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Abmahnungsentfernung aus Personalakte – Verdachtsabmahnung

Das Arbeitsgericht Berlin entschied zugunsten der Klägerin und verurteilte die Beklagte, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen, da keine konkreten Beweise für das Fehlverhalten vorlagen und die Abmahnung unbestimmt und rechtlich unwirksam war. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer inhaltlich bestimmten Abmahnung und der Verhältnismäßigkeit im Arbeitsrecht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 27 Ca 3735/22

✔ Kurz und knapp


  1. Eine Abmahnung setzt einen objektiv gegebenen Pflichtverstoß voraus, nicht nur den bloßen Verdacht einer Pflichtverletzung.
  2. Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Wahrheit der in der Abmahnung aufgestellten Tatsachenbehauptungen.
  3. Eine Abmahnung muss eindeutig und bestimmt formuliert sein, damit der Arbeitnehmer zweifelsfrei erkennen kann, was ihm konkret vorgeworfen wird.
  4. Die Abmahnung war im vorliegenden Fall eine unberechtigte Verdachtsabmahnung, da der Arbeitgeber lediglich einen Verdacht zur Grundlage machte.
  5. Die Abmahnung war zudem zu unbestimmt formuliert und grenzte den vermeintlichen Pflichtverstoß zeitlich nicht ausreichend ein.
  6. Dem Arbeitnehmer steht ein Anspruch auf Entfernung der unbegründeten Abmahnung aus der Personalakte zu.
  7. Bei Wiederholung wäre die Abmahnung unwirksam gewesen, da keine Warnfunktion vorlag.
  8. Der Arbeitgeber hätte die Klägerin vor Ausspruch der Abmahnung anhören müssen.

Abmahnung im Arbeitsverhältnis: Rechtliche Anforderungen und Konsequenzen

Abmahnung aus Personalakte entfernen
(Symbolfoto: Pheelings media /Shutterstock.com)

Abmahnungen im Arbeitsverhältnis sind ein häufiges, aber oft komplexes Thema. Als arbeitsrechtliches Instrument dienen sie dem Arbeitgeber dazu, den Arbeitnehmer eindringlich auf Fehlverhalten hinzuweisen und ihn zu einer Verhaltensänderung aufzufordern. Dabei müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Abmahnung rechtlich wirksam ist.

Entscheidend ist, dass der Arbeitgeber einen objektiv gegebenen Pflichtverstoß des Arbeitnehmers nachweisen kann. Allein der Verdacht einer Pflichtverletzung reicht hierfür nicht aus. Vielmehr muss die Abmahnung konkret und bestimmt formuliert sein, damit für den Arbeitnehmer zweifelsfrei ersichtlich ist, was ihm vorgeworfen wird und welche Konsequenzen drohen.

Erfüllt eine Abmahnung diese Kriterien nicht, kann der Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen deren Entfernung aus der Personalakte verlangen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Abmahnung auf unrichtigen Tatsachen beruht oder unverhältnismäßig ist. Im Folgenden wird ein Gerichtsurteil zu diesem Thema zusammengefasst.

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✔ Der Fall vor dem Arbeitsgericht Berlin


Abmahnungsentfernung aus Personalakte durch das ArbG Berlin

Der Fall dreht sich um die Anfechtung einer Abmahnung durch eine Klägerin, die in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe als Leiterin tätig ist. Der Rechtsstreit entzündete sich, nachdem die Beklagte, ein Betreiber von Grundschulen und Kinderhilfeeinrichtungen, der Klägerin am 24.02.2022 eine Verdachtsabmahnung erteilte. Der Vorwurf lautete, die Klägerin habe einen Mitarbeiter angewiesen, in seinem Arbeitszeitnachweis Stunden zu dokumentieren, die nicht den tatsächlich geleisteten entsprachen. Diese Anweisung sei im Kontext einer Pandemie erfolgt, da der Mitarbeiter aufgrund fehlenden Impfschutzes nicht die geplanten Dienste, sondern Versorgungsaufgaben übernommen hatte. Die Unsicherheiten über die korrekte Dokumentation dieser geänderten Tätigkeiten führten zu dem Vorwurf gegenüber der Klägerin.

