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Abschluss arbeitsrechtlicher Aufhebungsvertrag – Streitwertberechnung

LG Mannheim – Az.: 3 O 59/13 – Urteil vom 31.07.2014

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin … € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils aus … € seit dem 04.04.2013 sowie aus … € seit 02.06.2013 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Anwaltshonorar wegen Beratung und Vertretung in einer arbeitsrechtlichen Angelegenheit.

Die Beklagte war seit 01.07.1996 bei S.-A. beschäftigt. Im Zusammenhang mit einem geplanten Personalabbau schloss ihre Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat Ende 2010/Anfang 2011 mehrere Betriebsvereinbarungen, die den Arbeitnehmern verschiedene Varianten einer vorzeitigen Ruhestandsregelung unter Einbeziehung einer Transfer-Gesellschaft ermöglichten (Anlage D 2). Mit E-Mail vom 18. März 2011 kündigte die Arbeitgeberin der Beklagten ein verbindliches Angebot zum Vorruhestand an und stellte sie von der Arbeitsleistung frei. Zugleich räumte sie die Möglichkeit ein, die Freistellung zu widerrufen. Das Unternehmen werde ihr dann binnen 3 Wochen einen zumutbaren Bezirk zuweisen. Das Gleiche gelte, wenn sie das Angebot eines Vorruhestands endgültig ablehne (Anlage D01).

Am 17.03.2011 suchte die Beklagte die Kanzlei der Klägerin auf, wo sich der seinerzeit bei dieser tätige Rechtsanwalt R. ihrer annahm. Sie begehrte eine Beratung zumindest über die verschiedenen Varianten des angebotenen Aufhebungsvertrages. Im Übrigen ist zwischen den Parteien streitig, welchen Auftrag die Beklagte erteilte.

Rechtsanwalt R. zeigte für die Klägerin die Vertretung der Beklagten gegenüber ihrem Arbeitgeber an (Anlage D3). Im weiteren Kontakt der Klägerin mit der Personalabteilung der Arbeitgeberin der Beklagten wurde eine Erhöhung der ursprünglichen Einmalzahlung für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens von … auf … € erreicht. Im Juni 2011 Unterzeichneten die Beklagte und ihre Arbeitgeberin den Aufhebungsvertrag (Anlage D05).

Mit Datum vom 10.08.2011 rechnete die Klägerin 1,3 Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert von … € ab, was einschließlich Mehrwertsteuer einen Rechnungsbetrag von … € ergab (Anlage D06). Die Rechtsschutzversicherung erklärte sich lediglich bereit, einen Betrag von 250,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer zu tragen. Am 17.04.2013 stellte die Klägerin eine ergänzende Kostenrechnung, in welcher auch ihre Mitwirkung beim Abschluss der Vorruhestandsvereinbarung mit einer 1,5 Einigungsgebühr aus dem vorgenannten Gegenstandswert abgerechnet wurde, insgesamt … € (Anlage D09).

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe ihr den Auftrag zur Überprüfung und Beratung hinsichtlich der verschiedenen Varianten des Vorruhestandsangebots erteilt. Über den Auftrag zur Beratung hinaus habe sie die Klägerin auch mit der Vertretung gegenüber ihrer Arbeitgeberin beauftragt.

Die mit einem Satz von 1,3 in Rechnung gestellte Geschäftsgebühren seien ordnungsgemäß ermittelt, insbesondere sei der zutreffende Streitwert zu Grunde gelegt.

Neben der Geschäftsgebühr habe die Beklagte auch die Einigungsgebühr zu tragen, da Rechtsanwalt R… eine deutliche Erhöhung der Abfindung erreicht habe.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin … € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz jeweils aus 3.198,24 € seit dem 11.09.2011 sowie aus … € seit Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, Klagabweisung.

Die Beklagte behauptet, sie habe lediglich den Auftrag zu einer Beratung erteilt und auch dies nur in dem Umfang, wie die Kosten durch ihre Rechtsschutzversicherung gedeckt seien. Rechtsanwalt Richter habe daraufhin zugesagt, dass er sich mit der Rechtsschutzversicherung in Verbindung setzen wolle.

Sie sei nicht darüber aufgeklärt worden, dass sich hier die Vergütung nach dem Gegenstandswert errechne. Bei einer richtigen Aufklärung hätte sie einen anderen Rechtsanwalt beauftragt, der lediglich in Höhe der Deckungszusage der Versicherung abgerechnet hätte.

