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Abmahnungsentfernung aus Personalakte

Abmahnung gestrichen: Arbeitsgericht entscheidet für Ärztin

Abmahnungsentfernung aus Personalakte: Ein juristisches Urteil zur Unbestimmtheit und Unrichtigkeit von Abmahnungen. In einem bedeutenden Urteil (ArbG Gera – Az.: 7 Ca 475/22) vom 07.09.2022 entschied das Gericht über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte einer Ärztin. Die zentrale Frage: War die Abmahnung gerechtfertigt oder zu unbestimmt und in Teilen unrichtig? Ein Blick auf die Präzision in arbeitsrechtlichen Dokumenten.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 7 Ca 475/22 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das ArbG Gera hat entschieden, dass eine Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden muss, wenn sie unbestimmt ist und unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält.

Wichtigste Punkte zum Urteil:

  1. Gerichtsentscheidung: Das ArbG Gera hat am 07.09.2022 unter dem Aktenzeichen 7 Ca 475/22 entschieden.
  2. Hintergrund: Eine Ärztin wurde wegen ihrer arbeitsmedizinischen Beurteilung eines Patienten abgemahnt.
  3. Kernvorwurf: Der Arbeitgeber warf der Ärztin vor, ihre Beurteilung hauptsächlich auf einer Dekra-Bescheinigung basiert zu haben und nicht alle relevanten Akten berücksichtigt zu haben.
  4. Verteidigung der Ärztin: Die Ärztin argumentierte, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat und eine Änderung des Gutachtens gegen die Berufsordnung verstoßen würde.
  5. Unbestimmtheit der Abmahnung: Die Abmahnung war unklar in Bezug auf das genaue Fehlverhalten der Ärztin.
  6. Unrichtige Tatsachenbehauptungen: Es wurde nicht bewiesen, dass die Ärztin ihre Beurteilung nur auf der Dekra-Bescheinigung basiert hat.
  7. Ergebnis: Das Gericht entschied, dass die Abmahnung zu Unrecht erteilt wurde und aus der Personalakte entfernt werden muss.
  8. Rechtlicher Hintergrund: Ein Arbeitnehmer kann die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung verlangen, wenn sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält oder unbestimmt ist.

In einem kürzlich ergangenen Urteil des Arbeitsgerichts Gera (Az.: 7 Ca 475/22) vom 07.09.2022 wurde die Frage behandelt, ob eine Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden muss. Der Fall dreht sich um eine Ärztin, deren Aufgabe es war, medizinische Beurteilungen und Gutachten zu erstellen. Im Zentrum des Falles stand ein Teilnehmer namens G., der aufgrund von Bandscheibenerkrankungen nicht mehr als Busfahrer arbeiten konnte und am LTA-Verfahren (Leistungen zur Teilhabe des Arbeitslebens der Deutschen Rentenversicherung) teilnahm.

Die Rolle der DEKRA-Bescheinigung

Der Teilnehmer G. hatte eine arbeitsmedizinische Beurteilung von der Honorarkraft der Beklagten, Dr. E., erhalten. Die Klägerin, eine Ärztin, wurde beauftragt, eine aktualisierte arbeitsmedizinische Beurteilung für den Teilnehmer zu erstellen. Bei dieser Beurteilung berücksichtigte sie eine Bescheinigung der DEKRA e.V. Dresden, die besagte, dass keine weiteren Untersuchungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis erforderlich seien, da keine Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens festgestellt wurden.

Unstimmigkeiten und Verteidigung der Klägerin

Abmahnung gestrichen: Arbeitsgericht entscheidet für Ärztin
Arbeitsrechtliche Klärung: Abmahnung aus Personalakte (Symbolfoto: Production Perig /Shutterstock.com)

Die Beurteilung der Klägerin kam zu dem Schluss, dass der Teilnehmer sowohl kaufmännisch-verwaltende als auch gewerblich-technische Tätigkeiten ausüben könne und weiterhin als Busfahrer im Linienverkehr geeignet sei. Dies führte zu Unstimmigkeiten mit der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland, die der Ansicht war, dass die Beurteilung der Klägerin dem Gutachten der Deutschen Rentenversicherung widerspreche. Die Klägerin verteidigte ihre Beurteilung und argumentierte, dass sie gemäß der Berufsordnung für Ärzte in Thüringen gehandelt habe und eine Änderung des Gutachtens gegen diese Berufsordnung verstoßen würde. Trotzdem wurde sie von der Beklagten am 13.04.2021 abgemahnt. Der Vorwurf lautete, dass sie das LTA-Verfahren aufgrund der Dekra-Bescheinigung angezweifelt habe und die Arbeitsanweisung nicht befolgt habe.