Gerichtliches Urteil zur Entfernung der Abmahnung

Das Arbeitsgericht Berlin entschied zugunsten der Klägerin und verurteilte die Beklagte dazu, die Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen. Die Entscheidung stützte sich auf mehrere rechtliche Erwägungen. Erstens wurde festgestellt, dass eine Abmahnung nur dann rechtens ist, wenn ein konkretes Fehlverhalten vorliegt, das nicht der Fall war. Die Klägerin hatte lediglich versucht, aufgrund eigener Unsicherheiten klärende Informationen einzuholen und keine Anweisung für falsche Angaben erteilt. Zudem wurde die Abmahnung als „unbestimmt“ und damit als rechtlich unwirksam eingestuft, da sie den genauen Sachverhalt und den spezifischen Vorwurf gegen die Klägerin nicht klar und deutlich darlegte.

Rechtliche Grundlagen und Prinzipien der Entscheidung

Das Gericht verwies auf die Grundsätze des Arbeitsrechts, wonach eine Abmahnung inhaltlich bestimmt sein muss und eine klare Aufforderung zur Verhaltensänderung enthalten sollte. Weiterhin unterstrich das Urteil die Bedeutung der Verhältnismäßigkeit und der korrekten Sachverhaltsdarstellung durch den Arbeitgeber. Im vorliegenden Fall trug die Beklagte die Beweislast für die Richtigkeit ihrer Vorwürfe, konnte diese jedoch nicht erfüllen. Die Abmahnung beruhte lediglich auf Verdachtsmomenten und entsprach nicht den hohen Anforderungen an eine rechtskräftige Dokumentation solcher Art in der Personalakte.

Kostenentscheidung und Festlegung des Streitwerts

Die Kosten des Rechtsstreits wurden der Beklagten auferlegt, was üblich ist, wenn eine Partei in einem Prozess unterliegt. Der Wert des Streitgegenstandes wurde auf das monatliche Bruttoentgelt der Klägerin festgesetzt, was die finanzielle Relevanz der Abmahnung für die betroffene Partei unterstreicht. Diese Entscheidung folgt der Logik, dass der Streitwert sich nach den möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen für die Klägerin bemisst, sollte die Abmahnung zu einer Beeinträchtigung ihrer beruflichen Stellung führen.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Arbeitsgericht Berlin hat entschieden, dass eine Abmahnung nur dann rechtmäßig ist, wenn sie auf einem konkreten Pflichtverstoß des Arbeitnehmers beruht und nicht allein auf einem Verdacht. Zudem muss die Abmahnung den Sachverhalt und den Vorwurf hinreichend bestimmt darstellen, um dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Verhaltensänderung zu geben.

Die Entscheidung verdeutlicht, dass Arbeitgeber die Beweislast für die in der Abmahnung erhobenen Vorwürfe tragen und dass bloße Verdachtsmomente nicht ausreichen, um eine Abmahnung zu rechtfertigen.

✔ FAQ – Häufige Fragen: Abmahnungen im Arbeitsverhältnis


Wann kann eine Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden?

Eine Abmahnung kann aus der Personalakte entfernt werden, wenn sie rechtswidrig ist. Dies ist der Fall, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, auf unrichtigen Tatsachen basiert, eine falsche rechtliche Bewertung enthält oder unverhältnismäßig ist. Die Entfernung muss „komplett“ erfolgen, ohne dass Hinweise in der Personalakte verbleiben. Dies gilt sowohl für die Papier- als auch für die digitale Personalakte. Während bei der Papierform keine generelle Entfernungspflicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht – außer sie könnte dem Arbeitnehmer schaden –, muss eine Abmahnung in der digitalen Personalakte gemäß § 17 DSGVO gelöscht werden, unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit oder einem potenziellen Schaden nach dem Arbeitsverhältnis.

Für die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte bildet das Bürgerliche Gesetzbuch die Anspruchsgrundlage: § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB regelt den Anspruch auf „die Beseitigung der Beeinträchtigung“ vom Störer. § 242 BGB – der Grundsatz von „Treu und Glauben“: Der eine Vertragspartner muss auf die berechtigten Interessen des anderen Rücksicht nehmen, der seine Rechte redlich ausübt.

Arbeitnehmer können die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte verlangen, wenn die Abmahnung zu Unrecht ausgesprochen wurde und sie im Laufe der Zeit unerheblich geworden ist. Der Grund: Eine falsche oder unnötige Dokumentation einer Abmahnung durch den Arbeitgeber verletzt das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, was rechtswidrig ist.


