1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 16.05.2024 zum Aktenzeichen 3 Ca 1253/23 wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 16.05.2024 zum Aktenzeichen 3 Ca 1253/23 in Ziffer 2 und 3 abgeändert. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 76.283,42 € brutto gemäß §§ 9, 10 KSchG zum 31.05.2024 aufgelöst.
3. Die Beklagte trägt die Kosten der ersten und der zweiten Instanz.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Die im März 1963 geborene Klägerin schloss mit der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin einen schriftlichen Anstellungsvertrag, nach welchem sie ab dem 01.11.1998 als Pflegedienstleiterin tätig war. Während die Klägerin von einer Beschäftigungszeit bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger ab September 1979 ausgeht, nimmt die Beklagte eine Beschäftigungszeit ab August 1992 an. Die klägerische Vergütung belief sich seit dem 01.01.2012 zuletzt auf einen Betrag in Höhe von 4.600,00 € monatlich, eine Jahressonderzahlung in Höhe eines weiteren Bruttomonatsgehalts, eine Zahlung in die betriebliche Altersversorgung in Höhe von monatlich 115,00 €, eine Zahlung in eine Unfallversicherung in Höhe von monatlich 98,28 € und eine jährliche Zahlung in die Direktversicherung in Höhe von 1.210,23 €.
Im Betrieb der Beklagten sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt und es ist ein Betriebsrat gebildet.
Zu den klägerischen Aufgaben gehörte es, die Fortbildungen der Praxisanleiterinnen zu organisieren und zu überwachen. Diese müssen für ihre Qualifikation zur Berechtigung, Auszubildende anzuleiten, regelmäßig Fortbildungen absolvieren. Dazu wurden im Jahr 2022 als Praxisanleiterinnen tätige Pflegekräfte zu Online-Fortbildungsveranstaltungen des Anbieters „SingLiesel“ entsandt. Bei diesen Veranstaltungen handelte es sich um Live-Vorträge, die per Videokonferenz übertragen wurden, wobei sich das Empfangsgerät im Büro der Klägerin befand. Im Jahr 2022 meldete die Klägerin mehrfach eine Mitarbeiterin für die Teilnahme an einer Onlinequalifizierung des Veranstalters „SingLiesel“ an, ließ jedoch mehrere Mitarbeiterinnen an dieser Veranstaltung teilhaben. Während die angemeldete Mitarbeiterin von „SingLiesel“ ein Teilnahmezertifikat erhielt, fertigte die Klägerin für die nicht angemeldeten Teilnehmerinnen ein Zertifikat, indem sie von einem Originalzertifikat eine Kopie ohne den Namen einer Teilnehmerin fertigte, sodann den Namen einer nicht angemeldeten Teilnehmerin handschriftlich eintrug und in die unterste Zeile den handschriftlichen Zusatz „Onlineseminar“, einen Stempel der Beklagten sowie ihre eigene Unterschrift setzte. Die Klägerin ließ auch zwei Mitarbeiterinnen einer Schwester-GmbH der Beklagten an einem von „SingLiesel“ veranstalteten Online-Seminar ohne Anmeldung teilnehmen, erstellte für diese Teilnahmezertifikate auf die zuvor geschilderte Weise und händigte diese an die Mitarbeiterinnen aus. Wegen der für angemeldete Teilnehmerinnen erstellten Zertifikate wird auf das Anlagenkonvolut B 2, wegen der durch die Klägerin hergestellten namenlosen Kopien auf das Anlagenkonvolut B 3, wegen der von der Klägerin mit Namen nicht angemeldeter Teilnehmer sowie Stempel der Beklagten und ihrer Unterschrift versehenen Zertifikate wird auf das Anlagenkonvolut B 4 verwiesen.
Anfang Dezember 2022 teilte der Geschäftsführer der Beklagten der Klägerin die Absicht mit, sie von den Aufgaben als Pflegedienstleiterin zu entbinden, sie nur noch stellvertretend in der Pflegedienstleitung und – wie bereits zuvor – mit pflegerischen Tätigkeiten in der Wundversorgung tätig werden lassen. Die Klägerin war wegen der gleichbleibenden Vergütung damit einverstanden, allerdings konnten die Parteien in den am 7. und 12. Dezember 2022 geführten Gesprächen über den Zeitpunkt dieser Änderung keine Einigkeit erzielen. Die Beklagte wollte die Änderung sofort herbeiführen, die Klägerin ab dem 01.04.2023.
Am 29.12.2022 rief der Geschäftsführer der Beklagten die Klägerin in sein Büro und warf ihr im Beisein der Chefärztin der Klinik wegen ihres Verhaltes zur Durchführung der Onlineseminare vor, die Beklagte betrogen und Urkundenfälschung begangen zu haben. Die Klägerin äußerte, sie habe allenfalls den Bildungsträger geschädigt. Der Geschäftsführer der Beklagten stellte die Klägerin noch am 29.12.2022 mit sofortiger Wirkung von ihrer Arbeitsleistung frei, forderte die Herausgabe aller Schlüssel, Zutrittskarten und sonstigen Schließmedien von ihr. Die Klägerin kam dieser Forderung nach. Allerdings verblieb ein nach ihrer Aussage bei ihr zuhause befindlicher, defekter, personengebundener Chip für das elektronische Schließsystem bei ihr. Diesen sollte die Klägerin zum nächstmöglichen Zeitpunkt an den technischen Leiter herausgeben. Von der ihr eingeräumten Möglichkeit, bis zum 02.01.2023 zu den ihr gegenüber erhobenen Vorwürfen schriftlich Stellung zu nehmen, machte die Klägerin keinen Gebrauch.
Die Beklagte informierte den Betriebsrat mit Schreiben vom 03.01.2023 über ihre Absicht, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich, hilfsweise ordentlich zu kündigen und teilte dazu u.a. mit, dass wegen der „Manipulation der Teilnahmezertifikate bzw. Fälschung“ keine der Praxisanleiterinnen über die erforderlichen Weiterbildungsstunden verfüge. Der Schaden für das Unternehmen sei noch nicht absehbar und: „Eine Urkundenfälschung ist nicht nur für den strafbar, der sie begeht. Auch derjenige, welcher eine gefälschte Urkunde benutzt (ob wissentlich oder unwissentlich) macht sich strafbar. Für den Arbeitgeber ist das Vertrauensverhältnis damit zerstört und eine Fortführung der Beschäftigung undenkbar.“
Am 05.01.2023 stellte die Beklagte fest, dass der bei der Klägerin verbliebene Chip am 28.12.2022 um 20:57 Uhr eingesetzt worden war, am 29.12.2022 um 19:12 Uhr für den Zugang zum Sekretariat der Chefärztin und zum klägerischen Büro sowie um 19:30 Uhr nochmal für das Sekretariat der Chefärztin. Für die Zeit von 19:18 Uhr – 19:28 Uhr wurde eine Nutzung des klägerischen PC´s festgestellt. Mit Schreiben vom 09.01.2023 informierte die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte weitere außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung u.a. mit dem Inhalt: „Für den Arbeitgeber ist das Vertrauensverhältnis damit massiv und unwiederbringlich zerstört, eine Fortführung der Beschäftigung ist unzumutbar.“
Mit Schreiben vom 24.01.2023 hörte die Beklagte ihren Betriebsrat zu einer weiteren Kündigung an, und führte u.a. aus, die Klägerin hätte „zur Rechtfertigung des Betruges und der Urkundenfälschung“ von ihrer Rechtsanwältin behaupten lassen, dass sie die Taten „angeblich im Einvernehmen mit Frau Dr. K. begangen hätte“ und sie „der Mittäterschaft“ bezichtigt. Darüber hinaus verwandte die Beklagte in der Betriebsratsanhörung Begrifflichkeiten wie „gefälschte Weiterbildungszertifikate“, „hat betrogen“, „bewusst wahrheitswidrig“, „zu verstricken versucht“, „in Augenschein genommen“, „bewusst falsche Abrechnungen“, „Beweismittel beiseite zu schaffen“, „datenschutzrechtlich hoch problematisch“, „Steuerhinterziehung“. Die Betriebsratsanhörung schließt mit der Feststellung, dass die Klägerin „offenbar nicht gewillt ist, sich rechtskonform zu verhalten.“
Weiterhin wurde mitgeteilt, dass am 29.12.2022 der Abrechnungsordner für die geringfügig Beschäftigten, der bis dahin stets im Büro der Klägerin gestanden habe, unauffindbar gewesen sei. Erst am 14.01.2023 sei er zufällig im Archiv gefunden worden. Der Betriebsrat erteilte die von ihm erbetenen Zustimmungen und die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 11.01.2023 und 27.01.2023 jeweils außerordentlich, hilfsweise ordentlich.