Rechtsanwalt R… habe nicht durch sein Verhandeln einer Erhöhung des ursprünglich vorgesehenen Abfindungsbetrags erreicht, sondern allenfalls durch eine Korrektur unzutreffend zugrunde gelegter Zahlen.

In jedem Fall sei auch die Abrechnung der Klägerin zu beanstanden, da sie nicht berücksichtige, dass bei Bestandsstreitigkeiten nach § 42 Abs. 3 GKG a.F. der Streitwert auf maximal drei Monatsgehälter gedeckelt sei. Bei der Geschäftsgebühr sei die Höhe von 1,3 Gebühren unangemessen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat die Beklagte informatorisch angehört und den Zeugen … vernommen (Protokoll vom 23.01.2014 – ABl. 79). Weiter wurde zur Höhe der Geschäftsgebühr ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer Zweibrücken eingeholt (ABl. 103)

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Abschluss arbeitsrechtlicher Aufhebungsvertrag – Streitwertberechnung
(Symbolfoto: fizkes/Shutterstock.com)

Der Klägerin steht die geltend gemachte Vergütung aus dem Rechtsanwalts-Geschäftsbesorgungsvertrag zu.

Nach der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass die Beklagte der Klägerin auch den Auftrag zur Vertretung gegenüber ihrer Arbeitgeberin erteilt hat und dass dieser Auftrag nicht auf den Betrag beschränkt war, den die Rechtsschutzversicherung zu zahlen bereit war.

Zur Frage der Kontaktaufnahme mit der Arbeitgeberseite räumte die Beklagte in ihrer informatorischen Anhörung ein, dass sie geantwortet habe, Rechtsanwalt R… solle Kontakt aufnehmen, wenn das nötig sei. Er habe allerdings nicht darauf hingewiesen, dass dies über eine Beratungstätigkeit hinausgehe. Sie habe erklärt, beraten werden zu wollen unter dem Vorbehalt, dass die Rechtsschutzversicherung die Honorare übernehme. Auch nach Darstellung der Beklagten hat Rechtsanwalt R… dieser Einschränkung allerdings nicht zugestimmt, sondern lediglich gesagt, die Beklagte solle die Honorarfrage mit der Rechtsschutzversicherung klären.

Der Zeuge … gab in seiner Vernehmung an, sich noch an das Mandat erinnern zu können. Es sei auch über die Einstandspflicht der Rechtsschutzversicherung gesprochen worden, doch habe er damals erklärt, dass die Versicherung das wohl nicht übernehmen werde. Dies hat der Zeuge nachvollziehbar damit erklärt, dass er die Thematik von seinem gerade abgeschlossenen Fachanwaltslehrgang noch gegenwärtig gehabt habe. Der Zeuge konnte sich weiter daran erinnern, dass die Beklagte geäußert habe, sie brauche Unterstützung, er solle auch mit ihrer Arbeitgeberin verhandeln. Im Kern sei es darum gegangen zu prüfen, ob nicht das Angebot des Arbeitgebers verbessert werden könne.

Bei der Würdigung der Zeugenaussage ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Zeuge nicht mehr in der Kanzlei der Klägerin tätig ist und insofern ein mögliches Motiv für eine unrichtige Aussage entfällt. Der Zeuge konnte auch Details schildern, bei denen nachvollziehbar ist, dass sie ihm gut im Gedächtnis bleiben, wie etwa die ganz geringe Differenz von 3,11 €, weswegen erheblicher Klärungsaufwand nötig gewesen sei. Umgekehrt machte der Zeuge aber auch deutlich, wenn er sich an bestimmte Themenkomplexe nicht mehr erinnern konnte, etwa wie bei der Frage des Firmenwagens.

Zur Honorarhöhe gab der Zeuge an, bereits im ersten Termin darauf hingewiesen zu haben, dass sich diese aus einer Tabelle errechne, wobei die Abfindungshöhe für die Gebühren maßgeblich sei. Nach seiner ungenauen Erinnerung sei auch die Alternative des Stundenhonorars erörtert worden, was nach Nennung des Stundensatzes aber kein Thema mehr gewesen sei.

Es erscheint zwar ungewöhnlich, dass seitens der Klägerin weder Notizen in den Handakten noch eine unterschriebene Vollmacht vorgelegt werden können. Der Zeuge gab zur Frage der Vollmacht an, dass diese normalerweise vom Sekretariat vorbereitet werde, allerdings nicht immer. Die fehlenden Notizen in den Handakten mögen zwar für einen sorgfältig arbeitenden Rechtsanwalt ungewöhnlich sein, andererseits ist aber unstreitig, dass Rechtsanwalt R… Gespräche mit der Beklagten und mit ihrem Arbeitgeber geführt hat.

