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Kündigung wegen Rauchgeruchs in der Kleidung

ArbG Saarlouis

Az: 1 Ca 375/12

Urteil vom 28.05.2013

Leitsatz (vom Verfasser – nicht amtlich): Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der bestehende Rauchverbot in einem Betrieb befolgt, aber kurz vor seinem Arbeitsbeginn eine Zigarette raucht und aufgrund dieser Tatsache nach Rauch riecht, ist treuwidrig und die ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Wenn ein Arbeitnehmer vor dem Arbeitsantritt noch eine Zigarette raucht, gehört dies in die Privatsphäre des Arbeitnehmers und unterfällt seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz, das auch im Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen ist.

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 10.04.2012 nicht aufgelöst worden ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.

4. Der Streitwert wird auf 2.568,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Probezeitkündigung.

Die am 09.03.1963 geborene Klägerin stand in einem Arbeitsverhältnis, als sie sich bei der Beklagten als Bürokraft bewarb. Am 19.03.2012 kam es zu einem Vorstellungsgespräch mit der Geschäftsführerin der Beklagten. Vereinbart wurde, dass die Klägerin Probearbeiten bei der Beklagten durchführen sollte.

Am 21.03.2012 arbeitete die Klägerin in der Zeit von 09.00 Uhr bis 13.00 Uhr bei der Beklagten zur Probe. Anschließend fand ein Gespräch zwischen der Klägerin und der Geschäftsführerin der Beklagten statt, in welchem der Klägerin ein Arbeitsverhältnis ab dem 10.04.2012 zugesagt wurde.

Am 23.03.2012 rief die Geschäftsführerin der Beklagten bei der Klägerin an und teilte mit, dass der Arbeitsvertrag unterschriftsfertig sei. Am 28.03.2012 kam es daraufhin zu einer Besprechung, in der die Geschäftsführerin der Beklagten der Klägerin mitteilte, sie wisse nicht, ob man „zusammen komme“. Auf den Hinweis der Klägerin, dass sie ihre Stelle gekündigt habe, um den neuen Job bei der Beklagten anzutreten, teilte die Geschäftsführerin mit, dass sie lediglich einen Bedarf für eine Bürokraft für 30 Stunden pro Woche habe. Die Parteien einigten sich in dem Gespräch darauf, einen Arbeitsvertrag über 30 Stunden pro Woche abzuschließen. Bei dem Gespräch wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass am Arbeitsplatz ein absolutes Rauchverbot bestehe, welches die Klägerin akzeptierte, da es für sie kein Problem sei, mehrere Stunden ohne Zigaretten auszukommen.

Am 10.04.2012 begann die Klägerin ihre Tätigkeit bei der Beklagten. Zu Arbeitsbeginn wurde sie gefragt, ob sie geraucht habe. Dies bejahte die Klägerin und teilte mit, dass sie vor Arbeitsantritt eine Zigarette geraucht habe, da in den Büroräumlichkeiten der Beklagten ein Rauchverbot bestehe. Daraufhin öffnete die Geschäftsführerin der Beklagten das Fenster und lüftete die Räumlichkeiten in Anwesenheit der Klägerin. Zwei Stunden später erhielt die Klägerin von der Geschäftsführerin der Beklagten ein Kündigungsschreiben, in welchem das Arbeitsverhältnis während der Probezeit fristgemäß zum 24.04.2012 gekündigt wurde.

Die Klägerin ist der Ansicht, das Motiv, ein Arbeitsverhältnis zu kündigen, weil die Klägerin vor Arbeitsantritt eine Zigarette geraucht habe, widerspreche den allgemeinen Wertvorstellungen so grob, dass eine Gesamtabwägung aller Umstände dazu führe, dass die Kündigung nicht nur als sozialwidrig und willkürlich anzusehen sei, sondern als sittenwidrig und damit nichtig.

