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Abmahnungsentfernung aus Personalakte

Eine kritische Meldung an den Aufsichtsrat wurde für einen leitenden Angestellten teuer – zunächst. Denn auf seine Bedenken folgten zwei Abmahnungen vom Arbeitgeber. Ein Gerichtsurteil stellt nun klar: Diese Rügen waren unberechtigt.

Zum vorliegenden Urteil 7 SLa 25/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
  • Verfahrensart: Berufung
  • Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Anspruch auf Entfernung von Abmahnungen, BGB, ArbGG

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Ein Arbeitnehmer, der als Referatsleiter und in weiteren Funktionen bei der Beklagten beschäftigt ist. Er verlangte die Entfernung zweier Abmahnungen aus seiner Personalakte.
  • Beklagte: Die kommunale Aktiengesellschaft, bei der der Kläger beschäftigt ist. Sie erteilte die Abmahnungen und legte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein, das der Klage stattgab.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Kläger sandte als Mitarbeiter der Internen Revision E-Mails an den Aufsichtsrat der beklagten Arbeitgeberin, in denen er Befürchtungen äußerte und Vorwürfe erhob. Daraufhin erhielt er zwei schriftliche Abmahnungen von der Arbeitgeberin, die ihm unwahre Tatsachenbehauptungen und Pflichtverletzungen vorwarf. Der Kläger klagte auf Entfernung dieser Abmahnungen aus seiner Personalakte.
  • Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob die beiden Abmahnungen zu Recht erteilt wurden und der Arbeitnehmer daher keinen Anspruch auf deren Entfernung aus seiner Personalakte hat. Dies hing davon ab, ob die in den Abmahnungen erhobenen Vorwürfe (insbesondere die Behauptung unwahrer Tatsachen und unzutreffende rechtliche Bewertungen des Verhaltens) objektiv zutreffend waren.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück. Damit bestätigte es das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz. Die Arbeitgeberin muss die beiden streitgegenständlichen Abmahnungen aus der Personalakte des Arbeitnehmers entfernen.
  • Begründung: Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass beide Abmahnungen unwahre Tatsachenbehauptungen oder unzutreffende rechtliche Bewertungen enthielten. Die erste Abmahnung war unzutreffend, weil der Kläger nur eine „begründete Befürchtung“ und keine unwahre Tatsache behauptet hatte. Die zweite Abmahnung war fehlerhaft, unter anderem da die Arbeitgeberin zu Unrecht seine Anwesenheit bei einem Gespräch während der Arbeitsunfähigkeit verlangte und seine Angaben nicht größtenteils unwahr waren. Da die Abmahnungen fehlerhaft waren, müssen sie entfernt werden.
  • Folgen: Die beiden Abmahnungen vom 14.03.2023 und 20.03.2023 müssen von der Arbeitgeberin aus der Personalakte des Arbeitnehmers entfernt werden. Die Arbeitgeberin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Der Fall vor Gericht


E-Mails an den Aufsichtsrat: Landesarbeitsgericht erklärt Abmahnungen gegen leitenden Angestellten für unwirksam

Ein leitender Angestellter, zugleich Referatsleiter für Corporate Governance und Compliance-Beauftragter eines kommunalen Unternehmens, sah sich mit zwei Abmahnungen konfrontiert, nachdem er sich per E-Mail direkt an den Aufsichtsrat gewandt hatte.

Compliance-Beauftragter schreibt E-Mail zu Internen Revisionen, im Büro, fokusiert.
Compliance-Mail an Aufsichtsrat: Bedenken zur Auslagerung der Internen Revision und Abmahnung. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz bestätigte nun die erstinstanzliche Entscheidung: Beide Abmahnungen sind aus der Personalakte zu entfernen. Die Richter legten dabei strenge Maßstäbe an die Formulierung und Berechtigung der Rügen durch den Arbeitgeber an.

Der Streit um Vertrauen, Wahrheit und interne Meldewege

Im Zentrum des Rechtsstreits stand ein 1967 geborener Mann, der seit dem Jahr 2000 bei einer kommunalen Aktiengesellschaft im Bereich der Daseinsvorsorge tätig ist. Seit März 2018 bekleidete er die Position des Referatsleiters Corporate Governance, leitete die Interne Revision und war zudem als Compliance-Beauftragter, stellvertretender Datenschutzbeauftragter sowie Risikomanagement-Beauftragter bestellt. Sein monatliches Bruttoeinkommen belief sich auf rund 9.000 Euro.

Auslöser der Auseinandersetzung waren Vorgänge rund um die Prüfung des Bauprojekts „Brunnensanierung S.“ einer Tochtergesellschaft. Hier gab es offenbar Unstimmigkeiten zwischen dem Vorstand der Beklagten und der von dem Kläger geleiteten Internen Revision. Der Kläger wandte sich daraufhin, ohne vorherige Information des Vorstands, mit zwei E-Mails an die Mitglieder des Aufsichtsrats.

Die erste kritische E-Mail und die Reaktion des Arbeitgebers

In einer E-Mail vom 24. Januar 2023, mit dem Betreff „Bitte um Schutz“, äußerte der Kläger die „begründete Befürchtung, dass die Funktion der Internen Revision in der Y-Unternehmensgruppe ausgelagert werden soll“. Als Beispiel für auf eine Auslagerung abzielende Handlungen nannte er „u.a. in Form eines Auftrages an die X in D.“. Eine zweite E-Mail folgte am 26. Januar 2023.

