei. Die hierdurch entstandene Lücke sei gemäß den Ausführungen des erstinstanzlich erkennenden Gerichts im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133,157 BGB zu schließen, da ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel keine sachgerechte Lösung darstelle. Da die Beklagte davon ausgegangen sei, dass der Kläger einen Bonusbetrag von EUR 567,- brutto monatlich auf jeden Fall erreichen werde, sei dieser Wert im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung als dem Kläger zustehender monatlicher Bonuswert für den streitgegenständlichen Zeitraum zugrunde zu legen. Einem Anspruch der Beklagten aus § 812 BGB steht nach Überzeugung des Arbeitsgerichts auch entgegen, dass die Beklagte der Behauptung des Klägers, diese habe eine Zielerreichung vereitelt, indem sie ihm keine umsatzrelevanten Tätigkeiten zugewiesen habe, nicht substantiiert entgegengetreten sei. Dem Kläger stehe ein Bruttolohnanspruch zu, da die Beklagte die Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen nicht schlüssig dargelegt habe.

Die geltend gemachten Zeugnisberichtigungsanträge hielt das Arbeitsgericht für begründet, da der Kläger fundiertes logistisches Wissen durch die vorgelegten Zertifikate nachgewiesen habe. Im Hinblick auf die begehrte Verhaltensbeurteilung habe die Beklagte eine gute Bewertung nur deswegen verwehrt, weil der Kläger angeblich Mitarbeiter abgeworben habe. Der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagten sei aber viel zu unsubstantiiert, um insoweit in eine Beweisaufnahme eintreten zu können.

Die Hilfswiderklage stand nach Auffassung des Arbeitsgerichts nicht zur Entscheidung an.

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgericht Ludwigshafen vom 10.03.2015 (Bl. 95-105. d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil, welches der Beklagten am 30.03.2015 zugestellt worden ist, wendet sich diese mit ihrer am 29.04.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingereichten Berufungseinlegungsschrift vom selben Tag. Die Berufung hat die Beklagte mit am 29.05.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag begründet.

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 140-151 d. A.) – ihren erstinstanzlichen Vortrag ergänzend und vertiefend zusammengefasst – geltend:

Die unter dem 28.03.2015 festgelegten Umsatzziele für das Geschäftsjahr 2014 seien dem Kläger mitgeteilt worden. Der Kläger sei aufgefordert worden, umsatzrelevante Arbeiten anzunehmen, habe diese jedoch verweigert, da sie mit Reisetätigkeiten verbunden gewesen seien. Die vorgegebenen – erfüllbaren – Ziele habe der Kläger deswegen nicht erreicht. Die Zielerreichung sei weiter daran gescheitert, dass er in 2014 an 66,5 Tagen von insgesamt 129 Arbeitsgagen krankheitsbedingt oder urlaubsbedingt gefehlt habe. Wenn der Kläger anwesend gewesen sei, habe er nur noch eine sehr geringe Arbeitsleistung erbracht. Er habe deswegen vom Planumsatzwert EUR 73.600,– nur 2.84 % – nämlich EUR 2.009,– abrechenbaren Umsatz – erbracht.

Der Kläger verfüge lediglich über ein den Mindestanforderungen genügendes logistisches Wissen.

Sie sei der Ansicht, die zurückgeforderten Bonuszahlungen stünden dem Kläger bereits wegen des Freiwilligkeitsvorbehalts nicht zu. Die Regelung in § 3 des Arbeitsvertrages sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts transparent. Das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidungsfindung unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger die realistischen, klar definierten Umsatzziele für 2014 nicht ansatzweise erreicht habe. Nach dem gemeinsamen Verständnis seien die monatlichen Zahlungen von EUR 567,– als Vorschusszahlungen auf einen beiderseits erhofften, entstehenden Anspruch erfolgt. Da die Erwartungen sich nicht erfüllt hätten, habe sie insoweit einen verrechenbaren Rückgewähranspruch. Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung so gestellt werden könne, als wenn er das für den Zusatzverdienst von EUR 567,- brutto erforderliche Umsatzziel tatsächlich erreicht habe.

Sofern das Gericht die Auffassung vertrete, aufgrund der Pfändungsfreigrenzen sei eine Aufrechnung nicht möglich, so sei ihr der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch wenigstens widerklageweise zuzusprechen.

Wegen des nur geringen logistischen Wissens des Klägers könne die Bescheinigung fundierter Kenntnisse nicht verlangt werden. Die vom Arbeitsgericht zuerkannte Formulierung „stets einwandfrei“ entspreche der Notenstufe “sehr gut“. Im Hinblick auf eine sehr gute Verhaltensbewertung sei kein Sachvortrag des Klägers erfolgt.

Die Beklagte beantragt zuletzt:

1.    das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 10.03.2015 – Aktenzeichen 2 Ca 1542/14 – abzuändern.

2.    die Klage abzuweisen.

Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die Auffassung vertrete, dass wegen Einschränkungen des Pfändungsfreibetrags eine Aufrechnung der geleistete Vorschüsse mit dem Junigehalt 2014 nicht möglich sei, beantragt die Beklagte,

3.    den Kläger zu verurteilen, an sie EUR 2.835,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 09.07.2015, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 164 -172 d. A.), als rechtlich zutreffend.

Dazu führt er aus, es bleibe dabei, dass die Beklagte ihm bereits keine umsatzrelevanten Tätigkeiten zugewiesen habe.

Das im Rahmen der absolvierten Schulungen erworbene logistische Fachwissen habe er bei der Bearbeitung seiner Projekte auch angewendet. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten des Sachvortrags wird auf S. 7 f. der Berufungserwiderung vom 09.07.2015 (Bl. 170 f. d. A.) Bezug genommen.

Er sei der Auffassung, dass der Widerspruch, dass ihm in § 3 des Arbeitsvertrages einerseits eine Leistung versprochen werde, die Zusage jedoch gleichzeitig mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt verknüpft sei, zu einer Unwirksamkeit des Freiwilligkeitsvorbehalts führe. Die Bonusklausel sei insgesamt als intransparent zu werten, weil die Ermessenskriterien zur Bonusgewährung nicht umschrieben worden seien. Dies führe im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu einem Anspruch auf EUR 567,– brutto monatlich von Januar bis Juni 2014. Für die Monate Januar bis März 2014 ergebe sich das schon daraus, dass es in diesen Monaten unstreitig keine Zielvorgabe gegeben habe. Die unbedingt gewährte Leistung können nicht nachträglich unter eine Bedingung gestellt werden. Er habe sich durch die dauerhafte Zahlung ohne Hinweis auf zu erfüllende Voraussetzungen darauf verlassen können, dass der Anspruch auf die Zahlung von EUR 567,- monatlich unabhängig von einer Zielerreichung bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. Die Berufung der Beklagten ist zulässig.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat sämtlichen Klageanträgen zu Recht stattgegeben. Die Berufungskammer folgt den sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts im Ergebnis und in Teilen der Begründung.

I. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung von EUR 4.067,- brutto abzüglich bereits bezahlter EUR 792,93 netto für den Monat Juni 2014 zusteht.

1. Der Kläger hat gemäß § 611 BGB in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages einen Anspruch auf die monatliche Grundvergütung in Höhe von EUR 3.500,00 brutto.

2. Die Beklagte schuldet dem Kläger für den Monat Juni 2014 eine Zahlung von weiteren EUR 567,- brutto als Schadenersatz, da sie entgegen ihrer Verpflichtung aus § 3 des Arbeitsvertrages weder einen Bonusplan für das Jahr 2014 erstellt, noch Zielvorgaben für das Jahr 2014 nachgewiesen hat und damit die dem Kläger über § 3 des Arbeitsvertrages eröffnete zusätzliche Verdienstmöglichkeit schuldhaft vereitelt hat.

a) Der Arbeitgeber kann bei einer nicht abgeschlossenen Zielvereinbarung nach Ablauf der Zielperiode gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 3 BGB i. V. m. § 283 Satz 1,   § 252 BGB verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer wegen der entgangenen Bonuszahlung Schadensersatz zu leisten.

Oblag es dem Arbeitgeber, die Initiative zur Führung eines Gesprächs mit dem Arbeitnehmer über eine Zielvereinbarung zu ergreifen und hat er ein solches Gespräch nicht anberaumt oder unterlässt er arbeitsvertragswidrig eine arbeitgeberseitige Zielvorgabe, hat er eine vertragliche Nebenpflicht verletzt. Diese Pflichtverletzung kann einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers begründen (vgl. für Zielvereinbarungen BAG 12.12.2007 – 10 AZR 97/07- JURIS Rn. 44 ff.; LAG Köln 23.05.2002 – 7 Sa 71/02 – DB 2003, 451; ArbG Frankfurt 11.12 2002 – 2 Ca 2816/02 – ZTR 2003, 577).

b) Die Beklagte war gemäß § 3 des Arbeitsvertrages verpflichtet, dem Kläger eine Teilnahme am jeweils gültigen Bonusplan zu ermöglichen, auf dessen Grundlage dem Kläger eine variable monatliche Abschlagszahlung gezahlt wird.

aa) Soweit die Beklagte einwendet, die Bonuszusage in § 3 des Arbeitsvertrages stehe unter Freiwilligkeitsvorbehalt, so hat das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung darauf hingewiesen, dass dieser Freiwilligkeitsvorbehalt gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam ist:

Es steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass es sich bei § 3 des Arbeitsvertrages um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, da sie von der Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen einseitig vorformuliert wurde (§ 305 Abs. 1 BGB).

Die im Streitfall formulierte Kombination von Freiwilligkeitsvorbehalt und Zusage einer Bonusleistung verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

(1) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deswegen jedenfalls dann vor, wenn Gefahr besteht, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt (vgl. z. B. BAG 20.03.2013 – 10 AZR 636/11 – JURIS Rn. 25; BAG 18.05.2011 – 10 AZR 206/10 – JURIS Rn. 29).

(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist eine Verletzung des Transparenzgebots aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB darin zu sehen, dass die Bonusklausel in sich widersprüchlich ist:

Die in § 3 Abs. 2 enthaltenen wiederholten Hinweise auf die Freiwilligkeit der Bonusleistung bringen zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber die Leistung erbringen will, ohne hierzu durch Tarifvertrag, Gesetz oder Betriebsvereinbarung gezwungen zu sein. Weiterhin soll durch den Freiwilligkeitsvorbehalt die Entstehung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft ausschlossen werden. Hingegen ist die Formulierung, nach der von der Beklagten ein Bonus „gezahlt wird“, typisch für die Begründung eines Entgeltanspruchs. Auch die Abrede, wonach der Kläger an dem im Hause der Beklagten existierenden Bonussystem „teilnimmt“, lässt sich dem Wortlaut nach nur dahingehend verstehen, dass dem Kläger eine Bonuszahlung zusteht, wenn die nach dem Bonusplan der Beklagten für eine solche Zahlung erforderlichen Voraussetzungen vorliegen.

Auf Grund dieser Widersprüchlichkeit und der damit verbundenen Unklarheit der abgefassten Vertragsklauseln besteht die Gefahr, dass der Erklärungsempfänger in der Annahme, er hätte keinen Rechtsanspruch auf eine Bonuszahlung, seinen Anspruch auf den Bonus nicht geltend macht und so auf die Ausübung seiner Rechte verzichtet. Hierdurch wird der betroffene Arbeitnehmer – hier der Kläger – unangemessen benachteiligt.

(3) Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, bewirkt diese Intransparenz nach § 306 Abs. 1 BGB jedoch nicht die Unwirksamkeit der gesamten Bonusregelung. Nach dieser Vorschrift bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden sind oder unwirksam sind. Nur der in Nr. 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags beinhaltete Freiwilligkeitsvorbehalt, der einen Rechtsanspruch auf die Bonuszahlung ausschließt, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb unwirksam. Soweit die Bonusregelung einen Anspruch auf einen Bonus begründet, fehlt es an einer unangemessenen Benachteiligung. Insoweit bleibt die Bonusregelung deshalb wirksam.

(4) Darauf, ob der wirksamen Vereinbarung eines Freiwilligkeitsvorbehalts darüber hinaus entgegensteht, dass es sich bei Bonuszahlungen um laufendes Arbeitsentgelt handelt, kommt es für die Entscheidungsfindung mithin nicht mehr an. Ebenso wenig musste sich die Kammer noch mit der Frage auseinandersetzen. ob sich der Arbeitgeber bereits nach seinem eigenen Sachvortrag nicht mehr auf den Freiwilligkeitsvorbehalt berufen kann, weil er sich durch die von ihm behauptete Vorgabe von Zielen selbst gebunden hat und damit nach Ablauf der Beurteilungsperiode nicht mehr frei darüber zu entscheiden hatte, ob eine Vergütungszahlung erfolgt oder nicht (vgl. BAG 19.03.2014 – 10 AZR 622/13 – JURIS Rn. 52).

bb) Anders als das Eingangsgericht kommt die Berufungskammer jedoch zu dem Ergebnis, dass sich die Klausel hinsichtlich des Bonusanspruchs im Übrigen nicht als intransparent im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB erweist.

