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Änderungskündigung wegen sexueller Belästigung

Direktionsrecht des Arbeitgebers

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 1 Sa 76/19 – Urteil vom 18.10.2019

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 06.02.2019, Az.: 5 Ca 497/18 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung.

Der 1958 geborene verheiratete Kläger ist seit dem 01.12.1997 bei der Beklagten, die ständig weitaus mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, als Wachmann zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt durchschnittlich 3.302,19 EUR beschäftigt. Der Kläger war zuletzt in der militärischen Luftverteidigungsanlage Z. in der Objektüberwachung der Radarstation der Bundeswehr am Y. eingesetzt. Er war Konsolenbediener im Sinne der Lohngruppe des § 4 III Nr. 2 des Tarifvertrages für Sicherheitsdienstleistungen in den Bundesländern N. und M. (Bl. 497 ff. d.A.). Bei seiner Tätigkeit trug der Kläger eine Waffe und ihm oblag die Führung der jeweiligen Schicht einschließlich der Waffen- und Munitionsausgabe an seine Kollegen. Ihm oblag im Alarmfall die Leitung der Koordinierung der Mitarbeiter der Schicht. Ein für den Kläger zuständiger Betriebsrat existiert nicht. Nach § 10 des genannten, zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung allgemeinverbindlichen Tarifvertrags beträgt die Kündigungsfrist ab dem 6. Beschäftigungsjahr 35 Tage zum Schichtschluss.

Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 1.12.1997 (Bl. 9 ff. d.A.) sieht u.a. vor:

„2. Einsatzort/Tätigkeit/Vergütung

Es wird zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart, daß auf Weisung der Firma der Mitarbeiter jederzeit an einem anderen Ort und/oder mit einer anderen Tätigkeit eingesetzt werden kann. Auf die besonderen betrieblichen Notwendigkeiten eines Bewachungsunternehmens wurde ausdrücklich hingewiesen.

Der Mitarbeiter hat keinen Anspruch auf einen bestimmten Dienstposten.

Ab dem Tag der Versetzung ist die Vergütung gültig, die nach dem Tarifvertrag für die neue Tätigkeit bzw. den neuen Einsatzort maßgebend ist, sofern nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen oder andere Vereinbarungen zwischen den Parteien entgegenstehen.“

„4. Kündigung/Beendigung des Arbeitsverhältnisses

4.1 Die Kündigungsfristen für das Arbeitsverhältnis bestimmen sich nach den Vorschriften des für den Erfüllungsort geltenden Tarifvertrages.

Sofern keine diesbezügliche tarifvertragliche Bestimmung besteht, gelten die gesetzlichen Bestimmungen.“

Die Beklagte erbringt die Bewachungsleistungen als Unterauftragsnehmerin in der genannten Liegenschaft aufgrund eines Vertrages mit der Fa. X-GmbH, die im sog. Betreibermodell aufgrund eines Vertrages mit der Bundesrepublik (BMVg) die Absicherung des Objekts übernommen hat.

Im Vertrag der Fa. X-GmbH mit der Bundesrepublik ist in § 3 geregelt, dass „der Auftraggeber (Anm. Bundeswehr) auf Antrag des Nutzers berechtigt ist, bei Vorliegen wesentlicher Gründe jederzeit zu verlangen, dass Wachpersonal von der Beschäftigung im Rahmen dieses Vertrages ausgeschlossen und durch anderes ersetzt wird.“ Ferner heißt es: „Der Auftragnehmer muss der Ablöseforderung nachkommen. Er verpflichtet sich, die aufgrund einer Ablöseforderung abgelösten Personen nicht im Rahmen anderer Verträge über die Bewachung von Liegenschaften in der Bundeswehr einzusetzen.“

Korrespondierend hierzu heißt es in § 2 Ziff 7 des Bewachungsvertrages zwischen der Beklagten und der Fa. X-GmbH:

„Der AG ist berechtigt, jederzeit zu verlangen, dass Wachpersonal sofort von der Beschäftigung im Rahmen dieses Vertrages ausgeschlossen und durch anderes ersetzt wird. Der Hauptauftraggeber ist in der Regel verpflichtet, dem AN auf Verlangen die Gründe für die Ablöseforderung mitzuteilen.

