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Abmahnung – Entfernung aus der Personalakte

Konflikt am Arbeitsplatz: Abmahnung wegen Drohung muss aus Personalakte entfernt werden

In einem aufschlussreichen Fall, der kürzlich vom Landesarbeitsgericht Köln entschieden wurde, fand ein langjähriger Mitarbeiter, der als Leiter des Bereichs Einkauf, Fuhrpark und Facility Management tätig ist, sich in einer hitzigen Auseinandersetzung mit dem Geschäftsführer seines Unternehmens. Im Zentrum des Streits stand eine verbale Auseinandersetzung, die eine Abmahnung zur Folge hatte und schließlich vor Gericht landete. Es ging um die Interpretation einer Bemerkung des Klägers, die die Beklagte als Drohung ansah. Dieser wiederum argumentierte, er habe lediglich seine Absicht bekundet, rechtlich gegen die ursprüngliche Abmahnung vorzugehen.

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Ein verbal ausgetragener Disput und seine Konsequenzen

Die Auseinandersetzung begann mit einer Kontroverse über eine neue EU-Plakette für einen Dienstwagen, die zu einer verbalen Eskalation führte. Als Reaktion auf eine erste Abmahnung erwiderte der Kläger: „Du hast eröffnet, erwarte den Konter.“ Dies wurde von der Geschäftsführung als Drohung interpretiert, was zu einer weiteren Abmahnung führte. Der Kläger sah dies jedoch anders und behauptete, er habe nur seine Absicht ausgedrückt, rechtlich gegen die erste Abmahnung vorzugehen.

Eine kontroverse Auslegung und die Rolle des Gerichts

Das Arbeitsgericht Köln wies zunächst die Klage des Klägers auf Entfernung der zweiten Abmahnung aus seiner Personalakte ab. Es argumentierte, dass der Kläger durch seine Äußerung seine Pflicht zum respektvollen Umgang mit seinem Vorgesetzten missachtet und den Betriebsfrieden gestört habe. Dagegen legte der Kläger Berufung ein, was den Fall vor das Landesarbeitsgericht Köln brachte.

Überarbeitung des Urteils und Klärung der Kommunikationspflichten

Das Landesarbeitsgericht Köln entschied zugunsten des Klägers und änderte das ursprüngliche Urteil des Arbeitsgerichts teilweise ab. Es ordnete an, dass die zweite Abmahnung, die aufgrund der vermeintlichen Drohung ausgesprochen wurde, aus der Personalakte des Klägers zu entfernen sei. Damit wurde festgestellt, dass die Äußerung des Klägers nicht als Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten angesehen werden konnte. Gleichzeitig wurde betont, dass respektvolle Kommunikation und der Verzicht auf Drohungen wichtige Aspekte der Arbeitsbeziehungen sind.


Das vorliegende Urteil

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 11 Sa 842/20 – Urteil vom 10.11.2021

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.09.2020 – 2 Ca 2475/20 – teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, die Abmahnung vom 01.04.2020 mit der angeblichen Drohung („Du hast eröffnet, erwarte den Konter“) aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch um die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte.

Der Kläger ist seit dem 16.01.2006 bei der Beklagten als Leiter des Bereichs Einkauf, Fuhrpark und Facility Management beschäftigt.

Die Beklagte überreichte dem Kläger am 03.03.2020 eine schriftliche Abmahnung vom 02.03.2020 wegen einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer über eine neue EU-Plakette für einen Dienstwagen (Bl. 7 f. d. A.). Das Arbeitsgericht hat die Beklagte nach Beweisaufnahme u. a. rechtskräftig verurteilt, diese Abmahnung aus der Personalakte des Klägers zu entfernen, weil die despektierliche Äußerung „um so einen Piss werde sich gekümmert“ nicht in Bezug auf die EU-Plakette gefallen sei.

Anlässlich der Übergabe der Abmahnung vom 02.03.2020 hat der Kläger am 03.03.2020 gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten geäußert: „Du hast eröffnet, erwarte den Konter.“ Dieses Verhalten hat die Beklagte mit Schreiben vom 01.04.2020 abgemahnt (Bl. 9 f. d. A.). Sie hat den Kläger mit dieser Abmahnung auf seine arbeitsvertragliche Pflicht hingewiesen, respektvoll zu kommunizieren und keine Drohungen zu tätigen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 23.09.2020 (Bl. 94 ff. d. A.) u. a. die Klage auf Entfernung der Abmahnung vom 01.04.2020 wegen des Vorfalls am 03.03.2020 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe mit seiner Äußerung seine Pflicht zum respektvollen Umgang mit seinem Vorgesetzten missachtet und den Betriebsfrieden gestört. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihm am 29.09.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.10.2020 Berufung eingelegt und diese am 10.11.2020 begründet.

