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Absprachewidriger Überlassung eines Dienstwagens an einen Dritten

ArbG Siegburg – Az.: 4 Ca 2334/17 – Urteil vom 19.09.2018

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 04.08.2018 noch durch die Kündigung vom 07.09.2018 beendet worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.248,22 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2017 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 56 % der Klägerin und zu 44 % der Beklagten auferlegt.

5. Streitwert: 49.208,00 EUR.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier fristloser Kündigungen sowie über die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie weitere Zahlungsansprüche.

Die 37-jährige Klägerin, die verheiratet und einem Kind zu Unterhalt verpflichtet ist, war seit dem 01.04.1999 bei der Beklagten tätig. Zuletzt war sie im Bereich Auftragsdisposition/Produktionsleitung tätig. Ihr vertraglich vereinbartes Grundgehalt betrug bei Vertragsabschluss am 31.03.1999 15,00 DM pro Stunde. Das monatliche Bruttoeinkommen schwankte je nachdem wie viele Stunden die Klägerin eingesetzt war, ob Sonderzuwendungen, wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Überstunden etc. hinzukamen. So betrug der Bruttoverdienst der Klägerin im Dezember 2016 4.822,31 EUR, im November 2016 6.348,56 EUR im Oktober 2016 2.453,56 EUR, im August 2016 4.417,31 EUR und im Juni 2016 7.391,06 EUR. Die Klägerin leistete auch Überstunden. So wurde ihr im Juni 2014 eine Überstundenvergütung für 41,85 Überstunden in Höhe von 889,31 EUR gezahlt, im Juni 2016 eine Überstundenvergütung für 11 Stunden in Höhe von 281,25 EUR, im April 2014 eine Überstundenvergütung für 41,87 Stunden in Höhe von 889,74 EUR, im August 2015 eine Überstundenvergütung für 9 Stunden in Höhe von 225,00 EUR, im Juni 2016 eine Überstundenvergütung für 5 Überstunden in Höhe von 100,00 EUR, im Juli 2016 eine Überstundenvergütung für 23 Überstunden in Höhe von 575,00 EUR, im August 2016 eine Überstundenvergütung für 9 Überstunden in Höhe von 225,00 EUR, im September 2016 eine Überstundenvergütung für 19 Überstunden in Höhe von 475,00 EUR, im Oktober 2016 eine Überstundenvergütung für 12,75 Überstunden in Höhe von 318,75 EUR, im November für 16,75 Stunden in Höhe von 418,75 EUR und im Dezember 2016 eine Überstundenvergütung für 15,5 Überstunden in Höhe von 387,50 EUR. Der Klägerin sind in 2017 für den Monat Januar 2017 32,5 Überstunden, im Februar 2017 15 Überstunden und im Monat März 2017 20,75 Überstunden vergütet worden. Im Jahr 2013 sowie im Jahr 2014 erhielt die Klägerin eine Jahresprämie in Höhe von 5.000,00 EUR und in der Vergangenheit Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen.

Im Arbeitsvertrag vom 31.03.1999 heißt es in Ziffer 4:

„Das Urlaubsgeld beträgt 50 % des Entgeltes für die Urlaubstage und wird mit dem Arbeitslohn Juni gezahlt. Das Weihnachtsgeld beträgt 50 % eines Monatslohns mit 21 Arbeitstagen und wird mit dem Monatslohn November gezahlt. Die Zahlung des Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeldes ist eine freiwillige Leistung, auf welche kein Rechtsanspruch besteht und wird jährlich neu bestimmt.“

Der Klägerin wurde zudem ein Dienstfahrzeug zur privaten Nutzung überlassen. Einen schriftlichen Dienstwagennutzungsvertrag schlossen die Parteien nicht. In der Vergangenheit führten die Parteien über den Umfang der Nutzung Rechtsstreite beim hiesigen Arbeitsgericht. Die Klägerin hatte am 24.09.2017 eine Panne mit ihrem Dienstwagen. Dieses musste zur Werkstatt geschleppt werden und die Batterie musste getauscht werden.

