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Änderungskündigung eines Seemanns

ArbG Hamburg, Az.: S 1 Ca 209/13

Urteil vom 24.01.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 10.941,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer durch die Beklagte ausgesprochenen Änderungskündigung.

Änderungskündigung eines Seemanns
Symbolfoto: boggy/Bigstock

Der am … 1969 geborene, verheiratete und 3 Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei der Beklagten, die in der Regel mehr als 10 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer beschäftigt und bei der ein Betriebsrat besteht, seit 25. August 1995 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der damaligen F. AG, als Koch/ Küchenleiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 3.647,- EUR beschäftigt.

Zum 1. August 2006 übertrug die F. AG das nautisch-technische und das Crew-Management für die von ihr betriebenen Fährschiffe „T.“ und „T1“ auf die Beklagte. Im Zuge des Übergangs des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte schlossen die Parteien unter dem 7. Juli 2006 einen Arbeitsvertrag (Blatt 21 bis 24 der Akten) ab, in dem es u.a. heißt:

„Der Einsatz erfolgt grundsätzlich auf den Fährschiffen „T1“ und „T.“. Sollten die persönliche Urlaubssituation bzw. besondere Vorkommnisse es erfordern, kann der Einsatz in Abstimmung mit Herrn … auch auf anderen Schiffen der Reederei erfolgen.“

Die F. GmbH (früher AG) kündigte mit Schreiben vom 1. August 2013 (Blatt 26 und 27 der Akten) die Bereederungsverträge für die Fährschiffe T1 und T. zum 31. Januar 2014.

Mit Schreiben vom 12. August 2013 (Blatt 28 f. der Akten) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer dem Kläger gegenüber beabsichtigten Änderungskündigung an. Mit Schreiben vom 20. August 2013 (Blatt 5 der Akten) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 28. Februar 2014. Sie bot ihm zugleich an, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen, und zwar mit dem Einsatzort alle durch die Beklagte bereederten Schiffe fortzusetzen. Der Kläger nahm die Änderung der Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt an. Eine Ablösung der deutschen Seeleute erfolgt bei der Beklagten regelmäßig nach etwa 3 bis 4 Monaten. Dies soll zukünftig auch für den Kläger gelten.

Mit seiner am 10. September 2013 vorab per Fax beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Klage, die der Beklagten am 19. September 2013 zugestellt wurde, macht der Kläger die fehlende soziale Rechtfertigung und Unwirksamkeit der ausgesprochenen Änderungskündigung geltend.

Der Kläger trägt vor, mit der bisherigen ausschließlichen Tätigkeit auf den Fährschiffen im Ostseeraum sei, was unstreitig ist, die Möglichkeit verbunden gewesen, dass er jeweils schon nach einer Fahrtzeit von 6 Wochen seinen erworbenen Urlaubsanspruch habe abbauen können. Mit der geplanten Änderung käme er nicht mehr in den Genuss dieser Regelung. Als milderes Mittel habe die Beklagte die Ausweitung des Einsatzortes damit verbinden können, dass eine Urlaubsgewährung weiterhin nach jeweils 6wöchigem Seedienst oder jedenfalls nach einem kürzeren Zeitraum erfolgen könne.

Im Anhörungsschreiben an den Betriebsrat fehle der Hinweis darauf, dass mit der Ausweitung des Einsatzortes eine Schlechterstellung im Hinblick auf die bisherige Urlaubsregelung verbunden sei.

Die Änderung der Arbeitsbedingungen könne jedenfalls solange nicht umgesetzt werden, als die Beklagte nicht erfolgreich die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung habe ersetzen lassen.

Der Kläger beantragt, nachdem er den angekündigten sog. allgemeinen Feststellungsantrag zurückgenommen hat, festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 20. August 2013 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, eine bestimmte Fahrtzeitendauer sei nicht Inhalt des Arbeitsvertrages mit dem Kläger geworden. Insoweit sei auch keine Änderung der Arbeitsbedingungen erforderlich.

Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist vor dem Arbeitsgericht Hamburg und im Übrigen zulässig, aber nicht begründet.

I.

Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die ausgesprochene Änderungskündigung der Beklagten vom 20. August 2013 ist nicht sozial ungerechtfertigt und daher nicht gemäß §§ 1 Abs. 2, 2 KSchG unwirksam (2.). Auch weitere Unwirksamkeitsgründe sind nicht gegeben, insbesondere hat die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat ordnungsgemäß angehört (3.).

1. Die Änderung der Arbeitsbedingungen gilt nicht schon nach §§ 4, 7 KSchG als sozial gerechtfertigt. Der Kläger hat die dreiwöchige Klagefrist eingehalten. Er hat sich mit seiner am 10. September 2013 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen und der Beklagten am 19. September 2013 zugestellten Klage rechtzeitig gegen die Änderungskündigung vom 20. August 2013 gewendet (§§ 253 Abs. 1, 167 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG).

2. Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 20. August 2013 ist nicht sozial ungerechtfertigt. Die Änderung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer unveränderten Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen, bedingt.

a) Nimmt der Arbeitnehmer, wie im vorliegenden Fall, das Änderungsangebot des Arbeitgebers rechtzeitig unter Vorbehalt an, so hängt die Wirksamkeit einer Änderungskündigung von der sozialen Rechtfertigung der Vertragsänderung ab. Für eine Änderungskündigung nach § 2 KSchG müssen hinsichtlich ihrer sozialen Rechtfertigung die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 2 S. 1 bis 3 KSchG vorliegen. Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG das Änderungsangebot bedingen und ob der Arbeitgeber sich bei einem an sich anerkennenswerten Anlass zur Änderungskündigung darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (vgl. BAG vom 24. April 1997, EzA § 2 KSchG Nr. 26). Die Zumutbarkeit der angebotenen Änderungen beurteilt sich nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Danach dürfen sich die angebotenen Änderungen nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Ziels unbedingt erforderlich ist (KR-Rost, § 2 KSchG, Rdn. 98).

Eine Änderungskündigung ist unter anderem dann durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt, wenn außerbetriebliche Umstände unmittelbar dazu führen, dass das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter Zugrundelegung des Vertragsinhalts zu den bisherigen Arbeitsbedingungen entfällt (BAG vom 18. September 1997, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 97; BAG vom 17. Juni 1999, AP Nr. 103 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).

b) Unter Beachtung dieser Grundsätze ist ein betriebliches Erfordernis für die ausgesprochene Änderungskündigung hier gegeben. Unter Zugrundelegung der bisherigen vertraglichen Vereinbarungen gehen beide Parteien übereinstimmend und in der Sache zutreffend davon aus, dass der Einsatzort des Klägers beschränkt war auf die Fährschiffe T. und T1; nur insoweit bestand die Möglichkeit für die Beklagte, dem Kläger durch Ausübung des Direktionsrechts Einsätze zuzuweisen. Da die Beklagte unstreitig den Auftrag zur Bereederung dieser Fährschiffe verloren hat, kann der Kläger nicht mehr mit diesem Einsatzort beschäftigt werden.

Die Beklagte hat sich darauf beschränkt, dem Kläger nur die notwendigen Änderungen des Einsatzortes anzubieten. Der Kläger soll zukünftig auf allen durch die Beklagte bereederten Schiffen eingesetzt werden. Die Beklagte war nicht verpflichtet, dieses Angebot mit weiteren Einschränkungen zu versehen, etwa einer geringeren als der sonst für deutsche Seeleute üblichen Fahrtzeitdauer. Die Beklagte war insoweit berechtigt, die üblichen Arbeitsbedingungen auf den von ihr bereederten Schiffen auch auf den Kläger zu übertragen. Ihr Interesse, insoweit eine Gleichbehandlung der Seeleute vorzunehmen, ist ebenso anerkennenswert wie die Vermeidung durch eine Verkürzung des Ablöserhythmus entstehender zusätzlicher Kosten. Insbesondere ist eine bestimmte begrenzte Fahrtzeitdauer aufgrund des bisherigen Einsatzes nicht Vertragsinhalt geworden. Insoweit wird der Inhalt des Arbeitsvertrages nicht weiter abgeändert.

3. Die Beklagte hat auch den bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 12. August 2013 ordnungsgemäß und ausreichend zur auszusprechenden Änderungskündigung angehört. Bei einer Änderungskündigung hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat sowohl die Gründe für die Änderung der Arbeitsbedingungen als auch das Änderungsangebot mitzuteilen (vgl. BAG vom 27. September 2001, AP Nr. 40 zu § 4 TVG Nachwirkung). Dem trägt das Schreiben der Beklagten hinreichend Rechnung. Einer gesonderten Mitteilung zum sich aus der Änderung des Einsatzortes ergebenden veränderten Einsatzrhythmus bedurfte es nicht, da insoweit keine Änderung der vertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen erfolgte.

4. Der Wirksamkeit der Änderungskündigung steht nicht entgegen, dass eine erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu einer in der Änderung des Einsatzortes liegenden Versetzung gemäß § 99 BetrVG noch nicht vorliegt bzw. durch das Arbeitsgericht ersetzt ist. Es ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Änderungskündigung, dass im Kündigungszeitpunkt eine Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung vorliegt (vgl. BAG vom 22. April 2010, AP Nr. 145 zu § 2 KSchG 1969 m.w.N.).

II.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG zu tragen, da er unterlegen ist.

Der Wert des im Urteil festzusetzenden Streitgegenstandes beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO, § 42 GKG. Festzusetzen war der ein drei Bruttomonatsgehältern von 3.647,- EUR entsprechender Wert.

Eine Entscheidung über eine gesonderte Zulassung der Berufung war wegen § 64 Abs. 2 lit. c) ArbGG entbehrlich, da die Parteien über den Bestand und die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses streiten.

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