Mit ihrer am 01.02.2023 beim Arbeitsgericht erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen diese Kündigungen gewandt und die Auffassung vertreten, diese seien mangels wichtigen Grundes und mangels ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrates rechtswidrig bzw. sozial ungerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28.07.2023 zum Aktenzeichen 3 Ca 112/23 für Recht erkannt, dass sowohl die Kündigung vom 11.01.2023 wie auch die Kündigung vom 27.01.2023 unwirksam sind und das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst haben. Zur Begründung hat es ausgeführt, das klägerische Verhalten, Mitarbeiterinnen, die nicht für Online-Seminare von Drittanbietern angemeldet waren, die Möglichkeit zu eröffnen, an diesen Online-Seminaren teilzunehmen, möge nicht dem Gebaren eines ehrlichen Geschäftsmanns im Umgang mit dem Seminaranbieter entsprechen. Die weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien werde dadurch jedoch nicht unzumutbar. Der Ruf der Beklagten könnte z.B. problemlos dadurch gerettet werden, dass die Beklagte die unangemeldeten Teilnehmer nachmelde und die entsprechenden Kursgebühren abführe. Bedenklich stimme die Auffassung der Klägerin, dass die Anfertigung von Teilnahmebescheinigungen rechtlich unbedenklich sei. Auf diesen Teilnahmebescheinigungen bescheinige die Verlagsleitung von „SingLiesel“ einem Mitarbeiter der Beklagten die Teilnahme an einer Fortbildung. Werde der Name der angemeldeten Teilnehmerin durch den Namen einer anderen nicht angemeldeten Teilnehmerin ersetzt, entstehe der Eindruck, die unterzeichnende Verlagsleiterin des „SingLiesel“-Vertrages bestätige der nicht angemeldeten Teilnehmerin die Teilnahme an dieser Fortbildung. Daran ändere sich nichts, wenn die Klägerin auf dem unteren Rand der Urkunde das Wort Online-Seminar vermerke und dies mit Stempel der Beklagten und ihrer Unterschrift versehe. Diese Urkunden seien für den Rechtsverkehr erstellt. Sie dienten dazu, die Teilnahme der Praxisanleiterin am Lehrgang zu dokumentieren. In Anbetracht der extrem langen unbelasteten Betriebszugehörigkeit der Klägerin, des Umstandes, dass bislang kein Schaden entstanden sei, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles sowie der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile sei das klägerische Fehlverhalten jedoch nicht geeignet, eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist als unzumutbar erschienen zu lassen. Gleiches gelte für das Betreten der Räume durch die Klägerin am 29.01.2023. Hierzu trage selbst die Beklagte nicht vor, dass der Klägerin ein Hausverbot erteilt worden sei. Ein Verstecken von Unterlagen durch die Klägerin sei streitig, ein Nachweis nicht möglich.
Der in der zweiten Kündigung erhobene Vorwurf, bei geringfügig Beschäftigten ein System installiert zu haben, nach dem tatsächlich eine unstete Beschäftigung erfolge, jedoch eine stets gleiche Vergütung entrichtet werde und ein Ausgleich unter den geringfügig Beschäftigten durch Barzahlungen vom Arbeitgeber organisiert werde, könne nur teilweise belegt werden. Ein Nachweis für Ausgleichszahlung unter den geringfügig Beschäftigten bestehe nicht und auch die exakten Abläufe blieben im Dunkeln. Es seien keine der Klägerin eindeutig zurechenbaren strafrechtlich relevanten Handlungen erkennbar. Im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz habe vorliegend als mildere Maßnahme eine Änderungskündigung ausgesprochen werden müssen. Insbesondere da die Parteien bereits über eine Entziehung der Aufgaben der Pflegedienstleitung gesprochen hatten und die Klägerin mit einem dementsprechenden Angebot einverstanden gewesen sei, habe, um eine Wiederholung der vorgeworfenen, mit den Aufgaben der Pflegedienstleitung in Verbindung stehenden Pflichtverletzungen zu verhindern, der Entzug der Aufgaben der Pflegedienstleitung ausgereicht. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist rechtskräftig geworden.
Mit Schreiben vom 10.10.2023 (Anlage B 6) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer erneuten ordentlichen Kündigung sowie zur Einstellung der Klägerin zu geänderten Arbeitsbedingungen an und teilte u.a. mit, dass sich das Arbeitsgericht in seinem Urteil über das Prozessverhalten der Klägerin erschreckt gezeigt habe. Dieses Prozessverhalten habe das Gericht bei der Beurteilung der im Streit stehenden Kündigungen nicht mitberücksichtigen können. Aufgrund des Prozessverhaltens der Klägerin sehe sie sich veranlasst, das Arbeitsverhältnis erneut zu kündigen. Die Klägerin habe sich zum einen vollständig uneinsichtig gezeigt und zum anderen insbesondere gegenüber dem Gericht bewusst wahrheitswidrige Angaben getätigt, um sich so einen prozessualen Vorteil zu verschaffen. Dieses erneute und schwerwiegende Fehlverhalten der Klägerin würde an sich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Da jedoch die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB wegen Abwartens des begründeten Urteils verstrichen sei, komme lediglich eine ordentliche Kündigung in Betracht. Aufgrund ihres Prozessverhaltens (Urkundenfälschung, Uneinsichtigkeit, falsche Angaben) sei es ausgeschlossen, die Klägerin weiter als Pflegedienstleiterin oder sonst als Mitarbeiterin mit Führungs- oder Leitungsaufgaben zu beschäftigen. Unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erscheine es gerade noch vertretbar, sie nach Ablauf der Kündigungsfrist als Pflegefachkraft weiter zu beschäftigen. Wortwörtlich heißt es u.a.: „Die Kündigung vom 11.01.2023 hatten wir darauf gestützt, dass Frau D. Teilnahmezertifikate für Praxisanleiterinnen gefälscht hatte. Die Fälschungen haben sich insgesamt für uns wie folgt dargestellt:
….“
In dem gerichtlichen Verfahren habe die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 15.05.2023 erklärt, dass sie die gefälschten Zertifikate angeblich allein zum Zwecke der internen Dokumentation ohne Täuschungsabsicht angefertigt habe. Im Verhandlungstermin am 06.06.2023 habe die Klägerin auf Nachfrage des Gerichts, was sie denn veranlasst habe, die falschen Zertifikate herzustellen, keine Erklärung abgegeben. Ihre Prozessbevollmächtigte habe in Anwesenheit der Klägerin dann nochmals für die Klägerin erklärt, dass angeblich definitiv keine Absicht bestanden habe, die hergestellten Urkunden nach außen zu verwenden, sondern die Klägerin habe diese nur für sich und nur zur internen Dokumentation hergestellt. Die Klägerin habe somit durch ihre Prozessbevollmächtigte bewusst wahrheitswidrige Erklärungen abgeben lassen. Wenn es hier nur darum gegangen wäre, die unzulässig mithörenden Teilnehmer an den Fortbildungen zu erfassen, dann hätte es vollständig genügt, sich bloß eine entsprechende Liste oder Tabelle anzufertigen. Es habe jedoch überhaupt kein Anlass bestanden, durchaus mühevoll, mit erheblichem Aufwand und auch mit krimineller Energie, die Zertifikate entsprechend dem Anlagenkonvolut 6 zu fälschen. Die Dreistigkeit mit der die Klägerin insofern falsch habe vortragen lassen, sei für sie durchaus erschreckend, wie denn auch die Uneinsichtigkeit der Klägerin für das Arbeitsgericht erschreckend gewesen sei.
Dass die Klägerin insoweit bewusst wahrheitswidrig vorgetragen habe, ergebe sich insbesondere auch daraus, dass sie gegenüber der Leiterin der Finanzbuchhaltung, Frau Diana Henke, anlässlich einer Rückfrage zu einer Rechnung des Bildungsträgers erklärt habe, dass sie gerade zur Nachweisführung der absolvierten Fortbildungen den Praxisanleiterinnen entsprechende Zertifikate hergestellt habe. Damit sei klar zum Ausdruck gebracht, dass sie die von ihr gefälschten Zertifikate auch sehr wohl habe verwenden wollen. Wegen weiterer Einzelheiten des Informationsschreibens an den Betriebsrat wird ausdrücklich auf die Anlage B 6 verwiesen. Der Betriebsrat erteilte die erbetene Zustimmung.