Die Beklagte stellte die Klägerin mit Wirkung vom 03.04.2017 widerruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Die Klägerin war vom 03.04.2017 bis zum 15.07.2017 arbeitsunfähig erkrankt. Die Klägerin erhielt für den Monat April 2017 eine Bruttovergütung in Höhe von 4.139,81 EUR. Davon waren 3.200,00 EUR die Entgeltfortzahlung für 160 ausgefallene Stunden (20 Tage x 8 Stunden x 20,00 EUR). Mit der Gehaltsabrechnung für den Monat Juli 2017 behielt die Beklagte einen Betrag in Höhe von 1.248,22 EUR netto ein.

Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 04.08.2018 gegenüber der Klägerin die fristlose Kündigung. Eine weitere fristlose Kündigung erhielt die Klägerin mit Schreiben vom 17.09.2018. Die Klägerin war bis zu den Neuwahlen des Betriebsrats im April 2018 Betriebsratsmitglied. In den neuen Betriebsrat wurde sie nicht mehr gewählt.

Mit ihrer am 10.11.2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage sowie Klageerweiterungen vom 13.08.2018 sowie vom 06.09.2018 begehrt die Klägerin die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen sowie eine höhere Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und einen höheren Annahmeverzugslohn. Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr für zu wenig Stunden monatlich Entgeltfortzahlung geleistet worden sei. Sie habe regelmäßig mehr als acht Stunden täglich gearbeitet. So seien ihr in den vergangenen Monaten zwischen 15 und 32,5 Überstunden pro Monat vergütet worden. Dies sei auch in der Vergangenheit so gewesen. Sie habe daher ihre vertraglich geschuldete Arbeitszeit regelmäßig um 22,75 Stunden pro Monat überschritten. Die Beklagte sei daher verpflichtet, ihr für 22,75 Stunden pro Monat eine höhere Entgeltfortzahlung zu leisten. Dies gelte auch für den Annahmeverzugslohn. Auch dieser sei um 22,75 Stunden im Monat zu niedrig berechnet. Zudem stehe ihr eine Jahresprämie in Höhe von 5.000,00 EUR zu. Dies sei mit dem Senior-Geschäftsführer der Beklagten vereinbart gewesen und in 2013/2014 auch so ausgezahlt worden. Zudem begehrt die Klägerin Urlaubs- und Weihnachtsgeld aufgrund betrieblicher Übung. Die Freiwilligkeitsvereinbarung im Arbeitsvertrag sei unwirksam. Für die Panne mit dem Dienstwagen stehe ihr ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 37,65 EUR zu. Kündigungsgründe für den Ausspruch der fristlosen Kündigung gebe es nicht. Eine Vereinbarung über den genauen Umfang der privaten Nutzung des Dienstwagens sei nicht geschlossen. Insbesondere sei kein schriftlicher Dienstwagennutzungsvertrag geschlossen worden. Eine missbräuchliche Nutzung des Dienstwagens durch sie habe es nie gegeben.

Die Klägerin beantragt,

1.   die Beklagte zu verurteilen, an sie 568,75 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2017 zu zahlen;

2.   die Beklagte zu verurteilen, an sie 247,28 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2017 zu zahlen;

3.   die Beklagte zu verurteilen, an sie 297,92 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.08.2017 zu zahlen;

4.   die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.248,22 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.08.2017 zu zahlen;

5.   die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.248,75 EUR brutto abzüglich 1.887,83 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 5,76 EUR für den Zeitraum 01.bis 12.09.2017 und aus 2.360,92 EUR seit dem 01.09.2017 zu zahlen;

6.   die Beklagte zu verurteilen, an sie 568,75 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.10.2017 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.928,75 EUR für die Zeit vom 01.10.2017 bis 18.10.2017 in Höhe von 7,98 EUR zu zahlen;

