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Abgrenzung von Arbeitszeit und Bereitschaftszeiten

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 11 Sa 677/11 – Urteil vom 29.05.2012

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16.02.2011 – 43 Ca 15514/10 – teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 511,39 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von 228,00 EUR brutto seit dem 21.10.2010 sowie weitere 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf einen weiteren Teilbetrag in Höhe von 283,39 EUR seit dem 03.02.2011 zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 35/36 und die Beklagte zu 1/36 zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berücksichtigung vom Kläger geleisteter Bereitschaftsdienste auf dessen Arbeitszeitkonto sowie die Verpflichtung der Beklagten, ihm dafür Zuschläge zu zahlen.

Mit einem am 16. Februar 2011 verkündeten Urteil, auf dessen Tatbestand Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Berlin – 43 Ca 15514/10 – die Klage abgewiesen.

Es hat dies im Hinblick auf die vom Kläger begehrten Zuschläge im Wesentlichen damit begründet, dass solche für Bereitschaftsdienste nicht zu leisten seien. Die vom Kläger im Rahmen der von der Beklagten angeordneten Bereitschaftsdienste geleisteten Arbeitszeiten seien aber auch nicht materiell als volle Arbeitszeit im Sinne von § 14 Abs. 2 DRK-Tarifvertrag Ost anzusehen, so dass auch insoweit eine Zuschlagspflicht nicht in Betracht komme. Der Arbeitgeber dürfe nämlich in Ausübung seines Weisungsrechts bestimmen, welche Art von Leistung der Arbeitnehmer zu erbringen habe. Er dürfe also etwa Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst oder Überstunden anordnen. Einer Bindung unterliege der Arbeitgeber insoweit nur durch Gesetz, Kollektiv- oder Individualarbeitsrecht. Im Streitfall handele es sich bei den unmittelbar an die reguläre Arbeitszeit im Rahmen der 24-Stunden-Dienste anschließenden Arbeitszeit von 15:00 Uhr – 07:00 Uhr um Bereitschaftsdienst. Die entsprechende Anordnung der Beklagten im Klagezeitraum sei wirksam; denn innerhalb dieser Zeiten hätten Zeiten ohne Arbeitsleistung überwogen, wie die vom Kläger nicht bestrittene Auswertung der Einsatzfrequenzen zeigte. Die Anordnung von Bereitschaftsdienst widerspreche aber auch nicht den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes. Zudem habe sich die Beklagte auch im Rahmen der im Betrieb geltenden Dienstvereinbarung vom 10. November 2009 bewegt, nach dessen § 6 zur Absicherung einer flexiblen Dienstplangestaltung im Rettungsdienst Bereitschaftsdienste vorgesehen werden könnten. Aber auch die in dieser Vorschrift enthaltenen weiteren Maßgaben seien berücksichtigt worden. Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich bei diesen Zeiten auch um Bereitschaftsdienst im Sinne von § 14 Abs. 5 Satz 1 und 2 DRK-Tarifvertrag Ost und nicht um verlängerte Arbeitszeit gemäß § 14 Abs. 2c DRK-Tarifvertrag Ost. Angesichts dessen seien die vom Kläger verfolgten Anträge insgesamt unbegründet (wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 188 – 197 d. A. verwiesen).

Gegen diese ihm am 25. März 2011 zugestellte Entscheidung hat der Kläger mit einem am 28. März 2011 beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07. Juni 2011 an diesem Tage begründet.