Die Arbeitgeberin reagierte mit einer ersten Abmahnung vom 14. März 2023. Sie warf dem Kläger vor, gegenüber dem Aufsichtsrat unwahre Tatsachen verbreitet und damit gegen seine arbeitsvertragliche Treuepflicht – eine Nebenpflicht, die Loyalität und Interessenwahrung gegenüber dem Arbeitgeber fordert – verstoßen zu haben. Die Behauptung, der Auftrag an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft X ziele auf eine Auslagerung der Internen Revision, sei falsch; es gehe lediglich um eine Revisionsprüfung. Zudem habe der Kläger gegen eine interne Konzernanweisung (KA 0) verstoßen, die vorsehe, zuerst den Vorstand zu informieren.

Die zweite E-Mail und die Folge-Abmahnung

Am 9. März 2023 verfasste der Kläger eine weitere E-Mail an die Aufsichtsräte, diesmal von seiner privaten E-Mail-Adresse. Darin sprach er von „kontinuierlichen Aktivitäten der Stadt C.“, die „u. U. die rechtlich erheblichen Grenzen des Mobbings überschritten“ hätten. Als Beispiele führte er an, man habe ihn „vom EDV-System der Y kommentarlos abzuklemmen, das Gehalt grundlos zu kürzen und zu verlangen, dass ich bei bestehender Arbeitsunfähigkeit doch bitte zu einem Personalgespräch in den Y erscheinen möge“.

Dies führte zur zweiten Abmahnung vom 20. März 2023. Die Arbeitgeberin warf ihm erneut einen Verstoß gegen die KA 0 vor – trotz des Versands von privater Adresse – und rügte, er habe schwerwiegende, größtenteils unwahre Vorwürfe gegen den Vorstand erhoben. Die Deaktivierung des VPN-Zugangs sei kein „Abklemmen“, die Gehaltskürzung ein bereits korrigierter Buchungsfehler gewesen, und man habe lediglich ein Anhörungsgespräch vor einer Abmahnung anberaumt.

Nachdem der Kläger erfolglos die Entfernung der Abmahnungen gefordert hatte, zog er vor das Arbeitsgericht Mainz. Während des laufenden Verfahrens wurde der Kläger von einigen seiner Sonderfunktionen entbunden und erhielt später zwei Kündigungen, gegen die er gesondert klagt.

Der Weg durch die Instanzen: Vom Arbeitsgericht zum Landesarbeitsgericht

Das Arbeitsgericht Mainz gab der Klage auf Entfernung der Abmahnungen statt. Es argumentierte, die Abmahnungen enthielten unrichtige rechtliche Würdigungen. Die erste Abmahnung sei unzutreffend, da der Kläger in seiner E-Mail keine unwahren Tatsachen behauptet, sondern lediglich eine „begründete Befürchtung“ geäußert habe. Die zweite Abmahnung sei ebenfalls zu Unrecht erteilt worden, da die E-Mail vom 9. März 2023 klar als private Äußerung erkennbar sei und somit nicht dem Anwendungsbereich der internen Konzernanweisung unterfalle.

Die Arbeitgeberin legte gegen dieses Urteil Berufung beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz ein. Sie hielt an ihrer Auffassung fest, der Kläger habe Indizien für seine „begründete Befürchtung“ nicht dargelegt und suggeriert, Maßnahmen zur Auslagerung seien bereits eingeleitet. Auch die private E-Mail falle unter die KA 0. Der Kläger verteidigte das erstinstanzliche Urteil und sah in den Abmahnungen unzulässige Repressalien, möglicherweise auch im Sinne des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) – ein Gesetz zum Schutz von Personen, die im beruflichen Kontext Informationen über Verstöße melden.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts: Berufung zurückgewiesen

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wies die Berufung der Beklagten vollumfänglich zurück. Damit wurde das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz bestätigt: Die Arbeitgeberin muss beide Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers entfernen. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden der Beklagten auferlegt. Eine Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

Die juristischen Feinheiten: Warum die Abmahnungen keinen Bestand hatten

Das LAG Rheinland-Pfalz stützte seine Entscheidung maßgeblich auf die ausführlichen und überzeugenden Gründe des Arbeitsgerichts Mainz und machte sich diese gemäß § 69 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) zu Eigen. Diese Vorschrift erlaubt es einem Berufungsgericht, sich der Begründung der Vorinstanz anzuschließen, wenn es diese für zutreffend hält. Ergänzend führte das LAG eigene Überlegungen an.

Grundsätze zur Entfernung einer Abmahnung

Das Gericht bekräftigte zunächst die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG): Arbeitnehmer können die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung – einer formellen Rügepflichtverletzung mit Warnfunktion – aus ihrer Personalakte verlangen. Dies ergibt sich in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Diese Paragrafen, die eigentlich den Grundsatz von Treu und Glauben sowie den Beseitigungsanspruch bei Eigentumsstörungen regeln, werden hier herangezogen, um den Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten Einträgen in seiner Akte zu schützen.

Eine Abmahnung ist laut Gericht dann zu Unrecht erteilt, wenn:

  • sie inhaltlich unbestimmt ist,
  • unwahre Tatsachenbehauptungen enthält,
  • auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder
  • den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.

Entscheidend ist: Werden in einer Abmahnung mehrere Pflichtverletzungen gerügt und trifft auch nur einer der Vorwürfe nicht zu, muss die Abmahnung insgesamt aus der Personalakte entfernt werden. Die Darlegungs- und Beweislast für die Berechtigung der Vorwürfe liegt dabei vollständig beim Arbeitgeber.

Analyse der ersten Abmahnung (E-Mail vom 24.01.2023)

Das LAG bestätigte, dass der Vorwurf der Arbeitgeberin, der Kläger habe unwahre Tatsachen verbreitet, in dieser Pauschalität unzutreffend sei.

