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Personalberater – Haftung wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht

OLG Frankfurt

Az: 16 U 175/13

Urteil vom 08.05.2014

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. August 2013, Az. 2 – 05 O 109/13, teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.684,97 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. April 2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 2/3 und der Beklagte 1/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung einer Verschwiegenheitsverpflichtung.

Die Klägerin beauftragte am …. Juni 2012 den Beklagten, einen Personalberater, der in seinen Unterlagen … mit strikter Diskretion und einer Vertrauensgarantie wirbt, mit der Suche einer geeigneten Persönlichkeit für die Position eines …. Anfang September 2012 übersandte der Beklagte der Klägerin die Bewerbungsunterlagen von Frau A. Mit E-Mail vom …. September 2012 teilte der Personalleiter der Klägerin dem Beklagten mit, dass der Geschäftsführer der Klägerin keine Frau wünsche. Nachdem der Vertrag zwischen den Parteien aufgrund von Differenzen beendet worden war und der Beklagte sein Honorar erhalten hatte, unterrichtete er die Bewerberin A mit E-Mail vom …. Oktober 2012 darüber, dass der Geschäftsführer der Klägerin keine Frau einstellen wolle; zugleich bezeichnete er das Verhalten als skandalös und als eine Diskriminierung im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes und riet der Bewerberin, sich an einen Rechtsanwalt unter Berücksichtigung der erforderlichen Fristen zu wenden, wenn sie wegen Schadensersatz dagegen vorgehen wolle. Zudem leitete er am …. Oktober 2012 die E-Mail des Personalleiters vom …. September 2012 an die Bewerberin weiter. Diese führte daraufhin ein arbeitsgerichtliches Verfahren gegen die Klägerin wegen Verstoßes gegen das AGG. In diesem Verfahren schloss die Klägerin mit der Bewerberin einen Vergleich über eine Entschädigung in Höhe von 8.500,– €. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Ersatz dieses Betrags sowie der ihr entstandenen Anwaltskosten.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 78 f. d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Eine Verschwiegenheitsverpflichtung sei vertraglich nicht ausdrücklich vereinbart worden. Die Werbeaussagen des Beklagten seien nicht Vertragsbestandteil geworden. Allerdings sei es dem Beklagten aufgrund einer sich aus dem Beratervertrag ergebenden Nebenpflicht auf Verschwiegenheit grundsätzlich verwehrt, vertrauliche Informationen weiterzugeben. Diese Treuepflicht gegenüber dem Vertragspartner finde aber ihre Grenze in den Geboten von Treu und Glauben. So sei eine Strafanzeige eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber grundsätzlich als berechtigt einzuordnen und stelle nur dann einen Verstoß gegen die aus dem Arbeitsverhältnis folgende Treuepflicht dar, wenn der Arbeitnehmer bei Erstattung der Anzeige wisse oder jedenfalls erkennen könne, dass der erhobene Vorwurf nicht zutreffe, oder wenn er unverhältnismäßigen Gebrauch von seinem Recht mache. Diese Grundsätze seien hier übertragbar. Ein Vertragspartner dürfe nicht darauf vertrauen, dass Verstöße gegen das AGG vertraulich behandelt würden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Vorwürfe berechtigt seien. Im Fall eines Verstoßes gegen das AGG gebe es ein anerkennenswertes Interesse der Allgemeinheit. Dem Ziel des Gesetzes entsprechende effektive Schutzgewährung könne nur dann erfolgen, wenn ein sog. „whistleblowing“ hinsichtlich der häufig geheim gehaltenen Diskriminierung nicht sanktionslos bleibe. Andernfalls würde das gesetzgeberisch unerwünschte Ziel die Folge sein, dass tatsächlich nicht der Diskriminierende die Entschädigungsleistung zu zahlen habe, sondern der Anzeigende.

Hinzu käme, dass der Klägerin an dem ihr entstandenen Schaden ein überwiegendes Mitverschulden vorzuwerfen sei, da sie mit ihrer E-Mail gegen das AGG verstoßen und damit die maßgebliche Ursache für ihre Vermögenseinbuße gesetzt habe.

Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 79 f. d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 29. August 2013 zugestellt Urteil hat die Klägerin mit einem am 27. September 2013 eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29. November 2013 mit einem am 27. November 2013 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Sie vertritt die Auffassung, der Beklagte bewerbe mit seinen Werbeaussagen seine strikte Vertraulichkeit und erwecke damit den Eindruck, er verhalte sich im Hinblick auf die Vertraulichkeit wie jemand aus der in § 203 StGB genannten Personengruppe. Die Werbeaussagen des Beklagten, mit denen er strikte Diskretion zusage und eine „Vertrauensgarantie“ gebe, seien im Sinne einer Verschwiegenheitsverpflichtung Vertragsbestandteil geworden. Darüber hinaus treffe den Beklagten zum Schutz des Vermögens des Vertragspartners eine umfassende Treuepflicht. Durch seine E-Mail an die Bewerberin habe der Beklagte nicht nur die Verschwiegenheitspflicht verletzt, sondern gegen die umfassende Treuepflicht verstoßen, indem er die Bewerberin geradezu aufgefordert habe, gegen die Klägerin vorzugehen. Dies sei zudem zu einem Zeitpunkt geschehen, nachdem die Klägerin dem Beklagten dessen Vergütung gezahlt habe und das Vertragsverhältnis beendet worden sei. Damit habe sich der Beklagte zumindest unredlich verhalten. Dabei wirke die Treuepflicht auch nach der Erfüllung der Hauptpflicht fort.

Die von dem Landgericht gezogene Parallele zu einem Arbeitsverhältnis sei falsch. Ein Arbeitsverhältnis sei aufgrund des dort vorliegenden ungleichen Machtgefüges nicht mit einem freien Dienstvertrag vergleichbar, bei dem sich die Parteien auf Augenhöhe befänden. Zudem sei es in den im Arbeitsrecht entschiedenen Fällen um Straftaten der Arbeitgeber gegangen; ein Verstoß gegen das AGG stelle jedoch keine Straftat dar. Der Schutzzweck des AGG, das zivilrechtliche Beweiserleichterungen für die Zubilligung von Entschädigung vorsähe und deshalb auch keines „whistleblowings“ bedürfe, sei in keiner Weise vergleichbar mit dem Schutzzweck einer strafbewehrten Norm. Im Hinblick auf die arbeitsrechtliche Rechtsprechung sei erkennbar, dass eine Abwägung der jeweiligen Interessen vorzunehmen sei; eine solche könne jedoch nur bei schweren Straftaten des Arbeitgebers zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen, der eine solche zur Anzeige brächte.

Die Argumentation des Landgerichts laufe darauf hinaus, die nach dem AGG verwirkte Entschädigung als Strafschadensersatz anzusehen.

Angesichts des Inhalts der E-Mail des Beklagten an die Bewerberin könne auch die Kausalität des Handelns des Beklagten für den Schaden der Klägerin keinem Zweifel unterliegen; es sei vollkommen fernliegend, dass die Bewerberin bei einer Absage ohne die Nennung von Gründen irgendwelche weiteren Recherchen angestellt hätte.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 20. August 2013 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 2 – 05 O 109/13, den Beklagten zu verurteilen, an sie 11.540,33 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Februar 2013 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Seine Werbeaussagen seien nicht Vertragsbestandteil geworden; schon gar nicht begründeten sie eine Verschwiegenheitspflicht wie in § 203 StGB geregelt. Eine mögliche Pflicht zur Verschwiegenheit finde ihre Grenze in den Geboten von Treu und Glauben. Dabei sei zu berücksichtigen, dass den Beklagten auch Pflichten gegenüber den Kandidaten träfen, die ihm gegenüber einen Auskunftsanspruch darüber hätten, warum es nicht zu einem Vermittlungserfolg gekommen sei.

Wenn es bereits einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in besonderer Weise durch das ständige Miteinander der Parteien und durch Pflichten der Rücksichtnahme geprägt sei, gestattet sei, Verstöße gegen das Gesetz zu offenbaren, müsse dies erst recht in einem Dienstvertrag gelten, in dem es keine im ständigen Miteinander gesteigerten Rücksichtnahmepflichten gebe.