Welche Rolle spielt die Beweislast bei einer Abmahnung?

Die Beweislast bei einer Abmahnung ist ein zentrales Element im Arbeitsrecht, das bestimmt, wer die Verantwortung trägt, die Richtigkeit der in der Abmahnung aufgeführten Vorwürfe zu belegen. Im Kontext einer Abmahnung und insbesondere bei der Frage ihrer Entfernung aus der Personalakte spielt die Beweislast eine entscheidende Rolle, da sie festlegt, wer die Beweise für die behaupteten Pflichtverletzungen erbringen muss.

Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber die Beweislast für die Richtigkeit der in der Abmahnung erhobenen Vorwürfe. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber im Streitfall nachweisen muss, dass das beschriebene Fehlverhalten des Arbeitnehmers tatsächlich stattgefunden hat. Diese Regelung basiert auf dem Prinzip, dass derjenige, der eine Behauptung aufstellt – in diesem Fall der Arbeitgeber, der eine Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer behauptet –, auch die Beweislast für diese Behauptung trägt.

Die Beweislast des Arbeitgebers umfasst nicht nur den Nachweis, dass die Pflichtverletzung stattgefunden hat, sondern auch, dass die Abmahnung selbst den formalen und inhaltlichen Anforderungen entspricht. Dazu gehört, dass die Abmahnung konkret, verständlich und verhältnismäßig formuliert sein muss. Der Arbeitgeber muss also konkret darlegen, welches Verhalten des Arbeitnehmers beanstandet wird, und die Abmahnung muss eine klare Warnfunktion enthalten, die auf mögliche Konsequenzen bei wiederholtem Fehlverhalten hinweist.

Im Falle einer Verdachtsabmahnung, bei der der Arbeitgeber eine Abmahnung aufgrund eines bloßen Verdachts einer Pflichtverletzung ausspricht, ist die Rechtslage besonders kritisch. Die Rechtsprechung lehnt eine Verdachtsabmahnung ab, da eine Abmahnung einen objektiv gegebenen Pflichtverstoß voraussetzt und nicht lediglich auf einem Verdacht basieren darf. In solchen Fällen ist die Beweislast des Arbeitgebers noch bedeutender, da er nicht nur die Pflichtverletzung, sondern auch deren tatsächliches Vorliegen ohne Zweifel nachweisen muss.

Zusammenfassend spielt die Beweislast bei einer Abmahnung eine entscheidende Rolle, indem sie dem Arbeitgeber die Verantwortung auferlegt, die Richtigkeit der Vorwürfe zu belegen. Dies schützt Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten oder auf bloßen Verdächtigungen basierenden Abmahnungen und stellt sicher, dass Abmahnungen nur auf einer soliden Beweisgrundlage ausgesprochen werden.


Was versteht man unter der Verhältnismäßigkeit einer Abmahnung?

Unter der Verhältnismäßigkeit einer Abmahnung versteht man, dass die Reaktion des Arbeitgebers auf das Fehlverhalten des Arbeitnehmers angemessen sein muss. Dies bedeutet, dass die Abmahnung in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Pflichtverletzung stehen muss. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ein zentraler Aspekt im Arbeitsrecht, der sicherstellt, dass eine Abmahnung nicht für Bagatellverstöße ausgesprochen wird, sondern nur dann, wenn ein erheblicher Vertragsverstoß vorliegt.

Die Verhältnismäßigkeit einer Abmahnung wird aus dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleitet, der besagt, dass die Maßnahmen des Arbeitgebers (hier die Abmahnung) nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung des Ziels (hier die Korrektur des Fehlverhaltens) erforderlich ist. Dieser Grundsatz findet auch in § 314 Abs. 2 BGB Ausdruck, der die Notwendigkeit einer Abmahnung vor einer verhaltensbedingten Kündigung als Teil des Verhältnismäßigkeitsprinzips definiert.

Zudem muss die Abmahnung selbst verhältnismäßig sein, was bedeutet, dass sie nicht unangemessen hart oder ungerechtfertigt sein darf, insbesondere im Hinblick auf die Schwere des vorgeworfenen Verhaltens. Eine Abmahnung, die diese Kriterien nicht erfüllt, kann als unverhältnismäßig angesehen werden und ist damit rechtlich angreifbar.


