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Abwesenheitsvertretung – vorübergehende höherwertige Tätigkeit – höhere Vergütung

LAG Berlin-Brandenburg – Az.: 21 Sa 1537/18 – Urteil vom 24.10.2019

I.   Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 27. Juni 2018 – 4 Ca 4/18 -, soweit die Klage abgewiesen worden ist, teilweise     abgeändert:

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 9.568,38 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

auf 904,23 Euro seit dem 1. August 2014, auf jeweils 1.274,14 Euro seit dem 1. September 2014, 1. Oktober 2014, 1. November 2014, 1. Januar 2014 und 1. Februar 2015, auf 1.656,38 Euro seit dem 1. Dezember 2014 und auf 637,07 Euro seit dem 1. März 2015 zu zahlen.

II.   Die Kosten der I. Instanz haben der Kläger zu 44,38 % und das beklagte Land zu 55,62 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger         zu 17,53 % und das beklagte Land zu 82,47 % zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten noch darüber, ob dem Kläger für die Vertretung der Abteilungsleiterin in der Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 15. Februar 2015 eine Zulage in Höhe der Differenz zwischen seiner Vergütung und der Vergütung der Abteilungsleiterin zusteht.

Der 1970 geborene Kläger stand vom 18. September 1991 bis zum 12. September 2005 in einem Beamtenverhältnis zu dem beklagten Land. Seit dem 12. September 2005 ist er bei dem Beklagten Land im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt.

Zunächst war der Kläger auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 12. September 2005 (Blatt 107 ff. der Akten) im Ministerium für W., F. und K. (MWFK) als Leiter des Haushaltsreferats tätig und wurde nach Vergütungsgruppe Ia des Tarifvertrags zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vergütet. Am 4. April 2008 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag (Blatt 110 ff. der Akten), nach dem der Kläger ab dem 11. April 2008 eine außertarifliche Vergütung in Höhe von 4.810,00 Euro brutto erhielt. Im Übrigen richtete sich das Arbeitsverhältnis nach den für das beklagte Land geltenden Tarifverträgen, insbesondere dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes der Länder (TV-L) mit Ausnahme der §§ 12 bis 17 TV-L.

Mit Wirkung ab dem 4. Januar 2010 wechselte der Kläger im Rahmen einer Abordnung und schließlich im Wege der Versetzung ins Ministerium für W. und E. (MWE), vormals Ministerium für W. und E., und leitete dort ebenfalls das der Zentralabteilung (Abteilung 1) zugeordnete Haushaltsreferat. Ab dem 23. Dezember 2010 übernahm er zusätzlich noch die kommissarische Leitung des Personalreferats und übte beide Funktionen bis zu seiner Entbindung von der Leitung des Haushaltsreferats und der dauerhaften Übertragung der Leitung des Personalreferats am 1. Dezember 2012 gleichzeitig aus. Ab dem 10. Februar 2014 übernahm er die Leitung des Referats Medien. Das Personalreferat wurde zum 1. März 2014 aus der Abteilung 1 ausgegliedert und zeitweilig als Stabsstelle Personal unmittelbar dem Minister unterstellt. Außerdem hatte der Kläger seit dem Beginn seiner Tätigkeit im MWE die Funktion des Abwesenheitsvertreters der Leiterin der Abteilung 1 inne. Bis zur Ausgliederung des Personalreferats bestand die Abteilung aus insgesamt sieben Referaten.

Nachdem die amtierende Abteilungsleiterin über längere Zeit ununterbrochen zunächst wegen Arbeitsunfähigkeit und später wegen eines schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbots abwesend war, übertrug der zuständige Staatssekretär dem Kläger mit Schreiben vom 15. Februar 2013 (Blatt 17 der Akten) für die Dauer der Abwesenheit der Abteilungsleiterin die Aufgaben der Leitung der Abteilung 1. Ferner heißt es in dem Schreiben:

„Dies umfasst insbesondere die Dienstvorgesetzteneigenschaft gemäß § 2 Absatz 2 Landesbeamtengesetz und die Beurteilerfunktion im Rahmen der geltenden Verfügung zur Festlegung der Zuständigkeiten im Rahmen der Ausgestaltung der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums des I. über die dienstliche Beurteilung der Beamten im Landesdienst (BeurtVV) vom 16. November 2010 im MWE.

Nicht davon erfasst sind strukturelle und andere grundsätzliche Entscheidungen für die Abteilung 1, die ich mir selbst vorbehalte.“

Am 1. Juli 2013 schlossen die Parteien einen weiteren Änderungsvertrag, wonach der Kläger ab dem 1. Juli 2013 außertariflich entsprechend der Besoldungsgruppe B 2 der Besoldungsordnung des beklagten Landes (BbgBesO) vergütet wurde, für seine regelmäßige durchschnittliche Arbeitszeit die beamtenrechtlichen Vorschriften galten und sich ansonsten das Arbeitsverhältnis nach dem TV-L mit Ausnahme der §§ 6 bis 10 und 12 bis 20 TV-L bestimmte. Wegen der Einzelheiten des Änderungsvertrages wird auf dessen Ablichtung (Blatt 18 f. der Akten) verwiesen.