7.   die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.500,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2017 zu zahlen;

8.   die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.000,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2017 zu zahlen;

9.   die Beklagte zu verurteilen, an sie 37,65 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.10.2017 zu zahlen;

10.   die Beklagte zu verurteilen, an sie 280,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.10.2017 zu zahlen;

11.   festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 04.08.2018 aufgelöst worden ist;

12.   Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch weitere Beendigungstatbestände aufgelöst ist, sondern unverändert fortbesteht;

13.   die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.678,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus je 568,75 EUR brutto seit dem 01.11.2017, seit dem 01.11.2017, seit dem 01.12.2017, seit dem 01.01.2018, seit dem 01.02.2018, seit dem 01.03.2018, seit dem 01.04.2018, seit dem 01.05.2018, seit dem 01.06.2018, seit dem 01.07.2018 und 01.08.2018 zu zahlen;

14.   die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2017 zu zahlen;

15.   die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2018 zu zahlen;

16.   die Beklagte zu verurteilen, an sie 400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

17.   festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 07.09.2018 aufgelöst worden ist;

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitig ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist im Wesentlichen zulässig, aber nur zum Teil begründet.

1.

Soweit die Klägerin mit dem Klageantrag zu 12. auch die Feststellung begeht, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien unverändert fortbesteht, so ist der Antrag unzulässig. Die Klägerin legt das zur Feststellung notwendige Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO nicht dar. Sie führt keinen anderweitigen Beendigungstatbestand in den Rechtsstreit ein und macht nicht geltend, dass ernsthaft mit weiteren Kündigungserklärungen zu rechnen ist.

2.

Im Übrigen ist die Klage zulässig.

II.

Die Kündigungsschutzklage der Klägerin ist begründet, die ausgesprochenen Kündigungen sind unwirksam, da kein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Die Zahlungsansprüche auf Entgeltfortzahlung sowie Annahmeverzugslohn sind unbegründet, die Klägerin hat lediglich Anspruch auf die aus dem Tenor ersichtliche Zahlung in Höhe von 1.248,22 EUR netto für den unberechtigten Abzug im Juli 2018.

1.

Sowohl die Kündigung vom 04.08.2018 als auch die Kündigung vom 07.09.0218 sind unwirksam. Einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 KSchG vermochte die Beklagte nicht darzulegen.

a.

Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Blick auf die Dauer der Beschäftigung des Klägers und die Anzahl der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer gemäß §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG Anwendung. Auch hat der Kläger die 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG gewahrt.

b.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Prüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig: Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Ist dies der Fall, bedarf es sodann der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., BAG 26.03.2009 – 2 AZR 953/07, AP Nr. 220 zu § 626 BGB; 27.04.2006 – 2 AZR 386/05, BAGE 118, 104).

c.

Den von der Beklagten behaupteten Betrugsversuch hinsichtlich der missbräuchlichen Nutzung des Dienstwagens vermochte die Beklagte nicht zur Überzeugung der Kammer darzulegen. Zum einen gibt es keine schriftliche Dienstwagenvereinbarung, aus der von der Beklagten behauptete Regelungen klar hervorgehen. Aber selbst wenn man unterstellt, die Behauptung der Beklagten sei richtig und der Klägerin sei mündlich untersagt worden, dass außer ihr und ihrem Ehemann jemand den Dienstwagen bewegen dürfte, niemand sonst die Tankkarte nutzen dürfte und eine maximale Kilometerbegrenzung vereinbart gewesen sei, ist der Pflichtverstoß der Klägerin in Form von der Überlassung des Autos an einen Verwandten nicht derart gewichtig, dass er „an sich“ geeignet wäre, den Kündigungsgrund darzustellen. Selbst wenn die Klägerin absprachewidrig ihren Verwandten, der der Beklagten bekannt war, da er dort ebenfalls früher tätig war, ans Steuer des Wagens gelassen hat und dieser geblitzt worden ist, ist dieser Pflichtverstoß nicht so gravierend, dass er den weiteren Fortbestand des Arbeitsverhältnisses für die Beklagte unzumutbar machen würde. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin, wäre sie von der Beklagten abgemahnt worden, dieses Verhalten zukünftig unterlassen hätte. Dies gilt auch für die Nutzung der Tankkarte für Fahrten, die die Klägerin nicht selbst mit dem Dienstwagen unternommen hat.

d.