Gerichtliche Entscheidung und Auswirkungen

Die Klägerin war der Ansicht, dass die Abmahnung zu unbestimmt sei und aus ihrer Personalakte entfernt werden sollte. Die Beklagte hingegen war der Ansicht, dass die Abmahnung zu Recht erteilt worden sei. Das Gericht entschied, dass die Abmahnung zu unbestimmt sei und unrichtige Tatsachenbehauptungen enthalte. Es wurde festgestellt, dass die Klägerin ihre Beurteilung nicht allein auf Grundlage der Dekra-Bescheinigung erstellt hatte und die Abmahnung daher zu Unrecht erfolgt sei. Das Gericht ordnete daher die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte an. Das Urteil zeigt die Bedeutung einer klaren und präzisen Kommunikation zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, insbesondere wenn es um arbeitsrechtliche Fragen geht. Es unterstreicht auch die Wichtigkeit, dass Abmahnungen konkret und begründet sein müssen, um rechtlich Bestand zu haben. In diesem Fall hat das Gericht die Rechte der Ärztin geschützt und betont, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hat. Es ist ein wichtiges Urteil im Arbeitsrecht, das die Grenzen und Anforderungen an Abmahnungen klar definiert.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


  • Arbeitsrechtliches Abmahnungsverfahren: Im Arbeitsrecht ist eine Abmahnung ein formaler Hinweis eines Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer über ein bestimmtes Fehlverhalten. Die Abmahnung dient dazu, den Arbeitnehmer auf sein Fehlverhalten hinzuweisen und ihn vor möglichen Konsequenzen bei einer Wiederholung zu warnen. Sie ist in der Regel Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung. Im Kontext eines arbeitsrechtlichen Abmahnungsverfahrens geht es oft darum, ob die Abmahnung gerechtfertigt ist und ob sie aus der Personalakte entfernt werden sollte. Dies kann vor Gericht geklärt werden.
  • Berufsordnung für Ärzte: Die Berufsordnung für Ärzte ist ein rechtliches Dokument, das die professionellen und ethischen Standards für Ärzte festlegt. Sie enthält Richtlinien und Regeln für verschiedene Aspekte der medizinischen Praxis, einschließlich der Erstellung von ärztlichen Gutachten und Zeugnissen. Die genauen Inhalte der Berufsordnung können von Bundesland zu Bundesland variieren, da sie von den jeweiligen Landesärztekammern erlassen wird.
  • Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist ein wichtiger Grundsatz im deutschen Recht, einschließlich des Arbeitsrechts. Er besagt, dass die Maßnahmen, die in einem bestimmten Kontext ergriffen werden, in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ziel stehen müssen, das sie erreichen sollen. Im Kontext einer Abmahnung bedeutet dies, dass die Abmahnung und das darin beschriebene Fehlverhalten in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen.
  • Beweislast im Abmahnungsverfahren: Die Beweislast bezieht sich auf die Verantwortung für den Nachweis bestimmter Tatsachen in einem rechtlichen Kontext. Im Kontext eines Abmahnungsverfahrens liegt die Beweislast in der Regel beim Arbeitgeber. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber beweisen muss, dass der Arbeitnehmer ein Fehlverhalten begangen hat, das die Abmahnung rechtfertigt. Wenn der Arbeitgeber dies nicht nachweisen kann, kann die Abmahnung als ungerechtfertigt angesehen und aus der Personalakte entfernt werden.

§ Relevante Rechtsbereiche für dieses Urteil:


  1. Arbeitsrecht: Im vorliegenden Fall spielt das Arbeitsrecht eine zentrale Rolle. Das Arbeitsrecht regelt die Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Arbeitsverhältnis. Insbesondere geht es um die Frage der Abmahnung und ihrer Rechtmäßigkeit, sowie um die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte. Relevant sind hier die §§ 242, 1004 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), die die Grundlage für die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus den Personalunterlagen darstellen. Ebenso ist die Berufsordnung für Ärzte in Thüringen relevant, die die Verhaltensregeln für Ärzte festlegt und inwiefern sich dies auf die Handlungen der Klägerin auswirkt.
  2. Medizinrecht: Das Medizinrecht ist in diesem Fall von Bedeutung, da es um medizinische Beurteilungen und Gutachten geht. Insbesondere spielt die Frage der Eignung eines Arbeitnehmers aufgrund von Gesundheitsproblemen eine Rolle. Die Beurteilung der Klägerin basiert auf medizinischen Aspekten und Einschätzungen. Hier könnten Gesetze und Regelungen des Medizinrechts sowie die Berufsordnung für Ärzte relevante Normen sein.
  3. Zivilrecht: Im Rahmen des Zivilrechts sind die allgemeinen Prinzipien des Vertragsrechts relevant. Dies betrifft die Verträge zwischen den Parteien, wie beispielsweise das Arbeitsverhältnis und die daraus resultierenden Pflichten und Rechte. Insbesondere geht es um die Frage der Rechtmäßigkeit der Abmahnung und der möglichen Ansprüche auf Entfernung aus der Personalakte, die auf zivilrechtlichen Prinzipien basieren.