Er hält die angefochtene Entscheidung für unzutreffend; denn das Arbeitsgericht habe die Dienstzeiten nach 15:00 Uhr zu Unrecht nur als Bereitschaftsdienst und nicht als Arbeitsbereitschaft angesehen. Dies folge daraus, dass der Kläger während des gesamten Bestandes des Arbeitsverhältnisses mit dem R. K. sowie auch im ersten Jahr nach dem Betriebsübergang auf die Beklagte sowohl arbeitszeitrechtlich als auch vergütungsrechtlich so behandelt worden sei, als würde er Arbeitsbereitschaft leisten. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe die von der Beklagten angewiesene Einsatz- und Arbeitspraxis die Anordnung von Arbeitsbereitschaft dargestellt. Dafür typisch sei der in der Regel nicht vorhersehbare Wechsel zwischen  Vollarbeit und Arbeitsbereitschaft und damit das Warten am Arbeitsplatz, um bei Bedarf sofort tätig werden zu können. Als Beispiele dafür würden üblicherweise Taxifahrer, Telefonisten, soweit sie nicht Gespräche vermittelten und von anderen Aufgaben freigestellt seien, Pförtner, die das verschlossene Werkstor nur auf akustisches oder optisches Signal zu öffnen hätten, Wachpersonal, dass sich zur Abschreckung ohne weitere Kontrollaufgaben im Wachraum aufhielte, Schulhausmeister und Rettungssanitäter anerkannt. Maßgeblich für das Vorliegen von Arbeitsbereitschaft im Streitfall sei, dass der Kläger jenseits aktiver Tätigkeiten mit seinen Kollegen darauf warte, dass ein Einsatz zu erfolgen hätte. Dies präge die Gesamttätigkeit des Rettungsassistenten bzw. Rettungssanitäters. Ein Unterschied der Arbeit vor 15:00 Uhr oder nach 15:00 Uhr, den die Beklagte konstruieren wolle, existiere nicht. Letztlich warte der Kläger zwischen 7:00 Uhr morgens und 7:00 Uhr am Folgetag auf einen Einsatz und verrichte zwischenzeitlich lediglich Routinearbeiten. Dies habe das Arbeitsgericht verkannt und ausschließlich darauf abgestellt, dass der Kläger „nicht von sich aus“, sondern aufgrund eines Einsatzbefehls aus der Leitstelle tätig werde. Allerdings liege es gerade in der Natur der Tätigkeit des Rettungsassistenten, dass er nicht von sich aus tätig werde, sondern über Telefon oder über sonstige Medien den Einsatzbefehl erhalte. Nach der Logik der Beklagten wäre es zu dem nicht möglich, dass ein Rettungsassistent oder Rettungssanitäter Arbeitsbereitschaft leiste. Diese Berufsgruppe würde immer nur Bereitschaftsdienste leisten, die unterbrochen würden von Einsätzen und Routinearbeiten. Hinzu komme, dass die kurze Ausrückzeit von nur 90 Sekunden voraussetze, dass der Kläger in wacher Achtsamkeit im Zustand der Entspannung verharre, um sofort die Tätigkeit aufzunehmen. Ob es theoretisch möglich sei, zu schlafen, sei insoweit belanglos. Angesichts dessen seien die von ihm verfolgten Ansprüche insgesamt begründet (Bl. 244 – 256 d. A.).

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16.02.2012 (Geschäftszeichen: 43 Ca 15514/10) abzuändern und wie folgt zu erkennen:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zuschläge für die Monate Januar bis einschließlich September 2010 in Höhe von 1.108,15 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf den Betrag in Höhe von 228,00 EUR brutto seit Rechtshängigkeit der Klage vom 12.10.2010 sowie weitere 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf weitere 880,15 EUR brutto seit Rechtshängigkeit des Schriftsatzes vom 31.01.2011 zu zahlen.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, das Arbeitszeitkonto des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass diesem für den Monat Januar 2010 insgesamt 149,95 Dienststunden, für den Monat Februar 2010 insgesamt 157 Dienststunden, für den Monat März 2010 insgesamt 219 Dienststunden, für den Monat April 2010 insgesamt 168 Dienststunden, für den Monat Mai 2010 insgesamt 240 Dienststunden, Juni 2010 insgesamt 202 Dienststunden, Juli 2010 insgesamt 221 Dienststunden, August 2010 insgesamt 194 Dienststunden sowie für September 2010 insgesamt 219 Dienststunden angerechnet werden.

