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Änderungskündigung – unbestimmtes Änderungsangebot – Weiterbeschäftigungspflicht

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 11 Sa 876/20 – Urteil vom 23.06.2021

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 10.09.2020 – 5 Ca 1957/19 – sowie die Anschlussberufung der Klägerin werden jeweils kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von zwei Änderungskündigungen und die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.

Die am .1970 geborene Klägerin, verheiratet, ist seit dem 01.10.2005 bei der Beklagten als Oberärztin in der Inneren Medizin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden laut Dienstvertrag vom 26.08.2005 die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR Caritas) in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Dienstvertrages vom 26.08.2005 wird auf Bl. 63 ff. d. A. verwiesen.

Die Klägerin war bis zu der Geburt ihrer Tochter in Vollzeit tätig. Bei der Beklagten werden oberärztliche Hintergrunddienste mit einer Pauschale honoriert, die von den Regelungen der AVR Caritas abweicht. Aufgrund des 1. Nachtrags vom 12.05.2009 zum Dienstvertrag vom 26.08.2005 (Bl. 12 d. A.) erfolgte ab dem 17.08.2009 eine Beschäftigung auf der Basis von 30 Stunden die Woche und der Verzicht der Teilnahme der Klägerin an dem oberärztlichen Hintergrunddienst.

Nachdem sich die Parteien im Frühjahr 2019 nicht über eine Abänderung der Vereinbarung hinsichtlich der Herausnahme der Klägerin aus dem oberärztlichen Hintergrunddienst einigen konnten, hörte die Beklagte mit Schreiben vom 17.09.2019 (Bl. 56 ff. d. A.) die Mitarbeitervertretung zu einer beabsichtigten Änderungskündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin an, wobei sie u. a. darauf hinwies, dass eine Teilnahme der Klägerin an dem Hintergrunddienst geboten sei, um eine gleichmäßige Verteilung dieser Dienste zu erreichen und die überobligatorische Belastung anderer Oberärzte abzubauen. Die Mitarbeitervertretung stimmte unter dem 23.09.2019 der beabsichtigten Änderungskündigung zu.

Die Beklagte sprach sodann gegenüber der Klägerin eine ordentliche Änderungskündigung mit Schreiben vom 20.09.2019 zum 31.03.2020 aus (Bl. 60 f. d A.), unterzeichnet vom Verwaltungsdirektor B .

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 30.09.2019 die Kündigung mangels Vollmachtsvorlage zurückgewiesen (Bl. 21 d. A.).

Die Beklagte hörte mit Schreiben vom 07.10.2019 (Bl. 68 ff. d. A.) aufgrund der Zurückweisung der Klägerin die Mitarbeitervertretung mit inhaltlich unveränderter Begründung vorsorglich erneut zur ordentlichen Änderungskündigung an.

Mit Schreiben vom 07.10.2019 sprach die Beklagte eine weitere ordentliche Änderungskündigung zum 31.03.2020 mit dem bereits unter dem 20.09.2019 unterbreiteten Änderungsangebot aus, diesmal unterzeichnet von den Geschäftsführern M und K (Bl. 78 f .d. A.)

Die Änderungsangebote der beiden Änderungskündigungen beinhalten die Bereitschaft der Klägerin, nach Maßgabe der betrieblichen Notwendigkeiten im Wechsel mit den anderen Oberärzten und Oberärztinnen am Rufbereitschaftsdienst der Inneren Medizin teilzunehmen, welcher gesondert vergütet werden soll.

Die Klägerin nahm die Änderungskündigungen unter dem Vorbehalt sozialer Rechtfertigung an.