Die sog. Heinisch-Entscheidung des EGMR vom 21. Juli 2011 stelle das schützenswerte Interesse der Öffentlichkeit in den Vordergrund. Dabei komme es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darauf an, ob es sich bei dem öffentlich gewordenen Verhalten um eine Straftat handele.

Die Klägerin verkenne im Übrigen, dass sie es sei, die vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe. Mithin habe sie allein dafür einzustehen. Letztlich sei das Handeln der Klägerin adäquat kausal für den eingetretenen Vermögensschaden gewesen, nicht aber das Handeln des Beklagten. Zudem habe sich die Klägerin freiwillig mit der klagenden Bewerberin auf eine entsprechende Entschädigung verständigt; es sei nicht dargetan, dass der Vorprozess zwingend ein entsprechendes Ergebnis gezeitigt hätte und dass er ohne das „whistleblowing“ des Beklagten anders ausgegangen wäre.

Er, der Beklagte, habe auch versucht, zunächst intern die Angelegenheit einer Klärung zuzuführen. Seine Haftung scheide zudem unter dem Gesichtspunkt des § 254 BGB aus.

Erstmals in der Berufung bestreitet der Beklagte die Schadensberechnung der Klägerin, die sich zudem nicht hätte anwaltlich vertreten lassen müssen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akte AG O1, …, war informationshalberbeigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.684,97 € wegen Verletzung einer vertraglichen Verschwiegenheits- und Treuepflicht.

1. Das Landgericht geht zunächst zu Recht davon aus, dass die Parteien in ihrem Vertrag eine Verschwiegenheitspflicht des Beklagten nicht ausdrücklich vereinbart haben, sich aber eine Verschwiegenheitsverpflichtung grundsätzlich aus den Geboten von Treu und Glauben ergibt.

Ein Schuldverhältnis erschöpft sich grundsätzlich nicht in der Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs; es ist vielmehr eine von Treu und Glauben beherrschte Sonderverbindung (Palandt/Grünberg, 73 A., § 241 BGB Rn. 6) und kann gemäß § 241 Abs. 1 BGB nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Vorliegend brachte es der zwischen den Parteien geschlossene Beratervertrag zwangsläufig mit sich, dass der Beklagte mit einer Vielzahl von Interna aus dem Geschäftsbetrieb der Klägerin in Berührung kommen würde, die nicht für Außenstehende bestimmt waren. Von daher liegt es auf der Hand, dass den Beklagten bereits aus der Natur des Vertrags heraus die Pflicht traf, über die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt werdenden Verhältnisse, Vorgänge und Informationen Stillschweigen zu wahren. Zudem hat der Beklagte im Vorfeld des Vertragsschlusses mit seiner Diskretion geworben. So ist ausweislich seines Flyers (…) – fett gedruckt – strikte Diskretion selbstverständlich, wobei diese Aussage zwar in der Rubrik „Unternehmensverkäufe“ und nicht in der daneben abgedruckten Rubrik „Personalsuche“ aufgenommen ist, ein unbefangener Leser angesichts der Gestaltung des Flyers allerdings davon ausgehen kann und darf, dass diese Diskretionszusage allgemeine Geltung haben soll; zudem heißt es … unter einem ebenfalls fett gedruckten, hervorgehobenen Punkt „Vertrauensgarantie“: „Wir sagen (…) strikte Vertraulichkeit zu. (…) Informationen geben wir nur mit Ihrer Genehmigung weiter“. Unabhängig davon, ob diese Werbeaussagen unmittelbar Vertragsbestandteil geworden sind, hat der Beklagte mit ihnen zu erkennen gegeben, welchen Pflichten er sich unterworfen sieht, so dass sie zumindest zur Bestimmung der nach Treu und Glauben den Beklagten treffenden Nebenpflichten heranzuziehen sind. Von daher ist eine grundsätzlich umfassende Verschwiegenheitsverpflichtung anzunehmen. Diese wird ergänzt durch eine Treuepflicht dahingehend, die Rechtsgüter einschließlich des Vermögens des anderen Teils nicht zu verletzen.