3.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die von dem Kläger im Ein-Schicht-System geleistete Anwesenheitszeit am Arbeitsplatz auch in der Zeit von 15:00 Uhr bis 7:00 Uhr in voller Höhe als Arbeitszeit im Sinne von Arbeitsbereitschaft zu vergüten.

Für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1. bis 3. wird hilfsweise beantragt, wie folgt zu erkennen:

4.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat September 2010 Zuschläge in Höhe von 86,89 EUR zu zahlen.

5.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für jede Arbeitsstunde im Rahmen der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden Samstags-Zuschläge für Arbeit an Samstagen zwischen 0:00 Uhr und 24:00 Uhr in Höhe von 0,58 EUR brutto pro Stunde, Sonntagszuschläge für Arbeit an Sonntagen von 0:00 Uhr bis 24:00 Uhr in Höhe von 2,71 EUR brutto pro Stunde, Feiertagszuschläge für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen zwischen 0:00 Uhr und 24:00 Uhr in Höhe von 3,79 EUR brutto pro Stunde sowie Nachtarbeitszuschläge für zwischen 20:00 Uhr und 6:00 Uhr geleistete Arbeit in Höhe von 1,15 EUR brutto pro Stunde in der Weise zu zahlen, dass gemessen an der Anzahl der Dienste des Klägers pro Kalenderwoche für die Arbeitszeit nach 15:00 Uhr bei zeitlicher Lage der angeordneten Dienstzeit an Samstagen, Sonntagen, Feiertagen oder nachts bei Anordnung von zwei 24-Stunden-Diensten pro Kalenderwoche Zuschläge für die Zeit von 15:00 Uhr bis 3:00 Uhr und bei Anordnung von drei 24-Stunden-Diensten pro Woche Zuschläge für die Zeit von 15:00 Uhr bis 20:00 Uhr bei sonstigem Vorliegen der Voraussetzungen für den Bezug der Zuschläge nach den eben genannten Regelungen zu zahlen sind.

6.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die von dem Kläger im Ein-Schicht-System geleistete Anwesenheitszeit am Arbeitsplatz auch in der Zeit von 15:00 Uhr bis 7:00 Uhr bis zur Höhe der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 14 DRK-TV als Arbeitszeit auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers anzurechnen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich den nach ihrer Auffassung zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung an, die sie mit weiteren Ausführungen unterstützt. Soweit der Kläger zwischen der Zeit der Vollarbeit und dem Bereitschaftsdienst keinen Unterschied sehe, sei dies unzutreffend. Denn die Aufgabe des Rettungsassistenten bzw. Rettungssanitäters beschränke sich nicht darauf, in der Rettungswache auf eingehende Notrufe zu warten und dann den Einsatz zu übernehmen. Vielmehr fielen zusätzlich Kontroll-, Wartungs- und Reinigungsarbeiten an, zudem müssten Dokumentationen und Bestellungen geschrieben werden. Diese Arbeiten müssten nach Weisungen der Beklagten während der regelmäßigen Arbeitszeit zwischen 7:00 Uhr und 15:00 Uhr ausgeführt werden. Wenn solche Routinearbeiten neben den Notfalleinsätzen keine Ruhenszeiten von mehr als 10 Minuten zuließen, handele es sich um Vollarbeit. In Ballungsgebieten und Großstädten wie Berlin gäbe es keine Möglichkeit, Bereitschaftsdienst anzuordnen, weil die Einsatzfrequenz höher sei. Allerdings sei dies im Falle der Rettungswache in ländlichen Gebieten, insbesondere in Belzig und Jeserig, durchaus möglich. Dies zeigten die Statistiken der Leitzentrale. Daher könne in der Zeit von 15:00 Uhr – 07:00 Uhr Bereitschaftsdienst angeordnet werden, während dessen der jeweilige Arbeitnehmer überwiegend privaten Dingen nachgehen oder ruhen könne. Aber auch die kurze Ausrückzeit von 90 Sekunden spreche nicht dagegen, dass Bereitschaftsdienst wirksam angeordnet worden sei. Diese Regelung sei durchaus branchenüblich und finde sich auch in vergleichbaren Tarifverträgen bzw. kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien (266 – 270 d. A.).