Zwar ist dem Arbeitsgericht zuzustimmen, dass im Arbeitsvertrag weder die Höhe noch die Voraussetzungen der Bonuszahlung definiert sind. Jedoch hat das Arbeitsgericht selbst darauf hingewiesen, dass die Arbeitsvertragsparteien die Ausgestaltung der Bonusregelung nicht zwingend im Arbeitsvertrag selbst abschließend regeln müssen. Es ist genügend, wenn der Arbeitsvertrag dynamisch auf andere Regelungswerke verweist, in denen die Modalitäten der Bonusgewährung vollständig definiert sind (vgl. BAG 19.03.2014 – 10 AZR 622/13 – JURIS Rn. 27). Insoweit erkennt das Berufungsgericht bereits nicht die Notwendigkeit, dass eine derartige Ausgestaltungsregelung zwingend kollektivrechtlich sein muss. Selbst wenn man jedoch mit dem Arbeitsgericht davon ausgeht, dass es bei der in Bezug genommenen Regelung um eine Betriebsvereinbarung handeln muss, so führt das nicht per se zur Intransparenz der streitgegenständlichen Vertragsklausel: Die Klausel verweist nämlich im Hinblick auf die Ausgestaltung der Bonusregelung ganz allgemein auf einen Bonusplan und lässt damit in ihrer Formulierung auch die Erstellung eines Bonusplans durch Betriebsvereinbarung oder sonstige kollektivrechtliche Regelung zu. Wenn man die Klausel per se für unwirksam erachten würde, würde man es dem Arbeitgeber zukunftsbezogen verwehren, in Anwendung des § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages mit dem Betriebsrat eine Regelung zu treffen, in welcher die Ausgestaltung der Bonusregelung abschießend festgelegt wird. Dies würde aber der zitierten Rechtsprechung widersprechen, wonach eine Bezugnahme auf außerhalb des Arbeitsvertrages liegende betriebliche Regelungen zumindest dann möglich ist, wenn z. B. der Betriebsrat in die Ausgestaltung der Regelungen eingebunden war.

Mithin ist die Bonusklausel an sich – den Freiwilligkeitsvorbehalt ausgenommen – AGB-konform, lediglich die konkrete Umsetzung ist wiederum einer Wirksamkeitskontrolle unter Beachtung der für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Vorschriften zu unterziehen.

c) Vorliegend wurde die in § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vorgesehene Umsetzung der Bonusmodalitäten im Wege eines Bonusplans für das Jahr 2014 jedoch vollständig unterlassen.

aa) Soweit sich die Beklagte auf einseitige Zielvorgaben vom 28.03.2014 beruft, entsprechen diese schon nicht der arbeitsvertraglichen Vorgabe, nach der die genaue Ausgestaltung der Bonusgewährung im Wege eines Bonusplans geregelt werden sollte.

bb) Darüber hinaus hat die Beklagte die Bekanntgabe der Zielvorgaben gegenüber dem Kläger auch nicht ausreichend substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt. Die Beklagte behauptet lediglich pauschal, dem Kläger sei die unter dem 28.03.2015 erfolgte Zielfestlegung bekannt gegeben worden. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger die Kenntnis dieser Zielvorgaben bestreitet, hätte die Beklagte im Einzelnen unter vorsorglichem Beweisangebot darlegen müssen, wann genau die Zielvorgaben dem Kläger durch wen in welcher Weise zur Kenntnis gebracht worden sind. Die Angaben der Beklagten sind zu wenig konkret und ermöglichen dem Kläger keine substantiierte Einlassung: Wenn die Beklagte nicht darstellt, wann genau ein Gespräch mit wem und mit welchem Inhalt stattgefunden hat oder in welcher sonstigen Weise dem Kläger die Zielvorgaben übermittelt worden sein sollen, entzieht sie dem Kläger die Möglichkeit, den Sachvortrag durch Darlegung eines anderen Geschehensablaufs zu widerlegen. Insbesondere da die Beklagte behauptet, die Zielvorgabe sei von beiden Parteien so gewünscht worden, wäre es zumutbar und notwendig gewesen, den Inhalt des Gesprächs oder der Korrespondenz über die Zielvorgaben so substantiiert darzustellen, dass die Ausführungen einer Beweisaufnahme zugänglich sind. Der auf derart unbestimmte Tatsachenangaben gestützte Beweisantrag der Beklagten ist als Ausforschungsbeweis einer Beweisaufnahme nicht zugänglich (vgl. Prütting in Münchner Kommentar zur ZPO, 16. Auflage 2013, § 284 ZPO, Rn. 79 m.w.N.).

cc) Vor dem Hintergrund, dass eine bloße Zielvorgabe ohnehin den arbeitsvertraglichen Anforderungen nicht genügt hätte, sowie im Hinblick auf die bereits erstinstanzlich erteilte konkrete gerichtlichen Auflage vom 25.09.2015 zur Darstellung der Zielfestlegung und die diesbezüglich bestreitende Einlassung der Klägerpartei war ein weiterer diesbezüglicher gerichtlicher Hinweis nicht veranlasst.

d) Die versäumte Erstellung eines Bonusplans mit klaren Zielvorgaben und Angaben zu den Zahlungs- und Abrechnungsmodalitäten stellt eine den Schadenersatz begründende Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 und Abs. 3 BGB i. V. m. § 283 Satz 1 BGB dar.

aa) Nach Ablauf der Zeit, für die ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer Ziele zu vereinbaren oder vorzugeben hatte, ist die Festlegung von Zielen nicht mehr möglich. Ziele können zwar an sich auch für einen vergangenen Zeitraum formuliert werden. Eine Zielvereinbarung oder Zielvorgabe, die bei Zielerreichung einen Anspruch des Arbeitnehmers auf einen Bonus begründet, kann entsprechend dem Motivationsgedanken ihre Anreizfunktion aber nur dann erfüllen, wenn der Arbeitnehmer bereits bei der Ausübung seiner Tätigkeit die von ihm zu verfolgenden Ziele kennt und weiß, auf das Erreichen welcher persönlicher oder unternehmensbezogener Ziele der Arbeitgeber in dem jeweiligen Zeitraum besonderen Wert legt und deshalb bereit ist, bei Erreichen dieser Ziele den zugesagten Bonus zu zahlen. Eine dem Motivationsgedanken und damit dem Sinn und Zweck einer Zielvereinbarung oder Zielvorgabe gerecht werdende Aufstellung von Zielen für einen vergangenen Zeitraum ist nicht möglich. Die Festlegung von Zielen wird jedenfalls mit Ablauf der Zielperiode unmöglich i. S. v. § 275 Abs. 1 BGB, so dass der Arbeitnehmer nach § 280 Abs. 1 und Abs. 3 BGB i. V. m. § 283 Satz 1 BGB statt der Festlegung von Zielen Schadensersatz verlangen kann (vgl. für Zielvereinbarungen BAG 12.12.2007 – 10 AZR 97/07 – JURIS Rn. 47).