Der AN muss der Ablöseforderung nachkommen. Er verpflichtet sich, die aufgrund einer Ablöseforderung abgelösten Personen nicht im Rahmen anderer Verträge über die Bewachung von Liegenschaften der Bw einzusetzen, sofern der Hauptaufraggeber die Ablöseforderung gestellt hat.“

Änderungskündigung wegen sexueller Belästigung
(Symbolfoto: Von Photographee.eu /Shutterstock.com)

Mit Schreiben vom 4. Mai 2018 (Bl. 50 f. d.A.) der Fa. X-GmbH forderte diese die Beklagte unter Bezugnahme auf ein am 13. April 2018 geführtes Telefonat auf, den Kläger von seiner Beschäftigung auszuschließen. Begründet wird dies im Schreiben zum einen mit einem nicht respektvollen Umgang mit militärischen Vorgesetzten im Jahr 2017, einer nicht ausreichenden Absicherung einer offenen Tür in der Nachtschicht vom 11./12.4.2018 sowie der Behauptung einer sexuellen Belästigung einer Vorarbeiterin eines im Objekt eingesetzten Reinigungsunternehmens, der erstinstanzlich vernommenen Zeugin W.. Nach Darstellung der Beklagten soll der Kläger Ende März/Anfang April 2018 im Wachgebäude ohne Einverständnis der Zeugin deren Hand angefasst und dabei gesagt haben: „Die sind aber kalt, so dürftest Du mein Ding nicht anfassen, sonst würde er sich verstecken.“ Ferner soll der Kläger Ende März/Anfang April 2018 absichtlich das Gesäß der Zeugin mit seinem Schlüsselbund berührt und wenige Tage vor dem 13.4.2018 zur Zeugin gesagt habe, er freue sich auf den Sommer, da ziehe man wendiger an.

Am 18.4.2018 bestritt der Kläger die Vorwürfe in einem Gespräch mit seinen Vorgesetzten. Ein gegen den Kläger eingeleitetes Strafverfahren wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung nach § 184i StGB wurde nach § 153 StPO eingestellt.

Mit Schreiben vom 20.4.2018 (Bl. 14 f. d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 29.5.2018, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt und bot dem Kläger zugleich eine Weiterbeschäftigung als Sicherheitsmitarbeiter im Objektschutz-/Pförtnerdienst in einem zivilen Objekt in V. unter entsprechender Eingruppierung nach dem Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in U. und einem daraus resultierenden Stundenlohn von seinerzeit 10,16 EUR brutto an.

Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt sozialer Rechtfertigung an und hat mit einem am 7.5.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz u.a. Änderungskündigungsschutzklage erhoben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen Sachvortrags der Parteien erster Instanz wird im Übrigen Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 274 ff. d.A.).

Soweit für das Berufungsverfahren von Interesse hat das Arbeitsgericht nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin W. zu den Behauptungen der Beklagten hinsichtlich des Vorwurfs der sexuellen Belästigung durch Urteil vom 6.2.2019, Az. 5 Ca 497/18, u.a. die Klage mit dem Antrag des Klägers festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die von der Beklagten mit Schreiben vom 20.4.2018 ausgesprochene Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, abgewiesen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht –zusammengefasst- ausgeführt:

Mangels Existenz eines Betriebsrats sei die Kündigung nicht nach § 102 BetrVG rechtsunwirksam. Sie sei auch sozial gerechtfertigt. Zwar lägen die Voraussetzungen einer sog. Echten Druckkündigung nicht vor, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei jedoch aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Der Kläger habe die Zeugin W. im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG sexuell belästigt und daher nach § 7 Abs. 3 AGG vertragliche Pflichten verletzt. Nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmung stehe fest, dass der Kläger wie von der Beklagten behauptet gegenüber der Zeugin jeweils unerwünscht Bemerkungen sexuellen und anzüglichen Inhalts gemacht habe und diese mit dem Schlüsselbund am Gesäß berührt habe. Er habe hierdurch die Würde der Zeugin verletzt. Auch die Interessenabwägung falle unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu Lasten des Klägers aus. Eine Abmahnung als milderes Mittel sei nicht erforderlich, da es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handele, deren Hinnahme durch die Beklagte für den Kläger erkennbar ausgeschlossen gewesen sei. Der Kläger habe sich uneinsichtig gezeigt und der Zeugin mit der von ihr geschilderten Bemerkung, „ob der Schuss nicht nach hinten gehen würde“, sogar mögliche Nachteile in Aussicht gestellt. Ferner sei die Beklagte nach Stellung des Ablöseverlangens durch ihre Auftraggeberin auch nicht mehr berechtigt gewesen, den Kläger im bisherigen Objekt einzusetzen. Auch die Änderung der einzelnen Arbeitsbedingungen, insbesondere von Arbeitsort und Vergütung, seien gerechtfertigt. Soweit der Kläger sich auf Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in T., S. und R. berufe, handele es sich bei den insoweit vom Kläger vorgelegten Stellenangeboten nicht um solche der Beklagten, sondern der Q-GmbH, also um solche eines anderen Unternehmens. Ferner scheide aufgrund der vertraglichen Regelung mit der Auftraggeberin der Beklagten ein Einsatz in militärischen Objekten aus. Die niedrigere Vergütung ergebe sich zwangsläufig aufgrund der in U. geltenden tariflichen Lohnregelungen.