Wie kann man gegen eine unrechtmäßige Abmahnung vorgehen?

Wenn ein Arbeitnehmer eine Abmahnung erhält, die er für unrechtmäßig hält, gibt es mehrere Schritte, die er unternehmen kann, um dagegen vorzugehen:

  • Widerspruch einlegen: Der Arbeitnehmer kann formell Widerspruch gegen die Abmahnung einlegen. Dies sollte schriftlich erfolgen und kann direkt an den Arbeitgeber gerichtet werden. Der Widerspruch sollte klar und deutlich formulieren, warum die Abmahnung als ungerechtfertigt angesehen wird.
  • Gegendarstellung verfassen: Der Arbeitnehmer hat das Recht, eine Gegendarstellung zu schreiben, die dann in der Personalakte neben der Abmahnung aufgenommen wird. In dieser Gegendarstellung kann der Arbeitnehmer seine Sicht der Dinge darlegen und die Gründe aufführen, warum die Abmahnung unberechtigt ist.
  • Rechtliche Beratung suchen: Es ist ratsam, einen auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt zu konsultieren. Der Anwalt kann die Abmahnung prüfen und bewerten, ob sie formell und inhaltlich gerechtfertigt ist. Zudem kann der Anwalt helfen, die nächste Schritte strategisch zu planen.
  • Klage einreichen: Wenn der Arbeitgeber auf den Widerspruch und die Gegendarstellung nicht reagiert oder die Abmahnung nicht aus der Personalakte entfernt, kann der Arbeitnehmer eine Klage beim Arbeitsgericht einreichen. Das Ziel der Klage wäre, die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte gerichtlich durchzusetzen.
  • Beweise sichern: Es ist wichtig, dass der Arbeitnehmer alle Beweise sichert, die seine Sichtweise unterstützen könnten. Dazu gehören E-Mails, Zeugenaussagen oder andere Dokumente, die belegen können, dass das in der Abmahnung beschriebene Verhalten nicht zutrifft oder dass die Abmahnung unverhältnismäßig ist.
  • Betriebsrat einbeziehen: Falls im Unternehmen ein Betriebsrat existiert, kann der Arbeitnehmer diesen um Unterstützung bitten. Der Betriebsrat kann möglicherweise vermitteln und beim Arbeitgeber intervenieren, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Diese Schritte bieten dem Arbeitnehmer verschiedene Möglichkeiten, auf eine als unrechtmäßig empfundene Abmahnung zu reagieren und seine Rechte zu wahren.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 1004 Absatz 1 Satz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Dieser Paragraph regelt die Beseitigung und Unterlassung von Beeinträchtigungen. Im Kontext der Abmahnungsentfernung ermöglicht er einem Arbeitnehmer, die Entfernung einer unrechtmäßig erteilten Abmahnung zu fordern, wenn diese seine Rechte verletzt, etwa durch unrichtige Tatsachenbehauptungen oder eine rechtlich unzutreffende Bewertung seines Verhaltens.
  • § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben): Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz wird im Arbeitsrecht angewandt, um sicherzustellen, dass die Ausübung von Rechten und Pflichten nach Treu und Glauben erfolgt. Im Fall einer Abmahnung muss der Arbeitgeber fair und gerecht handeln, insbesondere darf er keine Abmahnungen auf unbegründeten Verdachtsmomenten basieren lassen.
  • § 2 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a, Absatz 5 ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz): Dieser spezifische Paragraph macht den Antrag auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte zu einem zulässigen und statthaften Leistungsantrag im Urteilsverfahren, was bedeutet, dass der Fall vor dem Arbeitsgericht verhandelt werden kann und entsprechende gerichtliche Entscheidungen ermöglicht.
  • § 91 Absatz 1 ZPO (Zivilprozessordnung): Dieser Paragraph regelt die Kostenpflicht im Falle eines Unterliegens im Prozess. Er besagt, dass die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, was im analysierten Fall bedeutet, dass die Beklagte die Prozesskosten übernehmen musste, nachdem das Gericht zu Gunsten der Klägerin entschieden hatte.
  • § 626 BGB (Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund): Auch wenn in diesem spezifischen Fall nicht direkt angewendet, ist dieser Paragraph relevant im Kontext von Abmahnungen im Allgemeinen, da eine Abmahnung oft ein vorgelagerter Schritt vor einer verhaltensbedingten Kündigung ist. Er unterstreicht die Notwendigkeit, dass Abmahnungen korrekt und gerechtfertigt sein müssen, um in einem möglichen späteren Kündigungsverfahren Bestand zu haben.