Nachdem die Klägerin bei der Beklagten um Auskunft der Höhe der Vergütung für den Rufbereitschaftsdienst nachgesucht hatte, teilte die Beklagte zunächst mit Schreiben vom 26.03.2020 (Bl. 95 d. A.) mit, dass pro Dienst eine Pauschale von 246,71 EUR gezahlt werde. Mit Schreiben vom 08.04.2020 (Bl. 126 d. A.) gab sie an, dass in der Betriebsstätte St. J für den Rufbereitschaftsdienst pauschal 7.500,00 EUR an fünf Oberärzte gezahlt werde, mithin 1.500,00 EUR brutto pro Person. Ferner erfolge unter Widerrufsvorbehalt eine gesonderte Vergütung pro Notfallversorgung.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 10.09.2020 (Bl. 134 ff. d. A) u. a. festgestellt, dass die Änderungskündigungen vom 20.09.2019 vom 07.10.2019 rechtunwirksam seien, weil das Änderungsangebot hinsichtlich der Vergütung für die Teilnahme an den oberärztlichen Hintergrunddiensten nicht hinreichend bestimmt sei. Da die Klägerin die Änderungskündigungen unter Vorbehalt angenommen habe, könne sie keine unveränderte Beschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits verlangen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichtes wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihr am 13.10.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.10.2020 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 12.01.2021 begründet. Die Klägerin hat am 12.03.2021 Anschlussberufung innerhalb der bis zum 19.03.2021 verlängerten Berufungsbeantwortungsfrist eingelegt.

Die Beklagte führt aus, sie könne aufgrund geänderter Betriebsorganisation und der Personalsituation zur Sicherung des Versorgungsauftrages nicht länger auf die Teilnahme der Klägerin an den Hintergrunddiensten verzichten. Der Klägerin sei klar gewesen, dass jedenfalls die Vergütung, die sich aus den Regelungen der AVR Caritas ergebe, für die Ableistung der Dienst gezahlt werde. Die vorläufige Beschäftigung mit Hintergrunddiensten sei der Klägerin zumutbar, zumal diese Dienste nach der Regelungen der AVR Caritas vergütet würden.

Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 10.09.2020 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen;

2. die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen;

2. im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 10.09.2020 – 5 Ca 1957/19 – abzuändern, soweit es den Antrag zu 4.) abgewiesen hat und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin für den Fall des Obsiegens mit den Klageanträgen zu 1.) und zu 3.) zu den im Arbeitsvertrag vom 26.08.2005 nebst Zusatzvereinbarung vom 12.05.2009 geregelten Arbeitsbedingungen als Oberärztin ohne Verpflichtung zur Leistung von Hintergrunddiensten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.

Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Unwirksamkeit der Änderungskündigungen. Für die angestrebten Änderungen seien nicht betriebliche Erfordernisse ursächlich, sondern Beschwerden ärztlicher Kollegen. Der Klägerin sei es nicht zuzumuten, trotz unwirksamer Änderungskündigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens Hintergrunddienste zu erbringen, zu denen sie arbeitsvertraglich nicht verpflichtet sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 12.01.2021, 12.03.2021 und 31.03.2021, die Sitzungsniederschrift vom 23.06.2021 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Am 30.06.2021 haben die Parteien vor dem Arbeitsgericht Siegburg – 3 Ca 270/21 – vor dem Hintergrund einer weiteren Änderungskündigung einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, der die Teilnahme der Klägerin an den oberärztlichen Hintergrunddiensten im Einzelnen regelt.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2c) ArbGG statthaft und sie wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.

II. Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen festgestellt, dass die Änderungskündigungen vom 20.09.2019 und vom 07.10.2019 bereits deshalb unwirksam sind, weil das Änderungsangebot im Hinblick auf die Höhe der Vergütung für die oberärztlichen Hintergrunddienste nicht hinreichend bestimmt ist. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