Mit Schreiben vom 18.10.2023 (Anlage K 2) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.05.2024 und bot der Klägerin an, ab dem 01.06.2024 als Pflegefachkraft zu einer monatlichen Grundvergütung von 3.629,75 € brutto zuzüglich einer Pflegezulage von monatlich 80,00 € brutto sowie weiterer Zuschläge tätig zu sein. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot nicht an und wandte sich mit der am 08.11.2023 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen die ausgesprochene ordentliche Kündigung.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei mangels Vorliegens einer Vertragspflichtverletzung sozial ungerechtfertigt und wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrates rechtwidrig. Klageerweiternd hat die Klägerin den Antrag gestellt, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum 31.05.2024 aufzulösen. Die Klägerin hat ausgeführt, ihre Erklärung, sie habe die Kopien für die interne Dokumentation erstellt, sei nicht bewusst wahrheitswidrig, sondern zutreffend. Externen Dritten gegenüber sei kein Nachweis über die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen zu erbringen. Die von ihr erstellten Teilnahmezertifikate hätten daher nicht einer externen Nachweisführung dienen sollen. „Extern“ seien weder eine bestimmte Form der Weiterbildung, noch ein Nachweis gefordert. Es genügten auch Anwesenheitslisten, Leistungsnachweise oder Selbsterklärungen. Inhaltliche Vorgaben bestünden nicht. Es sei ihre Aufgabe gewesen, die jährlichen Schulungen der Praxisanleitenden ihres Bereichs zu organisieren. Die Praxisanleitenden bei der P.- und B. GmbH würden von Frau B. koordiniert. Die Fortbildungen seien tatsächlich erbracht. Sie habe die Teilnahmebescheinigung allein zur internen Dokumentation und nicht zur Täuschung angefertigt. So habe sie ihren Namen deutlich lesbar unter die angefertigte Kopie gesetzt und mit Stempel der Beklagten versehen. Lediglich den Praxisanleitenden der P.- und B. GmbH sei die Teilnahmebescheinigung von der dafür zuständigen Frau B. ausgehändigt worden. Eine Urkundenfälschung liege nach Rechtsauffassung der klägerischen Prozessbevollmächtigten deshalb nicht vor, weil die Klägerin als Ausstellerin erkennbar sei. Sie habe gerade nicht darüber täuschen wollen, wer die Kopie angefertigt habe, sondern habe ihren eigenen Namen darunter gesetzt. Damit sei jede Verwechslung mit dem Original von vornherein ausgeschlossen. Die Beklagte vermöge nicht zu erklären, weshalb irgendjemand „SingLiesel“ für den Hersteller der Kopien halten sollte. Der Beklagten sei es nicht gelungen, zu widerlegen, dass sie die Kopien nicht nur zur internen Dokumentation angefertigt habe.
Der Auflösungsantrag sei begründet, weil die Beklagte selbst davon ausgehe – wie sie es in dem an den Betriebsrat gerichteten Beteiligungsschreiben ausgeführt habe – , dass es ihr aufgrund von „Prozesslügen“ unzumutbar sei, sie – die Klägerin – als Pflegedienstleitung weiterzubeschäftigen. Insbesondere die Behauptung der Beklagten, sie – die Klägerin – habe im Kündigungsschutzverfahren 3 Ca 112/23 bewusst wahrheitswidrige Erklärungen abgegeben, sei weder substantiiert noch unter Beweis gestellt. Die Behauptung sei vielmehr nicht nur unzutreffend, sondern auch in einem Maße ehrverletzend und herabwürdigend, dass ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten sei.
Die Beklagte habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie – die Klägerin – ihrer Vorbildfunktion, ihrer Vertrauensstellung und den ihr obliegenden Vermögensbetreuungspflichten nicht mehr gerecht werden könne und ihr Ansehen mit leichtfertigen Beschuldigungen fortlaufend untergraben. Nach der Betriebsratsanhörung sei sie aufgrund ihres Prozessverhaltens ungeeignet für Führungs- und Leitungsaufgaben, sei „dreist“ und „kriminell“. Es sei zu erwarten, dass sie im Falle einer Rückkehr in den Betrieb gegenüber den übrigen Mitarbeitern benachteiligt bzw. unkorrekt behandelt werde. Da die Beklagte dem Betriebsrat gegenüber klargestellt habe, dass sie die Klägerin keinesfalls als Pflegedienstleiterin beschäftigen könne, könne die Beklagte hinter diesen Ausführungen im Falle ihres Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage nicht mehr zurück.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 18.10.2023 nicht aufgelöst wurde.
2. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1), das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 31.05.2024 aufzulösen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und den Auflösungsantrag zurückzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die ausgesprochene Kündigung sei sozial gerechtfertigt, weil die Klägerin im Vorprozess zum Aktenzeichen 3 Ca 112/23 bewusst wahrheitswidrige Erklärungen abgegeben habe. Sie – die Beklagte – habe bereits im Vorverfahren den Nachweis erbracht, dass die Klägerin den Tatbestand der Urkundenfälschung im Sinne von § 267 StGB erfüllt habe. Die Teilnahmebescheinigungen seien dazu bestimmt, den Beweis zu erbringen, dass ein bestimmter Teilnehmer an der bezeichneten Fortbildung teilgenommen habe. Die Klägerin habe eine falsche Urkunde hergestellt, da vermeintliche Ausstellerin die Veranstalterin „SingLiesel“ sei, tatsächliche Ausstellerin jedoch sie – die Beklagte – bzw. die Klägerin. In ihrem Schriftsatz vom 15.05.2023 zum Verfahren 3 Ca 112/23 habe die Klägerin sich weiterhin auf den Standpunkt gestellt, dass vermeintlich gar nicht „SingLiesel“ der Aussteller der Urkunde sei, sondern vielmehr aufgrund des handschriftlichen Zusatzes in der Fußzeile „Online-Seminar D.“ sie selbst. Zudem habe sie eine weitere Verteidigungslinie aufgebaut und sinngemäß behauptet, sie habe die falschen Urkunden „nur so“ hergestellt, es sei ihr nicht darum gegangen, diese auch zu verwenden. Ihre Einlassung: „Dies geschah allein zur internen Dokumentation und nicht ansatzweise in Täuschungs-/Betrugs- oder sonstiger krimineller Absicht“ habe dazu gedient, dem Tatbestandsmerkmal „zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt“ entgegenzutreten. Die Klägerin müsse sich die Aussage ihrer Prozessbevollmächtigten im Termin der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 06.06.2023 zum Aktenzeichen 3 Ca 112/23 „Sie hat es nur für sich hergestellt. Nur zur internen Dokumentation“ zurechnen lassen und habe damit bewusst eine falsche Erklärung abgegeben, um sich einen prozessualen Vorteil zu verschaffen. Dass der klägerische Vortrag zur ihrer angeblichen Nichtverwendungsabsicht falsch sei, ergebe sich allein schon daraus, dass die Klägerin 23 falsche Urkunden hergestellt habe, sie zur Herstellung dieser falschen Urkunden sicher einen durchaus erheblichen Aufwand habe betreiben müssen und dieser Aufwand keinen Sinn mache, wenn sie die gefälschten Urkunden nicht habe verwenden wollen. Wenn die Klägerin nur hätte aufzeichnen wollen, welche Mitarbeiterin an welcher Fortbildungsveranstaltung teilgenommen hat, hätte es genügt, eine Excel-Tabelle zu erstellen. Auch habe sich die Klägerin auf einem Zettel handschriftlich vermerken können, welche Mitarbeiterin bei welchem Seminar mitgewirkt habe. Es sei schlechthin nicht nachvollziehbar, dass es zur bloßen internen Dokumentation erforderlich gewesen sein solle, falsche Urkunden herzustellen. Zumindest einige der gefälschten Urkunden habe die Klägerin auch tatsächlich im Rechtsverkehr verwendet. Den bei der P.- und B. GmbH beschäftigten Mitarbeiterinnen U. B. und J. W. habe die Klägerin die auf sie lautenden Teilnahmebescheinigungen, und zwar einschließlich der gefälschten Teilnahmebescheinigungen, ausgehändigt, und zwar gerade mit der Zielsetzung, dass sie damit dann ihre Fortbildung nachweisen können. Wenn aber die Mitarbeiterinnen der Schwestergesellschaft entsprechend verfahren sollten, dann folge daraus doch zwingend, dass auch die bei ihr beschäftigten Mitarbeiterinnen ebenfalls so hätten vorgehen sollen.
Der Leiterin der Finanzbuchhaltung, Frau D. H., sei aufgefallen, dass die „SingLiesel“-Rechnungen in Bezug auf Frau U. B. und Frau J. W. nicht zu der Anzahl der Fortbildungsbescheinigungen passen. Auf Nachfrage von Frau H. habe die Klägerin ihr gegenüber dann ausdrücklich erklärt, dass sie die Fortbildungsbescheinigungen gerade deshalb hergestellt habe, um eben den Nachweis der Fortbildung zu führen. Sie habe damit klar zum Ausdruck gebracht, dass die Nachweise eben mit Außenwirkung ausgestellt worden seien. Dies habe sich nicht nur auf die Bescheinigungen für Frau B. und Frau W., sondern auf sämtliche Bescheinigungen bezogen. Dass die Klägerin falsch vorgetragen habe, ergebe sich auch aus ihrer Einlassung im Rahmen ihrer Anhörung vom 29.12.2022. Nach ihrer Ausführung, dass sie doch nur den Bildungsträger betrogen habe, nicht jedoch die Beklagte, sei es für die Klägerin selbstverständlich gewesen, dass die gefälschten Teilnahmebescheinigungen der externen Nachweisführung dienen sollten. Es sei der Klägerin ersichtlich allein um einen kostengünstigen Nachweis der Fortbildung gegangen. Des Weiteren bestimme § 4 Abs. 3 Satz 1 der Pflegeberufe-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung, dass sich Praxisanleiter im Umfang von mindestens 24 Stunden jährlich fortbilden und dies auch gegenüber der zuständigen Behörde nachweisen müssen. Angesichts dieser Nachweispflicht dränge sich die Verwendungsabsicht auf.