Der Kläger meint, die Abmahnung vom 01.04.2020 sei unverhältnismäßig. Er habe in Bedrängnis, konfrontiert mit drei Personen auf Seiten der Beklagten, lediglich zum Ausdruck gebracht, dass er gegen die Abmahnung rechtlich vorgehen werde.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichtes Köln vom 23.09.2020 – 2 Ca 2475/20 – zu verurteilen, die Abmahnung vom 01.04.2020 mit der angeblichen Drohung („Du hast eröffnet, erwarte den Konter“) aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte sieht die Äußerung des Klägers im Kontext der konkreten Auseinandersetzung nicht nur als Ankündigung rechtlicher Gegenmaßnahmen. Der Geschäftsführer der Beklagten habe sie als feindseligen Akt und Androhung eines Zweikampfes verstanden. Der Kläger habe sich in der Wortwahl vergriffen und sei wie bereits in der Vergangenheit konfrontativ und respektlos aufgetreten. Mit seiner martialischen Wortwahl habe er den Betriebsfrieden gestört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 02.11.2020, 18.01.2021 und 22.02.2021, die Sitzungsniederschrift vom 10.11.2021 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2b) ArbGG statthaft und wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.

II. Die Berufung ist begründet. Die Beklagte ist analog den §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, die streitige Abmahnung vom 01.04.2020 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

1. Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, (teilweise) unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt (BAG, Urt. v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16 m. w. N.). Die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit der in der Abmahnung erhobenen Vorwürfe obliegt dem Arbeitgeber (vgl. u. a.: BAG, Urt. v. 26.01.1994 – 7 AZR 640/92 -; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 05.11.2020 – 5 Sa 167/20 – m. w. N.).

2. Äußerungen des Arbeitnehmers im Betrieb unterliegen dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Berechtigte Interessen des Arbeitgebers aus Art. 12 GG, 241 Abs. 2 BGB, die dieses Recht nach Art 5 Abs. 2 GG einschränken können, bedürfen eines erheblichen Gewichts, wie etwa grobe Beleidigungen des Arbeitgebers, seiner Vertreter und Repräsentanten sowie von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten. Arbeitnehmer dürfen unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. Lediglich in grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber nicht hinnehmen (vgl.: BAG, Urt. v. 05.12.2019- 2 AZR 240/19 – m. w. N.). Die ernsthafte, widerrechtliche Drohung mit Nachteilen kann zu einer Verletzung der sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebenden Nebenpflicht führen, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Das gilt unabhängig davon, ob das Verhalten des Arbeitnehmers auf die Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs zielt (vgl. etwa: BAG Urt. v. 29.06.2017 – 2 AZR 47/16 – m. w. N).

3. Hiernach ist zunächst festzustellen, dass die Wortwahl des Klägers („Konter“) vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt ist und keine Schmähkritik oder Ehrverletzung des Geschäftsführers darstellt. Die Äußerung war die unmittelbare Reaktion des Klägers auf die Übergabe der Abmahnung, was sich nicht nur an der zeitlichen Abfolge, sondern auch der Einleitung der Äußerung („Du hast eröffnet“) zeigt. Die Ankündigung („erwarte den Konter“) hatte auch einen drohenden Charakter im Sinne eine Gegenangriffs. Die Erklärung war jedoch objektiv mehrdeutig, ließ offen welche Art von Konter gemeint war. Die Beklagte hat im Übergabegespräch nicht den Versuch unternommen, den Erklärungsinhalt durch klärende Nachfrage bei dem Kläger zu ermitteln. Demnach kommt sowohl die Deutung der Androhung einer rechtmäßigen als auch einer rechtswidrigen Reaktion in Betracht. Der Beklagten ist es nicht gelungen, die Einlassung des Klägers, er habe lediglich zulässige rechtliche Gegenmaßnahmen angekündigt, zu widerlegen, so dass die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht nicht mit der hinreichenden Sicherheit angenommen werden kann. Im Gegenteil hat der Kläger zwei Wochen nach Erteilung der Abmahnung Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte erhoben. Andere (widerrechtliche) Maßnahmen als Reaktion auf die Erteilung der Abmahnung hat er nicht ergriffen. Diese Verhaltensweise spricht eher gegen die Annahme einer widerrechtlichen Drohung.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

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