Mit einem weiteren Änderungsvertrag vom 3. November 2014 vereinbarten die Parteien mit Wirkung ab dem 1. Juli 2014 eine außertarifliche Vergütung nach Entgeltgruppe AT 2 der AT-Entgelttabelle gemäß Rundschreiben des Ministeriums des Innern (MI) des beklagten Landes vom 12. Juni 2014. Dieser Änderungsvertrag enthält auszugsweise folgende Regelungen:

㤠2

(1) Für das Arbeitsverhältnis gelten

– der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) mit Ausnahme der §§ 12, 13 TV-L,

– der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) mit Ausnahme der §§ 8 bis 15 TVÜ-Länder und

– die Tarifverträge, die den TV-L und TVÜ-Länder ergänzen, abändern oder ersetzen in der für das Land-Brandenburg jeweils geltenden Fassung

§ 3

(1) Der Beschäftigte erhält ein außertarifliches Entgelt der Entgeltgruppe AT 2. Das Entgelt ist Tabellenentgelt im Sinne des TV-L. Die Beträge der landesspezifischen, außertariflichen Entgeltgruppen bestimmen sich nach der mit Rundschreiben des Ministeriums des Inneren des Landes Brandenburg vom 12. Juni 2014 erstmals bekannt gemachten AT-Entgelttabelle in der jeweils geltenden Fassung.

(3) Der Beschäftigte erhält eine Jahressonderzahlung, deren Höhe sich nach § 20 TV-L bestimmt. Der Prozentsatz der Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Jahressonderzahlung entspricht dem eines Beschäftigten der Entgeltgruppe 15.

(4) Der Arbeitgeber ist berechtigt, dem Beschäftigten gemäß § 4 TV-L eine andere Tätigkeit, die der Wertigkeit der Entgeltgruppe entspricht, zuzuweisen.“

Wegen des weiteren Inhalts des Änderungsvertrages wird auf dessen Ablichtung (Blatt 113 f. (folgende) der Akten) verwiesen. Wegen des Inhalts des Rundschreibens des MI vom 12. Juni 2014 nebst der AT-Entgelttabelle wird auf deren Ablichtungen (Blatt 123 f. der Akten) verwiesen.

Mit Wirkung ab dem 16. Februar 2015 verließ der Kläger die Abteilung 1 und wechselte innerhalb des MWE in eine andere Abteilung.

Die amtierende Leiterin der Abteilung 1 des MWE war ab dem 11. Dezember 2012 bis zum 8. Januar 2013 aufgrund Arbeitsunfähigkeit, ab dem 8. Januar 2013 bis zum 31. Oktober 2013 wegen eines schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbots und ab dem 1. November 2013 bis zum 10. März 2014 wegen Urlaubs und nicht genommener Ausgleichstage sowie nach einer Unterbrechung vom 11. März 2014 bis zum 29. Mai 2014 erneut ab dem 30. Mai 2014 bis zum 9. Juli 2014 aufgrund Arbeitsunfähigkeit und ab dem 10. Juli 2014 bis zum Wechsel des Klägers in eine andere Abteilung am 16. Februar 2015 durchgehend wegen eines schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbots abwesend. Wegen der Einzelheiten der Abwesenheitszeiten wird auf die von dem beklagten Land als Anlage BB1 eingereichte Aufstellung (Blatt 324 der Akten) verwiesen.

Der Kläger befand sich vom 28. Oktober 2013 bis zum 20. Dezember 2013 in Elternzeit. Auf seinen Antrag vom 25. Februar 2014 wurde ihm von Anfang März 2014 bis Ende März 2015 die Möglichkeit eingeräumt, bis zu 20 Stunden wöchentlich bzw. 4 Stunden täglich Wohnraumarbeit für das Referat Medien zu leisten. Unklar ist, in welchem Umfang der Kläger von dieser Möglichkeit Gebrauch machte. Wegen der sonstigen Abwesenheitszeiten des Klägers während der Abwesenheit der Abteilungsleiterin wird ebenfalls auf die vom beklagten Land als Anlage BB1 eingereichte Aufstellung (Blatt 324 der Akten) verwiesen.

Leiter*innen von Abteilungen der obersten Landesverwaltungen werden bei dem beklagten Land nach Besoldungsgruppe B 5 BbgBesO bzw. Entgeltgruppe AT 5 der AT-Entgelttabelle gemäß dem Rundschreiben des MI vom 12. Juni 2014 (im Folgenden: (AT-Entgelttabelle) vergütet.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2014 machte der Kläger gegenüber dem beklagten Land für die Wahrnehmung der Aufgaben der Abteilungsleitung während der Abwesenheit der amtierenden Abteilungsleiterin die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung in Höhe der Differenz zwischen seiner Vergütung und der Vergütung nach der Besoldungsgruppe B 5 BbgBesO bzw. der Entgeltgruppe AT 5 der AT-Entgelttabelle geltend. Mit Schreiben vom 18. März 2015 wies das beklagte Land den Anspruch zurück.

Mit der am 2. Januar 2017 beim Arbeitsgericht Potsdam eingegangenen Klage hat der Kläger das beklagte Land unter anderem auf Zahlung der Differenzvergütung für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 28. Februar 2015 in Anspruch genommen.

Der Kläger hat den Anspruch auf § 612 Absatz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) gestützt. Die längerfristige Vertretung der Ableitungsleiterin gehe über eine Abwesenheitsvertretung hinaus und sei von seiner arbeitsvertraglichen Vergütungsabrede nicht umfasst. Es könne von ihm nicht erwartet werden, dass er über einen Zeitraum von zwei Jahren mit nur einer Unterbrechung von wenigen Wochen die besonders hochwertigen, nach Besoldungsgruppe B 5 der BbgBesO bzw. Entgeltgruppe AT 5 der AT Entgelttabelle bewerteten Aufgaben der Abteilungsleiterin ohne eine zusätzliche Vergütung wahrnehme. Darauf, ob die Vertretungstätigkeit 50 % oder mehr seiner Gesamtarbeitszeit umfasst habe, komme es nicht an.