1. Die Änderungskündigung ist ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zur Kündigungserklärung muss als zweites Element ein bestimmtes, zumindest bestimmbares und somit den Voraussetzungen des § 145 BGB entsprechendes Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen hinzukommen. Das Änderungsangebot muss so konkret gefasst sein, dass es der Arbeitnehmer ohne Weiteres annehmen kann. Ihm muss klar sein, welche Vertragsbedingungen künftig gelten sollen. Nur so kann er eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Er muss von Gesetzes wegen innerhalb der kurzen Frist des § 2 Satz 2 KSchG auf das Vertragsangebot des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden, ob er es ablehnt, ob er es mit oder ohne Vorbehalt annimmt. Schon im Interesse der Rechtssicherheit muss deshalb das Änderungsangebot zweifelsfrei klarstellen, zu welchen Vertragsbedingungen das Arbeitsverhältnis künftig fortbestehen soll. Unklarheiten gehen zulasten des Arbeitgebers. Allerdings genügt ein Änderungsangebot dem Bestimmtheitsgebot auch dann, wenn sich ihm nach Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zweifelsfrei entnehmen lässt, welche Arbeitsbedingungen künftig gelten sollen. Dabei können und müssen auch außerhalb des Kündigungsschreibens liegende, zur Erforschung seines Inhalts geeignete Umstände herangezogen und berücksichtigt werden. Da sich das Schriftformerfordernis des § 623 BGB nicht nur auf die Kündigungserklärung als solche, sondern auch auf das Änderungsangebot erstreckt, ist nach der Ermittlung des vom Erklärenden Gewollten aber zu prüfen, ob dieser Wille in der Urkunde noch einen hinreichenden Ausdruck gefunden hat. Bei formbedürftigen Erklärungen ist nur der Wille beachtlich, der unter Wahrung der vorgeschriebenen Form erklärt worden ist (BAG, Urt. v. 21.05.2019 – 2 AZR 26/19 – m. w. N.).

2. Die Beklagte hat in ihrem Änderungsangebot nicht ausdrücklich erläutert, wie sich die gesonderte Vergütung für die Teilnahme am Rufbereitschaftsdienst der inneren Medizin gestaltet. Das Änderungsangebot enthält auch keinen Hinweis darauf, dass die Vergütung nach hauseigenen Regelungen erfolgt. Erst Recht ist dem Angebot nicht zu entnehmen, dass eine Anspruchskonkurrenz zwischen dem praktizierten betrieblichen Vergütungssystem, welches auf einer Pauschale aufbaut, die unstreitig nicht mit den Vergütungsregelungen der AVR Caritas übereinstimmt, sowie den Bestimmungen der AVR Caritas im Sinne des Günstigkeitsprinzips aufgelöst wird. Selbst wenn die Klägerin dem Grund nach Kenntnis von der hauseigenen Pauschalregelung hatte, so ist damit noch nicht gesagt, dass ihr die im Jahr 2019 aktuellen Pauschalsätze bekannt waren. Dies ist umso mehr fraglich, da die Auskünfte der Beklagten zur Höhe der Pauschalvergütung in den Schreiben 26.03.2020 und 08.04.2020 widersprüchlich waren. Zusammenfassend ist daher feststellen, dass das Änderungsangebot mit erheblichen Zweifeln behaftet war und dem Bestimmtheitsgebot nicht genügte.

III. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Klägerin ohne Verpflichtung zur Leistung von Hintergrunddiensten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.

1. Bei einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht aufgrund des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs verpflichtet, den Arbeitnehmer vorläufig zu den bisherigen Bedingungen weiter zu beschäftigen. Da bei der Vorbehaltsannahme kein Streit über den Fortbestand, sondern nur über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses besteht, stellt sich das Problem eines Weiterbeschäftigungsanspruchs – wie beim umstrittenen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses – nicht. Wird der Arbeitnehmer, wenn auch zu anderen Bedingungen, tatsächlich weiter beschäftigt, ist seinem Beschäftigungsinteresse zunächst gedient. Der Arbeitnehmer gibt durch die Vorbehaltsannahme selbst zu erkennen, dass ihm zunächst die Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen zumutbar erscheint (BAG, Urt. v. 28.05.2009 – 2 AZR 844/07 – m. w. N.). Mit der Annahme des Änderungsangebots unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung kommt eine Vertragsänderung zustande, die unter der gem. § 8 KSchG rückwirkenden auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) gerichtlich festzustellender Sozialwidrigkeit steht (BAG, Urt. v. 24.03.2004- 5 AZR 355/03 – m. w. N.).

2. Die Klägerin hat durch die Annahme unter Vorbehalt zum Ausdruck gebracht, dass ihr die vorläufige Beschäftigung mit oberärztlichen Hintergrunddiensten zumutbar ist. Dies hat sie durch ihre tatsächliche Ableistung der Dienst auch bestätigt. Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit der Vertragsänderung durch Annahme des Änderungsangebots unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

 

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