Im Rahmen der Interessenabwägung sei die lange Beschäftigungsdauer der Klägerin zu berücksichtigen sowie der Umstand, dass bei Zugang der Kündigung das Arbeitsverhältnis abmahnungsfrei bestanden habe. Allerdings wiege die Pflichtverletzung derartig schwer, dass trotz der langen Beschäftigungsdauer sogar eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt wäre. Sie habe trotz der Prozesslügen der Klägerin nur deshalb von dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung Abstand genommen, weil sie die (berechtigte) Erwartung gehabt habe, dass das Arbeitsverhältnis bereits durch die Kündigungen vom 11.01.2023 und 27.01.2023 beendet werde, und sie habe deshalb die Entscheidung in dem Verfahren 3 Ca 112/23 abgewartet. Bei Verkündung der Entscheidung sei jedoch die Zwei-Wochen-Frist nach § 626 Abs. 2 BGB bereits verstrichen gewesen. Zu berücksichtigen sei, dass lediglich die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung in Rede stehe. Das Angebot zur Weiterbeschäftigung als Pflegefachkraft habe sie unter Zurückstellung erheblicher Bedenken unterbreitet. Dieses sei allein unter Berücksichtigung der langjährigen unbeanstandeten Beschäftigungsdauer gerade noch vertretbar. Zum Nachteil der Klägerin sei weiter zu berücksichtigen, dass sie schon durch die Urkundenfälschungen und den Betrug zu Lasten des Bildungsträgers ihre arbeitsvertraglichen Pflichten massiv verletzt habe.
Die Beteiligung des Betriebsrates sei ordnungsgemäß erfolgt.
Auf den Auflösungsantrag komme es nicht an, da die Kündigung wirksam sei. Jedenfalls sei er unbegründet. Der Klägerin sei die Fortsetzung ihrer Tätigkeit zumutbar. Sie habe Urkunden gefälscht und in einem mit ihr – der Beklagten – geführten Prozess falsch vorgetragen. Eine bewusst unwahre Behauptung sei nun einmal eine Lüge. In einem kontradiktorischen Kündigungsschutzverfahren würden nun einmal kontroverse Standpunkte vertreten. Die Auseinandersetzung sei dem Verfahren somit immanent. Zwar habe sie ihre Position pointiert vertreten, aber nicht mit ungehöriger Schärfe. Dabei werde das Gericht natürlich auch in den Blick nehmen, wie das Verfahren seitens der Klägerin geführt worden sei. Die beanstandete Schärfe sei von der Klägerin und ihrer Prozessbevollmächtigten in das Verfahren hineingetragen worden. Die Klägerin habe die Urkundenfälschung nicht etwa bedauert, sondern als „abwegig“ und „absurd“ abgetan. Bezeichnend sei, dass auch das Gericht den Vortrag der Klägerin, der das fehlende Unrechtsbewusstsein widerspiegle, als erschreckend angesehen habe. Ihr – der Beklagten – Vortrag sei sachlich veranlasst.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 18.10.2023 nicht aufgelöst wurde und den Auflösungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, ein vorsätzlich unwahrer Vortrag, um den Prozessausgang zu beeinflussen, könne der Klägerin nicht vorgeworfen werden. Streitig sei allein die rechtliche Würdigung des klägerischen Vorgehens. Die Klägerin sehe sich und ihr Vorgehen nicht im Unrecht und habe dies im Vorprozess auch zum Ausdruck gebracht. Falscher Tatsachenvortrag, um den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen, könne ihr damit nicht vorgeworfen werden. Bewusst falsche Aussagen der Klägerin im Verfahren habe die Beklagte nicht vorgetragen. Der Auflösungsantrag sei nicht begründet. Der Vorwurf der Beklagten, die Klägerin habe mit ihrem im Wesentlichen unstreitigen Verhalten im Rahmen der Dokumentation der Fortbildung der Praxisanwenderinnen einen Straftatbestand erfüllt, bilde eine zumindest nicht völlig abwegige Rechtsauffassung. Das Vertreten einer anderen Rechtsauffassung im Kündigungsschutzverfahren sei nicht geeignet, die weitere Zusammenarbeit für die Klägerin unzumutbar erscheinen zu lassen. Der Beklagtenvortrag im Prozess sei allenfalls pointiert, aber weder bewusst falsch noch in irgendeiner Form beleidigend. Äußerungen eines Prozessvertreters könnten zwar grundsätzlich einer Partei zugerechnet werden, unzutreffende Rechtsansichten seien jedoch in der Regel unbeachtlich. Das Gericht vermöge nicht zu erkennen, weshalb der Klägerin die Fortsetzung des seit Jahrzehnten bestehenden Arbeitsverhältnisses unzumutbar sein solle.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 23.05.2024 zugestellte Urteil mit am 24.06.2024 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 23.07.2024 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Beklagte hat gegen das ihr am 28.05.2024 zugestellte Urteil mit am 24.06.2024 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 23.08.2024 mit am 23.08.2024 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
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Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die erstinstanzliche Stattgabe der Kündigungsschutzklage und führt dazu an, die Klägerin habe in dem Verfahren 3 Ca 112/23 vorsätzlich falsch vorgetragen, um so den Ausgang des Verfahrens zu ihren Gunsten zu beeinflussen und damit in erheblicher Weise ihre nach § 241 BGB bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme verletzt. Die Klägerin habe falsche Urkunden im Sinne des § 267 StGB hergestellt. Dies habe das Arbeitsgericht so schon in den Entscheidungsgründen seines am 27.07.2023 verkündeten Urteils 3 Ca 112/23 völlig richtig festgestellt. Indem die Klägerin falsch vorgetragen habe, dass sie die Teilnahmebescheinigungen angeblich nur „zur internen Dokumentation“ und also nicht „zur Verwendung im Rechtsverkehr“ hergestellt habe, habe sie ersichtlich versucht, das Vorliegen des objektiven Tatbestandes des § 267 Abs. 1 StGB zu entkräften. Auch wenn sich die Klägerin tatsächlich nicht persönlich geäußert habe, müsse sie sich die von ihrer Prozessbevollmächtigten abgegebenen Erklärungen nach § 85 ZPO zurechnen lassen, wie auch deren Rechtskenntnisse. Zudem habe die Klägerin die in ihrer Anwesenheit durch ihre Prozessbevollmächtigte abgegebene Erklärung zur internen Dokumentation weder korrigiert noch sei sie dieser Erklärung sonst wie entgegengetreten. Die Annahme des Arbeitsgerichts, dass die Klägerin selbst als juristischer Laie die Bedeutung des Vortrages „interne Dokumentation“ für den Urkundenbegriff nicht habe nachvollziehen können, sei schon falsch. Auch bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre dränge es sich auf, dass ein Unterschied bestehe, ob ein Dokument nur zur internen Verwendung oder mit Verwendungsabsicht gegenüber Dritten hergestellt worden sei. Sie – die Beklagte – habe in erster Instanz zur Verwendungsabsicht der Klägerin schlüssig vorgetragen und damit ebenfalls schlüssig dargelegt, dass die Klägerin in dem Vorverfahren sehr wohl falsche Angaben gemacht habe. Dass die Klägerin die Urkunden nicht nur „zur internen Dokumentation“ hergestellt habe, folge allein aus dem mit der Anfertigung verbundenen ganz erheblichem Aufwand. Diesen Aufwand hätte die Klägerin nicht auf sich genommen, wenn nicht für den Betrachter der Eindruck habe erweckt werden sollen, dass „SingLiesel“ selbst das Zertifikat ausgestellt habe. Zudem habe sie vorgetragen, dass die Klägerin gegenüber Frau H. zugestanden habe, dass sie die Zertifikate gerade zum Nachweis der Fortbildung hergestellt habe. Und genau in diesem Sinne habe sich die Klägerin auch im Rahmen ihrer Anhörung am 29.12.2022 vor Ausspruch der ersten Kündigung erklärt. Auch der Hinweis, dass Frau Dr. K. über das Einsparen von Seminarkosten informiert gewesen sei, belege, dass es um einen kostengünstigen Nachweis gegangen sei.