2. Diese zwischen den Parteien als vertragliche Nebenpflicht bestehende Verschwiegenheits- und Treuepflicht hat der Beklagte verletzt, indem er der Bewerberin die Gründe für die Absage mitgeteilt und auf einen Verstoß gegen das AGG hingewiesen hat.

a) Dabei kann sich der Beklagte entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht darauf berufen, zu der Weitergabe dieser Gründe berechtigt gewesen zu sein oder dabei in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt zu haben. Soweit das Landgericht eine Parallele zu den Fällen gezogen hat, in denen im Arbeitsrecht das Erstatten einer Strafanzeige eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber als zulässig erachtet wird, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dabei ist unerheblich, ob ein Arbeitsverhältnis mit seinen besonderen Rücksichtnahmepflichten mit einem Dienst- bzw. Maklervertrag der hier vorliegenden Art vergleichbar ist. Entscheidend ist, dass ein Arbeitnehmer – wie jede Person – mit der Erstattung einer Strafanzeige eine von Verfassungs wegen geforderte und von der Rechtsordnung erlaubte und gebilligte Möglichkeit der Rechtsverfolgung wahrnimmt (BVerfG, Beschluss vom25.2.1987, 1 BvR 1086/85 = BVerfGE 74, 247; BAG, Urteil vom 3.7.2003, 2 AZR 235/02 = NJW 2004, 1547). Eine (nicht wissentlich unwahre oder leichtfertige) Strafanzeige liegt im allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und an der Aufklärung von Straftaten; darauf kann der Rechtsstaat bei der Strafverfolgung nicht verzichten (BVerfG, a.a.O.; BAG, a.a.O.). Dementsprechend kann sich ein Arbeitnehmer – oder auch ein sonstiger Vertragspartner – bei der Erstattung einer Strafanzeige auf ein ihm von der Rechtsordnung eingeräumtes Grundrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG berufen (BAG, a.a.O.).

Hier hat der Beklagte allerdings keine Strafanzeige wegen einer möglichen Straftat der Klägerin erstattet, sondern der Betroffenen einen Verstoß der Klägerin gegen das AGG mitgeteilt. Diese Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Ein Verstoß gegen das AGG stellt keine Straftat dar; er ist nicht einmal als gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB ausgestaltet, sondern führt lediglich zu einem zivilrechtlichen Entschädigungsanspruch des Betroffenen. Zwar ist es Ziel des AGG, Benachteiligungen u.a. aus Gründen des Geschlechts zu verhindern oder zu beseitigen; es greift damit für den Bereich der Privatautonomie den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 GG auf, der in allen Staaten, die sich zu Demokratie und zu Menschenrechten bekennen, zu den grundlegenden verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen gehören (Palandt/Ellenberger, a.a.O., Einl v AGG Rn. 7). Dennoch war es eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, an einen Verstoß gegen das AGG keine straf- oder ordnungsrechtlichen Sanktionen zu knüpfen, für deren Verfolgung der Staat verantwortlich zeichnet, sondern allein einen zivilrechtlichen Entschädigungsanspruch. Geht es allein um einen solchen zivilrechtlichen Sachverhalt, kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, im Interesse der Allgemeinheit gehandelt zu haben.

Etwas anderes folgt nach Auffassung des Senats auch nicht aus der von beiden Parteien in Bezug genommenen sog. „Heinisch“-Entscheidung des EGMR (Urteil vom 21.7. 2011, 28274/08, zitiert nach juris). Der EGMR hat für die Anwendung des Art. 10 der Konvention (= Recht auf freie Meinungsäußerung) auf das Arbeitsleben festgestellt, dass Hinweise auf strafbares oder rechtswidriges Verhalten am Arbeitsplatz durch Beschäftigte unter gewissen Umständen Schutz genießen sollen und insoweit eine Abwägung zwischen dem Recht des Arbeitnehmers auf freie Meinungsäußerung in Form von Hinweisen auf strafbares oder rechtswidriges Verhalten seitens des Arbeitgebers und dem Recht des Arbeitgebers auf Schutz seines guten Rufs und seiner wirtschaftlichen Interessen vorzunehmen ist. Der Beklagte hat aber nicht ein Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch genommen, um einen Missstand in die Öffentlichkeit zu bringen, sondern entgegen seiner vertraglichen Verschwiegenheitspflicht einer von einem Verstoß gegen das AGG Betroffenen dazu verholfen, eine zivilrechtliche Entschädigung geltend machen zu können.

Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte ergänzend auf Schutzpflichten gegenüber der Bewerberin, die einen Anspruch darauf gehabt habe zu erfahren, warum sie nicht ausgewählt worden sei. Zum einen war der Beklagte vertraglich mit der Klägerin und nicht mit der Bewerberin verbunden, so dass er in erster Linie die Interessen der Klägerin zu wahren hatte, für die er tätig wurde. Zum anderen besteht nach der Rechtsprechung des BAG grundsätzlich kein Anspruch eines Bewerbers auf Auskunft über die Gründe einer Absage bzw. über eine von einem Unternehmen getroffene Personalentscheidung (BAG, Urteil vom 25.4.2012, 8 AZR 287/08, zitiert nach juris). Dies muss dann aber auch für einen Personalvermittler oder -berater gelten, der bei der Personalsuche für die Klägerin tätig wird. Er darf dann nicht ohne Rücksprache und Einverständnis des Unternehmens von sich aus die Gründe für die Absage mitteilen.

b) Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen verdient das Verhalten des Beklagten aber auch deshalb keinen Schutz, weil es rechtsmissbräuchlich war.

Im Rahmen des Arbeitsrechts ist es anerkennt, dass ein Arbeitnehmer bei Erstattung einer Strafanzeige gegen seinen Arbeitgeber dann keine verfassungsrechtlichen Rechte wahrnimmt, wenn sie sich als eine unverhältnismäßige Reaktion auf ein Verhalten des Arbeitgebers oder seines Repräsentanten darstellt (BAG, Urteil vom 3.7.2003, a.a.O.). Dabei können als Indizien für eine unverhältnismäßige Reaktion des anzeigenden Arbeitnehmers sowohl die Berechtigung der Anzeige als auch die Motivation des Anzeigenden oder ein fehlender innerbetrieblicher Hinweis auf die angezeigten Missstände sprechen.

Zwar stand der Verstoß gegen das AGG fest, und der Beklagte hat auch mit E-Mail vom …. September 2012 die Klägerin darauf hingewiesen, dass ihre Position gegen bestehende Gesetze verstößt, und sie zugleich aufgefordert, die Angelegenheit zu überdenken und die Bewerberin zu einem Gespräch einzuladen. Dennoch sprechen der weitere zeitliche Ablauf und der konkrete Inhalt der E-Mail, die der Beklagte am …. Oktober 2012 an die Bewerberin sandte, dafür, dass das Verhalten des Beklagten unverhältnismäßig war.

Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich der Beklagte in seiner Antwortmail vom …. September 2012 auf die E-Mail des Personalleiters vom …. September 2012 (Bl. 20 d.A.), mit der dieser mitteilte, dass der Geschäftsführer der Klägerin keine Frau haben wolle, zu diesem Punkt überhaupt nicht geäußert hat; vielmehr kam er im Wesentlichen auf die Geeignetheit eines anderen Bewerbers und darauf zu sprechen, dass seine Rechnung über die zweite Rate noch nicht beglichen sei. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass es dem Beklagten von Anfang an um den Verstoß gegen das AGG und das unrechtmäßige Verhalten der Klägerin gegenüber der Bewerberin gegangen wäre. Hinzu kommt, dass er anschließend erst die Vertragsbeendigung im Laufe des Septembers 2012 und das von der Klägerin zunächst abgelehnte Begleichen seiner Honorarrechnungen abwartete, bis er sich dann mit E-Mail vom …. Oktober 2012 – und damit einen Monat nach Erhalt der E-Mail vom …. September 2012 – an die Bewerberin wandte. Dabei hat er es nicht dabei bewenden belassen, der Bewerberin mitzuteilen, dass „sein Mandant“ (der Name der Klägerin war bei der von dem Beklagten ausgeschriebenen Bewerbung nicht genannt worden) ihrer Bewerbung nicht näher treten wolle, was ausgereicht hätte, um die Belange der Bewerberin zunächst zu wahren. Vielmehr hat er – offensichtlich ungefragt – auch den Grund mitgeteilt, ihn zugleich gleich skandalisiert („Den Grund werden Sie nicht glauben.. Dieses Verhalten ist skandalös..“) sowie auf den Verstoß gegen das AGG und auf die Möglichkeit hingewiesen, wegen Schadensersatz dagegen vorzugehen und sich zur Einhaltung der erforderlichen Fristen an einen Rechtsanwalt zu wenden. Damit hat er die Bewerberin regelrecht angestachelt, die Klägerin wegen einer Entschädigung in Anspruch zu nehmen. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, in dem er selbst bereits sein Honorar erhalten hatte und mit der Klägerin nicht mehr vertraglich verbunden war, so dass er sich auch nicht mehr in der Situation befand, sich gegenüber der Klägerin im Rahmen einer intakten Vertragsbeziehung für sein Verhalten rechtfertigen zu müssen. Auch hat er die Klägerin nicht ausdrücklich vorgewarnt; diese hat vielmehr erst durch das Geltendmachung einer Entschädigung durch die Bewerberin von dem Vorgehen erfahren.

Nach alledem hat der Beklagte seiner Verschwiegenheits- und Treuepflicht verletzt, wobei sein Verschulden vermutet wird, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB.

3. Durch die Pflichtverletzung des Beklagten ist der Klägerin ein Schaden in Höhe von 11.054,90 € entstanden, den der Beklagte zu 1/3 zu ersetzen hat.

a) Erstmals in der Berufung bestreitet der Beklagte, dass sein Handeln adäquat kausal für den eingetretenen Vermögensschaden der Klägerin geworden sei. Er begründet dies damit, dass die Bewerberin – wenn sie von ihm nicht entsprechend informiert worden wäre – einen eigenen Auskunftsanspruch gegen die Klägerin gehabt hätte und sich eine Verweigerung der Auskunft durch die Klägerin als Anknüpfungstatsache im Sinne des § 22 AGG für eine unzulässige Benachteiligung der Bewerberin dargestellt hätte. Unabhängig davon, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 25.4.2012, a.a.O.) die Verweigerung einer Auskunft über die Person, die an Stelle des klagenden Bewerbers vom Arbeitgeber eingestellt worden ist, und/über die Kriterien, die für deren Einstellung entscheidend waren, für sich gesehen noch kein Indiz im Sinne des § 22 AGG für eine unzulässige Benachteiligung ist, hat der Beklagte damit allerdings nicht behauptet, dass die Bewerberin tatsächlich nachgefragt und nachgehakt hätte, wenn sie keinen Hinweis auf den Grund für die Absage erhalten hätte. Es liegt deshalb bereits kein ausreichendes Bestreiten vor. Ein solches wäre im Übrigen nach § 531 Abs. 2 S. 1 Ziff. 3 ZPO verspätet und damit nicht mehr zuzulassen.

b) Einer Ersatzpflicht des Beklagten steht auch nicht der Umstand entgegen, dass es die Klägerin war, die den maßgeblichen Verstoß gegen das AGG begangen hat und damit durch eine eigene Handlung schadensersatzpflichtig geworden ist. Das Landgericht hat zwar die Auffassung vertreten, dass es dem effet utile des AGG zuwiderliefe, wenn nicht der Diskriminierende, sondern der Anzeigende die Entschädigungsleistung zu erbringen habe. Die Klägerin weist jedoch zutreffend darauf hin, dass es sich bei der gezahlten Entschädigung um einen zivilrechtlichen Schadensersatz handelt, nicht aber um eine Strafe im Rechtssinne. Zwar wird eine Geldstrafe, die wegen einer vorsätzlichen Tat verhängt wird, nicht im Wege des Schadensersatzes auf andere abwälzbar sein; die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 AGG dient aber der Naturalrestitution nach § 249 BGB (Palandt / Weidenkaff, a.a.O., § 15 AGG Rn. 4) und ist als zivilrechtlicher Schaden grundsätzlich regressfähig.