  • „Begründete Befürchtung“ ist keine Tatsachenbehauptung: Der Kläger habe in seiner E-Mail explizit von einer „begründeten Befürchtung“ gesprochen. Eine Befürchtung, auch eine begründete, sei begrifflich nicht dasselbe wie die Behauptung, ein Vorgang (die Auslagerung) sei bereits eingeleitet oder beschlossen.
  • Verfälschende Wiedergabe in der Abmahnung: Die Arbeitgeberin hatte in ihrer Abmahnung die einleitenden Worte „leider gibt es die begründete Befürchtung, dass“ weggelassen. Dadurch sei der falsche Eindruck erweckt worden, der Kläger habe einen unzutreffenden Sachverhalt als feststehend geschildert.
  • Auftrag an X nur als „Beispiel“: Der Kläger habe den Auftrag an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft X zudem nur als ein „Beispiel“ („u.a.“) für Handlungen genannt, die er als Vorbereitung für die von ihm befürchtete Auslagerung ansah.

Allein aufgrund dieser unzutreffenden Vorwürfe bezüglich der E-Mail vom 24. Januar 2023 sei die erste Abmahnung bereits aus der Personalakte zu entfernen. Ob der Kläger tatsächlich gegen die interne Konzernanweisung verstoßen hatte, indem er sich direkt an den Aufsichtsrat wandte, musste das Gericht daher nicht mehr entscheiden.

Analyse der zweiten Abmahnung (E-Mail vom 09.03.2023)

Auch die zweite Abmahnung hielt der gerichtlichen Überprüfung nicht stand, da sie ebenfalls unzutreffende Tatsachenbehauptungen und rechtliche Bewertungen enthielt.

  • Konkrete Beispiele genannt: Der Vorwurf in der Abmahnung, der Kläger habe „schwerwiegende Vorwürfe“ ohne Angabe konkreter Sachverhalte erhoben, sei falsch. Der Kläger habe sehr wohl Beispiele genannt (EDV-System, Gehalt, Personalgespräch).
  • „Abklemmen“ vom EDV-System: Die Darstellung des Klägers, er sei vom EDV-System „abgeklemmt“ worden, werde durch die Klarstellung der Beklagten, der VPN-Zugang sei gesperrt worden, eher gestützt. Die Arbeitgeberin habe nicht behauptet, dass diese Maßnahme kommuniziert worden sei oder üblicher Praxis entspreche.
  • Kenntnis des korrigierten Gehaltsfehlers: Die Behauptung in der Abmahnung, der Kläger habe zum Zeitpunkt seiner E-Mail (9. März) gewusst, dass die Gehaltskürzung lediglich ein bereits korrigierter Buchungsfehler war, sei ebenfalls unzutreffend. Die Prozessbevollmächtigte der Arbeitgeberin hatte dem Klägervertreter erst am 7. März mitgeteilt, dass womöglich ein Fehler unterlaufen sei, dieser in interner Prüfung sei und im Falle eines Fehlers korrigiert werde. Der Kläger habe die erfolgte Nachzahlung in seiner E-Mail vom 9. März ja gerade erwähnt.
  • Unzulässige Aufforderung zum Personalgespräch während Arbeitsunfähigkeit: Die Arbeitgeberin hatte tatsächlich verlangt, dass der Kläger während seiner attestierten Arbeitsunfähigkeit zu einem Personalgespräch erscheint. Hier verwies das Gericht auf die BAG-Rechtsprechung und § 241 Abs. 2 BGB, die Rücksichtnahmepflicht. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers sei während der Arbeitsunfähigkeit begrenzt. Weisungen zur Anwesenheit seien auf dringende betriebliche Anlässe zu beschränken, die unaufschiebbar und dem Arbeitnehmer zumutbar sind. Die persönliche Anwesenheit im Betrieb sei nur ausnahmsweise bei dringender Erforderlichkeit zulässig. Die Absicht, einen außertariflich beschäftigten Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Abmahnung persönlich anzuhören, stelle ohne besondere Umstände keinen solchen dringenden betrieblichen Anlass dar. Der Kläger war daher nicht verpflichtet, zu diesem Gespräch zu erscheinen oder ein gesondertes ärztliches Attest über seine Verhinderung an der Gesprächsteilnahme beizubringen.

Aufgrund dieser unzutreffenden Tatsachenbehauptungen und rechtlichen Wertungen sei die pauschale Schlussfolgerung in der Abmahnung, die Angaben des Klägers seien größtenteils nicht wahr und es habe keinerlei rechtswidrige Aktivitäten oder Mobbing gegeben, unhaltbar. Folglich ist auch die zweite Abmahnung insgesamt zu entfernen.

Abmahnungsentfernung auch bei laufender Kündigungsschutzklage

Der Anspruch des Klägers auf Entfernung der Abmahnungen werde auch nicht dadurch hinfällig, dass die Arbeitgeberin zwischenzeitlich Kündigungen ausgesprochen hat und ein Kündigungsschutzverfahren anhängig ist. Nach ständiger Rechtsprechung erlischt der Entfernungsanspruch erst, wenn das Arbeitsverhältnis feststehend beendet ist. Da die Parteien im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem LAG noch über die Wirksamkeit der Kündigungen stritten, bestand weiterhin ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der Entfernung. Eine Weiterbeschäftigung bei erfolgreicher Kündigungsschutzklage ist schließlich möglich.

Juristische Einordnung und allgemeine Bedeutung

Das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz unterstreicht mehrere wichtige Aspekte im Arbeitsrecht, insbesondere im Kontext von Abmahnungen und der Kommunikation von Mitarbeitern in verantwortungsvollen Positionen.

Hohe Anforderungen an die Formulierung von Abmahnungen

Die Entscheidung macht deutlich, dass Arbeitgeber bei der Formulierung von Abmahnungen äußerste Präzision und Sorgfalt walten lassen müssen. Jeder einzelne in der Abmahnung erhobene Vorwurf muss nicht nur tatsächlich zutreffen, sondern auch rechtlich korrekt bewertet werden. Pauschale Anschuldigungen oder eine ungenaue bzw. verkürzte Wiedergabe von Mitarbeiteräußerungen können zur Unwirksamkeit der gesamten Abmahnung führen. Dies gilt selbst dann, wenn andere Teile der Abmahnung möglicherweise berechtigt wären.