Der Kläger hat – unter Klagerücknahme im Übrigen – sinngemäß beantragt,

1. das beklagte Land zu verurteilen, die Beschäftigungszeiten des Klägers unter Anerkennung der Dienstzeiten als Beamter des Landes Brandenburg vom 18. September 1991 bis zum 12. September 2015 festzusetzen;

Hilfsweise festzustellen, dass diese Zeiten bei der Berechnung der Beschäftigungszeiten des Klägers einzubeziehen sind;

2. das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 11.814,75 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

auf 1.237,63 Euro seit dem 1. Juli 2014,

auf jeweils 1.274,14 Euro seit dem 1. August 2014, 1. September 2014, 1. Oktober 2014, 1. November 2014, 1. Januar 2015, 1. Februar 2015 und 1. März 2015 und

auf 1.656,66 Euro seit dem 1. Dezember 2014

zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat eingewandt, bei der Vertretung der Abteilungsleiterin durch den Kläger habe es sich um die dem Kläger als Daueraufgabe übertragene, in den obersten Landesbehörden übliche Abwesenheitsvertretung gehandelt. Jedenfalls aber sei die Vertretungstätigkeit mit der vereinbarten außertariflichen Vergütung abgegolten. Zur Abwesenheitsvertretung gehöre auch die Wahrnehmung der Dienstvorgesetzteneigenschaft nach § 2 Absatz 2 Landesbeamtengesetz (LBG). Lediglich die Aufgaben der Abteilungsleiterin im Rahmen ihrer Beurteilungsfunktion hätten nach den Ausführungsbestimmungen zur Verwaltungsvorschrift des MI über die dienstlichen Beurteilungen der Beamten im Landesdienst (BeurtVV) förmlich übertragen werden müssen. Außerdem seien dem Kläger die Aufgaben der Abteilungsleitung auch nicht vollumfänglich und mit voller Verantwortung übertragen worden. Weiter habe er die Abteilungsleitung nicht durchgehend vertreten, sondern zunächst nur bis zum 10. März 2014. Was während der erneuten Abwesenheit der Abteilungsleiterin ab dem 30. Mai 2014 habe gelten sollen, sei unklar, da die Aufgaben nicht erneut übertragen worden seien. Zudem habe er aufgrund der Ausgliederung des Personalreferats zum 1. März 2014 nicht alle der Leitung der Abteilung 1 üblicherweise obliegenden Aufgaben wahrgenommen. Schließlich sei der Kläger während der Vertretung der Abteilungsleiterin nicht von seinen Aufgaben als Referatsleiter entbunden gewesen. Daher sei davon auszugehen, dass die Vertretungstätigkeit weniger als die Hälfte seiner Arbeitszeit umfasst habe.

Mit Urteil vom 27. Juni 2018, auf dessen mit Beschluss vom 31. August 2018 berichtigten Tatbestand (Blatt 196 – 201 und 209a f. der Akten) wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht der Klage bezüglich des Anspruchs auf Anerkennung der Zeit im Beamtenverhältnis als Beschäftigungszeit (Hauptantrag zu 1.) stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung der teilweisen Klageabweisung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch auf Zahlung einer Zulage wegen Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 14 TV-L scheide aus, weil der Kläger nicht dargelegt habe, dass die Leitung der Abteilung der zeitlich überwiegende Arbeitsvorgang gewesen sei. Ein solcher Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 611a in Verbindung mit § 612 BGB. Der Kläger habe für die Wahrnehmung der stellvertretenden Abteilungsleitung keine höhere Vergütung erwarten können. Vielmehr sei, da ihm bei Abschluss der letzten beiden Änderungsverträge die Vertretung der Abteilungsleiterin bereits längere Zeit übertragen gewesen sei, davon auszugehen, dass die Tätigkeit mit der jeweils vereinbarten außertariflichen Vergütung abgegolten sei. Bei der vereinbarten außertariflichen Vergütung handele es sich unter Berücksichtigung der für das beklagte Land sonst geltenden Eingruppierungsregeln auch um eine für die Wahrnehmung der Vertretung angemessene Vergütung. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Blatt 202 – 207 der Akten) verwiesen.

Gegen dieses dem Kläger am 3. August 2018 zugestellte Urteil richtet sich die am 29. August 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung des Klägers, welche er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 5. November 2018 mit am 5. November 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Die Berufungsbegründung ist dem beklagten Land am 13. November 2018 zugestellt worden. Mit am 13. Dezember 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat das beklagte Land Anschlussberufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Kläger setzt sich – unter teilweiser Wiederholung und teilweiser Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens – mit dem angefochtenen Urteil auseinander und beruft sich insbesondere auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. März 2015

– 5 AZR 874/12. Die Änderungsverträge seien dahin zu verstehen, dass er Tätigkeiten der Wertigkeit der Besoldungsgruppe B 2 bzw. der Entgeltgruppe AT 2 schulde. Dafür, dass mit der jeweiligen Vergütungsabrede auch deutlich höherwertige Tätigkeiten der Besoldungsgruppe B 5 bzw. der Entgeltgruppe AT 5 abgegolten sein sollten, gebe es keinerlei Anhaltspunkte. Aufgrund der Dauer der Vertretung von etwa 22 Monaten habe es sich auch nicht um eine bloße Abwesenheitsvertretung, die ohne eine zusätzliche Vergütung erwartet werden könne, gehandelt. Vielmehr sei er ab der Übertragung der Aufgaben der Abteilungsleitung mit nur einer kurzen Unterbrechung deren ständiger Vertreter gewesen. Die objektive Vergütungserwartung ergebe sich aus der höheren Wertigkeit der Aufgaben der Abteilungsleitung. Das beklagte Land habe ihm sämtliche Aufgaben der Abteilungsleiterin übertragen. Der in dem Schreiben vom 15. Februar 2013 enthaltene Staatssekretärsvorbehalt stehe dem nicht entgegen. Auch die Abteilungsleiterin habe einem solchen Vorbehalt unterlegen, was unstreitig ist. Auf den zeitlichen Umfang der Vertretungstätigkeit komme es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht an. § 12 TV-L finde weder direkt noch analog Anwendung. Zudem handele es bei seiner Tätigkeit als Referatsleiter und als stellvertretender Abteilungsleiter auch nicht um zwei abgrenzbare Arbeitsvorgänge. Die Zeiträume vor und nach der erneuten Abwesenheit der Abteilungsleiterin stellten sich aus seiner Perspektive als einheitliche Abwesenheitszeiträume dar. Dies gelte auch für die den jeweiligen Beschäftigungsverboten vorangegangenen Arbeitsunfähigkeitszeiten, da aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs mit den jeweiligen Beschäftigungsverboten viel dafür spreche, dass auch die Arbeitsunfähigkeitszeiten mit den Schwangerschaften der Abteilungsleiterin im Zusammenhang gestanden hätten.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 27. Juni 2018 – 4 Ca 4/18 – abzuändern, soweit die Klage abgewiesen worden ist und das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 11.175,92 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