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Das vorliegende Urteil

ArbG Gera – Az.: 7 Ca 475/22 – Urteil vom 07.09.2022

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 13.04.2021 aus der Personalakte zu entfernen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Entfernung einer Abmahnung vom 13.04.2021 aus der Personalakte der Klägerin. Hintergrund der Abmahnung ist eine arbeitsmedizinische Beurteilung der Klägerin über den Teilnehmer G. vom 10.02.2021.

Die Klägerin ist seit dem 23.08.1999 als Ärztin in Teilzeit bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 22 Stunden und einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von ca. 3.000,00 € beschäftigt. Ihre Aufgabe ist es unter anderem, medizinische Beurteilungen und Gutachten zu erstellen.

Der Teilnehmer G. nahm am LTA-Verfahren (Leistungen zur Teilhabe des Arbeitslebens der Deutschen Rentenversicherung) teil, da er seine letzte Tätigkeit als Busfahrer laut LTA-Verfahren und Reha-Entlassungsbericht des Klinikzentrums B. vom 07.05.2019 nicht mehr ausüben konnte. Ursächlich hierfür waren Bandscheibenerkrankungen. Herr G. führte seit dem 14.01.2021 Maßnahmen des Berufsförderungswerks durch.

Über den Teilnehmer G. lag ein Ergebnisbericht der Maßnahme zur Abklärung der beruflichen Eignung und Arbeitserprobung aus September 2019 vor, welches von der Honorarkraft der Beklagten, Dr. E., erstellt wurde. Darin enthalten war von Seite 5 – 7 eine arbeitsmedizinische Beurteilung. Auf das entsprechende Gutachten, Anlage K 1, Bl. 18 ff., wird Bezug genommen.

Aufgabe der Klägerin war es, im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung eine aktualisierte arbeitsmedizinische Beurteilung über den Teilnehmer zu erstellen, welche am 10.02.2021 (pandemiebedingt) nach Aktenlage erfolgte. Sie erhielt dabei vom Teilnehmer G. eine Bescheinigung über die ärztliche Untersuchung des DEKRA e.V. Dresden vom 16.10.2019, in der vor Erteilung der Fahrerlaubnis keine weitergehende Untersuchung empfohlen wurde, „da keine Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens festgestellt werden konnten“. Auf die Dekra-Bescheinigung, Anlage B 2, Bl. 55, wird Bezug genommen.

Die Beurteilung der Klägerin vom 10.02.2021 hatte unter anderem folgenden Inhalt:

„Aus arbeitsmedizinischer Sicht können unter Beachtung des Leistungsbildes sowohl Tätigkeiten aus dem kaufmännisch-verwaltenden als auch aus dem gewerblich-technischen Bereich ausgeübt werden. Außerdem ist ein Einsatz als Alltagsbetreuer möglich. Zusätzlich scheint auch weiterhin Eignung für eine Tätigkeit als Busfahrer im Linienverkehr zu bestehen. Diesbezüglich empfiehlt sich entsprechende Belastungserprobung. Maßnahmebegleitend ist zur allgemeinen körperlichen Konditionierung und Muskelkräftigung eine regelmäßige Teilnahme am Reha-Sport und der Rückengymnastik notwendig, da durch eine weitere Verbesserung der Beschwerdesymptomatik annehmbar ist.“

Auf die Beurteilung der Klägerin, Anlage K 5, Bl. 33 f., wird Bezug genommen.

Frau H. von der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland setzte sich am 08.03.2021 mit der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau M., in Verbindung und teilte mit, dass die Beurteilung der Klägerin dem Gutachten der Deutschen Rentenversicherung entgegenstehe. Dieser Sachverhalt wurde durch Frau M. an die Klägerin herangetragen, woraufhin diese zunächst eine neue Begutachtung in Präsenz anbot. Am 10.03.2021 teilte die Klägerin mit, dass sie eine erneute Begutachtung nun nicht mehr für notwendig halte und eine kurze Stellungnahme verfassen würde, aber nichts an ihrer Einschätzung ändern würde.