Die Macht der Worte: „Befürchtung“ vs. „Tatsachenbehauptung“

Besonders hervorzuheben ist die Differenzierung des Gerichts zwischen der Äußerung einer „begründeten Befürchtung“ und einer Tatsachenbehauptung. Dies zeigt, dass die genaue Wortwahl eines Arbeitnehmers bei kritischen Äußerungen entscheidend sein kann. Eine sorgfältig als Befürchtung, Vermutung oder Frage formulierte Meldung ist rechtlich anders zu bewerten als die Behauptung feststehender, aber falscher Tatsachen. Dies kann insbesondere für Mitarbeiter in Compliance-, Revisions- oder anderen Kontrollfunktionen relevant sein, die potenzielle Missstände oder Risiken ansprechen müssen.

Grenzen des Weisungsrechts bei Krankheit

Das Urteil bekräftigt zudem die Grenzen des Weisungsrechts (auch Direktionsrecht genannt, § 106 Gewerbeordnung) des Arbeitgebers gegenüber arbeitsunfähig erkrankten Mitarbeitern. Die Anordnung, während einer Krankheit persönlich im Betrieb zu einem Gespräch zu erscheinen, ist nur in sehr engen Ausnahmefällen zulässig und muss durch dringende, unaufschiebbare betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt sein. Eine routinemäßige Anhörung vor Ausspruch einer Abmahnung fällt in der Regel nicht darunter.

Mögliche Auswirkungen für interne Meldungen

Obwohl das Gericht nicht explizit auf das Hinweisgeberschutzgesetz abstellte, sendet das Urteil ein Signal bezüglich interner Meldungen. Mitarbeiter, die sich – insbesondere in sensiblen Positionen – unter Beachtung einer sorgfältigen Formulierung an höhere Stellen wie den Aufsichtsrat wenden, um auf mögliche Probleme hinzuweisen, handeln nicht per se pflichtwidrig. Das Urteil betont die Notwendigkeit einer genauen Prüfung des Inhalts und der Berechtigung von darauf basierenden Sanktionen durch den Arbeitgeber. Es ist jedoch festzuhalten, dass das Gericht die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit der direkten Kontaktaufnahme zum Aufsichtsrat bei der ersten Abmahnung offenließ, da diese bereits aus anderen Gründen fehlerhaft war. Das Urteil ist somit keine pauschale Erlaubnis für jede Form der direkten Kommunikation mit dem Aufsichtsrat unter Umgehung interner Hierarchien, sondern eine Einzelfallentscheidung, die auf der Unrichtigkeit der konkreten Abmahnungsinhalte beruht.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitnehmer das Recht haben, sich in begründeten Fällen direkt an den Aufsichtsrat zu wenden, besonders wenn sie in Compliance-relevanten Positionen tätig sind. Abmahnungen müssen inhaltlich präzise sein und dürfen keine unzutreffenden Tatsachenbehauptungen oder rechtlichen Fehlbewertungen enthalten – bereits ein einzelner unzutreffender Vorwurf macht die gesamte Abmahnung unwirksam. Die Entscheidung stärkt zudem den Schutz erkrankter Arbeitnehmer, da Arbeitgeber während der Arbeitsunfähigkeit nur bei dringenden, unaufschiebbaren betrieblichen Anlässen persönliche Gespräche anordnen dürfen.

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Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was genau ist eine Abmahnung und welche Bedeutung hat sie im Arbeitsrecht?

Eine Abmahnung im Arbeitsrecht ist eine formale Rüge Ihres Arbeitgebers wegen eines konkreten Verhaltens, das nach Ansicht des Arbeitgebers eine Pflicht aus Ihrem Arbeitsvertrag verletzt. Stellen Sie sich die Abmahnung als eine Art gelbe Karte vor, die der Arbeitgeber Ihnen zeigt.

Die Abmahnung hat im Arbeitsrecht mehrere wichtige Bedeutungen und Funktionen:

  1. Dokumentation: Die Abmahnung hält das beanstandete Verhalten schriftlich fest. Sie dient als Nachweis dafür, dass der Arbeitgeber ein bestimmtes Fehlverhalten bemerkt hat und es nicht duldet.
  2. Warnfunktion: Die Abmahnung sagt Ihnen klar und deutlich, dass der Arbeitgeber Ihr spezifisches Verhalten als nicht akzeptabel betrachtet. Sie werden ausdrücklich aufgefordert, dieses Verhalten in Zukunft zu ändern oder zu unterlassen. Gleichzeitig werden Sie darauf hingewiesen, dass bei einem erneuten oder ähnlichen Fehlverhalten mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen ist.
  3. Hinweisfunktion für zukünftige Kündigung: Oft ist eine Abmahnung Voraussetzung dafür, dass ein Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen kann. Das bedeutet: Wenn Sie nach einer Abmahnung das abgemahnte Verhalten oder ein ähnliches Verhalten wiederholen, kann dies – je nach Schwere des Verhaltens – die Grundlage für eine verhaltensbedingte Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses sein.

Für eine wirksame Abmahnung muss sie in der Regel das konkrete Fehlverhalten genau beschreiben (was ist passiert, wann, wo?), als Abmahnung bezeichnet werden und die Warnung enthalten, dass im Wiederholungsfall eine Kündigung drohen kann.

Eine Abmahnung ist keine Kündigung. Sie beendet das Arbeitsverhältnis nicht sofort, sondern ist ein deutliches Signal, dass Ihr Arbeitsplatz bei Fortsetzung des kritisierten Verhaltens gefährdet sein könnte. Die Abmahnung ist daher ein sehr ernstzunehmendes Schreiben mit potenziell weitreichenden Folgen für Ihr Arbeitsverhältnis. Sie wird in Ihrer Personalakte hinterlegt.