Die Beklagte beantragt, das am 16.05.2024 zum Aktenzeichen 3 Ca 1253/23 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Rostock abzuändern und die Klage auch im Übrigen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe ihrer Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Wenn die Beklagte zur Begründung ihrer Berufung weiterhin behaupte, sie – die Klägerin – hätte in einem vorherigen Klageverfahren bewusst falsch vorgetragen, sei dies nicht nur unrichtig, sondern ehrverletzend und mache die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für sie unzumutbar. Nach wie vor bleibe offen, wen sie in der Vorstellung der Beklagten durch angeblich beabsichtigte Verwendung der Kopien habe täuschen wollen. Der Annahme einer Täuschungsabsicht stehe schon entgegen, dass sie unstreitig ihren Namen auf die Kopien geschrieben hat. Eine Täuschungsabsicht habe sie auch nicht zugestanden, weder gegenüber Frau H. noch im Rahmen einer Anhörung.
Mit der von ihr eingelegten Berufung wendet sich die Klägerin gegen die Zurückweisung des Auflösungsantrages und trägt dazu vor, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der leichtfertig erhobene Vorwurf strafbaren Verhaltens die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer unzumutbar machen könne. Es habe auch unberücksichtigt gelassen, dass das Vertrauensverhältnis nach dem Sachvortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 26.01.2024 als zerrüttet anzusehen sei. Schließlich habe das Arbeitsgericht verkannt, dass die Behauptungen der Beklagten, sie – die Klägerin – sei kriminell, ehrverletzend sind. Es erschließe sich schon nicht, inwiefern die Charakterisierung einer Arbeitnehmerin nach mehr als 40 Arbeitsjahren im Pflegebereich als „kriminell“ pointiert sein könne. Dies käme allenfalls in Betracht, wenn sie wegen einer Straftat verurteilt worden wäre. Anders als das Arbeitsgericht meine, komme es nicht darauf an, ob den wiederholt vorgetragenen Behauptungen, sie sei „kriminell“, „dreist“ und „offenbar nicht gewillt, sich rechtskonform zu verhalten“, eine halbwegs vertretbare Rechtsauffassung zu Grunde liege. Die Beklagte habe mit diesen Äußerungen erkennbar keine Rechtsauffassung abgeben wollen, sondern ein Werturteil. Wegen der in den an den Betriebsrat gerichteten Informationsschreiben vom 03.01.2023 und 09.01.2023 enthaltenen Äußerungen der Beklagten, der im Beteiligungsschreiben vom 24.01.2023 wahrheitswidrig getätigten Ausführung, sie – die Klägerin – hätte „zur Rechtfertigung des Betruges und der Urkundenfälschung“ von ihrer Rechtsanwältin behaupten lassen, dass sie die Taten „angeblich im Einvernehmen mit Frau Dr. K. begangen hätte“ und sie „der Mittäterschaft“ bezichtigt, sei es ihr zudem unzumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Dies ergebe sich auch aus den von der Beklagten in der Betriebsratsanhörung verwandten Begrifflichkeiten. Zudem habe die Beklagte in ihren Schriftsätzen die unberechtigt erhobenen Beschuldigungen wiederholt.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 16.05.2024 Az.: 3 Ca 1253/23, abzuändern und das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, gemäß §§ 9, 10 KSchG zum 31.05.2024 aufzulösen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt im Hinblick auf den Auflösungsantrag die erstinstanzliche Entscheidung und trägt vor, sie gehe davon aus, dass sich die Klägerin durch ihr Verhalten in dem Verfahren 3 Ca 112/23 ihr gegenüber pflichtwidrig verhalten habe. Es könne ihr nicht vorgeworfen werden, dieses pflichtwidrige Verhalten durch Ausspruch einer Kündigung zu sanktionieren und die berechtigte Kündigung im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens zu verteidigen. Dass sie ihren Standpunkt dabei pointiert vertreten habe, spiegele letztlich nur das eigene Prozessverhalten der Klägerin wider. Sie müsse die Möglichkeit haben, ein Fehlverhalten der Klägerin als solches auch klar zu benennen. Über das streitgegenständliche Fehlverhalten hinausgehend, habe sie sich gegenüber der Klägerin nicht negativ geäußert, sie habe vielmehr sogar eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den genannten Bedingungen angeboten.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die Sitzungsniederschriften, die streitbefangene Entscheidung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet, weil das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage zu Recht wegen des Fehlens eines Kündigungsgrundes und sich danach ergebender Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung stattgegeben hat. Die zulässige Berufung der Klägerin ist hingegen begründet. Auf sie war das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 76.283,42 € zum 31.05.2024 aufzulösen.
I.
Die gemäß §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthaften Berufungen (§ 64 Abs. 1, Abs. 2b, c ArbGG) beider Parteien sind frist- und formgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.
II.
In der Sache hat die Berufung der Beklagten jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, denn das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitbefangene ordentliche Kündigung der Beklagten vom 18.10.2023 nicht mit Ablauf der Kündigungsfrist zum 31.05.2024 beendet worden, weil diese Kündigung rechtsunwirksam ist, da ihr die soziale Rechtfertigung fehlt.
1.
Die Kündigungsschutzklage der Klägerin ist zulässig.
Aufgrund der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses zur Beklagten und der Anzahl der bei der Beklagten regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer genießt die Klägerin Kündigungsschutz nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes (§§ 1 Abs. 1, 23 KSchG). Die Klägerin hat ihre Kündigungsschutzklage innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG erhoben. Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Kündigungsschutzklage hat die Beklagte mit der Berufung nicht geltend gemacht.
2.
Die Kündigungsschutzklage ist begründet. Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Dies trifft vorliegend zu, denn es liegt kein Grund vor, welcher die streitbefangene Kündigung rechtfertigen könnte. Insbesondere ist ein unwahrer Prozessvortrag der Klägerin in dem Vorprozess – wie bereits das Arbeitsgericht festgestellt hat – nicht erfolgt. Die Beklagte hat es nicht vermocht, darzulegen, dass die Klägerin im Vorprozess über ihre Absicht, die von ihr hergestellten Teilnahmezertifikate im Rechtsverkehr zu verwenden, getäuscht hat.
Eine Kündigung ist im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist. Auch eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers kann eine Kündigung rechtfertigen (BAG, Urteil vom 16.12.2021 – 2 AZR 356/21 – Rn. 12, juris). Eine Kündigung scheidet dagegen aus, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers – wie etwa eine Abmahnung – geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 19.11.2015 – 2 AZR 217/15 – Rn. 24, juris).
Unabhängig von einer strafrechtlichen Würdigung verletzt ein Arbeitnehmer nebenvertragliche Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, nämlich die ihm gegenüber seinem Arbeitgeber bestehende Pflicht der Rücksichtnahme auf die Interessen seines Vertragspartners (§ 241 Abs. 2 BGB), wenn er im Rechtsstreit um eine Kündigung bewusst wahrheitswidrig vorträgt, weil er befürchtet, durch wahrheitsgemäße Angaben einen Anspruch nicht durchsetzen zu können. Damit versucht ein Arbeitnehmer nämlich, sich in rechtswidriger Weise auf Kosten seines Vertragspartners rechtliche Vorteile zu verschaffen, die der tatsächlichen Lage nicht entsprechen. Falsche Erklärungen, die in einem Prozess abgegeben werden, können an sich geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei kommt es letztlich auf die strafrechtliche Einordnung nicht entscheidend an. Jedenfalls verletzt ein Arbeitnehmer vertragliche Nebenpflichten, nämlich die dem Vertragspartner geschuldete Rücksichtnahme auf dessen Interessen (§ 241 Abs. 2 BGB), wenn er im Rechtsstreit um eine Kündigung bewusst wahrheitswidrig vorträgt, weil er befürchtet, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess nicht gewinnen zu können (BAG, Urteil vom 08.11.2007 – 2 AZR 528/06 – Rn. 17, juris; BAG, Urteil vom 23.10.2014 – 2 AZR 644/13 – Rn. 16, juris).
Es ist der Beklagten nicht gelungen darzulegen, dass die Klägerin im Vorprozess bewusst wahrheitswidrig vorgetragen hat, die Absicht hatte, die von ihr hergestellten Teilnahmezertifikate zu verwenden.
Eine tatsächliche Verwendung durch die Klägerin ergibt sich nach dem Beklagtenvortrag nicht. Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass die Klägerin für zwei Mitarbeiter der Schwester-GmbH derartige Teilnahmezertifikate hergestellt hat und an diese übergeben wurden, ist streitig, ob die Übergabe durch die Klägerin oder Frau B. geschah. Zudem liegt kein Verwenden vor, denn diese Übergabe an die tatsächlich an dem Online-Seminar teilnehmenden Mitarbeiter stellt kein Verwenden im Rechtsverkehr, gegenüber Dritten, dar. Dass eine Täuschung der Mitarbeiter bezweckt war, ist nicht ersichtlich. Ob bei den Mitarbeitern, denen die Teilnahmebescheinigungen übergeben waren, oder der in diesem Betrieb für die Fortbildungen dieser Mitarbeiter zuständigen Mitarbeiterin der Schwester-GmbH eine Verwendungsabsicht gegenüber Dritten bestand und die Klägerin hierüber Kenntnis hatte, lässt sich nicht feststellen und ist daher für ein klägerisches Fehlverhalten unergiebig.