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 12.2.2019 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 7.3.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 12.3.2019, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 18.3.2019, begründet.

Zur Begründung macht der Kläger mit dem genannten Schriftsatz sowie weiteren Schriftsätzen vom 17.6.2019 und 29.8.2019, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 342 ff., 410 ff., 459 f. d.A.), im Wesentlichen geltend:

Bei zutreffender Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme habe keine sexuelle Belästigung vorgelegen. Die Einstellung des Strafverfahrens schwäche den Verdacht einer strafbaren Handlung wesentlich ab. Die Kündigung sei überhaupt nicht auf den Verdacht einer sexuellen Belästigung gestützt worden. Im Gespräch mit seinem Vorgesetzten und dem Einsatzleiter sei es nicht um die Aufklärung der Vorfälle mit der Zeugin W. gegangen. Vielmehr sei gleich zu Beginn des Gesprächs erklärt worden, er werde eine Kündigung erhalten und diese habe nichts mit dem Vorwurf einer sexuellen Belästigung zu tun. Die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung lägen somit nicht vor. Selbst wenn sich der Sachverhalt so ereignet hätte, wie von der Zeugin geschildert – was aber nicht der Fall sei – handele es sich hierbei nicht um eine sexuelle Belästigung. Die vom Arbeitsgericht herangezogene Definition der sexuellen Belästigung in Vollzug der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2004 sei durch die Einführung des § 184 i StGB am 10.11.2016 überholt. Einen Schlüsselbund führe er im Übrigen niemals während des Dienstes mit sich. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass es zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch gar kein schriftliches Abberufungsverlangen der Auftraggeberin der Beklagten gegeben habe. Ein dem Schreiben der Auftraggeberin vom 4. Mai 2018 vorangegangenes Telefonat mit dem Inhalt eines Abberufungsverlangens sei zu bestreiten. Angesichts der Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses und der Bescheinigung sehr guter Leistungen durch den Kasernenkommandanten des vorigen Einsatzobjekts in einem Zeugnis vom 29.4.2013 hätte die Beklagte auf ein klärendes Gespräch mit den Beteiligten hinwirken müssen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei ein Einsatz in T. oder S. aufgrund der geringeren Entfernung weniger belastend. Die von ihm diesbezüglich genannten Stellen seien sowohl auf der Homepage der Beklagten als auch auf der Homepage der Q.-GmbH angeboten worden. Beide Unternehmen seien ein gemeinschaftlicher Betrieb.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 06. Februar 2019, Az. 5 Ca 497/18 abzuändern und festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die von der Beklagten mit Schreiben vom 20. April 2018 ausgesprochene Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit ihrer Berufungserwiderung gem. Schriftsatz vom 21.5.2019 und den weiteren Schriftsätzen vom 12.8.2018, 6.9., 8.10. und 14.10.2019, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 393 ff., 431 ff., 493 ff., 537 ff., 552 ff. d.A.), als zutreffend.