⬇ Das vorliegende Urteil vom Arbeitsgericht Berlin

ArbG Berlin – Az.: 27 Ca 3735/22 – Urteil vom 03.08.2023

I. Die Beklagte wird verurteilt, die der Klägerin mit Schreiben vom 24.02.2022 erteilte Abmahnung und des damit in Zusammenhang stehenden Schriftverkehrs aus der Personalakte zu entfernen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.402,20 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin.

Zwischen den Parteien besteht seit dem 10.02.2010 ein Arbeitsverhältnis. Die Beklagte betreibt Grundschulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Die Klägerin ist in einer dieser Einrichtungen als Leiterin beschäftigt. Das monatliche Bruttoentgelt beträgt 4.402,20 €.

Unter dem 24.02.2022 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abmahnung, auf deren Inhalt vollumfänglich verwiesen wird, Blatt 4 der Akte. Der Klägerin wird vorgeworfen, ihren Mitarbeiter Herrn Sch… angewiesen zu haben, für den Monat Januar 2022 Arbeitszeiten im Arbeitszeitnachweis zu dokumentieren, die nicht den tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten entsprachen, was die Beklagte als Aufforderung zum Arbeitszeitbetrug wertete.

Der Abmahnung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Am 04.01.2022 wurden mehrere Bewohner der Einrichtung positiv auf das Coronavirus getestet. Da der im ursprünglichen Dienstplan eingeteilte Mitarbeiter Herr Sch… nicht über den erforderlichen Impfstatus verfügte, änderte die Klägerin den Dienstplan dergestalt, dass Herr Sch… im Januar 2022 nicht für Dienste in der Einrichtung, sondern unter anderem für sogenannte Versorgungsdienste, etwa zur Besorgung von FFP-2-Masken, zuständig war. Im Zuge der Eintragung dieser geänderten Dienste in dem bei der Beklagten monatlich auszufüllenden Arbeitszeitnachweis entstand bei Herrn Sch… eine Unsicherheit über die korrekte Dokumentation, wozu er die Klägerin am 25.01.2022 befragte. Die Klägerin kontaktierte daraufhin am 26.01.2022 telefonisch den Bereichsleiter, Herrn L…. Dieser erklärte, dass der Arbeitszeitnachweis als Abrechnungsdokument die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten beinhalten müsse. Die Klägerin gab diese Information in der Teamsitzung an ihre Mitarbeiter weiter, wobei Herr Sch… nicht anwesend war, weil dieser seinen Dienst erst am 29.01.2022 wieder aufnahm.

Der von Herrn Sch… unter dem 31.01.2022 abgegebene Arbeitszeitnachweis enthielt nicht die tatsächlich geleisteten Dienste, sondern die Arbeitszeiten, die nach dem ursprünglichen Dienstplan vorgesehen waren. Herr Sch… wurde daraufhin telefonisch zur Rede gestellt und erhielt eine Ermahnung, die Klägerin am 24.02.2022 die streitgegenständliche Abmahnung. Zur nochmaligen Aufklärung wurde Herr Sch… in der Folgezeit von Herrn L… um eine schriftliche Stellungnahme gebeten, woraufhin er mit Email vom 28.02.2022 antwortete:

„(…) in unserem Telefonat teilte ich dir mit, dass ich alleine für mein Handeln verantwortlich bin. Anja hat mich zu keinem Zeitpunkt dazu bewegt, falsche Angaben zu tätigen. Das sagte ich dir in unserem Telefonat. Genauso sagte ich, dass ich niemand anderem die Schuld gebe. Aus meiner Stellungnahme geht hervor, dass A… M… sich bei dir erkundigen wollte, wie der AZN (Welche Dienstzeiten = auszufüllen ist. Ab diesem Zeitpunkt könnte ich von A… keine Antwort mehr bekommen, weil ich sie nicht mehr gesehen habe. (…)“

Die Klägerin begehrt mit vorliegender Klage die Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte.