Auch der von der Beklagten erhobene Vorwurf der Selbstbeurlaubung während der Freistellung ist „an sich“ nicht geeignet, einen wichtigen Kündigungsgrund darzustellen. Zwar ist grundsätzlich eine Selbstbeurlaubung ein Pflichtenverstoß, der den Arbeitgeber zu einer fristlosen Kündigung berechtigen kann (BAG, 20.01.1994 – 2 AZR  521/93 – juris). Der Kernvorwurf an den Arbeitnehmer ist in solchen Fällen, dass der Arbeitnehmer sich ohne Zustimmung des Arbeitgebers seiner Arbeitspflicht entzieht und für den Arbeitseinsatz nicht zur Verfügung steht. Im vorliegenden Fall kann dieser Vorwurf der Klägerin gerade nicht gemacht werden, da sie auf Wunsch der Beklagten seit April 2017 von ihrer Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt war. Die Beklagte legt damit offensichtlich seit über einem Jahr keinen Wert auf die Erbringung der Arbeitsleistung durch die Klägerin. Zudem ist dem eigenen Vortrag der Beklagten zu entnehmen, dass die Klägerin in dem vor dem Urlaubsantritt stattgefundenen Personalgespräch diesen Urlaub angekündigt hat. Der einzige Vorwurf, den die Beklagte der Klägerin machen kann, ist, dass sie sich nicht an den formalen Weg eines ordnungsgemäßen schriftlichen Urlaubsantrags und des Abwartens der entsprechenden Bewilligung gehalten hat. Dies stellt zwar einen arbeitsvertraglichen Pflichtenverstoß dar. Dieser ist jedoch nicht so gravierend, dass er an sich eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde. Auch bei diesem Pflichtverstoß der Klägerin ist davon auszugehen, dass die Abmahnung eines solchen Verhaltens künftig dazu führen würde, dass ein solches Verhalten nicht mehr vorkommt.

e.

Aufgrund der fehlenden Abmahnung scheidet auch hilfsweise ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen (§ 1 Abs. 2 KSchG) aus.

2.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte höhere Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im geltend gemachten Umfang von 22,75 Stunden pro Monat mehr für die Zeit seit April 2017 (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EFZG).

a.

Nach § 3 Abs. 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit und infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, ohne dass ihn ein Verschulden trifft.

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Parteien streiten alleine über die Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts.

b.