Soweit die Beklagte der Klägerin vorhält, die Klägerin habe eine Verwendungsabsicht gehabt, kann diese Schlussfolgerung durch das Gericht nicht geteilt werden. Zum einen ist nicht erkennbar, wem gegenüber eine Verwendung der Teilnahmezertifikate habe erfolgen sollen. Soweit die Beklagte darauf abstellt, gegenüber der zuständigen Behörde sei gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 der Pflegeberufe-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Praxisanleiter eine jährliche Fortbildung im Umfang von mindestens 24 Stunden nachzuweisen, es sei ein Nachweis durch Vorlage von Teilnahmezertifikaten zu führen, wird dies durch die Klägerin bestritten, indem die Klägerin vorträgt, sie habe die Absolvierung der entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen ohne Vorlage von Teilnahmezertifikaten, einfach durch schriftlichen Text darlegen können, es genügten auch Anwesenheitslisten oder Selbsterklärungen. Die Beklagte ist diesem Vorbringen nicht erheblich entgegengetreten. Soweit die Klägerin in einem schriftlichen Text angegeben hat bzw. beabsichtigte anzugeben, dass namentlich benannte Teilnehmer an Online-Fortbildungsveranstaltungen teilgenommen haben, entspricht dies der Wahrheit, denn unstreitig haben die Teilnehmer die Fortbildungsveranstaltungen besucht, dies jedoch womöglich ohne Kenntnis des Bildungsträgers und jedenfalls ohne einen finanziellen Betrag für die Teilnahme zu entrichten. Allerdings hat der Bildungsträger ihnen auch kein Zertifikat ausgestellt.
Irgendein weiterer Hinweis darauf, wem gegenüber eine Verwendungsabsicht bestanden haben könnte, findet sich nicht. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Zertifikate Eingang in die Personalakten der betreffenden Beschäftigten gefunden hätten.
Soweit die Beklagte auf Indizien verweist, welche eine Verwendungsabsicht belegen sollen, sind diese entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zwingend. Wenn die Beklagte darauf abstellt, dass das Herstellen der Zertifikate durch die Klägerin mit einem erheblichen Aufwand verbunden war, die Herstellung z.B. einer Excel-Tabelle einfacher gewesen wäre, ist dies nicht nachvollziehbar. Zur Herstellung der Teilnahmezertifikate war es lediglich erforderlich, eine Kopie ohne den Namen eines Teilnehmers herzustellen und sodann von dieser Kopie weitere Kopien zu fertigen, diese mit Teilnehmernamen zu versehen sowie mit dem Stempel der Beklagten, dem Vermerk „Online-Seminar“ und der Unterschrift der Klägerin. In einer Excel-Tabelle hätte dieses auch aufgeführt werden müssen. Zudem hätten die weiteren in dem Teilnahmezertifikat enthaltenen Informationen zum Bildungsträger, zum Ausbildungstitel, zum Ausbildungsinhalt, zur Ausbildungsdauer und Anzahl der Fortbildungspunkte übernommen werden müssen. Im Prinzip hätte die Klägerin alle Angaben des Zertifikats in eine Tabelle übertragen müssen. Ob dieses einfacher bzw. zügigerer vonstattengegangen wäre als das Herstellen der Zertifikate, erschließt sich nicht. Zudem ist fraglich, ob der Herstellungsaufwand aussagekräftig für eine Verwendungsabsicht sein kann.
Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass die Herstellung der Zertifikate nur Sinn mache, wenn eine Verwendungsabsicht gegenüber Dritten besteht, ist diese Schlussfolgerung nicht nachvollziehbar. Da der Klägerin die Aufgabe oblag, die Fortbildungen der Praxisanleiterinnen im erforderlichen Umfang zu organisieren und zu gewährleisten, benötigte die Klägerin die entsprechenden Nachweise tatsächlich für sich selbst, um darüber informiert zu sein, welche Mitarbeiterinnen welche Fortbildungen absolviert und damit welche Punktzahl erreicht hatten. Diese Informationen benötigte die Klägerin, um weitere Fortbildungsmaßnahmen für die betroffenen Praxisanleiterinnen zu planen und zu organisieren bzw. festzustellen, dass die Fortbildungspflicht erfüllt ist. Deswegen macht es auch Sinn, wenn die Klägerin die von ihr hergestellten Teilnahmezertifikate nur für sich zur internen Dokumentation behält, um mit den damit vorliegenden Informationen weitere Fortbildungsveranstaltungen für die Praxisanleiterinnen zu planen oder zu wissen, dass sie die erforderlichen Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt haben. Denn die Mitarbeiterinnen haben die Fortbildungsmaßnahme absolviert, auch wenn sie nicht beim Bildungsträger angemeldet und von diesem kein Zertifikat über die Teilnahme erhalten haben.
Soweit die Klägerin gegenüber Frau H. auf deren Nachfrage erklärt haben sollte, dass sie die Fortbildungsbescheinigungen gerade deshalb hergestellt habe, um eben den Nachweis der Fortbildung zu führen, kann damit auch der interne Nachweis über die Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung gemeint sein. Einen genauen Wortlaut einer klägerischen Erklärung gegenüber Frau H., der eine interne Nachweisführung ausschließt und sich allein auf eine externe Nachweisführung bezieht, insbesondere offenlegt, wem gegenüber der Nachweis habe erfolgen sollen, hat die Beklagte nicht dargetan. Ein Zugeständnis einer Verwendungsabsicht in der von der Beklagten durchgeführten Anhörung der Klägerin lässt sich nicht feststellen. Soweit die Klägerin eingeräumt haben sollte, allenfalls den Bildungsträger geschädigt zu haben, mag diese Einschätzung zutreffend sein, weil die Fortbildungsveranstaltung teilweise ohne eine Bezahlung genutzt wurde.
Es ist unerheblich, ob der Klägerin Äußerungen ihrer Prozessbevollmächtigten zuzurechnen sind, weil die Beklagte nicht dargetan hat, dass eine Aussage derselben zur Herstellung der Zertifikate mit dem Zweck der internen Dokumentation falsch ist. Es bestand deshalb auch keine Veranlassung für die Klägerin, einer solchen Erklärung entgegenzutreten oder sie zu korrigieren. Wie bereits erwähnt, hat die Beklagte nicht belegt, gegenüber welcher Person oder Stelle ein Nachweis durch Zertifikatsvorlage zu erfolgen hat. Zudem ist es der Beklagten nicht gelungen zu belegen, dass die Klägerin die Absicht hatte, die Zertifikate über eine interne Dokumentation für sich hinausgehend zu irgendeinem anderen Zweck zu verwenden. Es mangelt, unabhängig von dem inneren Vorgang der Verwendungsabsicht, deshalb bereits nicht nur an dem objektiven Umstand eines Verwendungsadressaten, sondern auch dem eines Verwendungszwecks.
Soweit die Klägerin und ihre Prozessbevollmächtigte im Vorprozess die Auffassung vertreten haben, mit den von der Klägerin hergestellten Teilnahmezertifikaten liege keine Urkundenfälschung vor, ist dies – wie bereits das Arbeitsgericht festgestellt hat – lediglich eine Rechtsmeinung, bildet keine unwahre Tatsachenbehauptung, und ist deshalb nicht geeignet, zur Begründung einer Kündigung herangezogen zu werden. Es kann somit dahinstehen, ob diese Rechtsmeinung zutreffend ist oder nicht. Im Übrigen ist es nicht Angelegenheit des hier zur Entscheidung berufenen Gerichts, das Vorliegen einer Straftat festzustellen, sondern dies unterliegt allein der Zuständigkeit der Strafgerichte und eine Feststellung in vorliegendem Verfahren wäre für diese nicht bindend. Da die von der Beklagten zur Begründung der Kündigung angeführte tatsächliche Verwendungsabsicht bei der Klägerin von der Beklagten nicht dargestellt werden konnte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin im Vorprozess falsche bzw. unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat. Der durch die Beklagte erhobene Vorwurf ist aus diesem Grunde nicht berechtigt und vermag eine Kündigung nicht zu stützen. Der streitbefangenen Kündigung mangelt es daher an dem erforderlichen Kündigungsgrund, so dass sie sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG ist und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG).
III.
Die Berufung der Klägerin wegen des Auflösungsantrages ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien war auf Antrag der Klägerin durch gerichtliches Urteil aufzulösen und die Beklagte zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen.