auf 1.237,63 Euro seit dem 1. Juli 2014,

auf jeweils 1.274,14 Euro seit dem 1. August 2014, 1. September 2014, 1. Oktober 2014, 1. November 2014, 1. Januar 2015 und 1. Februar 2015,

auf 1.656,66 Euro seit dem 1. Dezember 2014 und

auf 637,07 Euro seit dem 1. März 2015

zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen;

2. das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 27. Juni 2018 – 4 Ca 4/18 – teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Anschlussberufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass nur der Hilfsantrag zum Antrag zu 1. aufrechterhalten wird und wie folgt lautet: festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die Zeit des Klägers im Beamtenverhältnis vom 18. September 1991 bis einschließlich 12. September 2005 als Beschäftigungszeit im Sinne des § 34 Absatz 3 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) zu berücksichtigen.

Im Übrigen hat der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung am 9. Mai 2019 mit Zustimmung des beklagten Landes zurückgenommen. Hinsichtlich des Feststellungsantrages haben die Parteien den Rechtsstreit, nachdem das beklagte Land die Dauer des Beamtenverhältnisses des Klägers als Beschäftigungszeit anerkannt hatte, in der mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2019 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt,.

Das beklagte Land verteidigt – unter teilweiser Wiederholung und teilweiser Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens – das angefochtene Urteil. Das Arbeitsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Parteien aufgrund der Änderungsverträge vom 1. Juli 2013 und 3. November 2014 darüber einig gewesen seien, mit den vereinbarten Vergütungen sei die während der Vertretung der Abteilungsleiterin zu erbringende zusätzliche Arbeitsleistung angemessen abgegolten. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. März 2015 – 5 AZR 874/12. Eine Abwesenheitsvertretung sei mit einer Stellenvakanz, wie sie der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde gelegen habe, nicht vergleichbar. Bei den Abwesenheitszeiten der Abteilungsleiterin habe es sich um die durch eine Abwesenheitsvertretung abgedeckten üblichen Abwesenheiten gehandelt, wobei es allein auf die Zeit ab dem 30. Mai 2014 ankomme. In der Gesamtschau der Abwesenheitszeiten der Abteilungsleiterin werde deutlich, dass der Kläger die Abteilungsleiterin keineswegs durchgehend vertreten habe, sondern es verschiedene, jeweils einzeln zu betrachtende Vertretungssituationen von unterschiedlicher Dauer gegeben habe. Zudem sei der Kläger während der einzelnen Abwesenheitszeiten selbst über erhebliche, im Voraus geplante Zeiträume abwesend gewesen und habe daher von vornherein für eine Übernahme der höherwertigen Tätigkeiten nicht zur Verfügung gestanden. Außerdem könne eine höhere Vergütungserwartung allenfalls bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 TV-L gerechtfertigt sein. Anders als bei einer Stellenvakanz habe es sich bei der Vertretung der Abteilungsleitern jedoch weder um eine „andere“ Tätigkeit gehandelt, noch habe der Kläger substantiiert dargelegt, dass diese den zeitlichen Anforderungen an eine höherwertige Tätigkeit im Sinne des § 12 TV-L entsprochen habe.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien, wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 5. November 2018 (Blatt 256 – 270 der Akten), 25. April 2019 (Blatt 291 – 295 der Akten) und 4. Juli 2019 (Blatt 331 – 336 der Akten) und die Schriftsätze des beklagten Landes vom 13. Dezember 2018 (Blatt 274 – 283 der Akten) und 7. Juni 2019 (Blatt 319 – 323 der Akten) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg. Der Tenor der Entscheidung ist dahin zu verstehen, dass die Berufung im Übrigen zurückgewiesen worden ist.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Absatz 1 und 2 Buchstabe b ArbGG (Arbeitsgerichtsgesetz) statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne von § 66 Absatz 1 Satz 1, 2 und 5 ArbGG, §§ 519, 520 Absatz 1 und 3 ZPO (Zivilprozessordnung) eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist überwiegend auch begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet. Die Klage auf Zahlung einer Zulage ist zulässig und in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

1. Der Kläger kann von dem beklagten Land für die Zeit des Beschäftigungsverbots der Abteilungsleiterin ab 10. Juli 2014 bis zu seinem Ausscheiden aus der Abteilung mit Wirkung ab dem 16. Februar 2015 die Zahlung einer Zulage verlangen in Höhe der Differenz zwischen der ihm gezahlten Vergütung und der Vergütung der Entgeltgruppe AT 5 der AT-Entgelttabelle, die Abteilungsleitungen der obersten Landesverwaltungen des beklagten Landes, sofern sie sich nicht in einem Beamtenverhältnis befinden, üblicherweise erhalten. Der Anspruch ergibt sich aus § 612 Absatz 1 und 2 BGB in Verbindung mit den §§ 12, 14 TV-L und der AT-Entgelttabelle. Hingegen steht ihm für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit der Abteilungsleiterin vom 1. Juni 2014 bis 9. Juli 2014 keine zusätzliche Vergütung zu, da es sich in diesem Zeitraum um eine bloße Abwesenheitsvertretung handelte, die mit der zwischen den Parteien arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung abgedeckt ist.