Nach § 4 Abs. 1 EFZG ist dem Arbeitnehmer für in § 3 Abs. 1 EFZG bezeichneten Arbeitszeitraum, dass ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. § 4 Abs. 1 EFZG legt der Entgeltfortzahlung ein modifiziertes Lohnausfallprinzip zugrunde. Maßgebend ist allein die individuelle Arbeitszeit des erkrankten Arbeitgebers. Es kommt darauf an, welche Arbeitszeit aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ausgefallen ist. Bei Schwankungen der individuellen Arbeitszeit kann zur Bestimmung der regelmäßigen Arbeitszeit eine vergangenheitsbezogene Betrachtung durchgeführt werden (vgl. BGB, 26.06.2002 – 5 AZR 211/00 – juris Rn. 12). Nach § 4 Abs. 1a) Satz 1 EFZG gehört nicht zum Arbeitsentgelt nach Absatz 1, dass zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt. Dieses ist im Krankheitsfall nicht fortzuzahlen. Zusätzlich für Überstunden gezahltes Entgelt stellt nicht nur die Überstundenzuschläge dar. Auch die Grundvergütung für die Überstunden wird zusätzlich zum „normalen“ Entgelt, und zwar für die Überstunden, gezahlt. Hätte der Gesetzgeber nur die Überstundenzuschläge aus der Entgeltfortzahlung herausnehmen wollen, hätte er das mit dem eingeführten Begriff „Überstundenzuschläge“ klar ausdrücken können. Er hätte zumindest das Wort „zusätzlich“ zwischen die Worte „Überstunden“ und „gezahlte Stellen“ damit ausdrücken, dass eine Zusatzvergütung (zur Grundvergütung) gemeint sei. Das Gesetz klammert demgegenüber sowohl die Grundvergütung als auch die Zuschläge für Überstunden aus (so ausdrücklich BT-Drucks 14/45S24). Bei dem Begriff der Überstunden geht es entscheidend um die Frage, ob an eine generelle, vornehmlich tariflich bzw. betriebsübliche Arbeitszeit oder eine individuelle regelmäßige Arbeitszeit des betreffenden Arbeitnehmers anzuknüpfen ist. § 4 Abs. 1a) EFZG erfasst nach seinem Wortlaut und nach seinem Sinn und Zweck auch wiederholt geleistete Überstunden. Immer muss es sich aber um Überstunden handeln. Überstunden im Sinne von § 4 1a) EFZG liegen vor, wenn die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers überschritten wird. Überstunden werden wegen bestimmter besonderer Umstände vorübergehend geleistet. Damit fallen die bisher der regelmäßigen Arbeitszeit zugerechneten wiederholt anfallenden Überstunden aus der Entgeltfortzahlung heraus (so schon BAG, 16.03.1988 – 5 AZR 40/87 – juris).

Die von der Klägerin in der Vergangenheit abgeleisteten Überstunden in unterschiedlicher monatlicher Höhe fallen damit aus der Entgeltfortzahlung heraus. Ein Ausnahmefall, in dem „Überstunden“ doch in die Berechnung einzubeziehen sind, liegt nicht vor.

c.

Arbeitet der Arbeitnehmer mit einer gewissen Stetigkeit über die tarifliche oderbetriebsübliche Arbeitszeit hinaus, ist jedoch die ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung einer bestimmten Arbeitszeit in diesem Umfang nicht ohne weiteres festzustellen, gilt für die Abgrenzung der individuellen regelmäßigen Arbeitszeit von den bei der Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen Überstunden folgendes:

aa.

Eine ständig erbrachte Mindestarbeitsleistung (Arbeitszeitsockel) kann als konkludent vereinbart angesehen werden, wenn der Arbeitgeber die entsprechende Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer erwartet und entgegen nimmt. Sie ist Grundlage für einen Mindestumfang der Entgeltfortzahlung. Beruhen Schwankungen der Arbeitszeit darauf, dass der Arbeitnehmer vertragsgemäß bestimmte (wiederkehrende) Arbeitsleistungen erbringt, die je nach den Arbeitsumständen oder der Arbeitsanfall kürzer oder länger dauern (z. B. bei einem Müllwerker oder Auslieferungsfahrer), geht die individuelle regelmäßige Arbeitszeit über den Arbeitszeitsockel hinaus; denn der Arbeitnehmer hat seine Arbeitsaufgebe stets ordnungsgemäß zu erledigen, ohne dass die Arbeitszeit von vornherein festliegt. Als geschuldete Arbeitszeit muss dann ein durchschnittlicher Wert angenommen werden.

bb.