Am 15.03.2021 fand ein Gespräch zwischen der Klägerin, Frau B. als Vorgesetzte der Klägerin sowie Herrn R. als Prokurist der Beklagten statt, in dem die Klägerin nochmals mit ihrer Begutachtung des Teilnehmers G. konfrontiert wurde. Ihr wurde mitgeteilt, dass sich der Kläger wegen der Bandscheibenerkrankungen im LTA-Verfahren befand. Herr R. wies die Klägerin an, ihre Begutachtung zu überdenken bzw. abzuändern. Hierfür setzte Herr R. der Klägerin eine Frist bis zum 15.03.2021, 16:00 Uhr.

Mit Schreiben vom 15.03.2021 teilte die Klägerin mit, dass sie gemäß der Berufsordnung für Ärzte in Thüringen dem Verbot unterliege, für ärztliche Entscheidungen Weisungen von Nichtärzten entgegenzunehmen. Laut Berufsordnung habe der Arzt/die Ärztin bei der Ausstellung ärztlicher Gutachten und Zeugnisse mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Gewissen seine/ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen. Sie habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Mit einer Änderung des Gutachtens würde sie gegen die Berufsordnung verstoßen und sich strafbar machen.

Die Beklagte mahnte die Klägerin schließlich am 13.04.2021 ab. Der Klägerin wurde dabei maßgeblich vorgeworfen, das LTA-Verfahren aufgrund der erteilten Dekra-Bescheinigung im Gespräch vom 15.03.2021 angezweifelt zu haben, das Aktenstudium nur teilweise, in minderer Qualität oder gar nicht vollzogen zu haben sowie der Arbeitsanweisung des Herrn R., den Sachverhalt korrekt darzustellen und die Dekra-Bescheinigung neu einzuordnen bzw. zu bewerten, nicht Folge geleistet zu haben. Auf die Abmahnung vom 13.04.2021, Anlage K 2, Bl. 21 f., wird Bezug genommen.

Die Klägerin trägt vor, dass die Begutachtung des Teilnehmers G. nach Einsicht in aktuelle medizinische Befundunterlagen, wie z.B. aktuelle Bildgebung, sowie nach einem Video-Gespräch mit dem Teilnehmer, in dem dieser angab, aktuell keine Beschwerden zu haben, erfolgt sei. Die Dekra-Bescheinigung sei für die Beurteilung nicht ausschlaggebend gewesen, sondern allenfalls unterstützend herangezogen worden.

Sie ist der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zu. Diese sei zu unbestimmt, da aus ihrem Inhalt nicht nachvollzogen werden könne, welches Fehlverhalten der Klägerin konkret vorgeworfen werde. Sie enthalte unrichtige Tatsachenbehauptungen, da die Klägerin weder das LTA-Verfahren angezweifelt noch den Sachverhalt unkorrekt dargestellt habe. Die Abmahnung beinhalte weiter eine unzutreffende rechtliche Bewertung des Verhaltens der Klägerin und verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Die Klägerin beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 13.04.2021 aus der Personalakte zu entfernen.

Die Beklagte beantragt: Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin sei maßgeblich auf Grundlage der Dekra-Bescheinigung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Teilnehmer G. wieder im alten Beruf arbeiten könne. Im Gespräch vom 15.03.2021 habe die Klägerin das LTA-Verfahren aufgrund der Dekra-Bescheinigung angezweifelt (Beweisangebot: Zeugnis der Frau B.).

Die Bescheinigung betreffe aber nur die Frage, ob der Bewerber seine Fahrerlaubnis verlängern konnte oder nicht; es sei deshalb unzutreffend gewesen, diese für die Beurteilung heranzuziehen. Die Beklagte ist demnach der Ansicht, die Abmahnung sei zu Recht erteilt worden.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 13.04.2021 aus ihrer Personalakte gemäß §§ 242, 1004 BGB.