bb) Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen ist mit der Beendigung des klägerischen Arbeitsverhältnisses am 30.06.2014 die Festlegung von Zielen nicht mehr möglich gewesen, da eine nachträgliche Zielvorgabe wegen der fehlenden Motivationsfunktion ausscheidet.

e) Da die Erstellung des Bonusplans nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien in der Verantwortung des Arbeitgebers lag, hat die Beklagte das Nichtzustandekommen des Bonusplans auch im Sinne des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu vertreten.

f) Die Beklagte hat dem Kläger für den Monat Juni 2014 EUR 567,– brutto als Schadenersatz zu leisten.

aa) Der Umfang des zu ersetzenden Schadens richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB.

(1) Gemäß § 252 Satz 1 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn. Dazu gehört entgangener Verdienst aus abhängiger Arbeit und damit auch eine Bonuszahlung (vgl. Palandt, BGB, 74. Auflage 2015, § 252 Rn. 7). Als entgangen gilt gemäß § 252 Satz 2 BGB der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Diese Bestimmung enthält für den Geschädigten eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung. Dieser hat nur die Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falles die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung der §§ 252 BGB, 287 ZPO auch die Darlegungslast derjenigen Partei mindert, die Ersatz des entgangenen Gewinns verlangt, dürfen insoweit keine zu strengen Anforderungen gestellt werden (BGH 18.02.2002 – II ZR 355/00 – NJW 2002, 2553).

(2) Dem Anwendungsbereich des § 287 Abs. 1 ZPO unterliegen sowohl die Feststellung des Schadens als auch dessen Höhe (vgl. BGH 28.04.1982 – IVa ZR 8/81 – NJW 1983, 998). Die Vorschrift dehnt für die Feststellung der Schadenshöhe das richterliche Ermessen über die Schranken des § 286 ZPO aus (BGH 17.04. 1997 – X ZR 2/96 – NJW-RR 1998, 331). Das Gesetz nimmt in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt (BAG 20.09.2006 – 10 AZR 439/05 – AP HGB § 60 Nr. 13). Allerdings soll die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen. Über bestrittene Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen hat das Gericht Beweis zu erheben (BAG 20.09.2006 – 10 AZR 439/05 – AP HGB § 60 Nr. 13; BGH 15.03.1988 – VI ZR 81/87 – NJW 1988, 3016; BGH 17.04.1997 – X ZR 2/96 – NJW-RR 1998, 331).

(3) Hat der Arbeitgeber schuldhaft kein Gespräch mit dem Arbeitnehmer über eine Zielvereinbarung geführt oder es entgegen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung unterlassen, eine Zielvorgabe zu machen, ist der für den Fall der Zielerreichung zugesagte Bonus bei der abstrakten Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 BGB Grundlage für die Ermittlung des dem Arbeitnehmer zu ersetzenden Schadens. Zwar müssen Zielvereinbarungen oder Zielvorgaben nicht stets die in Aussicht gestellte Bonuszahlung auslösen. Sie verfehlen jedoch ihren Motivationszweck und werden ihrer Anreizfunktion nicht gerecht, wenn die festgelegten Ziele vom Arbeitnehmer von vornherein nicht erreicht werden können. Auch kann sich ein Arbeitgeber der in der Rahmenvereinbarung zugesagten Bonuszahlung nicht dadurch entziehen, dass er vom Arbeitnehmer Unmögliches verlangt und nur bereit ist, Ziele zu vereinbaren oder vorzugeben, die kein Arbeitnehmer erreichen kann. Dem ist bei der Ermittlung des Schadens nach § 287 Abs. 1 ZPO Rechnung zu tragen. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer vorgegebene Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen. Solche besonderen Umstände hat der Arbeitgeber darzutun und gegebenenfalls nachzuweisen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Initiative zur Zielvorgabe/zum Zustandekommen einer Bonusregelung – wie es hier der Fall ist – nach dem Vertrag eindeutig vom Arbeitgeber auszugehen hat (vgl. LAG Köln 15.12.2014 – 5 Sa 580/14 – JURIS).

bb) In Anwendung vorstehender Grundsätze ist davon auszugehen, dass der Kläger bei rechtzeitiger Kenntnis der Ziele zumindest den Umsatzwert erreicht hätte, welcher der monatlichen Bonusleistung von EUR 567,– brutto entsprochen hätte.

Da die Beklagte schuldhaft keinen Bonusplan für das Jahr 2014 aufgestellt hat und sogar für die Vorgabe von Zielen beweisfällig geblieben ist, ist der – nach den Angaben der Beklagten – für den Fall der Zielerreichung zugesagte Bonus bei der abstrakten Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 BGB Grundlage für die Ermittlung des für den Arbeitnehmer zu ersetzenden Schadens.

Der Kläger hat vor diesem Hintergrund zumindest Anspruch auf die eingeklagten EUR 567,- da diese nach der eigenen Einlassung der Beklagten lediglich einem Zielerreichungsgrad von 78,46 % entsprochen hätten und die Beklagte – wie auch anhand der geleisteten Abschlagszahlung deutlich geworden ist – davon ausgegangen ist, dass der Kläger wenigstens den diesem Prozentsatz entsprechenden Umsatzwert auf jeden Fall erreichen würde.

cc) Besondere Umstände, welche die Annahme ausschließen, dass der Kläger im Falle der Erstellung eines Bonusplans für 2014 und der rechtzeitigen Bekanntgabe der Ziele den eingeklagten Bonus erwirtschaftet hätte, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

(1) Die Abwesenheitszeiten des Klägers stellen keine besonderen Umstände dar, welche die Kürzung des Schadenersatzanspruchs rechtfertigen würden.

Im Hinblick auf den Monat Juni 2014 ist eine Berücksichtigung von Krankheitszeiten bereits deswegen ausgeschlossen, weil eine Erkrankung in diesem Monat überhaupt nicht behauptet wurde.