Sie ist der Auffassung, die Abmahnung enthalte unrichtige Tatsachen und sei zudem unbestimmt. Sie bestreitet, Herrn Sch… zur fehlerhaften Dokumentation der Arbeitszeit angewiesen zu haben. Vielmehr habe sie auf Nachfrage von Herrn Sch… erklärt, dass sie selbst nicht genau wisse, wie man die geänderten und unterschiedlichen Dienste auf den Arbeitszeiterfassungsbogen korrekt vermerkt. Ein weiteres Gespräch mit Herrn Sch… sei dazu nicht erfolgt.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte wird verurteilt, die der Klägerin mit Schreiben vom 24.02.2022 erteilte Abmahnung und des damit in Zusammenhang stehenden Schriftverkehrs aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, in einem ersten Telefonat mit Herrn Sch… zur Aufklärung des Sachverhalts habe dieser geäußert, dass die von ihm vorgenommen Eintragung der Arbeitszeiten mit der Klägerin abgesprochen gewesen sei. Sie ist daher der Auffassung, die Abmahnung sei gerechtfertigt. Dass Herr Sch… den Sachverhalt im Nachgang anders geschildert habe, ändere an der Wirksamkeit der Abmahnung nichts.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen (§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

I. Der Antrag auf Entfernung der Abmahnung vom 24.02.2022 ist im Urteilsverfahren nach § 2 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a, Absatz 5 ArbGG statthaft, als konkret bezeichneter Leistungsantrag Sinne der §§ 46 Absatz 2 ArbGG, 253 Absatz 2 Nummer 2 ZPO zulässig und darüber hinaus begründet. Die Beklagte ist aus §§ 242, 1004 Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet, das Abmahnungsschreiben vom 24.02.2022 sowie den damit in Zusammenhang stehenden Schriftverkehr aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

1. Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Absatz 1 Satz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt (BAG vom 15.06.2021 – 9 AZR 413/19 – Rn. 17). Auch eine zu Recht erteilte Abmahnung ist aus der Personalakte zu entfernen, wenn kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht. Unberechtigt und aus der Personalakte zu entfernen ist auch eine Abmahnung, bei der lediglich ein Verdacht zum Anknüpfungspunkt gemacht wird. Denn eine „Verdachtsabmahnung“ kennt das Arbeitsrecht nicht (LAG Hessen, Urteil vom 24.1.2014 – 14 Sa 776/13; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4.12.2019 – 7 Sa 35/19).

Die Darlegungs- und Beweislast für die Wahrheit der in der Abmahnung aufgestellten Tatsachenbehauptungen trägt der Arbeitgeber (vgl. ErfK/Niemann, 23. Aufl. 2023, BGB § 626 Rn. 35a).

2. Entsprechend der vorgenannten Grundsätze hat die Klägerin einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 24.02.2022 aus ihrer Personalakte. Die Beklagte konnte die Kammer nicht davon überzeugen, dass der Abmahnung ein objektiver Pflichtverstoß zugrunde liegt. Sie erweist sich neben ihrer Unbestimmtheit zudem als unberechtigte Verdachtsabmahnung.

a) Die Beklagte stützt die der Abmahnung zugrundeliegende Pflichtverletzung allein auf ein Telefonat mit Herrn Sch… aus dem sich der Verdacht ergab, die Klägerin habe ihn angewiesen, auf dem Arbeitszeitnachweis fehlerhafte Angaben zu machen. Die Klägerin selbst hat die Beklagte dazu nicht angehört. Im Zuge der nochmaligen Sachverhaltsaufklärung gab Herr Sch… an, dass ein weiteres Gespräch mit der Klägerin nach dem 25.01.2022 nicht stattfand und auch keine Anweisung von ihr erfolgte, einen fehlerhaften Arbeitszeitnachweis einzureichen. Eine Anhörung der Klägerin durch die Beklagte nach Erhalt dieser Stellungnahme erfolgte weiterhin nicht. Die Abmahnung wurde vielmehr in der Personalakte belassen.

b) Dieser Sachverhalt vermag nach Auffassung der Kammer eine wirksame Abmahnung nicht zu rechtfertigen. Eine Abmahnung setzt einen objektiv gegebenen Pflichtverstoß, nicht aber vorwerfbares Verhalten des Empfängers voraus. Der bloße Verdacht einer Pflichtverletzung kann nicht abgemahnt werden.