Entscheidungsgründe

Die an sich statthafte, nach dem Beschwerdewert zulässige sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 und 6, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) führt unter Teilabänderung der angefochtenen Entscheidung zur Teilklagestattgabe, bleibt jedoch im Wesentlichen erfolglos.

I.

Der Kläger hat lediglich für die Zeit von Januar bis September 2010 einen aus § 615 S. 1 BGB folgenden Anspruch auf Zahlung von Verzugslohn gegen die Beklagte in Höhe von 511,39 EUR brutto. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage mit Recht abgewiesen.

1.

Dies gilt zunächst für den Antrag zu Ziff. 2, mit dem der Kläger eine Anrechnung von ihm geleisteter Dienststunden auf seinem Arbeitszeitkonto begehrt.

a) Dieser Antrag betrifft nicht die arbeitszeitrechtliche Dimension des Problems, sondern hat lediglich vergütungsrechtliche Bedeutung.

Ein Arbeitszeitkonto drückt aus, in welchem Umfang der Arbeitnehmer Arbeit geleistet hat und dafür Vergütung beanspruchen kann. Der Sache nach handelt es sich bei dem Begehren, eine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto vorzunehmen, um die Geltendmachung eines Vergütungsanspruchs für (vor-) geleistete Arbeit (BAG 5 AZR 521/09 vom 28.07.2010, AP Nr. 195 zu § 4 TVG Ausschlussfristen; BAG 5 AZR 341/08 vom 11.02.2009, AP Nr. 44 zu § 1 TVG Tarifverträge: Lufthansa; BAG 10 AZR 640/02 vom  24.09.2003, BAGE 108 S. 1; BAG 5 AZR 470/00 vom 13.02.2002, BAGE 100 S. 256).

+

b) Der vom Kläger damit verfolgte Vergütungsanspruch für die im Antrag zu Ziff. 2 näher bezeichneten Dienststunden bleibt erfolglos, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat.

aa)

(1) Bei den vom Kläger in der Zeit zwischen 15.00 und 07.00 Uhr geleisteten Dienstzeiten handelte es sich um Bereitschaftsdienst und nicht um Arbeitszeit. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil  (I.2. sowie I.1.2. a bis c der Entscheidungsgründe, Bl. 190 bis 194 und Bl.196 d. A.) kann insoweit verwiesen werden.

(2) Zu einer abweichenden Beurteilung geben die mit der Berufung erhobenen Rügen des Klägers keinen Anlass. Dabei kann ihm durchaus in seinen allgemeinen Ausführungen zur Unterscheidung von Vollarbeit, Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaft gefolgt werden. Allerdings führt dies nicht dazu, dass der Sachverhalt in einem anderen Licht gesehen werden müsste.

(a)

Soweit er der Auffassung ist, dass die Tätigkeit zwischen 07:00 Uhr und 15:00 Uhr sich nicht wesentlich von der anschließend angeordneten Zeit unterscheide, ist dies nicht zutreffend. Wie die Beklagte mit Recht ausgeführt hat, ist diese Zeit anders ausgefüllt als der Bereitschaftsdienst nach 15:00 Uhr. Denn während dieser Zeit führen die Arbeitnehmer eine Reihe von Tätigkeiten aus wie etwa Reinigungs-, Wartungs- und Kontrollarbeiten sowie die Herstellung von Dokumentationen und Bestellungen. Damit unterscheidet sich die Inanspruchnahme der Mitarbeiter in der Zeit zwischen 07:00 Uhr und 15:00 Uhr ganz wesentlich von den folgenden Zeiten des Tages, in denen lediglich Bereitschaftsdienst geleistet wird.