Bei einer Gesamtwürdigung der Angaben des Zeugen finden sich nach Auffassung der Kammer genügend Anzeichen, die eine hinreichend sichere Überzeugung von der Richtigkeit der Aussage zu begründen vermögen. Damit ist dem Grunde nach seitens der Klägerin eine Geschäftsgebühr nach §§ 2, 13 Abs. 1 RVG, Nr. 2300 VV RVG verdient.

Hinsichtlich der Höhe der Geschäftsgebühr ergibt sich aus dem überzeugenden und nachvollziehbaren Gutachten der Pfälzischen Rechtsanwaltskammer Zweibrücken, welche sich mit der bereits vor Gutachteneinholung bestehenden vorläufigen Meinung der Kammer deckt, dass die Erhebung einer 1,3 Gebühr nicht zu beanstanden ist (ABl. 103 ff.).

Verdient ist darüber hinaus eine 1,5 Einigungsgebühr nach §§ 2, 13 RVG Nr. 1000 VV RVG.

Die Gebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, sie ist nicht abhängig davon, dass die Klägerin nachweisen kann, dass eine Verbesserung der Rechtsposition der Beklagten kausal auf ihr Handeln zurückgeht.

Zu Recht hat die Klägerin bei der Abrechnung der Gebühren einen Gegenstandswert von … € in Ansatz gebracht. Zwar sieht § 42 Abs. 3 S. 1 GKG in der seinerzeit geltenden Fassung vor, dass für die Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgeltes maßgebend ist. Voraussetzung für das Eingreifen des Additionsverbotes des § 42 Abs. 3 S. 1 GKG a.F. ist, dass es um eine Bestandsstreitigkeit geht, d. h. dass die Parteien um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses streiten (vgl. BAG, Urteil vom 16.05.2009 AZR 279/99 TZ 29 ff.). Insoweit ist anerkannt, dass das vorgenannte Additionsverbot dann nicht eingreift, wenn die Abfindung auf einer eigenen Anspruchsgrundlage, wie einem Sozialplan oder einer sonstigen Betriebsvereinbarung beruht (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26.10.2009, 5 Ta 176/09 TZ 17 f.; LAG München, Beschluss vom 12.12.2006, 7 Ta 378/06; LAG Hamburg, Anwaltsblatt 84, 315; LAG Hamburg, Beschluss vom 15.02.2012, 1 Sa 31/11 TZ 4; Germelmann, 8. Aufl., § 12 ArbGG, Rdnr. 124).

Im vorliegenden Fall war der Bestand des Arbeitsverhältnisses der Beklagten nicht in Streit, was etwa auch durch die E-Mail vom 18.03.2011 (Anlage D 01) zum Ausdruck kommt. Es handelte sich vielmehr um die durch Betriebsvereinbarung eingeräumte Möglichkeit, zwischen einem Verbleib in dem Unternehmen oder einem Ausscheiden unter Inanspruchnahme alternativer Abfindungsmöglichkeiten zu wählen. Hier ist weder unter dem Gesichtspunkt des Wortlauts des § 42 Abs. 3 ArbGG, noch unter dem Gesichtspunkt des Sinns der Norm (Beschränkung der Kosten aus sozialen Gründen bei Verlust des Arbeitsplatzes – vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Koch, 14. Aufl., § 12 ArbGG Rdnr. 14) die Anwendung der Deckelung zu rechtfertigen. Die Kläger haben damit ihrer Kostenberechnung den zutreffenden Streitwert zugrunde gelegt.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist nicht nachgewiesen, dass die Rechtsanwaltsvergütung auf den Betrag beschränkt bleiben sollte, welchen die Rechtsschutzversicherung zu zahlen bereit war. Weiter ist nicht nachgewiesen, dass die Klägerin entgegen § 49 Abs. 5 BRAO nicht darauf hingewiesen hat, dass sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten.

Die Klage hat daher in der Hauptsache Erfolg. Zinsen sind hinsichtlich der Geschäftsgebühr ab dem Zeitpunkt der Mahnung vom 03.04.2013, im Übrigen seit Rechtshängigkeit unter Verzugsgesichtspunkten zuzusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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