a) Nach § 612 Absatz 1 gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

§ 612 Absatz 1 BGB bildet nicht nur in den Fällen, in denen überhaupt keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, sondern auch dann die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf eine Vergütung, wenn Beschäftigte auf Veranlassung des oder der Arbeitgeber*in quantitativ mehr arbeiten oder eine qualitativ höherwertige Tätigkeit ausüben als von der Vergütungsabrede umfasst (vergleiche BAG 21. Dezember 2016

– 5 AZR 362/16 – Rn. (Randnummer) 15; BAG 25. März 2015 – 5 AZR 874/12 – Rn. 24). Darauf, ob Beschäftigte rechtlich verpflichtet sind, quantitativ mehr zu arbeiten als von der Vergütungsabrede umfasst oder eine höherwertige als die arbeitsvertragliche vereinbarte Tätigkeit auszuüben, kommt es nicht an (BAG 25. März 2015

– 5 AZR 874/12 – Rn. 24). Maßgeblich ist allein, dass die Leistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.

Bei einer qualitativen Mehrleistung ist – ohne dass es weiterer Darlegungen der anspruchsstellenden Person bedarf – von einer objektiven Vergütungserwartung auszugehen, wenn im betreffenden Wirtschaftszweig oder der betreffenden Verwaltung Tarifverträge gelten, die für eine vorübergehend und/oder vertretungsweise ausgeübte höherwertige Tätigkeit eine zusätzliche Vergütung vorsehen (vergleiche BAG 25. März 2015 – 5 AZR 874/12 – Rn. 25). Außerdem müssen – auch wenn das Bundesarbeitsgericht dies nicht ausdrücklich erwähnt – die Voraussetzungen, an die die Tarifnorm die zusätzliche Vergütung knüpft, vorliegen.

b) Gemessen daran steht dem Kläger für die Vertretung der Abteilungsleiterin in der Zeit vom 10. Juli 2014 bis zum 15. Februar 2015 eine zusätzliche Vergütung zu, nicht hingegen für die Vertretung in der Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 9. Juli 2014.

aa) Die Vertretung der Abteilungsleiterin in der Zeit ab dem 10. Juli 2014 bis zum 15. Februar 2015 war weder von der Vergütungsabrede der Parteien vom 1. Juli 2013 noch von der rückwirkend ab dem 1. Juli 2014 getroffenen Vergütungsabrede vom 3. November 2014 umfasst.

(1) Nach dem zwischen den Parteien unter dem 12. September 2005 geschlossenen Arbeitsvertrag wechselte der Kläger von dem mit dem beklagten Land bestehenden Beamtenverhältnis in ein Arbeitsverhältnis „als vollbeschäftigter Angestellter“. Danach ist der Kläger – wie in den Formulararbeitsverträgen des öffentlichen Dienstes üblich – nicht für die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit eingestellt worden, sondern für einen allgemein umschriebenen Aufgabenbereich, der durch die Nennung der Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe konkretisiert wird (vergleiche dazu BAG 21. November 2002

– 6 AZR 82/01- unter II 2 der Gründe, AP (Arbeitsrechtliche Praxis) Nr. 63 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Daran hatte sich auch bis zuletzt nichts geändert. Vielmehr heißt es in § 1 des zuletzt geschlossenen Änderungsvertrages vom 3. November 2014, der Kläger werde „weiterhin als Vollbeschäftigter“ beschäftigt. Damit sind zwischen den Parteien arbeitsvertraglich alle Tätigkeiten vereinbart, die den Merkmalen bzw. der Wertigkeit der vereinbarten Vergütungs- bzw. Entgeltgruppe entsprechen (vergleiche BAG 21. März 2012 – 4 AZR 286/10 – Rn. 56 mwN. (mit weiteren Nachweisen).

(a) Die nur rahmenmäßig umschriebene und durch die jeweilige Vergütungsvereinbarung näher konkretisierte Tätigkeit hat das beklagte Land im Rahmen seines Weisungsrechts nach § 106 Absatz 1 Satz 1 GewO weiter dahin konkretisiert, dass es dem Kläger als Daueraufgabe verschiedene Referatsleitungen, darunter in der streitgegenständlichen Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 15. Februar 2015 die Leitung des Referats Medien zugewiesen hatte. Damit hat es zugleich deutlich gemacht, dass dies die Tätigkeit ist, die von ihrem Niveau her der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit entspricht und für die die vereinbarte Vergütung geschuldet ist.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts und des beklagten Landes gibt es keine Anhaltspunkte, dass mit den durch die Änderungsverträge vom 1. Juli 2013 und 3. November 2014 veränderten Vergütungsabreden höher bewertete Tätigkeiten wie die Tätigkeit einer Abteilungsleitung umfasst sein sollten. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Änderungsverträge im Hinblick auf die dem Kläger mit Schreiben vom 15. Februar 2013 für die Dauer der Abwesenheit der Abteilungsleiterin übertragenen Aufgaben der Leitung der Abteilung 1 abgeschlossen worden sind. Insoweit fehlt es schon am zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Abschluss der Änderungsverträge und der Übertragung der Aufgaben der Leitung des Abteilung 1.