Abgesehen davon gehören Bonuszahlungen aus Zielvereinbarungen oder Zielvorgaben mit individuellen Leistungszielen zum laufenden Arbeitsentgelt und sind keine Sondervergütungen (vgl. für Provisionsansprüche BAG 05.06.1985 – 5 AZR 459/83 – NZA 1986, 290; vgl. auch Reinhard in Erfurter Kommentar, 16. Auflage 2016, § 4a EFZG Rn. 8 m.w.N.). Für sie gilt das Lohnausfallprinzip, mit der Folge, dass der Arbeitnehmer für Zeiten, in denen ein Entgeltfortzahlungsanspruch nach §§ 3,4 EFZG besteht, auch ihm Hinblick auf die Bonusgewährung finanziell so zu stellen ist, wie wenn er seine Arbeitsleistung erbracht hätte, worauf bereits das Arbeitsgericht richtigerweise hingewiesen hat. Dass die Krankheitsphasen auch Zeiträume ohne Entgeltfortzahlung beinhalteten, hat die Beklagte nicht vorgetragen und ist auch nicht offensichtlich.

Auch die urlaubsbedingte Abwesenheit kann eine Kürzung des Anspruchs nicht begründen. So fehlt es schon an einem substantiierten Sachvortrag, wann genau die Inanspruchnahme des Urlaubs erfolgt sein soll, so dass nicht unterstellt werden kann, dass die urlaubsbedingte Abwesenheit überhaupt den Monat Juni 2014 betroffen hat.

Sofern die Beklagte die Reduzierung des Bonusanspruchs mit der Inanspruchnahme von noch 5,5 Resturlaubstagen im ersten Halbjahr 2014 rechtfertigen will, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Inanspruchnahme von weiteren 5,5 Urlaubstagen die gesetzlich zulässigen Abwesenheitszeiten in Form des aktuellen Urlaubsanspruches für das Jahr 2014 nicht signifikant erhöhen. Soweit die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung noch die Behauptung aufgestellt hatte, der Kläger habe durch die Aufsparung von Urlaubstagen im Jahr 2013 einen entsprechend höheren Umsatz erwirtschaftet und entsprechend mehr Boni verdient, die im Jahr 2014 dann fehlen würden, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Parteien im Kammertermin vom 13.10.2015 unstreitig gestellt haben, dass auch im Jahr 2013 – ebenso wie im Jahr 2014 – gleichbleibend Abschlagszahlungen in Höhe von jeweils EUR 567,– brutto geleistet worden sind. Zu einer höheren Bonuszahlung im Jahr 2013 ist es also entgegen den Angaben in der Berufungsbegründung nicht gekommen.

Nicht zuletzt ist wegen der Berechnung des Urlaubsentgelts auf Grundlage des Durchschnittsverdiensts der letzten 13 Wochen gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 BurlG nicht erkennbar, weshalb sich die urlaubsbedingte Abwesenheit des Klägers bonusmindernd auswirken sollte. Eine diesbezügliche Kürzungsmöglichkeit ist arbeitsvertraglich nicht vorgesehen. Auch aus der Handhabung in der Vergangenheit kann nicht auf eine entsprechende Kürzungsmöglichkeit geschlossen werden. Vielmehr hat sich die Beklagte in der Kammerverhandlung vom 13.10.2015 dahingehend eingelassen, dass im Bonusplan für 2013 eine Kürzungsmöglichkeiten lediglich für den Fall, dass ein Arbeitnehmer keinen Urlaub nehme oder zu wenig Urlaub nehme, vorgesehen gewesen sei, nicht aber umgekehrt.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger mit seiner Bonusforderung erheblich hinter dem Betrag zurückgeblieben ist, den er bei einem Zielerreichungsgrad von 100% zu beanspruchen gehabt hätte, so dass er eventuellen Bonuseinbußen durch Abwesenheitszeiten durch die Geltendmachung einer Forderung auf Basis eines Zielerreichungsgrads von lediglich 78,46 % Rechnung getragen hat.

(2) Dass der Kläger umsatzträchtige Aufträge abgelehnt hat, wurde nicht ausreichend substantiiert dargelegt. Es fehlt an konkreten Angaben, wann dem Kläger welche konkreten Aufgaben durch wen zugewiesen worden sein sollen und in welcher Handlung oder Unterlassung des Klägers eine Verweigerung der Annahme zu sehen gewesen sein soll. Der insoweit nur vage und unsubstantiiert formulierte Beweisantrag stellt einen Beweisermittlungsantrag dar, der als Ausforschungsbeweis unzulässig ist (vgl. Prütting in Münchner Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 284 ZPO, Rn. 79 m.w.N.).

Eine Minderung des Schadenersatzanspruchs ist mithin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt.

3. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Arbeitsentgeltanspruch für Juni 2014 in Höhe von insgesamt EUR 4067,– brutto lediglich in Höhe der unstreitigen Zahlung von EUR 792,93 netto erfüllt ist.

Soweit die Beklagte einwendet, dass Sie Lohnsteuer und Sozialabgaben korrekt abgeführt habe, fehlt eine argumentative Auseinandersetzung mit dem vom Arbeitsgericht geäußerten Schlüssigkeitsbedenken. Weshalb ein Teil der Beträge in der Abrechnung für Juni 2014 mit Minuszeichen versehen wurde, was auf eine Rückverrechnung hindeutet, hat die Beklagte auch in der Berufungsinstanz nicht erläutert.

Eine Abführung von Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen ist vor diesem Hintergrund noch immer nicht ausreichend nachvollziehbar dargestellt und damit der Möglichkeit der Beweisführung entzogen.

4. Die Beklagte hatte keinen Bonusrückforderungsanspruch, den sie mit dem Grundgehalt für Juni 2014 verrechnen konnte. Ebenso wenig ist der Vergütungsanspruch des Klägers für den Monat Juni 2014 durch Aufrechnung erloschen (§ 389 BGB).

a) Die Beklagte kann nicht auf Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarung einen Überschuss geleisteter Abschlagszahlungen in Verrechnung bringen.