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Unter welchen Umständen kann ein Arbeitnehmer die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte verlangen?

Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer das Recht, eine Abmahnung aus seiner Personalakte entfernen zu lassen, wenn diese unberechtigt ist. Eine Abmahnung gilt als unberechtigt, wenn bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die Personalakte dient dazu, wichtige Dokumente im Zusammenhang mit Ihrem Arbeitsverhältnis zu sammeln. Eine darin enthaltene Abmahnung kann für künftige Entscheidungen des Arbeitgebers relevant sein, zum Beispiel bei einer erneuten Abmahnung oder einer möglichen Kündigung.

Ein Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte besteht typischerweise in folgenden Fällen:

Formelle Fehler

Eine Abmahnung muss bestimmte formelle Anforderungen erfüllen. Wenn diese nicht eingehalten werden, kann die Abmahnung unwirksam sein. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Abmahnung schriftlich erfolgen muss (in den meisten Fällen, es sei denn, im Arbeitsvertrag ist etwas anderes geregelt) und dass das konkrete Verhalten, das abgemahnt wird, klar und nachvollziehbar beschrieben sein muss. Es reicht nicht aus, nur allgemeine Vorwürfe zu machen. Außerdem muss die Abmahnung eine deutliche Rüge des beanstandeten Verhaltens enthalten und unmissverständlich klarmachen, dass dieses Verhalten bei Wiederholung arbeitsrechtliche Konsequenzen (bis hin zur Kündigung) haben kann. Fehlt einer dieser Punkte oder ist er unklar formuliert, liegt möglicherweise ein formeller Fehler vor.

Unrichtige Tatsachenbehauptungen

Eine Abmahnung muss auf tatsächlich geschehenen Ereignissen basieren. Wenn die in der Abmahnung dargestellten Fakten nicht stimmen oder der Arbeitgeber das abgemahnte Verhalten nicht beweisen kann, ist die Abmahnung inhaltlich falsch und damit unberechtigt. Stellen Sie sich vor, Ihnen wird vorgeworfen, an einem bestimmten Tag zu spät gekommen zu sein, obwohl Sie nachweislich pünktlich oder gar nicht im Dienst waren. Solche falschen Behauptungen machen die Abmahnung angreifbar.

Unverhältnismäßigkeit oder rechtliche Irrelevanz

Auch wenn das beanstandete Verhalten tatsächlich stattgefunden hat, kann eine Abmahnung unberechtigt sein, wenn das Verhalten nicht schwerwiegend genug ist, um eine solche Konsequenz zu rechtfertigen (Unverhältnismäßigkeit). Bagatellen, die kaum Auswirkungen auf den Arbeitsablauf haben, rechtfertigen in der Regel keine Abmahnung. Ebenso kann eine Abmahnung unwirksam sein, wenn das Verhalten zwar stattgefunden hat, aber arbeitsrechtlich nicht relevant ist, weil es zum Beispiel ausschließlich Ihre private Lebensführung betrifft und keinerlei Bezug zu Ihrer Tätigkeit oder dem Betrieb hat.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Sie die Entfernung einer Abmahnung verlangen können, wenn die Abmahnung formal fehlerhaft ist, auf falschen Behauptungen beruht oder das abgemahnte Verhalten nicht schwerwiegend oder arbeitsrechtlich nicht relevant ist. Ob einer dieser Gründe in einem konkreten Fall vorliegt, hängt immer von den Einzelfallumständen ab.


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Welche Rolle spielt die Treuepflicht des Arbeitnehmers und wo sind die Grenzen dieser Pflicht?

Im Arbeitsverhältnis haben sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer bestimmte Pflichten. Neben der Hauptpflicht des Arbeitnehmers, nämlich der Arbeit, und der Hauptpflicht des Arbeitgebers, der Lohnzahlung, gibt es weitere wichtige Verpflichtungen. Eine zentrale Verpflichtung auf Seiten des Arbeitnehmers ist die sogenannte Treuepflicht. Stellen Sie sich das Arbeitsverhältnis wie eine Partnerschaft vor, bei der beide Seiten einander verpflichtet sind, die Interessen des anderen zu berücksichtigen – natürlich im Rahmen der vereinbarten Regeln. Die Treuepflicht bedeutet im Kern, dass Sie als Arbeitnehmer die Interessen Ihres Arbeitgebers wahren und Handlungen unterlassen müssen, die dem Unternehmen schaden könnten.

Was umfasst die Treuepflicht?

Die Treuepflicht ist nicht in einem einzigen Gesetzbuch genau aufgelistet, sondern ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag selbst und wird durch die Rechtsprechung (Urteile der Gerichte) konkretisiert. Sie umfasst verschiedene Verhaltensweisen, die zeigen, dass Sie die Interessen Ihres Arbeitgebers berücksichtigen. Dazu gehören typischerweise:

  • Wahrung von Betriebsgeheimnissen: Sie dürfen keine vertraulichen Informationen des Unternehmens an Dritte weitergeben.
  • Keine Konkurrenztätigkeit: Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses dürfen Sie nicht für ein Konkurrenzunternehmen arbeiten oder ein solches selbst betreiben. Auch Vorbereitungshandlungen können problematisch sein.
  • Schutz des Eigentums des Arbeitgebers: Sie müssen sorgfältig mit den Ihnen überlassenen Arbeitsmitteln, Geräten oder Materialien umgehen.
  • Wahrung des Betriebsfriedens: Ein Verhalten, das das gute Miteinander im Betrieb erheblich stört, kann gegen die Treuepflicht verstoßen.
  • Meldepflichten: In bestimmten Fällen kann die Treuepflicht auch bedeuten, dass Sie den Arbeitgeber über wichtige Vorgänge informieren müssen, die dessen Interessen betreffen, zum Beispiel wenn Sie von drohenden Schäden erfahren.