(b) Etwas anders folgt auch nicht aus dem Umstand, dass dem Kläger seit seinem Wechsel ins MWE Anfang 2010 die Funktion des Abwesenheitsvertreters der Abteilungsleiterin übertragen worden war und mit der Wahrnehmung der Abwesenheitsvertretung üblicherweise keine gesonderte Vergütung verbunden ist. Denn mit der Abwesenheitsvertretung kann jedenfalls im Fall des Klägers nur die kurzfristige Vertretung während der üblichen Abwesenheitszeiten wie Urlaub, Krankheit, Dienstreisen und Ähnliches gemeint sein (vergleiche dazu BAG 25. März 2015 – 5 AZR 874/12 – Rn. 23), nicht hingegen eine längerfristige Vertretung während eines sich über viele Monate erstreckendes Beschäftigungsverbots. Das folgt zum einen daraus, dass die Tätigkeit der Abteilungsleiterin mit der des Klägers als Referatsleiter qualitativ nicht vergleichbar ist, sondern es sich um eine – noch dazu um drei Besoldungs- bzw. Entgeltgruppen – höher bewertete Tätigkeit handelt, und zum anderen daraus, dass die Abwesenheitsvertretung – anders als die auf Dauer angelegte „ständige Vertretung“ (dazu BAG 16. April 2015 – 6 AZR 242/14 – Rn. 21) – bei der Eingruppierung regelmäßig keine Berücksichtigung findet.

Dabei ist auch zu beachten, dass eine kurzfristige Abwesenheitsvertretung in aller Regel nicht sämtliche Aufgaben der zu vertretenen Person umfasst, sondern sich auf die besonders eiligen oder unaufschiebbaren bzw. schnell zu erledigenden einfachen Angelegenheiten beschränkt, während bei längerfristigen Abwesenheitszeiten regelmäßig sämtliche Aufgaben vertreten werden müssen. Wird aber eine – wie hier – deutlich höher bewertete Tätigkeit nicht nur kurzfristig, sondern in erheblichem Umfang über einen längeren Zeitraum ausgeübt, ist diese nicht mehr von der Vergütung für eine geringer bewertete Tätigkeit umfasst. Dafür dass im öffentlichen Dienst von der im Arbeitsvertrag getroffenen Vergütungsabrede nur kurzfristig wahrzunehmende höherwertige Tätigkeiten umfasst sind, spricht die Regelung des § 14 Absatz 1 TVL, wonach eine vorrübergehend übertragene höherwertige Tätigkeit vom ersten Tag an gesondert zu vergüten ist, wenn die Übertragung mindestens einen Monat andauert.

(c) Danach ist zwar noch die Vertretung der Abteilungsleiterin in der Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 9. Juli 2014 mit der zwischen den Parteien arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung abgegolten, nicht jedoch die Vertretung in der Zeit vom 10. Juli 2014 bis zum 15. Februar 2015.

Nach der von dem beklagten Land als Anlage BB1 eingereichten Übersicht über die Abwesenheitszeiten der Abteilungsleiterin, war diese in der Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 9. Juli 2014 arbeitsunfähig krank, zunächst bis zum 20. Juni 2014, dann bis zum 27. Juni 2014 und schließlich bis zum 9. Juli 2014. Es handelte sich damit jeweils um kurzfristige Abwesenheitszeiten. Dass sich an die Arbeitsunfähigkeit dann ein über viele Monate andauerndes Beschäftigungsverbot anschloss, spielt dabei ebenso wenig eine Rolle wie, dass die Abteilungsleiterin auch schon davor längere Zeit abwesend war. Vor den genannten Arbeitsunfähigkeitszeiten war die Abteilungsleiterin mehr als zweieinhalb Monate tatsächlich im Dienst, so dass allein aufgrund der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht absehbar war, dass sie erneut über längere Zeit ausfallen würde. Es kann auch nicht einfach unterstellt werden, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten mit dem anschließenden Beschäftigungsverbot im Zusammenhang stehen. Auch wenn ein Beschäftigungsverbot häufig erst nach einer längeren Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen wird, bedeutet das nicht, dass das auch im Fall der Abteilungsleiterin so gewesen sein muss. Vielmehr können die Arbeitsunfähigkeitszeiten ohne weiteres auch auf anderen Ursachen beruhen.

Anders stellt sich die Situation ab dem 10. Juli 2014 dar. Ab diesem Zeitpunkt unterlag die Abteilungsleiterin erneut einem Beschäftigungsverbot, welches absehbar bis zum 7. Januar 2015 andauerte. Daran schloss sich dann ab dem 8. Januar 2015 jedenfalls bis zum Wechsel des Klägers in eine andere Abteilung nahtlos ein weiteres gesetzliches Beschäftigungsverbot an.

Dass der Kläger in der Zeit ab dem 10. Juli 2014 bis zu seinem Ausscheiden aus der Abteilung selbst aus unterschiedlichen Gründen immer mal wieder selbst abwesend war, ändert, da es sich jeweils nur um kurze Zeiträume und insgesamt nur wenige Tage handelte, nichts daran, dass er die Abteilungsleiterin in dieser Zeit längerfristig und nicht nur kurzfristig vertreten hat.

bb) Es bestand für die Zeit ab dem 10. Juli 2014 auch eine objektive Erwartung auf eine höhere Vergütung.

(1) Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmte sich ursprünglich nach dem BAT-O und später nach dem TV-L. Selbst nachdem die Parteien sich auf eine außertarifliche Vergütung verständigt hatten, bestimmte sich das Arbeitsverhältnis im Übrigen weiter nach dem TV-L. Zuletzt hatten sie sogar ausdrücklich nur noch die §§ 12, 13 TV-L ausgenommen.