Die Klägerin behauptet, dass die Geschäftsführerin der Beklagten ihr im Anschluss an das Probearbeiten am 21.03.2012 eine Vollzeitstelle über 40 Stunden in der Woche zugesagt habe. Daraufhin habe sie ihr bisheriges Arbeitsverhältnis gekündigt, in welchem sie eine Vergütung in Höhe von 1.550,00 € brutto pro Monat erhalten habe. Ihr sei bereits deshalb ein Schaden entstanden, weil sie entgegen einer Zusage, 40 Stunden pro Woche beschäftigt zu werden, nur einen Arbeitsvertrag über 30 Stunden erhalten habe. Selbst wenn man mithin davon ausgehen würde, dass die Kündigung gerechtfertigt wäre, sei der Klägerin ein Schaden in Höhe von 208,00 € wegen des Minderverdienstes während der vertraglichen Tätigkeit bei der Beklagten entstanden. Zu diesem Schaden sei einer weiterer in Höhe von 600,00 € pro Monat für zwei Monate entstanden, da die Klägerin nur Arbeitslosengeld in Höhe von 550,00 € erhalten habe. Zudem sei sie wegen des Vorfalls psychisch erkrankt.

Die Klägerin hält die Kündigung für sittenwidrig, weil sie bereits zwei Stunden nach Arbeitsantritt ausgesprochen worden sei. Maßgeblich sei, dass ihr zu keinem Zeitpunkt eine Möglichkeit gegeben worden sei, ihr Verhalten, das im Übrigen völlig sozialadäquat sei und keinen Arbeitsvertragsverstoß darstelle, zu ändern. Weder ihre Kleider noch ihre Haare hätten in einer derartigen Intensität nach Rauch gerochen, dass sich Kunden oder Mitarbeiter hätten beschweren können. Kundenkontakt habe die Klägerin überhaupt nicht gehabt. In welchem Ambiente die Beklagte ihre Bekleidungswaren anbiete sei unerheblich, da die Klägerin keine Kundenberaterin gewesen sei, sondern als Bürokraft eingestellt worden sei.

Die Klägerin beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 10.04.2012 nicht aufgelöst worden ist.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche durch die Kündigung entstandenen und noch entstehenden Schäden zu ersetzen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet, mit der Klägerin zunächst eine Vollzeitstelle ab dem 10.04.2012 vereinbart zu haben. Zudem bestreitet sie, dass die Klägerin bei ihrem letzten Arbeitgeber eine Vergütung in Höhe von 1.550,00 € brutto erhalten hat und sich aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis bei ihr beworben habe. Nach ihren Informationen sei die Klägerin gegen die Kündigung des früheren Arbeitgebers gerichtlich vorgegangen. Die vorherige Arbeitsstelle der Klägerin, die Firma X, existiere auch nicht mehr, so dass die Klägerin auch dort keinerlei Einnahmen mehr hätte erzielen können. Zudem sei die Beklagte bei einem Telefonat mit der Personalabteilung der Firma X  vor der Klägerin gewarnt worden mit dem Hinweis darauf, dass diese schwierig und absolut unzuverlässig sei. Die Kündigung sei auch nicht unwirksam, da eine Kündigung in der Probezeit nicht an Gründe gebunden sei, mithin die Voraussetzungen für eine Kündigung nicht geltend zu machen seien. Der Grund, warum die Kündigung ausgesprochen worden sei, sei auch nicht willkürlich und erst recht nicht sittenwidrig. Die Klägerin habe am 10.04.2012 bei Ausübung der Tätigkeit dermaßen stark nach Rauch gerochen, dass die Geschäftsführerin der Beklagten gezwungen gewesen sei, die Fenster zu öffnen und die Geschäftsräume zu lüften. Dies sei auch von weiteren Mitarbeiterinnen der Beklagten reklamiert worden. Die Klägerin habe nicht nur im Büro-, sondern auch im Bekleidungsbereich arbeiten sollen. Sie habe die neu eingetroffene Ware auszeichnen und auf die einzelnen Shops verteilen sollen. Dabei handele es sich um hochwertige Bekleidung. Die Klägerin sei nicht in der Lage und nicht willens gewesen, den mit dem starken Nikotingenuss verbundenen Körper-, Mund- und Kleidergeruch zu unterbinden bzw. auf ein Minimum zu reduzieren. Die Beklagte habe grundsätzlich nichts dagegen, dass Mitarbeiterinnen ihres Geschäfts rauchen, dies sollte allerdings keinen Einfluss auf den Geschäftsbetrieb haben. Auch Kunden der Beklagten hätten sich bei Mitarbeiterinnen über den starken Rauchgeruch beschwert. Bei der Präsentation der Waren erwarteten diese ein exklusives Ambiente, da es sich ausschließlich um hochwertige Bekleidungswaren im obersten Preissegment handele. Dazu gehöre selbstverständlich auch eine Kundenberaterin, die nicht nur auf ihre äußere Erscheinung größten Wert lege, sondern auch naturgemäß keinerlei Gerüche negativer Art verbreite. Dies sei bei der Klägerin in absolut nicht hinnehmbarer Art und Weise der Fall gewesen. Entsprechend sei die Kündigung durch die Beklagte in keinster Weise willkürlich, sondern schlicht und einfach eine nachvollziehbare Reaktion auf das Auftreten der Klägerin gegenüber Kunden und Mitarbeitern gewesen. Die Klägerin habe bei dem Vorstellungsgespräch auch nicht nach Rauch gerochen, wie dies dann bei Arbeitsbeginn dann der Fall gewesen sei. Daher sei die Kündigung weder sittenwidrig noch unsozial. Ein Verstoß gegen § 138 BGB liege nicht vor. Die Kündigung der Klägerin sei während der Probezeit uneingeschränkt zulässig gewesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin X. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 14.05.2013 Bezug genommen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 24.07.2012, vom 27.11.2012 und vom 28.05.2013 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 10.04.2012 nicht beendet worden.

a. Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 2, Abs. 1 KSchG unwirksam. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien hat bei der Kündigung noch nicht länger als sechs Monate ohne Unterbrechung bestanden.

b. Nach Ansicht der Kammer verstößt die Kündigung jedoch gegen § 242 BGB und ist damit nichtig. Die Beklagte hat ihr Kündigungsrecht treuwidrig ausgeübt.

aa. Die Vorschrift des §§ 242 BGB ist auf Kündigungen neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Das KSchG hat die Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und abschließend geregelt, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes geht. Umstände, die im Rahmen des § 1 KSchG zu würdigen sind und die Kündigung als sozial ungerechtfertigt erscheinen lassen können, kommen als Verstöße gegen Treu und Glauben nicht in Betracht. Eine Kündigung verstößt dann gegen § 242 BGB und ist nichtig, wenn sie aus Gründen, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind, Treu und Glauben verletzt. Dies gilt jedenfalls für eine Kündigung, auf die wegen Nichterfüllung der 6-monatigen Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG keine Anwendung findet, weil sonst für diese Fälle über § 242 BGB der kraft Gesetzes ausgeschlossene Kündigungsschutz doch gewährt werden und außerdem die Möglichkeit des Arbeitgebers eingeschränkt würde, die Eignung des Arbeitnehmers für die geschuldete Tätigkeit in seinem Betrieb während der gesetzlichen Probezeit zu überprüfen (ständige Rechtsprechung BAG 5.4.2001 – 2 AZR 185/00 – Rn. 12, BAGE 97, 294 mit weiteren Nachweisen). Welche Anforderung sich aus Treu und Glauben ergeben, lässt sich dabei nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entscheiden (ausführlich mit einer Aufzählung aus der Rechtsprechung BAG 23.6.1994 – 2 AZR 617/93 – Juris Rn. 22 – BAGE 77, 128).

bb. Ein typischer Tatbestand der treuwidrigen Kündigung ist neben einem widersprüchlichen Verhalten des Arbeitgebers, dem Ausspruch der Kündigung in verletzender Form und einer den Arbeitnehmer etwa wegen seines Sexualverhaltens diskriminierenden Kündigung der Ausspruch einer Kündigung zur Unzeit (BAG 5.4.2001 – 2 AZR 185/00 – Juris Rn. 13 – BAGE 97, 294; BAG 1.7.1999 – 2 AZR 926/98 – AP BGB § 242 Kündigung Nr. 10; 24.8.1996 – 2 AZR 874/95 – RZK I8 I Nr. 22, 12.7.1990 – 2 AZR 39/90 – AP BGB § 613a Nr. 87 = EZA BGB § 613a Nr. 90; 16.2.1989 – 2 AZR 347/88 – BAGE 61, 151; BAG 14.11.1984 – 7 AZR 174/83 – AP BGB § 626 Nr. 88 = EZA BGB § 242 Nr. 38).