Einer Verrechnung steht entgegen, dass es an einer diesbezüglichen Vereinbarung fehlt.

aa) Bei Lohnvorschüssen und Abschlagszahlungen handelt es sich um vorweggenommene Vergütungstilgungen, die zur Verrechnung keiner Aufrechnung oder Aufrechnungserklärung bedürfen und auch nicht den Pfändungsfreigrenzen nach § 394 BGB i. V. m. § 850c ZPO unterliegen. Grundlage eines derartigen Verrechnungsanspruchs ist nicht § 812 BGB, sondern die ursprünglichen Vereinbarung. Voraussetzung einer Verrechnungsmöglichkeit ist also, dass zwischen den Parteien Einigkeit darüber erzielt wurde, dass eine Zahlung als Vorschuss erbracht wird, welche bei Fälligkeit der Forderung sodann verrechnet wird (vgl. BAG 13.11.2000 – 5 AZR 334/99 – NZA 2002, 390; LAG Rheinland-Pfalz 05.10.2012 – 6 Sa 689/11 – JURIS Rn. 38).

bb) Vorliegend existiert keine Vereinbarung darüber, dass die von Januar bis Mai 2014 geleisteten Zahlungen als Abschlagszahlungen oder Vorschusszahlungen geleistet worden sind, da die Beklagte den Bonusplan, in dem die Bonusmodalitäten und die Ausgestaltung der Abschlagszahlungen, Schlussabrechnung usw. geregelt werden, nicht aufgestellt hat. Mithin unterfallen die Zahlungen ab Januar 2014 nicht der Bonusklausel im Arbeitsvertrag und können weder als Abschlagszahlung noch als Vorschuss gewertet werden. Soweit die Beklagte – wohl bezogen auf Ende März 2014 – die Bekanntgabe von Zielvorgaben gegenüber dem Kläger behauptet hat, geht aus den von der Beklagten vorgelegten Zielvorgaben zum einen eine konkrete Abschlagszahlungsvereinbarung nicht hervor; zum anderen wurde die diesbezügliche Bekanntgabe gegenüber dem Kläger nicht in einer der Beweisaufnahme zugänglichen Form substantiiert dargelegt [s. B. I. 2.c) bb)].

b) Der Beklagten stand auch kein gegen den Arbeitsvergütungsanspruch des Klägers aufrechenbarer bereicherungsrechtlicher Anspruch zu.

Hierbei bedarf es keiner Entscheidung, ob einer derartigen Aufrechnung jedenfalls teilweise die Pfändungsfreigrenzen entgegenstehen könnten. Weiterhin kann offen bleiben, ob die Beklagte überhaupt berechtigt ist, Aufrechnungen wegen angeblich rechtsgrundlos geleisteter zusätzlicher Gehaltsbestandteile gegen das Grundgehalt vorzunehmen.

Eine Rückforderung scheidet nämlich jedenfalls deswegen aus, weil dem Kläger auch für die Monate Januar bis Mai 2014 ein Schadenersatzanspruch wegen unterlassener Zielvorgabe im Rahmen eines Bonusplans in Höhe des geltend gemachten Aufrechnungsanspruchs zusteht. Diesen Schadenersatzanspruch kann der Kläger der Geltendmachung eines etwaigen Rückforderungsanspruchs aus Bereicherungsrecht gemäß § 242 entgegensetzen.

aa) Eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB ist unter anderem dann anzunehmen, wenn ein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Ausübung eines Rechtes fehlt. Ein schützenswertes Interesse wird unter anderem dann aberkannt, wenn eine Leistung gefordert wird, die alsbald zurück zu gewähren wäre: dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est (vgl. BGH 21.05.1953 – IV ZR 192/52 – BGHZ 10,75; BGH 09.01.1981 – V ZR 58/79 – BGHZ 79, 204; BGH 29.04.1985 – II ZR 146/84 – BGHZ 94, 246; BGH 21.12.1989 – X ZR 30/89 – BGHZ 110,33). Macht der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer also eine Forderung geltend, die er alsbald als Schadenersatz zurückerstatten müsste, ist ein Eigeninteresse an der Durchsetzung der Forderung nicht ersichtlich (so auch BAG 10.11.2011 – 6 AZR 357/10 – NZA 2012, 205; BGH 24.05.1976 – III ZR 145/74 – BGHZ 66, 305; BGH 03.12.1991 – VI ZR 378/90 – BGHZ 116, 200; Palandt, BGB, 74. Auflage 2015, § 242 Rn. 52 m.w.N.).

bb) Vorliegend hat der Kläger nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen die Beklagte einen Schadenersatzanspruch in Höhe von EUR 567,- brutto monatlich auch für die Monate Januar 2014 bis Mai 2014 erworben. Die unter B. I. 2. angeführten Gründe für die Entstehung eines Schadenersatzanspruchs für den Monat Juni 2014 sind auch auf den Zeitraum Januar 2014 bis Mai 2014 übertragbar: Auch für diese Monate hat es die Beklagte schuldhaft versäumt, einen Bonusplan zu erstellen. Bonusvorgaben, die allein der vertraglichen Vereinbarung ohnehin nicht genügt hätten, wurden bis Ende März unstreitig vollständig unterlassen, für den nachfolgenden Zeitraum wurde die Bekanntgabe von Bonusvorgaben gegenüber dem Kläger nicht einer Beweisaufnahme zugänglich dargelegt. Anhaltspunkte, welche die Annahme ausschließen würden, der Kläger hätte bei rechtzeitiger Erstellung eines Bonusplans und rechtzeitiger Bekanntgabe der Ziele nicht wenigstens einen Zielerreichungsgrad von 78,46 % erwirtschaftet, sind nicht vorhanden. Insbesondere fehlt es an einer Vereinbarung, welche die Kürzung von Bonusansprüchen wegen Krankheit oder Urlaubsnahme rechtfertigen würde. Sonstige Umstände, die vorliegend eine Minderung des Schadenersatzanspruchs begründen könnten, hat die Beklagte auch in Bezug auf diesen Zeitraum nicht substantiiert dargelegt. Wegen der Einzelheiten der rechtlichen Begründung zu Grund und Höhe des Schadenersatzanspruchs wird auf die Ausführungen unter B. I. 2. verwiesen.

Selbst wenn man zugunsten der Beklagten annehmen würde, dass die monatlichen Zahlungen von Januar bis Mai 2014 ohne Rechtsgrund geleistet worden sind, da ein Schadenersatzanspruch zu diesem Zeitpunkt noch nicht entstanden gewesen ist, steht der Geltendmachung dieses Rückforderungsanspruchs im Wege der Aufrechnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der dem Kläger zustehende Schadenersatzanspruch über § 242 BGB entgegen. Die Beklagte müsste die auf Grundlage von Bereicherungsrecht eingeforderten Zahlungen sofort im Wege des Schadenersatzes zurückerstatten.

c) Aufgrund der Tatsache, dass eine Aufrechnung mit etwaigen bereicherungsrechtlichen Ansprüchen jedenfalls am Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB scheitert, musste sich die Berufungskammer nicht mehr abschließend mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Voraussetzungen für eine Leistungskondiktion oder einen sonstigen bereicherungsrechtlichen, aufrechenbaren Anspruch im Ergebnis tatsächlich vorgelegen haben.