Nach § 14 Absatz 1 TV-L erhalten Beschäftigte, denen vorübergehend eine andere Tätigkeit übertragen wird, die den Tätigkeitsmerkmalen einer höheren Entgeltgruppe entspricht, und diese Tätigkeit mindestens einen Monat ausüben, für die Dauer der Ausübung eine persönliche Zulage rückwirkend ab dem ersten Tag der Übertragung der Tätigkeit. Nach § 14 Absatz 3 Satz 1 TV-L bemisst sich die Zulage grundsätzlich aus dem Unterschiedsbetrag zu dem Betrag, der sich für die Beschäftigten bei dauerhafter Übertragung der höherwertigen Tätigkeit ergeben hätte. Dazu haben die Tarifvertragsparteien in der Niederschriftserklärung zu § 14 Absatz 1 TV-L unter b) klargestellt, dass die vertretungsweise Übertragung der höherwertigen Tätigkeit ein Unterfall der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit ist.

Zwar findet § 14 TV-L vorliegend keine Anwendung, weil die Parteien die Anwendung der §§ 12, 13 TV-L, auf denen § 14 TV-L aufbaut, im ab dem 1. Juli 2014 geltenden Änderungsvertrag vom 3. November 2014 ausdrücklich ausgenommen haben (dazu BAG 11. Juli 2012 – 10 AZR 203/11 – Rn. 11 ff. (fortfolgende). Jedoch macht die Bezugnahme auf § 14 TV-L im Änderungsvertrag vom 3. November 2014 deutlich, dass bei Vorliegen von dessen Voraussetzungen eine objektive Vergütungserwartung auf eine Zulage für die langfristige Vertretung der Abteilungsleiterin bestand.

(2) Die Voraussetzungen des § 14 Absatz 1 TV-L lagen in der Person des Klägers vor.

(a) Dem Kläger war während der längerfristigen Abwesenheit der Abteilungsleiterin ab dem 10. Juli 2014 deren Tätigkeit und damit eine andere als die von ihm im Rahmen seiner Vergütungsabrede geschuldete Tätigkeit übertragen. Dem steht nicht entgegen, dass dem Kläger, nachdem die Abteilungsleiterin vom 11. März 2014 bis zum 29. Mai 2014 im Dienst anwesend war, die Aufgaben der Leitung der Abteilung 1 nicht erneut übertragen worden sind. Denn zum einen hatte er weiterhin die Funktion des Abwesenheitsvertreters inne. Zum anderen lässt sich dem Schreiben vom 15. Februar 2013 auch nicht entnehmen, dass die Übertragung auf die damals aktuelle Abwesenheit der Abteilungsleiterin beschränkt sein sollte und im Fall einer erneuten längerfristigen Abwesenheit jemand anderes die Vertretung übernehmen sollte.

(b) Es handelt sich auch um eine höherwertige Tätigkeit im Sinne der Tarifnorm.

(aa) Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger die Aufgaben der Abteilungsleitung zusätzlich zu seiner Funktion als Referatsleiter wahrnehmen musste und sich dementsprechend nicht ausschließlich der Leitung der Abteilung widmen konnte. Es kommt auch nicht darauf an, welcher Anteil an seiner Arbeitszeit auf die Vertretung der Abteilungsleiterin entfiel und welcher auf seine Tätigkeit als Leiter des Referats Medien. Denn entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts und des beklagten Landes handelt es sich bei der Leitung der Abteilung und der gleichzeitigen Leitung des zu der Abteilung gehörenden Referats nicht um unterschiedliche Arbeitsvorgänge, sondern um einen einzigen einheitlich zu bewertenden Arbeitsvorgang.

Nach der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 12 Absatz 1 TV-L sind Arbeitsvorgänge Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die bezogen auf den Aufgabenkreis der jeweiligen Beschäftigten zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Danach bilden die Leitung des Referats und die gleichzeitige Leitung der Abteilung einen einheitlichen großen Arbeitsvorgang.

Die Aufgaben, die der Kläger als Vertreter der Abteilungsleiterin wahrzunehmen hatte, lassen sich von seiner Tätigkeit als Referatsleiter nicht trennen. Beide Tätigkeiten dienen einem einheitlichen Ziel, nämlich der erfolgreichen Führung und Verwaltung des MWE. Wenn der Kläger seiner Führungs- und Leitungsfunktion als Leiter des Referats Medien nachkam, nahm er zugleich die Führungs- und Leitungsfunktion des stellvertretenden Leiters der gesamten Abteilung wahr. Die Leitungs- und Führungsfunktion als Referats- und stellvertretender Abteilungsleiter als solche lässt sich ebenfalls nicht weiter aufspalten. Vielmehr dienen die Einzelaufgaben dem gemeinsamen Arbeitsergebnis der Leitungstätigkeit (vergleiche Schaub/Treber, ArbR-HdB (Arbeitsrechtshandbuch) 18. Auflage § 64 Rn. 46). Eine koordinierende Leitungstätigkeit kann nicht in einzelne, auf den jeweiligen Bereich bezogene Arbeitsvorgänge aufgespalten werden, weshalb nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Leitungstätigkeiten regelmäßig als ein einheitlicher großer Arbeitsvorgang anzusehen sind (vergleiche BAG 4. Juli 2012 – 4 AZR 673/10 Rn. 21 mwN.; Eylert, ZfA (Zeitschrift für Arbeitsrecht) 2019, 320, 338).