Wo liegen die Grenzen der Treuepflicht?

Die Treuepflicht ist nicht grenzenlos. Sie ist keine unbedingte Verpflichtung zur Loyalität um jeden Preis. Die Treuepflicht des Arbeitnehmers findet ihre Grenzen dort, wo sie mit höherrangigen Pflichten oder Rechten kollidiert.

Ein ganz wichtiger Punkt ist: Die Treuepflicht verlangt nicht, dass Sie rechtswidriges oder kriminelles Verhalten Ihres Arbeitgebers oder von Kollegen decken oder gar unterstützen. Sie sind nicht verpflichtet, sich selbst strafbar zu machen oder gegen Gesetze zu verstoßen, um die Interessen des Arbeitgebers zu wahren.

Wenn Sie also von internen Missständen, Fehlverhalten, Gesetzesverstößen oder sogar Straftaten im Unternehmen erfahren, müssen Sie diese Situation nicht einfach hinnehmen und schweigen, nur weil Sie eine Treuepflicht haben. Hier sind die Grenzen der Treuepflicht erreicht.

Bevor Sie jedoch nach außen gehen, beispielsweise die Öffentlichkeit oder Behörden informieren, gibt es oft eine Abwägung und bestimmte Schritte, die zu beachten sind. In der Regel verlangt die Rechtsprechung, dass Sie zunächst versuchen, den Missstand intern zu melden, etwa bei Ihrem Vorgesetzten oder der Personalabteilung. Nur wenn interne Meldungen fehlschlagen, unmöglich sind oder offensichtlich keinen Erfolg versprechen, oder wenn es sich um besonders schwere Fälle handelt, die zum Beispiel die öffentliche Sicherheit oder Gesundheit gefährden, kann auch eine externe Meldung zulässig sein.

Ihre grundrechtlich geschützten Rechte, wie zum Beispiel die Meinungsfreiheit, spielen bei der Abgrenzung der Treuepflicht ebenfalls eine Rolle. Diese Rechte müssen im Einzelfall gegen die Interessen des Arbeitgebers abgewogen werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Treuepflicht ist eine wichtige Verpflichtung, die ein faires Miteinander im Arbeitsverhältnis sicherstellen soll. Sie verpflichtet Sie, die berechtigten Interessen Ihres Arbeitgebers zu berücksichtigen. Sie endet aber dort, wo sie Sie zwingen würde, selbst gegen Gesetze zu verstoßen, rechtswidriges Verhalten zu dulden oder wesentliche Grundrechte aufzugeben.


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Wie wirken sich interne Richtlinien (wie die erwähnte KA 0) auf das Verhalten von Arbeitnehmern aus und sind diese immer bindend?

Interne Richtlinien eines Unternehmens, oft auch als Dienstanweisungen oder Betriebsordnungen bezeichnet, dienen dazu, Abläufe zu regeln und einheitliches Verhalten zu fördern. Sie beeinflussen das Verhalten von Arbeitnehmern, indem sie Erwartungen und Verhaltensvorgaben kommunizieren. Beispielsweise kann eine Richtlinie festlegen, wie mit Kundendaten umzugehen ist, welche Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sind oder wie interne Kommunikationsmittel zu nutzen sind.

Wann interne Richtlinien bindend sein können

Ob eine interne Richtlinie für Sie als Arbeitnehmer bindend ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Sie sind nicht automatisch bindend, nur weil sie existieren oder vom Arbeitgeber erlassen wurden.

  • Integration in den Arbeitsvertrag: Eine Richtlinie kann bindend werden, wenn sie Teil Ihres Arbeitsvertrages ist. Das kann geschehen, indem die Richtlinie ausdrücklich im Vertrag erwähnt wird oder indem der Vertrag allgemein auf aktuell gültige Betriebsordnungen oder Richtlinien verweist.
  • Betriebsvereinbarungen: Wenn ein Betriebsrat existiert, können Richtlinien auch in Form einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Eine Betriebsvereinbarung wird zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat geschlossen und ist für alle Arbeitnehmer des Betriebs direkt bindend.
  • Weisungsrecht des Arbeitgebers: Viele interne Richtlinien konkretisieren das Weisungsrecht (auch Direktionsrecht genannt) des Arbeitgebers. Dieses Recht erlaubt dem Arbeitgeber, Ihnen im Rahmen des Arbeitsvertrages, von Gesetzen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen Anweisungen zu erteilen bezüglich Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort Ihrer Arbeit. Wenn eine Richtlinie eine konkrete Weisung im Rahmen dieses Rechts darstellt, kann sie bindend sein.

Grenzen der Verbindlichkeit

Selbst wenn eine Richtlinie grundsätzlich bindend ist, gibt es wichtige Einschränkungen. Eine interne Richtlinie ist nicht bindend, wenn sie gegen höherrangiges Recht verstößt. Dazu gehören:

  • Gesetze: Richtlinien dürfen nicht gegen geltende Gesetze verstoßen, wie zum Beispiel Arbeitszeitgesetze, Datenschutzgesetze oder das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
  • Tarifverträge: Wenn Ihr Arbeitsverhältnis unter einen Tarifvertrag fällt, haben dessen Regelungen Vorrang vor entgegenstehenden internen Richtlinien.
  • Betriebsvereinbarungen: Eine spätere Betriebsvereinbarung kann ältere, individuelle Arbeitsvertragsregelungen oder einfache Arbeitgeberweisungen zu bestimmten Themen außer Kraft setzen, sofern sie denselben Regelungsbereich betreffen.
  • Ihr individueller Arbeitsvertrag: Eine einfache interne Richtlinie (die keine Betriebsvereinbarung ist) darf Ihren Arbeitsvertrag nicht einseitig zu Ihren Ungunsten ändern oder Bestimmungen Ihres Vertrags widersprechen.