Die erstinstanzliche Beweiswürdigung werde durch die Einstellung des Strafverfahrens schon aus rechtlichen Gründen nicht in Frage gestellt. Das Arbeitsgericht habe das Verhalten des Klägers gegenüber der Zeugin W. in arbeitsrechtlicher Hinsicht zutreffend als sexuelle Belästigung gewertet. Soweit der Kläger erstmalig in der Berufungsinstanz Zeugen dafür benannt habe, dass er sich gegenüber der Zeugin nicht in der behaupteten Weise verhalten habe, sei dies verspätet. Die benannten Zeugen könnten auch inhaltlich zu den Vorgängen nichts sagen. Auch die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung sei nicht zu beanstanden. Insbesondere sei es ausreichend, dass zum Zeitpunkt der Kündigung ein mündliches unmissverständliches Abberufungsverlangen der Auftraggeberin anlässlich des Telefonats am 13.4.2018 vorgelegen habe. Die Schilderung des Klägers zum Inhalt des Gesprächs mit seinen Vorgesetzten am 18.4.2018 sei unzutreffend und in sich widersprüchlich. Es sei um die die Vorfälle mit der Zeugin W. gegangen. Zu Recht habe das Arbeitsgericht angesichts der Schwere der Pflichtverletzungen, der Uneinsichtigkeit des Klägers und der von der Zeugin bekundeten Androhung von Nachteilen eine Abmahnung für entbehrlich gehalten. Hieran ändere auch ein angebliches positives Zeugnis eines Kasernenkommandanten aus dem Jahr 2013 nichts. Das Arbeitsverhältnis sei auch in der Vergangenheit nicht störungsfrei verlaufen. Die vom Kläger in Bezug genommenen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in S. oder T. seien Stellen eines anderen Unternehmens. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten seien aber nur unternehmensbezogen, nicht aber unternehmensübergreifend zu berücksichtigen. Des Weiteren seien auch die Stellen im Raum T. und im Raum P. für militärische Liegenschaften ausgeschrieben, in denen der Kläger aber aufgrund der vertraglichen Vorgaben nicht mehr eingesetzt werden dürfe. Auch die vom Kläger im Berufungsverfahren unter Hinweis auf Ausdrucke der von der Beklagten im Internet veröffentlichten Stellenangebote (Bl. 417 ff., insbesondere Bl. 420 d.A.) in Bezug genommene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit als Sicherheitsmitarbeiter in S. als wohnortnähere Einsatzmöglichkeit rechtfertige keine andere rechtliche Beurteilung. Alle Stellenangebote der Unternehmen der Unternehmensgruppe Q. würden auf einer einheitlichen Plattform veröffentlicht. Wie sich aus der detaillierten Stellenbeschreibung (Bl. 557 d.A.) ergebe, auf die man durch Anklicken der für S. ausgeschriebenen Stelle gelange, handele es sich um ein Stellenangebot der Q.- S. GmbH, mithin um das eines anderen Unternehmens.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird verwiesen auf die erstinstanzliche Sitzungsniederschrift vom 23.1.2019 (Bl. 256 ff. d.A.). Die Berufungskammer hat ergänzend Beweis erhoben durch (im Einverständnis mit den Parteien) erfolgte schriftliche Vernehmung der Zeugen B., A., C. und D.. Auf den Beweisbeschluss vom 16.8.2019 (Bl. 442) und die schriftlichen Aussagen (Bl. 465, 520, 522 sowie 524 ff. d.A.) wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO.

B.

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Änderungskündigung der Beklagten gem. Schreiben vom 20. April 2018 ist rechtswirksam. Die Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt im Sine des § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG. Auch sonstige Unwirksamkeitsgründe liegen nicht vor. Das Arbeitsgericht hat die Änderungskündigungsschutzklage des Klägers zu Recht abgewiesen. Die Berufungskammer folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Urteils und stellt dies fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist keine abweichende rechtliche Beurteilung geboten.

I.

Die Änderungskündigung ist aus verhaltensbedingten Gründen im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.

1.

Die Klage ist allerdings nicht schon deshalb unbegründet, weil es sich bei der streitgegenständlichen Kündigung um eine sog. „überflüssige“ Änderungskündigung handelt. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Änderung der Arbeitsbedingungen in Ausübung des Direktionsrechts herbeizuführen.

a)