Dies gilt auch, soweit der Kläger als Referatsleiter oder stellvertretender Abteilungsleiter fachbezogene Aufgaben wahrgenommen hat. Denn auch diese lassen sich von der Leitungs- und Führungsfunkton des Klägers als Referatsleiter und stellvertretender Abteilungsleiter nicht trennen. Vielmehr hat der Kläger diese auch dann ausgeübt, wenn er inhaltlich an von ihm selbst übernommenen Aufgaben arbeitete (vergleiche BAG 19. Februar 2003 – 4 AZR 265/02 – unter II 4 der Gründe, ZTR 2003, 508). Es handelt sich um Zusammenhangstätigkeiten, die in einem inneren Zusammenhang mit der Leitungstätigkeit stehen und ihr deshalb zuzurechnen sind (vergleiche BAG 19. Februar 2003 – 4 AZR 265/02 – unter II 4 der Gründe, ZTR (Zeitschrift für Tarifrecht) 2003, 508; Eylert, ZfA 2019, 320, 338).

(bb) Es spielt auch keine Rolle, dass das Personalreferat während der Vertretungszeit nicht der Abteilung 1 zugeordnet, sondern als Stabsstelle unmittelbar dem Minister unterstellt war. Die vergütungsmäßige Bewertung der Abteilungsleitung einer obersten Landesverwaltung macht sich nicht daran fest, dass dieser das Personalreferat unterstellt ist. Denn andernfalls dürfte nur die Leitung der jeweiligen Zentralabteilung nach Besoldungsgruppe B 5 BbgBesO bzw. AT 5 der AT-Entgelttabelle vergütet werden, was aber offensichtlich nicht der Fall ist.

(cc) Schließlich kommt es auch nicht darauf an, dass sich der Staatssekretär in dem Schreiben vom 15. Februar 2013 strukturelle und andere grundsätzliche Entscheidungen selbst vorbehalten hat. Zum einen unterlag nach dem Vorbringen des Klägers, dem das beklagte Land nicht entgegengetreten ist, auch die zu vertretende Abteilungsleiterin einem solchen Vorbehalt. Zum anderen ändert der Vorbehalt nichts an den Aufgaben, die der Kläger während der längerfristigen Vertretung der Abteilungsleiterin wahrzunehmen hatte.

c) Die Höhe der zusätzlichen Vergütung bemisst sich nach § 612 Absatz 2 BGB. „Übliche Vergütung“ im Sinne der Norm ist bei einer vorübergehenden höherwertigen Vertretungstätigkeit die Vergütung, die die vertretene Person üblicherweise bei dem oder der in Anspruch genommenen Arbeitgeber*in erhält (vergleiche BAG 25. März 2015 – 5 AZR 874/12 – Rn. 28). Das ist vorliegend die Vergütung nach der Entgeltgruppe AT 5 der AT-Entgelttabelle. Denn Leiter*innen von Abteilungen der obersten Landesverwaltungen – so auch die vom Kläger vertretene amtierende Leiterin der Abteilung 1 des MWE – werden bei dem beklagten Land, je nachdem ob sie in einem Beamtenverhältnis oder einem Arbeitsverhältnis stehen, nach Besoldungsgruppe B 5 BbgBesO oder Entgeltgruppe AT 5 der AT-Entgelttabelle vergütet.

d) Der Höhe nach beläuft sich der Anspruch auf die zusätzliche Vergütung für den Monat Juli 2014 auf 904,23 Euro brutto (22/31 der Differenz zwischen der Vergütung der Entgeltgruppe AT 5 und der Vergütung der Entgeltgruppe AT 2 nach der AT-Entgelttabelle in Höhe von 1,274,14 Euro [7.934,69 Euro – 6.660,55 Euro]), für die Monate August bis Oktober 2014 auf jeweils 1.274,14 Euro brutto, für den Monat November 2014 auf 1.656,38 Euro brutto (1.274,14 Euro zuzüglich der Differenz zwischen der Jahressonderzahlung in der Entgeltgruppe AT 5 und der Jahressonderzahlung in der Entgeltgruppe AT 2 in Höhe von 381,24 Euro brutto [2.380,41 Euro – 1.998,17 Euro]), für die Monate Dezember 2014 und Januar 2015 auf jeweils 1.274,14 Euro brutto und für den Monat Februar 2015 auf 637,07 Euro brutto (50 % von 1.274,14 Euro). Ausgehend von der Regelung in § 3 Absatz 3 des Änderungsvertrages vom 3. November 2014 über die Ausrichtung der Vergütung an der AT-Entgelttabelle belief sich die Jahressonderzahlung der nach der

AT-Entgelttabelle vergüteten Beschäftigten auf 30 % der durchschnittlichen Vergütung in den Monaten Juli bis September 2014 und war mit der Vergütung für den Monat November zu zahlen.

2. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Absatz 1 und 2 Nr. 2, § 288 Absatz 1 BGB und § 247 BGB. Nach dem arbeitsvertraglich in Bezug genommenen § 24 Absatz 1 Satz 2 und 3 TV-L wird die Vergütung des Klägers am letzten allgemeinen Arbeitstag des laufenden Kalendermonats fällig (BeckOK (Beck‘scher Online-Kommentar)/Hahn, Stand: 01.12.2017 § 24 Rn. 4), so dass sich das beklagte Land gegenüber dem Kläger spätestens ab dem 1. des jeweiligen Folgemonats im Verzug befand.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91a Absatz 1 Satz 1, § 92 Absatz 1 Satz 1, § 269 Absatz 3 Satz 2 ZPO. Danach haben die Parteien die Kosten des Rechtsstreits im Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens zu tragen mit Ausnahme der Kosten, die auf die teilweise Klagerücknahme und die teilweise Erledigung entfallen. Die auf die teilweise Klagerücknahme entfallenden Kosten hat der Kläger zu tragen. Die auf die Teilerledigung entfallenen Kosten hat das beklagte Land zu tragen, da es den geltend gemachten Anspruch auf Berücksichtigung der Zeit im Beamtenverhältnis als Beschäftigungszeit anerkannt hat.

IV. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 72 Absatz 2 ArbGG liegen nicht vor.

 

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