Die Beklagte sei jedoch der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass vorliegend viel dafür spricht, dass eine auf § 812 Abs. 1 BGB gestützte bereicherungsrechtliche Rückforderung von Leistungen vorliegend auch wegen § 814, 1. Alt. BGB ausgeschlossen gewesen wäre:

Gemäß § 814, 1. Alt. BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete dann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war.

Vorliegend ist unstreitig, dass die Beklagte bis Ende März 2014 weder einen Bonusplan erstellt noch dem Kläger Zielvorgaben gemacht hat, ihm jedoch in Kenntnis des Fehlens dieser Voraussetzungen für einen Bonusanspruch trotzdem weiter EUR 567,- brutto monatlich überwiesen hat.

Auch für die Restlaufzeit des Arbeitsvertrages, in der die Beklagte monatlich weiter EUR 567,– brutto neben dem Grundgehalt bezahlte (April bis Mai 2014), liegt eine Kenntnis der Beklagtenpartei von der fehlenden Verpflichtung zur Zahlung der zusätzlichen Vergütung in Höhe von EUR 567,00 brutto zumindest nahe: Soweit die Beklagte – unsubstantiiert – behauptet, dem Kläger im März 2014 schließlich Ziele bekannt gegeben zu haben, ist zu beachten, dass sich die Teamleiter nach Einlassung der Beklagten im Kammertermin vom 13.10.2015 regelmäßig einen Überblick über den Zielerreichungsgrad der teamangehörigen Arbeitnehmer verschafft haben. Nach den eigenen Ausführungen der Beklagten hat der Kläger bis zu seinem Ausscheiden vom behaupteten Planumsatzwert für das Jahr 2014 lediglich 2,84 % erreicht. Da die Teamleiter den Zielerreichungsgrad ihrer Mitarbeiter regelmäßig kontrolliert haben, muss der für den Kläger zuständige Teamleiter erkannt haben, dass der Kläger in 2014 stets weit hinter den behaupteten Zielvorgaben zurückblieb und die Voraussetzungen für die Leistung einer Abschlagszahlung, bei der es sich begrifflich um eine Zwischenzahlung auf bereits verdiente und fällige Arbeitsvergütung handelt, in keiner Weise geschaffen hat (vgl. zur Begriffsdefinition BAG 11.02.1987 – 4 AZR 144/86 – NZA 1987, 485. 486). Unabhängig von einer Wissenszurechnung ist anzunehmen, dass dieser Umstand auch der Geschäftsführung zur Kenntnis gelangt sein dürfte. Dies gilt umso mehr, als sich die Beklagte prozessual stets darauf berufen hat, dass die Voraussetzungen für die Bonusgewährung zu keinem Zeitpunkt gegeben waren, weil der Kläger nur sehr geringe Arbeitsleistung erbracht und umsatzrelevante Tätigkeiten abgelehnt habe. Dass die Beklagte von den geringen Umsätzen des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum erst später Kenntnis erlangt hat, hat diese auch zu keinem Zeitpunkt behauptet. Letztendlich bedurfte es aus den vorgenannten Gründen diesbezüglich jedoch keiner abschließenden Klärung mehr, da die Aufrechnung schon aus sonstigen Gründen ausschied.

II. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger einen Anspruch auf die begehrten Zeugnisänderungen hat.

Der Anspruch auf Berichtigung des erteilten Arbeitszeugnisses ergibt sich vorliegend aus § 109 Abs. 1 GewO.

1. Nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO hat sich ein qualifiziertes Arbeitszeugnis auf Verlangen auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis zu erstrecken. Die Beschränkung der Beurteilung nur auf die Leistung oder nur auf das Verhalten des Arbeitnehmers ist unzulässig und erfüllt den Zeugnisanspruch nicht (vgl. BAG 21.06.2005 – 9 AZR 252/04 – NZA 2006. 104; LAG Rheinland-Pfalz – 14.05.2009 – 10 Sa 183/09 – JURIS).

Strebt der Arbeitnehmer eine bessere, überdurchschnittliche Beurteilung an, trifft grundsätzlich ihn die Darlegungs- und Beweislast, denn er macht die Rechtsfolge einer Pflichtverletzung geltend. Soll das Zeugnis ihm „sehr gute“ oder „gute“ Leistungen bescheinigen, hat er deren tatsächliche Grundlagen darzulegen und ggf. zu beweisen (vgl. BAG 18.11.2014 – 9 AZR 584/13 – NZA 2015, 435). Anderes gilt nur dann, wenn sich der Arbeitgeber – z. B. durch die Erteilung eines Zwischenzeugnisses – an bestimmte Inhalte oder Beurteilungen für bestimmte Zeiträume bereits rechtlich gebunden hat. Der Arbeitgeber kann hiervon nur abweichen, wenn die späteren Leistungen und das spätere Verhalten des Arbeitnehmers das rechtfertigen (BAG 16.10.2007 – 9 AZR 248/07 – NZA 2008, 298). Hingegen ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet, wenn er dem Arbeitnehmer eine nur „ausreichende“ oder noch schlechtere Bewertung zukommen lassen will (BAG 24.3.1977 – 3 AZR 232/76 – AP BGB § 630 Nr. 12; LAG Köln 26.4.1996 – 11 (13) Sa 1231/95 – NZA-RR 1997, 84). Daraus folgt, dass bei mangelndem Vortrag oder Beweisfälligkeit beider Parteien im Prozess ein Zeugnis mit durchschnittlicher, „befriedigender“ Bewertung ausgeurteilt werden muss (LAG Hamm 13.2.1992 – 4 Sa 1077/91 – LAGE BGB § 630 Nr. 16; vgl. a. LAG Düsseldorf 12.3.1986 – 15 Sa 13/86 – LAGE BGB § 630 Nr. 2).

2. a) Unter Beachtung vorgenannter Grundsätze kann der Kläger die begehrte Änderung der Bewertung seines logistischen Wissens im Zeugnistext durchsetzen.

Die Beklagte hat mit der Formulierung „ein den Mindestanforderungen genügendes logistisches Wissen“ eine Bewertung des klägerischen logistischen Wissens vorgenommenen, die nach allgemeinem Verständnis der Schulnote „mangelhaft“ entspricht und mithin weit unterdurchschnittlich ist (vgl. für ähnliche Formulierung LAG Düsseldorf, 11.06.2003 – 12 Sa 354/03 JURIS Rn. 35 f.). Mithin ist sie für die Tatsachen, welche die unterdurchschnittliche Bewertung der logistischen Fachkenntnisse des Klägers begründen, darlegungs- und beweispflichtig.