Es kann dahinstehen, ob das Arbeitsgericht den klägerischen Auflösungsantrag zu Recht zurückgewiesen hat. Entscheidend ist nämlich, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit sei gefährdet (BAG, Urteil vom 16.12.2021 – 2 AZR 356/21 – Rn. 21, juris). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist der Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag in der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Bei der zu treffenden Prognoseentscheidung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist oder nicht, sind sowohl bei Ausspruch der Kündigung bereits vorliegende, als auch erst nach Ausspruch der Kündigung entstehende Umstände zu berücksichtigen. Jedenfalls steht zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem hier zur Entscheidung berufenen Gericht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Klägerin die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 9 KSchG unzumutbar ist. Das Arbeitsverhältnis war daher mit Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist zum 31.05.2024 aufzulösen und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 76.283,42 € brutto zu zahlen.
Gemäß § 9 Abs. 1 KSchG hat das Arbeitsgericht in dem Fall, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, dem Arbeitnehmer jedoch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann, auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Nach § 9 Abs. 2 KSchG hat das Gericht dabei die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf den Zeitpunkt festzusetzen, zu dem es bei sozial gerechtfertigter ordentlicher Kündigung geendet hätte.
Allerdings ergibt sich aus der Auslegung von § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG, dass die Bestimmung im Fall einer Klage nach § 4 Satz 2 KSchG keine Anwendung findet. Vorliegend hat die Beklagte zwar eine Änderungskündigung ausgesprochen, die Klägerin hat das ihr unterbreitete Angebot jedoch ausgeschlagen. Eine Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ist bei Klagen gegen Änderungskündigungen jedenfalls dann möglich, wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot nicht unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen hat (BAG, Urteil vom 24.10.2013 – 2 AZR 320/13 – Rn. 9, juris). Das trifft vorliegend zu.
Es ist festgestellt, dass die streitbefangene Kündigung vom 18.10.2023 sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam ist. Ob die Kündigung mangels ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG unwirksam ist, kann dahingestellt bleiben. Ist eine Kündigung nicht nur sozialwidrig, sondern auch aus anderen Gründen unwirksam, kann jedenfalls der Arbeitnehmer die Auflösung des Arbeitsverhältnisses begehren. Die Unwirksamkeit aus anderen Gründen hat keinen logischen Vorrang vor der Sozialwidrigkeit. Bei Konkurrenz verschiedener Unwirksamkeitsgründe muss das Gericht, sofern der Arbeitnehmer einen Auflösungsantrag stellt, die Sozialwidrigkeit prüfen und in den Entscheidungsgründen feststellen, wenn es dem Auflösungsantrag stattgeben will (BAG, Urteil vom 24.09.1992 – 8 AZR 551/91 – Rn. 19, juris)
Die Klägerin hat den Auflösungsantrag gestellt und ihr ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vorliegend auch unzumutbar.
Die Unzumutbarkeit im Hinblick auf die weitere Zusammenarbeit im Arbeitsverhältnis ist gegeben, wenn das dafür notwendige Vertrauen aufgrund konkret vorzutragender Umstände zerstört ist. Insoweit weist der Maßstab zwar Ähnlichkeiten zu dem wichtigen Grund für eine fristlose Arbeitnehmerkündigung im Sinne von § 626 BGB auf. Der Maßstab aus § 626 BGB ist allerdings strenger, da eine außerordentliche Arbeitnehmerkündigung danach nur in Betracht kommt, wenn selbst die vorübergehende Fortsetzung der Zusammenarbeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Bei § 9 KSchG geht es im Gegensatz dazu um die Frage, ob dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Dauer unzumutbar ist. Dafür genügt nicht allein die Sozialwidrigkeit der Kündigung. Zu berücksichtigen ist zwar, dass die Beziehungen der Arbeitsvertragsparteien bereits durch den Ausspruch einer sozialwidrigen Kündigung in der Regel erheblich belastet sind. In seiner sozialwidrigen Kündigung allein liegt jedoch grundsätzlich noch kein Auflösungsgrund. Die Unwirksamkeit einer Kündigung allein macht es dem Arbeitnehmer nicht unzumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Es bedarf vielmehr zusätzlicher, vom Arbeitnehmer darzulegender Umstände. Diese müssen im Zusammenhang mit der Kündigung oder doch dem Kündigungsschutzprozess stehen. Auflösungsgründe können sich demnach aus den Modalitäten der Kündigung als solcher und aus weiteren Handlungen des Arbeitgebers ergeben, die mit der Kündigung einhergehen (BAG, Urteil vom 11.07.2013 – 2 AZR 241/12 – Rn. 15, juris). So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Unzumutbarkeit begründet ist, wenn eine gänzlich ungerechtfertigte Suspendierung durch den Arbeitgeber erfolgte (BAG, Urteil vom 24.09.1992 – 8 AZR 557/91 – Rn. 34, juris). Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Arbeitnehmer die Vorgänge der Suspendierung selbst ausgelöst hätte und einen Grund für diese Maßnahme gesetzt hätte. Außerdem kann ein die Unzumutbarkeit im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG begründender Umstand darin liegen, dass der Arbeitgeber unzutreffende, ehrverletzende Behauptungen über die Person oder das Verhalten des Arbeitnehmers aufstellt und dadurch das Vertrauensverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien unheilbar zerrüttet ist oder das Kündigungsschutzverfahren über eine offensichtlich sozialwidrige Kündigung seitens des Arbeitgebers mit einer derartigen Schärfe geführt worden ist, dass der Arbeitnehmer mit einem schikanösen Verhalten des Arbeitgebers und anderer Mitarbeiter rechnen muss, wenn er in dem Betrieb zurückkehrt (BAG, Urteil vom 27.03.2003 – 2 AZR 9/02 – Rn. 36, juris). Äußerungen des Arbeitgebers in einem Gerichtsverfahren, die weder inhaltlich noch in der Form zu rechtfertigen sind, können einen Auflösungsgrund bieten (LAG Hamburg, Urteil vom 13.02.2013 – 5 Sa 58/12 – Rn. 28, juris). Gleiches gilt dann, wenn der Arbeitgeber leichtfertig und ohne Vorhandensein objektiver Tatsachen einen Arbeitnehmer verdächtigt, eine Straftat begangen zu haben (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.07.2014 – 3 Sa 98/14 – Rn. 46, juris).
Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt, trägt der Arbeitnehmer. Erforderlich ist die Darlegung konkreter, einer Beweiserhebung zugänglicher Tatsachen. Pauschale Behauptungen und schlagwortartige Wendungen genügen nicht. Aus dem auch im arbeitsvertraglichen Verfahren geltenden zivilprozessualen Verhandlungsgrundsatz folgt, dass nur solche unstreitigen oder erwiesenen Tatsachen berücksichtigt werden dürfen, die vom Arbeitnehmer zur Begründung seines Auflösungsantrages vorgebracht worden sind.
Die Klägerin hat hinreichend Tatsachen vorgetragen, welche eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für sie begründen.
Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin drei verhaltensbedingte Kündigungen mit dem Vorwurf erhoben, die Klägerin sei eine Straftäterin, habe einen Betrug und eine Urkundenfälschung begangen und in einem Verfahren falsch vorgetragen, um sich einen Vorteil zu verschaffen, ohne dass eine strafrechtliche Verurteilung vorliegt. Damit hat sie die Grenzen einer berechtigten Interessenwahrnehmung in Kündigungsschutzverfahren überschritten. Es ist zwar zu berücksichtigen, dass die Beklagte im Kündigungsschutzprozess ihre Kündigungsgründe darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen hat und insofern es ihrem berechtigten Interesse entspricht, wenn sie der Klägerin Verfehlungen nachweist. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass es sich bei diesen Verfehlungen um begangene Straftaten handelt. Ausreichend ist, wenn sich der Arbeitgeber auf durch den Arbeitnehmer begangene Pflichtverletzungen stützt. Es ist deshalb nicht notwendig, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer als Straftäter bezeichnet. Die Beklagte hat sich in verschiedenen Gerichtsverfahren und auch im hier anhängigen Verfahren nicht auf die Äußerungen des Verdachts von Straftaten beschränkt, die Klägerin vielmehr der Straftaten des Betruges und der Urkundenfälschung bezichtigt, ohne dass eine dementsprechende Verurteilung der Klägerin durch ein Strafgericht vorliegt. Ob in der Herstellung der Teilnehmerzertifikate durch die Klägerin eine Urkundenfälschung liegt, mag ein Strafgericht entscheiden. Ebenfalls mag ein solches darüber befinden, ob objektive Anhaltspunkte für die Begehung eines Betruges durch die Klägerin gegeben sind. Jedenfalls ist es nicht gerechtfertigt, solange eine entsprechende rechtskräftige Verurteilung der Klägerin nicht vorliegt, die Klägerin als Täterin eines Betruges und einer Urkundenfälschung zu bezeichnen und dies ständig zu wiederholen. Dieses Verhalten gegenüber der Klägerin ist in jeder Hinsicht ehrverletzend und herabwürdigend. Die Beklagte verlässt damit den Boden eines pointierten Vortrages, zieht einseitig zu Lasten der Klägerin Schlussfolgerungen und subjektive Wertungen, welche zur Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht erforderlich sind. Gleiches gilt soweit die Beklagte mit Schreiben vom 24.01.2023 ihren Betriebsrat zu einer weiteren Kündigung anhört und Begrifflichkeiten wie „gefälschte Weiterbildungszertifikate“, „hat betrogen“, „bewusst wahrheitswidrig“, „zu verstricken versucht“, „bewusst falsche Abrechnungen“, „Beweismittel beiseite zu schaffen“, „datenschutzrechtlich hoch problematisch“, „Steuerhinterziehung“ verwendet und feststellt, dass die Klägerin „offenbar nicht gewillt ist, sich rechtskonform zu verhalten.“ Mit der Verwendung dieser Begrifflichkeiten in Bezug auf die Klägerin rückt die Beklagte die Klägerin in ein kriminelles Licht, verletzt ihre Ehre und stigmatisiert sie. Die Beklagte verwendet ohne Erfordernis strafrechtliches Vokabular, was einer Vorverurteilung gleichkommt, um damit eine langjährige Mitarbeiterin zu diskreditieren. Diese Bezeichnungen und Wertungen für eine Mitarbeiterin, die ihre Arbeitskraft langjährig in den Dienst der Beklagten gestellt hat, sind derart ehrverletzend und herabwürdigend, dass von der Klägerin eine weitere Tätigkeit für die Beklagte nicht erwartet werden kann. Es kann der Klägerin nicht zugemutet werden, weiter für jemanden, der ein derartiges Verhalten ihr gegenüber an den Tag gelegt hat, tätig zu sein.