Eine Änderung von „Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG steht nur im Streit, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten vertraglichen Bedingungen anbietet. § 2 Satz 1 KSchG setzt ersichtlich voraus, dass es zur Änderung der Arbeitsbedingungen einer Kündigung des bestehenden Arbeitsvertrags bedarf. Das ist nur der Fall, wenn der Arbeitgeber die von ihm erstrebte Änderung auf Basis der bestehenden vertraglichen Regelungen gerade nicht zu erreichen vermag. Das bedeutet umgekehrt, dass eine faktische Änderung, die schon auf der Grundlage des bestehenden Arbeitsvertrags, dh. ohne Einverständnis des Arbeitnehmers durchsetzbar ist, keiner Vertragsänderung und deshalb keiner Kündigung bedarf. Unter „geänderten Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1 KSchG sind folglich andere Arbeitsvertragsbedingungen zu verstehen. Vom Arbeitgeber erstrebte Änderungen, die er schon durch Ausübung seines Weisungsrechts gem. § 106 Satz 1 GewO durchsetzen kann, halten sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und sind keine „Änderung von Arbeitsbedingungen“ nach § 2 Satz 1, § 4 Satz 2 KSchG. Während das Weisungsrecht der wechselnden Konkretisierung des unveränderten Vertragsinhalts dient, zielt die Änderungskündigung auf eine Änderung des Vertrags. Soll am bestehenden Vertragsinhalt nichts geändert werden, liegt in Wirklichkeit kein Änderungsangebot vor. Die vermeintlich erst herbeizuführenden Vertragsbedingungen gelten bereits. Eine Änderungsschutzklage ist in diesem Fall – notwendig – unbegründet (vgl. etwa BAG 26.01.2012 -2 AZR 102/11- Rn.12 ff., juris).

b)

Wie aus dem ergänzenden Sachvortrag der Parteien in Vollzug des gerichtlichen Hinweises gem. Beschluss vom 16. August 2019 übereinstimmend hervorgeht, beinhaltet die Änderungskündigung nicht die Zuweisung gleichwertiger Tätigkeiten, sondern zielt auf eine fachlich geringerwertige Tätigkeit bei einer gleichzeitigen erheblichen Vergütungsherabsetzung ab. Wie sich insbesondere aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 6. September 2019, auf den Bezug genommen wird (Bl. 493 ff. d.A.) ergibt, resultiert die geringere Entlohnung nicht allein daraus, dass der nach Ziff 2. Abs. 3 des Arbeitsvertrages fortan geltende Lohntarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen in U. für die gleiche Tätigkeit eine geringere Vergütung vorsieht. Vielmehr folgt die geringere Vergütung daraus, dass die neue Tätigkeit des Klägers geringerwertig als die bisherige ist. Hatte der Kläger bisher Dienst mit der Waffe zu verrichten und Führungsverantwortung zu tragen, ist die Tätigkeit in V. die eines einfachen Wachmanns. Ungeachtet dessen, dass der Arbeitsvertrag der Parteien in Ziff. 1 die Tätigkeit des Klägers mit „Wachmann“ umschreibt, berechtigt das arbeitgeberseitige Direktionsrecht nicht dazu, dem Arbeitnehmer wesentlich geringerwertige Tätigkeiten zuzuweisen, sondern nur zur Zuweisung gleichwertiger Tätigkeiten (vgl. etwa BAG 24.04.1996 -4 AZR 976/94- Rn. 25; 23.02.2012 -2 AZR 44/11- Rz. 29, juris).

2.

Die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die streitgegenständliche Kündigung ist aus verhaltensbedingten Gründen im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

a)

Rechtlich unerheblich ist zunächst, welchen genauen Inhalt das Gespräch zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten/Einsatzleiter am 18.4.2018 hatte. Eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung nur bei einer sog. Verdachtskündigung, also einer solchen, bei der die Kündigung gerade auf den Verdacht einer strafbaren oder pflichtwidrigen Handlung gestützt wird (vgl. etwa BAG 23.8.2018 -2 AZR 133/18- Rn. 48, juris). Die Beklagte hat aber keine Verdachtskündigung ausgesprochen. Sie stützt die Kündigung auf den ihrer Ansicht nach erwiesenen Vorwurf einer sexuellen Belästigung.

b)