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Beklagten um ein Unternehmen mit Logistikbezug handelt, der Kläger die erfolgreiche Teilnahme an mehreren Logistikschulungen unter Darlegung der konkreten Inhalte belegt und die Anwendung seiner logistischen Fachkenntnisse im Rahmen von Projekten ausführlich dargelegt hat, hätte die Beklagte sich nicht darauf beschränken dürfen, das logistische Wissen des Klägers pauschal zu bestreiten. Vielmehr hätte sie als darlegungs- und beweisbelastete Partei konkrete Umstände darstellen und beweisen müssen, aus denen das unzureichende logistische Know-how des Klägers hervorgehen soll. Da sie dies versäumt hat, ist sie für eine schlechtere als durchschnittliche Bewertung des logistischen Fachwissens des Klägers beweisfällig geblieben, mit der Folge, dass der Kläger nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen eine durchschnittliche Bewertung verlangen kann. Die begehrte Formulierung „verfügte auch über ein fundiertes logistisches Wissen“ ohne weitere Aussage zur Anwendung des Wissens in der Praxis entspricht dem Begriff „solide“ und damit einer durchschnittlichen Bewertung (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 26.03.2013 – 10 Sa 546/12 – JURIS). Da die Beklagte gegen die Wortwahl selbst nichts eingewandt hat, insbesondere keine Alternativformulierung für eine befriedigende Leistung begehrt oder vorgeschlagen hat – war dem Antrag des Klägers auf Erteilung der befriedigenden Bewertung mit dem vom Kläger angeregten Wortlaut stattzugeben. Wenn die Beklagte sprachliche Bedenken gegen die von der Klägerseite vorgeschlagene Formulierung hatte, hätte sie eine vergleichbare Umschreibung wählen müssen (so BAG 21. 6. 2005 – 9 AZR 352/04 – NZA 2006, 104, 106).

b) Der Kläger hat zudem einen Anspruch darauf, dass das erteilte Arbeitszeugnis um den Satz „Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kunden und Kollegen war stets einwandfrei“ ergänzt wird.

Da das erteilte Arbeitszeugnis unvollständig war, war es nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze um eine Verhaltensbewertung zu vervollständigen.

Die Berufungskammer folgt der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, wonach die vom Kläger begehrte Formulierung nach allgemeinem Verständnis nicht der Notenstufe „sehr gut“ entspricht, sondern als „gute“ (vgl. z. B. BAG 21. 6. 2005 – 9 AZR 352/04 – NZA 2006, 104. 106; s. auch Düwell/Dahl: Die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung im Arbeitszeugnis – NZA 2011, 958 m. w. N.) bis „vollbefriedigende“ (so Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht, 12. Auflage 2015, Kap. 9 Rn. 36 m.w.N.) Verhaltensbewertung angesehen wird. Die Beklagte verkennt, dass die Notenstufe „sehr gut“ – unter Nennung der Kontaktgruppen Vorgesetzte, Kollegen und Kunden – in der Regel durch Formulierungen wie „stets vorbildlich/allseits anerkannt und geschätzt“ zum Ausdruck gebracht wird (vgl. etwa Düwell/Dahl: Die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung im Arbeitszeugnis – NZA 2011, 958 m. w. N.; Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht, 12. Auflage 2015, Kap. 9 Rn. 36 m.w.N.). Im Vergleich zu der Formulierung „stets einwandfrei“, welche zum Ausdruck bringt, dass das Sozialverhalten des Arbeitnehmers zu keinem Zeitpunkt Anlass zu Beanstandungen gegeben hat, bedeuten die zitierten Formulierungen noch eine Steigerung, da hierdurch das Verhalten des Arbeitnehmers im Rahmen des Arbeitsverhältnisses im positiven Sinne besonders hervorgehoben wird.

Zwar ist der Kläger nach den vorstehenden Ausführungen – unabhängig davon, welcher Notenstufe man die vom Kläger begehrte Formulierung zuordnet – grundsätzlich für die begehrte überdurchschnittliche Verhaltensbewertung darlegungs- und beweispflichtig. Das erstinstanzlich erkennende Gericht hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Beklagte dem Kläger die begehrte gute Bewertung dem Grunde nach zuerkannt hat, eine diesbezügliche Dokumentation im Zeugnis jedoch nur deswegen abgelehnt hat, weil der Kläger Kunden abgeworben haben soll, ohne die Abwerbungsversuche jedoch zeitlich, örtlich und inhaltlich zu substantiieren und vorsorglich unter Beweis zu stellen.

Stützt die Beklagte die Verweigerung einer guten Benotung allein auf Abwerbungsversuche des Klägers, dann ist dies dergestalt zu werten, dass die überdurchschnittliche Leistung im Übrigen unstreitig ist. Stellt die Beklagte die Abwerbungsversuche auf ein diesbezügliches Bestreiten des Klägers dann nicht ausreichend substantiiert und einer Beweisaufnahme zugänglich dar, so bleibt sie für den einzigen Umstand, der eine schlechtere als gute Bewertung rechtfertigen würde, beweisfällig. Insoweit greift die Beklagte die Entscheidung des Arbeitsgerichts in der Berufungsinstanz auch nicht mehr an. Die Beklagte wendet sich zweitinstanzlich nur noch gegen den Umstand, dass das Arbeitsgericht die gewählte Formulierung nicht als „sehr gute“, sondern lediglich als „gute“ Verhaltensbewertung eingeordnet hat. Aus den dargestellten Gründen ist dem erstinstanzlich erkennenden Gericht insoweit jedoch ausdrücklich beizupflichten.

3. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das berichtigte Zeugnis das Datum des ursprünglich erteilten Zeugnisses zu tragen hat, da die verspätete – inhaltlich korrekte – Ausstellung nicht vom Kläger zu vertreten ist (s. BAG 09.09.1992 – 2 AZR 509/91- NJW 1993, 2196).

Die Berufung bleibt daher auch diesbezüglich erfolglos.

III. Die Widerklage stand auch in zweiter Instanz nicht zur Entscheidung an, da die erkennende Kammer die fehlende Aufrechnungsmöglichkeit nicht auf die Verletzung von Pfändungsschutzbestimmungen gestützt hat.

IV. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

Anlass für die Zulassung der Revision besteht angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.

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