c) Der Beklagte kann im Weiteren nicht damit gehört werden, die Klägerin habe sich selbst dafür entschieden, der Bewerberin eine Entschädigung von 8.500,- € zu zahlen, so dass er dafür nicht einzustehen habe. Abgesehen davon, dass auch dieses erstmals in der Berufung vorgetragene Bestreiten einer Kausalität nach § 531 Abs. 2 S. 1 Ziff. 3 ZPO unbeachtlich ist, ergibt sich aus dem Protokoll des Arbeitsgerichts O1 vom 28. Januar 2013 (Bl. 34 d.A.), dass das Arbeitsgericht eine Entschädigung von 8.500,- € als angemessen erachtet hat. Der Senat ist deshalb davon überzeugt, dass die Klägerin bei einer streitigen Entscheidung zur Zahlung von 8.500,- € verurteilt worden wäre.

Ohne Erfolg rügt der Beklagte zudem, dass die Klägerin in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren keines Rechtsanwalts bedurft hätte. Da die Bewerberin anwaltlich vertreten war, durfte sich auch die Klägerin aus Gründen der Waffengleichheit einer anwaltlichen Vertretung bedienen, so dass die entsprechenden Kosten als erforderlich anzusehen sind. Allerdings ist die Klägerin unbestritten vorsteuerabzugsberechtigt, so dass sie die Mehrwertsteuer nicht ersetzt verlangen kann. Soweit der Beklagte erstmals in der Berufung bestreitet, dass die geltend gemachten Anwaltskosten bezahlt worden sind, ist er mit diesem Bestreiten ebenfalls nach § 531 Abs. 2 Ziff. 3 ZPO ausgeschlossen.

Ohne Umsatzsteuer betragen die Anwaltskosten 3.040,33 € ./. 153,38 € und 331,95 € = 2.554,90 €, so dass der Klägerin insgesamt ein Schaden in Höhe von 11.054,90 € entstanden ist.

d) Auch wenn dieser Schaden grundsätzlich regressfähig ist, bedeutet dies nicht, dass der Beklagte in voller Höhe zu haften hätte. Vielmehr hat der Beklagte aus dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens der Klägerin nur 1/3 des der Klägerin entstandenen Schadens zu tragen, § 254 Abs. 1 BGB.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Schaden zwar dadurch eingetreten ist, weil der Beklagte gegen seine Verschwiegenheits- und Treuepflicht verstoßen und damit die Inanspruchnahme der Klägerin veranlasst hat; die Klägerin hat aber die wesentliche Ursache für den ihr entstandenen Schaden gesetzt, indem sie es war, die den Verstoß gegen das AGG begangen hat. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, die dem § 254 BGB zugrunde liegen (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 254 BGB Rn. 1), kann die Klägerin deshalb nicht vollen Ersatz des erlittenen Schadens verlangen; vielmehr ist es gerechtfertigt, die Klägerin überwiegend haften zu lassen. Auf der anderen Seite war der Beitrag des Beklagten für den Eintritt des Schadens bei der Klägerin nicht so gering, dass er vollständig zurücktreten würde. Der Senat erachtet deshalb eine Haftungsquote von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Klägerin als angemessen.

Nach alledem hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von 3.684,97 €. Hinzu kommen nach §§ 288 Abs. 2, 291 ZPO Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, die am 10. April 2013 eingetreten ist. Soweit die Klägerin Zinsen bereits ab dem 26. Februar 2013 verlangt, hat sie dies nicht begründet.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert. Insbesondere handelt es sich im Hinblick auf die Frage des Vorliegens eines berechtigten Interesses zur Rechtfertigung des Verstoßes gegen die Verschwiegenheitsverletzung und einer unverhältnismäßigen Reaktion um eine Einzelfallentscheidung.

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