Diese Voraussetzungen liegen beim Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht vor. Im Arbeitsvertrag ist eine regelmäßige Arbeitszeit von werktäglich acht Stunden vereinbart. Dem Vortrag der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass es Schwankungen in der Arbeitszeit gab, die – wie etwa bei einem Müllwerker oder Auslieferungsfahrer – nach Arbeitsumständen und Arbeitsanfall stattgefunden hätten. Dass die Klägerin Überstunden geleistet hat und zwar in völlig unterschiedlicher monatlicher Höhe ist unstreitig. Dabei handelt es sich nach dem eigenen Vortrag der Klägerin aber um echte Überstunden. Diese sind nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht zu vergüten, auch nicht wenn sie wiederholt anfallen. Die Klägerin hat in der Vergangenheit stets Überstunden in unterschiedlicher Höhe geleistet. Es fehlt jedoch substantiierter Sachvortrag dazu, dass aufgrund von Schwankungen tatsächlich ein erhöhter Arbeitszeitsockel in Form von einer regelmäßigen, erhöhten Stundenzahl von 22,5 h im Monat vereinbart worden sein soll.

3.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen Annahmeverzugslohn in der geltend gemachten Höhe der um 22, 5 Stunden monatlich erhöht ist (§ 615 Satz 1 BGB).

Ebenso wie bei der Entgeltfortzahlung gilt auch bei der Berechnung der Höhe des Annahmeverzugslohns während der Freistellung das Lohnausfallprinzip. Die Klägerin vermochte nicht darzulegen, dass sie stets tatsächlich 22,5 Stunden monatlich mehr als die vertraglich vereinbarte normale Arbeitszeit geleistet hätte, wäre sie nicht freigestellt gewesen, sondern hätte gearbeitet. Aufgrund der extremen Schwankung der Höhe der erbrachten Überstunden in der Vergangenheit ist nicht von einer durchschnittlich erhöhten Arbeitszeit von 22,5 Stunden im Monat auszugehen. Dazu vermochte die Klägerin nicht substantiiert vorzutragen.

4.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf das begehrte Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Ein vertraglicher Anspruch steht der Klägerin wegen dem vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalt nicht zu; andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

a.

Weist der Arbeitgeber in einem vorformulierten Arbeitsvertrag darauf hin, dass die Gewährung einer Sonderzahlung keinen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung für künftige Bezugszeiträume begründet, benachteiligt ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt den Arbeitnehmer nicht unangemessen (BAG, 30.07.2008- 10 AZR 606/07 -, juris). Soll ein Freiwilligkeitsvorbehalt in einem vorformulierten Arbeitsvertrag nicht nur so verstanden werden, dass sich der Arbeitgeber freiwillig zur Erbringung der Leistung verpflichtet, ohne dazu durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz gezwungen zu sein, sondern soll er das Entstehen eines Rechtsanspruchs des Zuwendungsempfängers auf künftige Leistungen verhindern, muss er klar und verständlich im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sein und darf nicht im Widerspruch zu anderen Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien stehen (BAG, 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 -, juris). Eine im Arbeitsvertrag vorformulierte Regelung, die dem Wortlaut nach eindeutig einen Anspruch des Arbeitnehmers auf die Sonderzahlung begründet, indem sie festlegt, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf eine bestimmte Sonderleistung hat, verpflichtet den Arbeitgeber zur Leistung dieser Sonderzahlung. Nur in einem solchen Fall verspricht der Arbeitgeber eine Leistung im Sinne von 308 Nr. 4 BGB. Deswegen ist es widersprüchlich, wenn der Arbeitgeber zugleich entgegen diesem Versprechen mit einer Freiwilligkeitsklausel einen Rechtsanspruch auf die versprochene Sonderzahlung ausschließt.

b.

Die Auslegung des § 4 des Arbeitsvertrages ergibt, dass die Klausel dem Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB genügt und die Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligt. Die Parteien haben in Ziffer 4 des Arbeitsvertrages einen wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt vereinbart.