Eine Änderung der Arbeitsbedingungen iSv. § 2 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist und das Änderungsangebot des Arbeitgebers sich darauf beschränkt, solche Änderungen vorzusehen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (BAG 05.06.2014 – 2 AZR 615/13 – Rn. 22; 10.04.2014 – 2 AZR 812/12 – Rn. 24 mwN., juris). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat (BAG 24.05.2012 – 2 AZR 163/11 – Rn. 13; 23. Februar 2012 – 2 AZR 45/11 – Rn. 11; juris). Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise akzeptieren muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beurteilen. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um Vertragsstörungen zukünftig auszuschließen. Diese Voraussetzungen müssen für alle angebotenen Vertragsänderungen vorliegen. Keine von ihnen darf sich weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 10.04.2014 – 2 AZR 812/12 – aaO; 13.06.2012 – 10 AZR 296/11 – Rn. 35; juris).

c)

Es liegt ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund vor. Der Kläger hat vertragliche Nebenpflichten dadurch verletzt, dass er die Zeugin W. sexuell belästigt hat.

aa)

Gemäß § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann. Zu den zu wahrenden Pflichten gehört auch die Pflicht sexuelle Belästigungen anderer im jeweiligen Betrieb eingesetzter Arbeitnehmer zu unterlassen, auch wenn diese nicht in einem Arbeitsverhältnis zum eigenen Arbeitgeber stehen. Durch eine derartige sexuelle Belästigung wird der betriebliche Frieden in gleicher Weise gestört, wie bei der Belästigung von ebenfalls in einem Arbeitsverhältnis zum gleichen Arbeitgeber stehenden Arbeitnehmern. Zudem ist ein derartiges Verhalten geeignet, die vertragliche Beziehung des Arbeitgebers zum Arbeitgeber der belästigten Person oder zu einem gemeinsamen Auftraggeber zu stören und zu gefährden.

bb)

Der Kläger hat die Zeugin W. sexuell belästigt. Unerheblich ist entgegen der Auffassung des Klägers zunächst, ob das Verhalten des Klägers einen Straftatbestand erfüllt hat.

Der Begriff der sexuellen Belästigung ist arbeitsrechtlich eigenständig in § 3 Abs. 4 AGG als Form der unzulässigen, zu Handlungspflichten des Arbeitgebers nach § 12 Abs. 3 AGG führenden Benachteiligung definiert. Danach liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen können dabei den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen (BAG 09.06.2011 -2 AZR 323/10- Rn. 18, juris).

Diese eigenständige arbeitsrechtliche Definition der sexuellen Belästigung ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht durch Einführung des § 184 i StGB obsolet geworden. Dies folgt schon daraus, dass der Gesetzgeber § 3 Abs. 4 AGG unverändert gelassen hat. Straf- und Arbeitsrecht verfolgen unterschiedliche Zwecke. Arbeitsrechtlich ist nicht alles erlaubt, was strafrechtlich noch nicht relevant ist. § 12 Abs. 3 iVm. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 4 AGG konkretisieren vertraglich bestehende Schutzpflichten des Arbeitgebers und korrespondierende Pflichten der Arbeitnehmer im Interesse der ungestörten Vertragsdurchführung.

cc)

Nach den erstinstanzlichen Feststellungen hat der Kläger u.a. Ende März/Anfang April 2018 im Wachgebäude ohne deren Einverständnis die Hand der Zeugin W. angefasst und geäußert: „Die ist aber kalt, wenn Du mein Ding so anfassen würdest, würde er sich verstecken.“ Ferner hat der Kläger nach den getroffenen Feststellungen geäußert, er freue sich im Hinblick darauf, dass dann auch durch die Klägerin leichtere Bekleidung getragen werde, auf den Sommer.

Hierbei handelt es sich um sexuelle Belästigungen nach § 3 Abs. 4 AGG. Es handelt sich um unangemessene Bemerkungen sexuellen Inhalts. Die Bemerkung hinsichtlich der kalten Hand der Zeugin impliziert, dass diese ein Interesse an einer derartigen Berührung habe. Entsprechendes gilt für die Bemerkung hinsichtlich sommerlicher Kleidung. Nach den Bekundungen der Zeugin wurde diese Bemerkung getätigt, als sie mit dem Kläger allein im Raum war, so dass sich diese Bemerkung ungeachtet des genauen Wortlauts bei objektiver Betrachtung auf die Zeugin bezog. Die Äußerung bringt zum Ausdruck, dass der Kläger sich darauf freut, die körperlichen Reize der Zeugin besser wahrnehmen zu können und damit zugleich, dass er sie als Objekt zur Anregung eigener sexuell geprägter Fantasien betrachten wird. Beide Bemerkungen verletzten die Würde der Zeugin und degradieren sie zum Sexualobjekt.