Auswirkungen bei Verstoß

Wenn eine interne Richtlinie rechtlich bindend ist und Sie dagegen verstoßen, kann dies arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Diese können je nach Schwere des Verstoßes und den Umständen des Einzelfalls von einer Ermahnung oder Abmahnung bis hin zu einer Kündigung reichen. Voraussetzung ist aber immer, dass die verletzte Richtlinie tatsächlich bindend war und der Verstoß eine Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis darstellt.

Für Sie bedeutet das, dass Sie interne Richtlinien zur Kenntnis nehmen sollten, da sie das vom Arbeitgeber erwartete Verhalten aufzeigen. Ihre verbindliche Wirkung muss jedoch stets im Kontext Ihres individuellen Arbeitsvertrages, möglicher Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge und geltender Gesetze betrachtet werden.


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Was sind Whistleblowing-Regelungen und inwieweit schützen sie Arbeitnehmer, die Missstände melden?

Whistleblowing bezieht sich auf das Melden von Missständen oder Fehlverhalten innerhalb eines Unternehmens oder einer Organisation. Dabei geht es meist um Verstöße gegen Gesetze, gravierende ethische Verfehlungen oder andere schwerwiegende Unregelmäßigkeiten, die dem Unternehmen, Mitarbeitern oder der Öffentlichkeit schaden könnten.

Ziel von Whistleblowing-Regelungen ist es, Personen – oft Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – zu schützen, die solche Missstände aufdecken und melden möchten. Der Gedanke dahinter ist, dass es im Interesse der Gesellschaft liegt, dass schwerwiegendes Fehlverhalten nicht vertuscht, sondern ans Licht gebracht wird.

In Deutschland ist der Schutz von Hinweisgebern (Whistleblowern) maßgeblich im Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) geregelt. Dieses Gesetz setzt eine europäische Richtlinie um und soll sicherstellen, dass Personen, die rechtswidrige oder andere schwerwiegende Handlungen melden, keine Nachteile erleiden.

Wie schützen Whistleblowing-Regelungen Arbeitnehmer?

Der zentrale Schutzmechanismus ist das Verbot von Benachteiligungen. Das bedeutet, ein Arbeitnehmer, der einen Missstand nach den Regeln des Gesetzes meldet, darf deswegen nicht gekündigt, abgemahnt, degradiert, schikaniert oder auf andere Weise beruflich oder persönlich benachteiligt werden.

Das Gesetz schreibt vor, dass Unternehmen ab einer bestimmten Größe interne Meldestellen einrichten müssen. Daneben gibt es auch externe Meldestellen bei staatlichen Behörden (wie z. B. beim Bundesamt für Justiz), an die man sich wenden kann. Die Meldung über solche vorgeschriebenen Kanäle ist ein wichtiger Aspekt für den Schutz.

Ein weiterer wichtiger Schutzpunkt ist die Vertraulichkeit. Die Identität des Hinweisgebers muss grundsätzlich geheim gehalten werden.

Falls ein Arbeitnehmer nach einer Meldung doch benachteiligt wird (z. B. durch eine Kündigung), vermutet das Gesetz zunächst, dass die Benachteiligung eine Reaktion auf die Meldung war. Dann muss der Arbeitgeber beweisen, dass die Benachteiligung andere, von der Meldung unabhängige Gründe hatte. Das stärkt die Rechtsposition des Hinweisgebers erheblich.

Unter welchen Bedingungen ist ein Arbeitnehmer geschützt?

Der Schutz gilt nicht pauschal für jede Meldung. Damit der Schutz nach dem Hinweisgeberschutzgesetz greift, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die Meldung muss sich auf bestimmte Arten von Missständen beziehen, die im Gesetz aufgeführt sind. Dazu gehören unter anderem Straftaten, bestimmte Ordnungswidrigkeiten oder Verstöße gegen bestimmte europäische oder nationale Vorschriften (z. B. in den Bereichen Umweltschutz, Datenschutz, Finanzdienstleistungen, öffentliche Auftragsvergabe). Persönliche Streitigkeiten am Arbeitsplatz fallen in der Regel nicht darunter.
  • Die Meldung sollte grundsätzlich über die vorgeschriebenen internen oder externen Meldestellen erfolgen. Eine direkte Meldung an die Öffentlichkeit (z. B. an die Presse) ist nur unter sehr engen, gesetzlich definierten Umständen geschützt.
  • Der Hinweisgeber muss hinreichenden Grund zur Annahme haben, dass die gemeldeten Informationen zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprechen. Wer wissentlich falsche Informationen meldet, genießt keinen Schutz und kann sich sogar schadensersatzpflichtig machen.

Früher war die Rechtslage für Whistleblower unsicherer. Das neue Gesetz hat die Rechtssicherheit und den Schutz für Hinweisgeber deutlich verbessert. Das Melden von gravierenden Missständen ist unter den genannten Bedingungen nicht nur zulässig, sondern manchmal sogar geboten, um Schaden abzuwenden.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar - Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Abmahnung

Eine Abmahnung ist eine formelle, schriftliche Warnung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer wegen eines konkreten Fehlverhaltens. Sie dokumentiert das beanstandete Verhalten und weist darauf hin, dass bei einer Wiederholung arbeitsrechtliche Konsequenzen, bis hin zur Kündigung, drohen können. Die Abmahnung dient somit als Warnsignal und Voraussetzung für eine spätere verhaltensbedingte Kündigung (§ 242 BGB in Verbindung mit arbeitsrechtlicher Praxis). Beispiel: Wenn ein Mitarbeiter wiederholt zu spät kommt, kann eine Abmahnung erfolgen, um ihn zu verbessern, bevor eine Kündigung ausgesprochen wird.