Zudem steht nicht zu erwarten, dass der Klägerin bei einer Rückkehr in den Betrieb unvoreingenommen entgegengetreten wird. In vorliegendem Verfahren hat die Beklagte der Klägerin vorgeworfen, im Vorprozess unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt zu haben. Dazu ist es nicht erforderlich und entspricht nicht der Wahrnehmung berechtigter Interessen, die Klägerin auch in diesem Prozess wiederholt der Begehung der Straftaten des Betruges und der Urkundenfälschung zu bezichtigen. Dennoch wiederholt die Beklagte in der Betriebsratsanhörung vom 10.10.2023 zu vorliegend streitbefangener Kündigung, dass sie die Kündigung vom 11.01.2023 darauf gestützt hatte, dass die Klägerin Teilnahmezertifikate für Praxisanleiterinnen gefälscht hatte und die Fälschungen sich insgesamt wie folgt darstellen. Die Beklagte rückt immer noch nicht von dem Vorwurf des Begehens der Straftaten des Betruges und der Urkundenfälschung zurück und wirft der Klägerin vor, mit krimineller Energie und Dreistigkeit gehandelt zu haben. Es steht daher zu erwarten, dass sie dieses weiterhin gegenüber der Klägerin äußern wird. Dies über sich ergehen lassen zu müssen, ist der Klägerin jedoch nicht zumutbar. Damit muss die Klägerin zugleich davon ausgehen, dass sie bei ihrer Rückkehr in dem Betrieb nicht unvoreingenommen behandelt wird. In dem zur Beteiligung des Betriebsrats an vorstehend streitbefangener Kündigung gerichteten Informationsschreiben vom 10.10.2023 schließt die Beklagte es aus, die Klägerin weiter als Pflegedienstleiterin oder sonst als Mitarbeiterin mit Führungs- oder Leitungsaufgaben zu beschäftigen. Damit verdeutlicht die Beklagte, womit die Klägerin im Falle des Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage bei ihrer Rückkehr im Betrieb zurechnen hat. Eine Beschäftigung mit ihren bisherigen Aufgaben kann sie danach nicht erwarten. Die Beklagte hat mit den Anhörungen des Betriebsrates unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr für möglich erachtet. Im Anhörungsschreiben vom 03.01.2023 hat sie ausgeführt, dass für sie das Vertrauensverhältnis zerstört und eine Fortführung der Beschäftigung undenkbar sei. Mit Informationsschreiben vom 09.01.2023 teilt sie mit, dass für sie das Vertrauensverhältnis massiv und unwiederbringlich zerstört, eine Fortführung der Beschäftigung unzumutbar sei. Wenn die Beklagte ausführt, dass eine Weiterbeschäftigung der Klägerin für sie unter keinen Umständen in Betracht kommt, bringt sie damit unmissverständlich zum Ausdruck, dass sie nicht bereit war und ist, die Klägerin wertneutral weiter zu beschäftigen. Sie war entschlossen, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zu beenden, weil aus ihrer Sicht das Vertrauensverhältnis zerstört war. Dann ist jedoch auch davon auszugehen, dass die Beklagte die Klägerin bei ihrer Rückkehr in den Betrieb nicht benachteiligungsfrei behandeln wird. Die Beklagte macht damit deutlich, dass sie die Klägerin nicht mehr als Arbeitnehmerin betrachtet, welche in ihren Betrieb störungsfrei integriert werden kann. Der durch die Beklagte nicht zurückgenommene Vorwurf der Begehung von Straftaten verdeutlicht, dass das arbeitsvertragliche Vertrauensverhältnis ihrerseits nicht mehr gegeben ist. Daran ändert auch das der Klägerin unterbreitete Änderungsangebot nichts. Es war absehbar, dass die Klägerin mit der Tätigkeit einer Pflegefachkraft und einer um ca. 1.000,00 € reduzierten Vergütung nicht einverstanden sein könnte. Zugleich verdeutlicht dieses Angebot, welche Wertschätzung die Beklagte der Klägerin entgegen bringt.
Eine Abfindung in Höhe von 76.283,42 € ist angemessen. Dabei hat das Gericht einen Bruttomonatsverdienst in Höhe von 5.297,46 € zugrunde gelegt (§ 10 Abs. 3 KSchG).
Gemäß § 10 Abs. 2 KSchG ist, wenn der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet hat und das Arbeitsverhältnis mindestens 20 Jahre bestand, ein Betrag bis zu 18 Monatsverdiensten festzusetzen. Die im März 1963 geborene Klägerin hat zum Zeitpunkt der Auflösung das 55. Lebensjahr vollendet und ist nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien zumindest seit August 1992 bei der Beklagten beschäftigt, nach ihrem eigenen Vorbringen seit September 1979. Damit weist sie eine Beschäftigungszeit von weit über 20 Jahren auf. Diese überaus lange Beschäftigungszeit der Klägerin, welche unstreitig seit August 1992 und damit etwa 32 Jahre besteht, ist abfindungserhöhend zu berücksichtigen. Auch wenn das Maß der Sozialwidrigkeit der hier streitbefangenen Kündigung als nicht sehr schwerwiegend anzusehen ist, war im Hinblick auf den Sanktionscharakter der Abfindung miteinzubeziehen, dass die Beklagte ihre Vorwürfe stetig wiederholt hat, obgleich es zur Wahrnehmung berechtigter Interessen nicht erforderlich war. Sie hat damit die Klägerin mehrfach, immer wieder in ihrer Person herabgewürdigt und in ihrer Ehre verletzt. Dies ist in der Person der Klägerin, wie ihre Erkrankungsdauer zeigt, nicht wirkungslos geblieben. Zudem stellt die Abfindung einen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes dar, der vorliegend nicht gefährdet war. Es ist daher sachgerecht, annähernd die Höchstgrenze für die Abfindung auszuschöpfen Ausgehend von einer Vergütung in Höhe von 5.297,46 € errechnet sich für 18 Monatsverdienste der Betrag von 95.354,28 €. Zu beachten war auch, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum Ausspruch der ersten Kündigung über einen sehr langen Zeitraum beanstandungsfrei bestanden hat, andererseits jedoch die Klägerin mit ihrem Verhalten im Zusammenhang mit den Fortbildungsveranstaltungen den Anlass für die Störung des Arbeitsverhältnisses gesetzt hat und damit eine Mitverantwortung trägt. Dies rechtfertigt einen Abschlag von der Höchstgrenze. Dieser darf jedoch angesichts des Umstandes, dass wenn man eine Abfindung nach der Formel ein halbes Monatsentgelt pro Beschäftigungsjahr (BAG, Urteil vom 21.06.2012 – 2 AZR 694/11 – Rn. 40, juris) ermittelt, sich bei einer Beschäftigungszeit von 32 Jahren eine Abfindungshöhe von 84.759.36 € ergeben würde, nicht zu hoch ausfallen. Das Gericht hat daher einen Abschlag von 20 % vorgenommen. Dieser ausgeurteilte Betrag erscheint einerseits ausreichend, andererseits aber auch erforderlich, um die Klägerin angemessen für den Verlust des Arbeitsplatzes zu entschädigen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 72 ArbGG) liegen nicht vor.