cc. Der Grundsatz von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Dies gilt auch für die mittels einer Kündigung ausgeübte Gestaltungsmacht, die – das ist dem gesamten Kündigungsrecht eigen – einer richterlichen Rechtskontrolle unterliegt (BAG 23.6.1994 – 2 AZR 617/93 – Juris Rn. 24 – BAGE 77, 128 mit weiteren Nachweisen aus der Literatur). Bei der Konkretisierung einer solchen Generalklausel wie des Grundsatzes von Treu und Glauben sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 7, 198, 204 f; 42, 143, 148; Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BVR 567/89 u. 1044/87 – BB 1994, 16, 20 f) die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie, das Recht auf Achtung der Menschenwürde und das allgemeines Persönlichkeitsrecht zu berücksichtigen. Indem § 242 BGB ganz allgemein auf die Verkehrssitte sowie Treu und Glauben verweist, wird von den Gerichten eine Konkretisierung am Maßstab von Wertvorstellungen verlangt, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden; bei der Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift sind die Grundrechte als „Richtlinien“ zu beachten (BVerfG 7, 198, 206).

dd. Daraus folgt zunächst, dass es Verkehrssitte sowie Treu und Glauben nicht widerspricht, wenn die Beklagte als Gläubiger der vom Kläger geschuldeten Arbeitsleistung innerhalb der Probezeit von dem ihr durch den Grundsatz der Privatautonomie eingeräumten Kündigungsrechten Gebrauch macht. Die Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen nach seinem Willen ist ein Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit; Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die Privatautonomie als „Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben“ (BVerfG vom 19.10.1993 – 1 BVR 567/89 – BB 1994, 16, 20 f; BAG 23.06.1994 – 2 AZR 617/93 – juris Rn. 25, BAGE 77, 128). Die Privatautonomie ist jedoch notwendigerweise begrenzt. Ihrer Ausübung stehen die Rechte gleichrangiger Grundrechte gegenüber. Die Klägerin hat ihrerseits ein Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht umfasst auch die Freiheit, die Privatsphäre nach eigener Entscheidung zu gestalten (BVerfG 60, 123, 146; BAG 23.06.1994 – 2 AZR 617/93 – aaO zum Bereich der sexuellen Selbstbestimmung). Die Verpflichtung des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber enden grundsätzlich dort, wo sein privater Bereich beginnt. Die Gestaltung des privaten Lebensbereiches steht außerhalb der Einflusssphäre des Arbeitgebers und wird durch arbeitsvertragliche Pflichten nur insoweit eingeschränkt, als sich das private Verhalten auf den betrieblichen Bereich auswirkt und dort zu Störungen führt (BAG 23.06.1994 – 2 AZR 617/93 – aaO mit Nachweisen aus der Literatur).

ee. Die Beklagte hat danach in treuwidriger Weise ihr Kündigungsrecht während der Probezeit ausgeübt. Dass die Klägerin Raucherin ist, war bereits seit dem Gespräch zwischen ihr und der Geschäftsführerin der Beklagten am 28.03.2012 bekannt, bei dem die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass das betriebliche Rauchverbot für sie kein Problem sei und sie auch einige Stunden ohne Zigarette auskomme. Dass die Klägerin bereits im Vorstellungsgespräch darauf hingewiesen worden sei, dass sie auch nicht nach Rauch riechen dürfe, hat lediglich die Zeugin ausgesagt; dies ist bereits nicht Vortrag der Beklagten gewesen. Im Übrigen hätte dies an der Wertung der Kammer nichts geändert. Die Klägerin hatte bereits beanstandungsfrei einen Tag Probe gearbeitet. Die Beweisaufnahme hat zwar ergeben, dass die Klägerin wohl an ihrem ersten Arbeitstag, dem 10.04.2012, nach Rauch gerochen hat – und dies für ihre Kolleginnen in gravierender Weise -, da sie noch vor Arbeitsantritt eine Zigarette geraucht hat. Das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin allerdings aufgrund dieses Sachverhalts sofort, d.h. nach zwei Stunden, zu kündigen, widerspricht dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und ist damit jedenfalls nach § 242 BGB treuwidrig und unwirksam. Zwar hat die Beklagte das Recht, während der Probezeit zu entscheiden, dass die Klägerin – sei es aufgrund ihrer Arbeitsweise, sei es aufgrund des Verhältnisses mit ihren Kolleginnen, sei es aufgrund anderer Spannungen – nicht zu dem Betrieb der Beklagten passt. Allerdings verlangt es Artikel 12 GG, dass ein Arbeitsverhältnis, das bereits begründet worden ist, mit dem ernsthaften Willen der Zusammenarbeit geführt wird. Es ist willkürlich, einen Arbeitnehmer an seinem ersten Arbeitstag nach zwei Stunden mit einer Kündigung nach Hause zu schicken, ohne dem Arbeitnehmer die Gelegenheit zu geben, den für beanstandungswürdig gehaltenen Grund zu ändern. Der Klägerin wurde keine Gelegenheit gegeben, ab dem nächsten Tag Rauchgeruch zu vermeiden. Die Klägerin hat nicht gegen das betriebliche Rauchverbot verstoßen. Dass sie noch vor Arbeitsantritt eine Zigarette geraucht hat, gehört in ihre Privatsphäre und unterfällt ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz, das auch im Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen ist. Dass im Betrieb der Beklagten aufgrund der Hochwertigkeit der verkauften Kleidungsstücke hohe Anforderungen gestellt werden an die Hygiene der Arbeitnehmer und vor allem an das Vermeiden von Rauchgeruch, mag ein Grund sein, in einer Probezeit zu entscheiden, dass ein Arbeitnehmer aufgrund Nichteinhaltung der gesetzten Standards die Anforderungen des Arbeitsverhältnisses nicht erfüllt. Allerdings ist es zu akzeptieren, dass die Klägerin raucht und die Grenzen ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit durch das Rauchverbot im Betrieb beachtet. Ihr wurde nicht die Chance gegeben, ihr Verhalten an die Anforderungen anzupassen.