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Treuepflicht

Die Treuepflicht ist eine Nebenpflicht des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis, die verlangt, dass er die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers wahrt und schädigende Handlungen unterlässt. Sie umfasst z. B. die Wahrung von Betriebsgeheimnissen und die Vermeidung von konkurrierenden Tätigkeiten, ist aber nicht grenzenlos, insbesondere nicht bei der Pflicht, rechtswidriges Verhalten des Arbeitgebers zu vertuschen. Im konkreten Fall wurde dem leitenden Angestellten vorgeworfen, diese Treuepflicht verletzt zu haben, indem er angeblich unwahre Tatsachen gegenüber dem Aufsichtsrat verbreitete.


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Weisungsrecht (Direktionsrecht)

Das Weisungsrecht ist das Recht des Arbeitgebers, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung näher zu bestimmen, soweit dies im Arbeitsvertrag und den gesetzlichen Grenzen zulässig ist (§ 106 GewO). Es erlaubt dem Arbeitgeber z. B. Anweisungen zu geben, wo und wann der Mitarbeiter arbeitet oder an welchen Aufgaben er sich beteiligt. Wichtig sind die Grenzen, etwa bei Krankheit: Der Arbeitgeber darf nicht ohne dringenden Grund eine Anwesenheit des erkrankten Arbeitnehmers verlangen. Im Fall war die Anordnung, während Krankenstandsstunden zu einem Personalgespräch zu erscheinen, unzulässig.


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Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG)

Das Hinweisgeberschutzgesetz schützt Arbeitnehmer, die intern oder extern schwerwiegende Missstände wie Rechtsverstöße melden (Whistleblower). Es verbietet Arbeitgebern, diese Hinweisgeber wegen ihrer Meldung zu benachteiligen (z. B. durch Abmahnungen oder Kündigungen). Voraussetzung ist, dass die Meldung auf einer hinreichenden Tatsachenbasis beruht und die Meldestellen formal vorgeschrieben sind. Im Fall pochte der Kläger auf Schutz nach dem HinSchG, weil er sich gegen Abmahnungen wehrte, die wegen seiner Korrespondenz über mögliche Missstände erfolgt waren.


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Interne Richtlinie (z. B. KA 0)

Interne Richtlinien sind vom Arbeitgeber erlassene Verhaltensregeln oder Anweisungen, die das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb regeln können. Ob sie bindend sind, hängt u. a. davon ab, ob sie Vertragsbestandteil oder durch Betriebsvereinbarungen mitbestimmt sind und ob sie mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Im Fall wurde die Richtlinie „KA 0“ als Grundlage für die Abmahnungen herangezogen, weil sie eine Pflicht zur Information des Vorstands vorsieht – was der Kläger durch direkte E-Mails an den Aufsichtsrat verletzt haben soll. Allerdings konnte der Arbeitgeber den Verstoß nicht ausreichend belegen.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 242 BGB (Treu und Glauben): Dieses Grundprinzip verpflichtet alle Vertragsparteien zu loyalem Verhalten und Fairness. Im Arbeitsverhältnis schützt es Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten Sanktionen und verlangt vom Arbeitgeber eine sorgfältige und sachgerechte Abmahnung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stützte den Anspruch auf Entfernung der Abmahnungen darauf, dass diese unzutreffende Tatsachenbehauptungen enthielten und somit gegen Treu und Glauben verstießen.
  • § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB (Beseitigungsanspruch): Diese Vorschrift regelt den Anspruch auf Unterlassung und Beseitigung von Störungen in Bezug auf Eigentum. Übertragen auf das Arbeitsrecht schützt sie den Arbeitnehmer vor der Speicherung oder Weiterverwendung rechtswidriger Abmahnungen in der Personalakte. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger konnte die Entfernung der Abmahnungen aus seiner Personalakte verlangen, da diese rechtswidrig waren und eine Störung seines Persönlichkeitsrechts darstellten.
  • Arbeitsrechtliche Grundsätze zur Abmahnung (BAG-Rechtsprechung): Eine Abmahnung muss konkrete, wahre Tatsachen vortragen und darf keine unzutreffenden rechtlichen Bewertungen enthalten. Zudem dürfen mehrere Pflichtverletzungen nur zusammen abgemahnt werden, wenn alle Vorwürfe zutreffen, andernfalls ist die Abmahnung insgesamt unwirksam. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Beide Abmahnungen enthielten Fehler in der Tatsachendarstellung oder Bewertung, weshalb sie insgesamt unwirksam und zu entfernen waren.
  • § 241 Abs. 2 BGB (Rücksichtnahmepflicht): Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen im Arbeitsverhältnis gegenseitig Rücksicht nehmen, insbesondere müssen Weisungen während der Arbeitsunfähigkeit verhältnismäßig und zumutbar sein. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Aufforderung des Arbeitgebers, während attestierter Arbeitsunfähigkeit zu einem Personalgespräch zu erscheinen, war unverhältnismäßig und unzulässig.
  • § 106 Gewerbeordnung (Weisungsrecht des Arbeitgebers): Diese Norm gibt dem Arbeitgeber das Recht, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch unter Beachtung der Rechte des Arbeitnehmers. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht verneinte die Rechtmäßigkeit der Weisung zur persönlichen Anwesenheit des Mitarbeiters während seiner Arbeitsunfähigkeit, da kein dringender betrieblicher Anlass vorlag.
  • Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG): Dieses Gesetz schützt Beschäftigte, die Verstöße gegen Gesetze oder interne Vorschriften melden, vor Repressalien. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl das Gericht die Frage nicht abschließend behandelte, weist der Fall auf die Bedeutung eines Schutzes für kontrollierende Mitarbeiter hin, die in ihrer Funktion Missstände offenlegen.

Das vorliegende Urteil


Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 7 SLa 25/24 – Urteil vom 11.09.2024


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