(b)

Aber auch die Unterscheidung zwischen einer Tätigkeit, zu deren Durchführung der Arbeitnehmer sich selbst entscheidet, und derjenigen, zu deren Durchführung er durch seinen Arbeitgeber herangezogen wird, ist überzeugend. Gerade wenn es nach Darstellung des Klägers in der Natur der Sache liegt, dass der Rettungssanitäter nicht „von sich aus“ tätig wird, ist damit ein wesentlicher Unterschied zu der des Taxifahrers begründet, für den genau das Gegenteil gilt. Denn jener entscheidet selbst, ob und wann er tätig werden möchte.

(c)

Soweit der Kläger darauf hinweist, dass mit der von der Beklagten vertretenen Ansicht eine volle Wochenarbeitszeit nicht erreicht werden könnte, mag dies zutreffend sein, jedoch folgt daraus keine Änderung der Qualität der Heranziehung des Klägers und ergeben sich daraus keine Auswirkungen auf die Begründetheit der von ihm verfolgten Ansprüche. Die etwaige Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten führt nicht zum  Erfolg der Klage.

bb) Der Anspruch des Klägers findet aber auch keine Grundlage in § 615 S. 1 BGB

(1) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kommt kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme der DRK-Tarifvertrag Ost in der ersten Neufassung des 1. Änderungstarifvertrages vom 01. Juli 1992 zur Anwendung.

Dessen § 14 Abs. 1 lautet:

„Regelmäßige Arbeitszeit

(1)

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich. Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist in der Regel ein Zeitraum von 8 Wochen zugrunde zu legen.

Bei Mitarbeitern die ständig Wechselschichten– oder Schichtarbeit zu leisten haben, kann ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden.“

In §14 Abs. 5 des Tarifvertrages findet sich folgende Regelung:

„Der Mitarbeiter ist verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt.“

(2) Bei Anwendung dieser Regelungen erweist sich die Handhabung des Weisungsrechts durch die Beklagte als rechtswidrig.

(a)

Unstreitig hat die Beklagte den Kläger entsprechend ihrer Rahmeneinsatzpläne für jeweils ein Vierteljahr durchschnittlich 48 Stunden pro Woche eingesetzt, die sich aus fünf 24-Stunden-Schichten in der Doppelwoche mit jeweils 8 Stunden Vollarbeit und 16 Stunden Bereitschaftsdienst zusammensetzten. Da sie dabei den Bereitschaftsdienst mit 55 % wertete, ergab sich daraus ein Minus von 18 Stunden pro Woche an geschuldeter Vollarbeitszeit. Bei 8 Stunden Vollarbeit pro Schicht kam der Kläger lediglich auf 18 Arbeitsstunden.

Zur Anordnung einer solchen Arbeitsleistung war die Beklagte jedoch nicht berechtigt; denn § 14 Abs. 5 DRK-Tarifvertrag Ost verpflichtet jeden Arbeitnehmer nur zur Ausführung von Bereitschaftsdienst neben seiner regelmäßigen Arbeitszeit, jedoch darf dieser nur zusätzlich zur regelmäßigen Arbeitszeit und nicht anstelle der regelmäßigen Arbeitszeit angeordnet werden.

(b)

Gegen die mit der Anordnung von Bereitschafsdienst verbundene Reduzierung der Arbeitszeit hat sich der Kläger wiederholt gewandt und damit ein wörtliches Angebot im Sinne von § 295 S. 1 BGB abgegeben, gleichzeitig war diesem Erfordernis auch durch das planmäßige Abweichen des Arbeitgebers von seiner Verpflichtung zur Zuordnung der vertragsgemäßen Arbeitszeit genügt. Damit befand sich die Beklagte hinsichtlich der Differenz zwischen der geschuldeten und der geleisteten wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers während des Anspruchszeitraums in Verzug.