In dem Arbeitsvertrag ist zwar die Höhe der Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlung angegeben, jedoch an keiner Stelle angegeben, dass darauf ein Anspruch besteht. Im Gegenteil findet sich in Ziffer 4 des Arbeitsvertrages der Hinweis, dass es sich um eine freiwillige Leistung handelt und auch eine wiederholte Zahlung keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründet. Die Regelung ist nicht widersprüchlich und klar und verständlich.

c.

Da eine vertragliche Vereinbarung mit Freiwilligkeitsvorbehalt besteht, ist für einen Anspruch aus betrieblicher Übung kein Raum ist.

5.

Ein Anspruch auf die von der Klägerin begehrte Jahresprämie in Höhe von 5.000,00 EUR besteht nicht.

Die Klägerin vermochte bereits die vertragliche Anspruchsgrundlage für die begehrte Jahresprämie nicht substantiiert darzulegen. Die pauschale Behauptung, diese Jahresprämie sei mit dem Seniorgeschäftsführer vereinbart worden, vermag keinen vertraglichen Anspruch zu begründen. Substantiierter Vortrag zu einer betrieblichen Übung liegt ebenfalls nicht vor.

6.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 37,65 EUR für die Panne mit dem Dienstwagen.

Vorliegend lässt sich ein Anspruch auf Ersatz eines materiellen Schadens weder aus vertraglicher noch deliktischer Haftung herleiten (§§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. 249 ff. BGB).

Die Klägerin vermochte die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs insbesondere das Verschulden der Beklagten nicht darzulegen. Voraussetzungen eines jeden Schadensersatzanspruchs, unabhängig davon, ob er auf § 823 Abs. 1 BGB oder auf eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Fürsorge- und Treuepflicht gemäß § 280 Abs. 1 i.V.m. § 242 BGB gestützt wird, ist, dass das Leben, der Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt wird. Dabei muss die Verletzung ursächlich auf ein Handeln, Tun oder Unterlassen des Schädigers zurückgeführt werden können. Es muss ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und der Rechtsgutverletzung bestehen (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der Verletzung des Rechtsguts und dem geltend gemachten Schaden (haftungsausfüllende Kausalität).

Ferner setzen Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 1 BGB und § 280 Abs. 1 BGB ein Verschulden des Schädigers voraus, also Vorsatz oder Fahrlässigkeit im Sinne von § 276 BGB (vgl. Palandt/Sprau, § 823 BGB Rn. 40). Dazu fehlt es an substantiiertem Vortrag.

7.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf die von der Beklagten im Juli 2017 einbehaltenen 1.248,22 EUR netto. Die Klägerin hat einen vertraglichen Anspruch auf das ihr zustehende Entgelt für diesen Monat. Der Abzug war unberechtigt, da die Pfändungsfreigrenzen nicht beachtet worden sind. Eine Aufrechnung der Beklagten war insoweit nicht möglich (§ 394 S. 1 BGB).

8.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die geltend gemachte Verzugspauschale gemäß § 288 Abs. 5 S. 1 BGB.

Die sogenannte Verzugspauschale im Sinne des § 288 Abs. 5 S. 1 BGB fällt im Arbeitsrecht nicht an (BAG, 25.09.2018 – 8 ARZ 26/18; LAG L., 04.10.2017 – 5 Sa 229/17 -, juris). Der Anwendung von § 288 Abs. 5 BGB auf arbeitsrechtliche Forderungen steht § 12a ArbGG entgegen. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG schließen „jeden denkbaren Schadensersatzanspruch aus“. Die Vorschrift schränkt nicht nur den prozessualen Kostenerstattungsanspruch ein, sondern entfaltet zugleich materiell-rechtliche Wirkung.

III.

1.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien nach der Quote des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens (§ 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO).

2.

Der Zinsausspruch erfolgt aus den §§ 286, 288 BGB.

3.

Den gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzenden Streitwert hat die Kammer mit je einem Quartalsverdienst pro Kündigung sowie in den Zahlungsansprüchen nach Höhe ihrer Bezifferung bemessen.

 

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