Nach der Rechtsprechung des BAG kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus seinen Personalunterlagen verlangen, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, ausnahmsweise den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht (Schaub ArbR-HdB/Linck, 19. Aufl. 2021, § 132. Abmahnung Rn. 31). Darüber hinaus ist eine Abmahnung auch dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält (BAG, Urteil vom 27. 11. 2008 – 2 AZR 675/07, NZA 2009, 842). Werden in einem Abmahnungsschreiben mehrere Pflichtverletzungen gleichzeitig gerügt und treffen davon nur einige zu, muss das Abmahnungsschreiben vollständig aus der Personalakte entfernt werden und kann nicht teilweise aufrechterhalten bleiben (BAG, Urteil vom 13.03.1991 – 5 AZR 133/90, NZA 1991, 768). Der Arbeitgeber trägt dabei die Darlegungs- und Beweislast für die in der Abmahnung aufgestellten Tatsachenbehauptungen (Schaub ArbR-HdB/Linck, 19. Aufl. 2021, § 132. Abmahnung Rn. 38).

Nach den oben genannten Grundsätzen stellt sich die streitgegenständliche Abmahnung als zu unbestimmt heraus (1.). Ferner enthält diese unrichtige Tatsachenbehauptungen (2.).

1. Die Abmahnung erweist sich als zu unbestimmt, da die gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe und der jeweils zugrunde liegende Sachverhalt schon nicht konkret bezeichnet sind.

a) Es bleibt unklar, welcher Sachverhalt nicht korrekt dargestellt worden sein soll. Ein Verweis auf das Gespräch vom 15.03.2021, in dem der Sachverhalt um die Begutachtung des Teilnehmers Herrn G. der Klägerin geschildert worden sei, reicht dabei nicht aus. Die Art und Weise sowie das konkrete Ergebnis der Begutachtung durch die Klägerin werden als solche in der Abmahnung gar nicht beschrieben. Es werden in der Abmahnung auch keine Angaben dazu gemacht, warum der Sachverhalt nicht korrekt sei.

b) Auch der Vorwurf, die Klägerin habe das Aktenstudium nur teilweise, in minderer Qualität oder gar nicht vollzogen, entbehrt jeglicher näheren Begründung, welche Akten/Unterlagen konkret nicht berücksichtigt worden sein sollen und wie sich dies auf die konkrete Beurteilung ausgewirkt haben soll.

c) Schließlich ist auch der Vorwurf, die Klägerin habe der Arbeitsanweisung des Herrn R., den Sachverhalt korrekt darzustellen und die Dekra-Bescheinigung neu zu bewerten, nicht Folge geleistet, zu unkonkret. Erst aus den Erläuterungen der Beklagten in den Schriftsätzen ergibt sich, dass der Klägerin vorgeworfen wird, dass die streitgegenständliche Beurteilung auf Grundlage der Dekra-Bescheinigung erfolgt sei und die Klägerin angewiesen wurde, die streitgegenständliche Beurteilung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gutachten und Befunde zu korrigieren.

2. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die behauptete Nichtbefolgung der oben genannten Arbeitsanweisung hinreichend konkret dargestellt ist, wäre dies jedenfalls eine unrichtige Tatsachenbehauptung, da hier nicht erwiesen ist, dass die Klägerin tatsächlich entgegen der Arbeitsanweisung ihre Begutachtung allein auf Grundlage der Dekra-Bescheinigung erstellt hat. Diesem Vorwurf ist die Klägerin substantiiert entgegengetreten, indem sie vorgetragen hat, dass die Beurteilung nach Einsicht in aktuelle medizinische Befundunterlagen, wie z.B. aktuelle Bildgebung, sowie nach einem Video-Gespräch mit dem Kläger erfolgt sei. Da die Nichtbefolgung der Arbeitsanweisung damit nicht erwiesen ist, geht dies zu Lasten des insoweit beweisbelasteten Arbeitgebers. Mithin ist davon auszugehen, dass diese Tatsachenbehauptung unrichtig ist.

Aus demselben Grund erweist sich auch die Behauptung, die Klägerin habe das Aktenstudium nur teilweise, in minderer Qualität oder gar nicht vollzogen, als unrichtig.

Auf die Tatsache, ob die Klägerin im Gespräch vom 15.03.2021 das LTA-Verfahren angezweifelt hat oder nicht, kommt es somit nicht mehr entscheidungserheblich an, sodass insoweit auf eine Beweiserhebung verzichtet wurde. Die unter 1. und 2. genannten Gesichtspunkte führen bereits dazu, dass die Abmahnung zu Unrecht erfolgt ist und damit aus der Personalakte zu entfernen ist.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 II ArbGG i. V. m. § 91 I 1 ZPO.

III. Der Streitwert war gemäß § 61 I ArbGG im Urteil festzusetzen. Dieser wurde für die streitgegenständliche Entfernung der Abmahnung mit einer Monatsvergütung in Höhe von 3.000,00 € bewertet.

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