Die Klägerin hat nach Auffassung der Kammer ordnungsgemäß gehandelt, indem sie sich aufgrund ihrer eigenen Unsicherheit bei Herrn L… über die korrekte Dokumentation der Arbeitszeiten informiert hat. Dass sie Herrn Sch… dennoch angewiesen haben soll, statt der tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten die Zeiten im ursprünglichen Dienstplan einzutragen, konnte nach Würdigung des Sachvortrags der Parteien gerade nicht festgestellt werden. Der Klägerin ist hier allenfalls vorzuwerfen, dass sie Herrn Sch… trotz dessen Abwesenheit in der Teamsitzung nicht individuell über die erfolgte Anweisung von Herrn L… zur Arbeitszeiterfassung informiert habe. Eine Aufforderung zum Arbeitszeitbetrug liegt darin hingegen nicht.

c) Dessen ungeachtet ist das Abmahnungsschreiben vom 24.02.2022 wegen seiner Unbestimmtheit aus der Personalakte zu entfernen.

aa) Der notwendige Inhalt einer Abmahnung ergibt sich aus ihrer Funktion. Da dem Arbeitnehmer mit einer Abmahnung eindringlich vor Augen geführt werden soll, dass der Arbeitgeber nicht mehr bereit ist, ein bestimmtes Verhalten hinzunehmen, muss dies in der Abmahnung deutlich zum Ausdruck kommen. Die Warnfunktion erfordert, die Abmahnung eindeutig und bestimmt zu formulieren. Der Arbeitnehmer muss der Abmahnung zweifelsfrei entnehmen können, was ihm vorgeworfen wird, wie er sein Verhalten in Zukunft einzurichten hat und welche Sanktionen ihm drohen, wenn er sich nicht entsprechend verhält. Hierzu muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer deutlich und ernsthaft auffordern, ein genau bezeichnetes Fehlverhalten zu ändern oder aufzugeben, und ihm klarmachen, dass bei wiederholten Vertragsverstößen Inhalt oder Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdet sind. Der Arbeitgeber muss mit anderen Worten die gerügten Vorfälle einzeln konkret mit Datum und ggf. Uhrzeit schildern (vgl. zur notwendigen Bestimmtheit vgl. BAG, Beschluss vom 04.12.2013 – 7 ABR 7/12). Dabei müssen sich die Anforderungen an die Konkretisierung der in einer Abmahnung enthaltenen Rüge an dem orientieren, was der Arbeitgeber wissen kann (BAG 27.11.2008 – 2 AZR 675/07 – Rn. 21; ErfK-Niemann, 20. Aufl. 2020, § 626 BGB Rn. 31).

bb) Diesen Anforderungen genügt das Abmahnungsschreiben der Beklagten vom 24.02.2022 inhaltlich nicht. Die Abmahnung stellt lediglich pauschal die Behauptung auf, dass die Klägerin Herrn Sch… angewiesen habe, für den Monat Januar 2022 fehlerhafte Arbeitszeiten im Arbeitszeitnachweis zu dokumentieren. Es wäre der Beklagten durchaus möglich gewesen, den vermeintlichen Vorfall in der Abmahnung zeitlich konkreter einzugrenzen. So fand nach eigenem und unbestrittenen Vortrag der Beklagten am 26.01.2022 ein Gespräch zwischen der Klägerin und Herrn L… statt, in dem die korrekte Dokumentation der Arbeitszeiten geklärt wurde. Die von der Beklagten vorgeworfene Anweisung der Klägerin an Herrn Sch… muss folglich zwischen dem 26.01.2022 und dem 31.01.2022 (Abgabe des Arbeitszeitnachweises) erfolgt sein. Eine dahingehende zeitliche Eingrenzung enthält die streitgegenständliche Abmahnung nicht.

II. Die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da sie in vollem Umfang unterliegt, § 46 Absatz 2 ArbGG in Verbindung mit § 91 Absatz 1 ZPO,

III. Der Wert des Streitgegenstandes war gemäß § 61 Absatz 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Er war für die zu entfernende Abmahnung auf ein Bruttomonatsgehalt zu bemessen.

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