Ob die Kündigung auch als sittenwidrig zu bewerten ist, kann somit dahinstehen. Der Vorwurf objektiver Sittenwidrigkeit kann nur in besonders krassen Fällen erhoben werden. § 138 BGB verlangt die Einhaltung des „ethischen Minimums“. Sittenwidrig ist eine Kündigung, wenn sie dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht (BAG 22.5.2003 – 2 AZR 426/02 – Juris Rn. 47 mit weiteren Nachweisen; BAG 19.7.1973, 2 AZR 464/72 – Juris Rn. 14). Ein Verstoß gegen das ethische Minimum kommt nur in Betracht, wenn die Kündigung auf einem verwerflichen Motiv des Kündigenden beruht wie Rachsucht oder Vergeltung oder wenn sie aus anderen Gründen dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht (BAG 19.7.1974; AP § 138 BGB Nr. 32). Ob der Rauchgeruch eine sachliche Erwägung ist, konnte dahinstehen (so zum äußeren Erscheinungsbild ArbG Köln 25.3.2010 – 4 Ca 10458/09 – Juris Rn. 20 -, allerdings nach dem Führen erfolgloser Gespräche mit dem dortigen Kläger).

b. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Höhe von 208 €.

Der Schaden in Höhe von 208,00 € ist nach der Behauptung der Klägerin dadurch entstanden, dass die Beklagte ihr zunächst ein Vollzeitarbeitsverhältnis angeboten habe, schließlich jedoch nur einen Arbeitsvertrag über 30 Stunden in der Woche mit ihr abgeschlossen habe, sie jedoch im Vertrauen auf eine Vollzeitarbeitsstelle ihre bisherige Arbeitsstelle gekündigt habe.

Die Beklagte hat sowohl bestritten, der Klägerin ein Vollzeitarbeitsverhältnis angeboten bzw. mit ihr vereinbart zu haben, als auch dass die Klägerin zuvor in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis gestanden habe. Die für ihre Darlegung beweisbelastete Klägerin hat keinen Beweis für ihre Behauptung angeboten, so dass ihr kein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 208,00 € zusteht.

c. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen weitergehenden Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 611, 280 Abs. 1 BGB.

Unabhängig von der Zulässigkeit des Feststellungsantrags – die Klägerin konnte den ihr entstandenen Schaden jedenfalls teilweise beziffern – ist sie beweisfällig dafür geblieben, dass ihr ein Schaden entstanden ist.

aa. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 1.200,00 € für die beiden auf die Kündigung folgenden Monate, in denen die Klägerin Arbeitslosengeld bezogen hat. Die Kündigung ist wie bereits unter 1. ausgeführt unwirksam, so dass kein Schadensersatz nach §§ 611 BGB, 280 BGB aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung zustehen kann.

bb. Die Klägerin hat auch eine psychische Erkrankung aufgrund des Ausspruchs der Kündigung nicht näher dargelegt und bewiesen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbG i.V.m. § 92 ZPO.

Die Parteien tragen die Kosten jeweils entsprechend ihres Obsiegens.

III.

Der Streitwert wurde gem. § 61 Abs. 1 ArbGG festgesetzt.

Er setzt sich zusammen aus einem Bruttomonatsgehalt für den Kündigungsschutzantrag zzgl. des beziffert angegebenen entstandenen Schadens.

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