(3)

Auf den damit grundsätzlich bestehenden Anspruch des Klägers auf Zahlung von Verzugslohn (§ 615 S. 1 BGB) muss sich der Kläger allerdings nach § 615 S. 2 BGB anrechnen lassen, was er durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erworben hat. Dies ist im Streitfall die von der Beklagten gezahlte Vergütung in Höhe von 55 % der Vergütung für die geleisteten Bereitschaftsdienste. Dies führt dazu, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung der regelmäßigen Vergütung mehr besitzt, § 362 BGB (so bereits LAG Berlin – Brandenburg 6 Sa 854/11 vom 04.11.2011, ZTR 2012 S. 29 <LS>, Revision eingelegt unter 5 AZR 918/11).

(4)

Soweit der Kläger seinen Anspruch auf die Betriebsvereinbarung vom 03. März 2006 stützen möchte, scheitert dies bereits daran, dass diese von der Dienstvereinbarung vom 10.11.2009 abgelöst wurde (I.1.3 der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, Bl. 194 f. d. A.).

2.

Erfolglos ist die Berufung aber auch, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrags zu Ziff. 3 wendet, mit dem der Kläger zukunftsgerichtet einen Feststellungsantrag verfolgt, der inhaltlich mit demjenigen nach Ziff. 2 korrespondiert. Dessen fehlende Begründetheit hat gleichzeitig die Erfolglosigkeit der Berufung auch in diesem Punkt zur Folge.

3.

Zum Teil erfolgreich ist die Berufung des Klägers jedoch hinsichtlich der Abweisung der Klage zu Ziff. 1 in Höhe von 511,39 € brutto nebst Zinsen.

a) Die Grundlage des Anspruchs bildet § 615 S. 1 BGB, wobei  sich der Zahlungsanspruch des Klägers auf ihm möglicherweise entgangene Zuschläge reduziert.

Deren Höhe ist in entsprechender Anwendung des Paragraphen 287 Satz 1 ZPO zu ermitteln, wobei die Basis der Schätzung die Lohnabrechnungen für Januar bis Juni 2010 (Bl. 83 bis 92 d.A.) bzw. die Angaben des Klägers aus seinem klageerweiternden Schriftsatz vom 31.01.2011 (Bl. 140 bis 145 d. A.) sind, die einen Zuschlag für Samstage, Sonntage und Feiertage von insgesamt 511,39 EUR ausweisen und in entsprechender Höhe auch bei tarifentsprechender Zuweisung von Arbeit angefallen wären. § 362 BGB kommt insoweit nicht zur Anwendung, da (anders als bei der Bereitschaftsdienstvergütung) bereits erbrachte Leistungen der Beklagten nicht zu berücksichtigen sind (so bereits LAG Berlin – Brandenburg 6 Sa 854/11 vom 04.11.2011, ZTR 2012 S. 29 <LS>, Revision eingelegt unter 5 AZR 918/11).

b) Der Zinsanspruch hat seine Grundlage in §§ 288, 291 BGB.

4.

Der Hilfsantrag zu Ziff. 4 ist mit Rücksicht auf den Teilerfolg der Berufung zu Ziff. 1 nicht zur Entscheidung angefallen.

5.

Der Hilfsantrag zu Ziff. 6 ist aus den Gründen zu I.1.b unbegründet.

6.

Dies gilt entsprechend für den Hilfsantrag zu Ziff. 5, dessen Erfolg voraussetzte, dass es sich bei den darin konkret bezeichneten Zeiten um Arbeitszeit und nicht um Bereitschaftsdienst handelte ( § 39 Abs. 2 DRK-TV Ost). Dies ist jedoch aus den in I.1.b beschriebenen Gründen nicht der Fall.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 64 Abs. 6, 91, 92 und 97 Abs. 1 ZPO.

III.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) lagen nicht vor. Die Kammer folgte bei der Entscheidung des grundsätzliche Bedeutung nicht aufweisenden Rechtsstreits den in der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen.

 

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