Eine Unerwünschtheit des Verhaltens scheidet entgegen der Auffassung des Klägers nicht deswegen aus, weil die Zeugin ihm gegenüber kein Missfallen hinsichtlich der Bemerkungen zum Ausdruck gebracht hat. Ausreichend ist eine objektive, für den Kläger erkennbare Unerwünschtheit, wobei unerheblich ist, wie der objektiv Belästigende selbst sein Verhalten eingeschätzt und empfunden haben mag (vgl. BAG 09.06.2011, aaO., Rn. 22, 24; BAG 20.11.2014 -2 AZR 651/13-, Rn. 18, juris). Die Zeugin hat dem Kläger keinerlei Veranlassung gegeben anzunehmen, sie habe ebenfalls ein sexuelles Interesse an ihm. Die objektive Unerwünschtheit war demnach für den Kläger erkennbar.

dd)

Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens des Klägers bestehen keine konkreten Anhaltspunkte im Sinne von § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszuges gebunden. Diese Bindung entfällt aber, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 ZPO). Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinn sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Derartige konkrete Anhaltspunkte können sich unter anderem aus Vortrag der Parteien vorbehaltlich der Anwendung von Präklusionsvorschriften auch aus Vortrag der Parteien in der Berufungsinstanz ergeben. Zweifel im Sinne der Regelung in § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH 21.03.2018 -VII ZR 170/17- Rn. 15, juris).

In Anwendung dieser Grundsätze besteht nach Auffassung der Berufungskammer keine Wahrscheinlichkeit dafür, dass die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben. Die Aussage der erstinstanzlich vernommenen Zeugin W. ist detailreich, in sich widerspruchsfrei und schildert neben dem objektiven Geschehensablauf auch die emotionale Befindlichkeit der Zeugin. Eine Belastungstendenz ist nicht erkennbar. Es bestehen keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin ein Motiv dafür haben könnte, den Kläger ungerechtfertigt zu belasten oder mit diesem über die relativ kurzen Begegnungen im Rahmen ihrer Reinigungstätigkeit hinaus Berührungspunkte hatte. Da die Zeugin auch nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stand, bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ihre Aussage durch das Bestreben motiviert war, der Beklagten hiermit zu helfen, den Prozess zu gewinnen.

Auch aus dem Berufungsvorbringen ergeben sich keine Zweifel im oben dargestellten Sinne. Die Aussagen der in der Berufungsinstanz ergänzend schriftlich vernommenen Zeugen B., A. und C. sind unergiebig. Alle Zeugen haben bekundet, keine Angaben zur Sache machen zu können, da sie sich nicht im Dienst befanden (A., C.) bzw. sich nicht im selben Raum befunden haben (B.). Dies wiederum spricht für die Darstellung der Zeugin W., die bekundet hat, dass bei den Vorfällen neben ihr und dem Kläger niemand im Raum zugegen war.

Zweifel im dargestellten Sinne ergeben sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht daraus, dass ein gegen ihn gerichtetes Strafverfahren eingestellt wurde. Wie bereits dargelegt sind der strafrechtliche und der arbeitsrechtliche Begriff der sexuellen Belästigung nicht deckungsgleich. Die Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens hat somit ungeachtet auch rechtlich nicht bestehender Bindungswirkung keine indizielle Wirkung für die Frage, ob durch eine arbeitsrechtlich relevante sexuelle Belästigung arbeitsrechtliche Pflichten verletzt wurden.

Es kann dahinstehen, ob außer den genannten Bemerkungen eine weitere sexuelle Belästigung dadurch erfolgte, dass der Kläger sexuell motiviert das Gesäß der Zeugin mit einem Schlüsselbund berührte oder dies möglicherweise versehentlich erfolgte. Auch wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, zu einer Berührung sei es nur unabsichtlich bzw. gar nicht gekommen, wiegen die dargestellten sexuellen Belästigungen in Form der genannten Bemerkungen so schwer, dass sie die Änderungskündigung rechtfertigen.

3.

Der Kläger muss die mit der Änderungskündigung verfolgten Änderungen der Arbeitsbedingungen in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes billigerweise akzeptieren.

a)

Soweit die Änderungskündigung zu einer Änderung des Arbeitsortes und der dort zu verrichtenden Tätigkeit führt, ist sie geeignet, zukünftige Vertragsstörungen zu vermeiden.

Dies folgt zum einen daraus, dass hierdurch ein Kontakt zwischen dem Kläger und der Zeugin W. ausgeschlossen wird und nach der Art der neuen Tätigkeit (Einlasskontrollen, Dienstgänge) ein (unbeobachteter) Kontakt mit weiblichen Personen wesentlich erschwert, wenn nicht gar ausgeschlossen ist. Die Maßnahme ist ferner geeignet, die eingetretene und fortwirkende Störung des Vertrages zwischen der Beklagten und ihrer Auftraggeberin zu beseitigen, denn sie führt dazu, dass die Beklagte ihrer aus § 2 Ziff. 7 des mit ihrer Auftraggeberin bestehenden Bewachungsvertrages folgenden Pflicht, einem Abberufungsverlangen zu entsprechen, erfüllt.

b)

Die mit der Änderungskündigung verfolgten Änderungen des Arbeitsvertrages sind auch erforderlich.

Auf eine Abmahnung als milderes Mittel muss sich die Beklagte nicht verweisen lassen. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass eine Abmahnung vorliegend nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung entbehrlich war. Hierauf wird Bezug genommen. Es ist weiter zu berücksichtigen, dass der Kläger keinerlei Einsicht gezeigt hat, sondern im vorliegenden Verfahren die Ansicht vertreten hat, in rechtlicher Hinsicht liege mangels Strafbarkeit keine arbeitsrechtlich relevante sexuelle Belästigung vor.

Hinzu kommt, dass die Beklagte gegenüber ihrer Auftraggeberin vertraglich verpflichtet ist, einem Abberufungsverlangen zu entsprechen. Wie sich aus der Aussage der Zeugin D. ergibt, war der Hauptauftraggeber (Bundeswehr) gegenüber der Auftraggeberin der Beklagten vertraglich berechtigt, von dieser bei Vorliegen wesentlicher Gründe jederzeit zu verlangen, dass Wachpersonal sofort von der Beschäftigung im Rahmen dieses Vertrages ausgeschlossen wird. Dem entsprechend wurde in § 2 Ziff. 7 des Vertrages zwischen der Beklagten und ihrer Auftraggeberin eine entsprechende Vertragsklausel vereinbart, der zufolge die Auftraggeberin von der Beklagten jederzeit die Abberufung von Wachpersonal von der Beklagten verlangen kann. Wenn diese vertragliche Bestimmung möglicherweise einschränkend dahingehend auszulegen sein sollte, dass trotz weitergehenden Wortlauts die Auftraggeberin der Beklagten nicht berechtigt ist, ohne Vorliegen von Gründen gegenüber der Beklagten ein Abberufungsverlangen zu stellen, sondern sich die Berechtigung hierzu darauf beschränkt, ein solches nur dann stellen zu können, wenn die Auftraggeberin der Beklagten ihrerseits mit einem vertragsgemäßen Abberufungsverlangen der Bundeswehr konfrontiert ist, ergibt sich, dass die Auftraggeberin das Abberufungsverlangen vertragsgemäß gestellt hat und die Beklagte ohne Vertragsverletzung gegenüber ihrer Auftraggeberin nicht berechtigt gewesen wäre, den Kläger weiter im bisherigen Bundeswehrobjekt einzusetzen. Es lag nämlich aufgrund der dargestellten sexuellen Belästigungen ein wesentlicher Grund und damit ein objektiv berechtigtes Abberufungsverlangen vor. Schon aus diesem Grund schied eine Abmahnung als milderes Mittel aus, da die durch das Verhalten des Klägers eingetretene Störung des Vertragsverhältnisses zwischen der Beklagten und ihrer Auftraggeberin, auf das der Kläger Rücksicht zu nehmen hatte, hierdurch nicht beseitigt werden konnte.

Dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein Abberufungsverlangen der Auftraggeberin der Beklagten vorlag, ergibt sich aus der Aussage der schriftlich vernommenen Zeugin D.. Diese hat bekundet, dass ein solches Verlangen bereits anlässlich des im Schreiben an die Beklagte vom 4. Mai 2018 (Bl. 50 d.A.) in Bezug genommenen Telefonats gestellt wurde, weil seitens der Bundeswehr ein entsprechendes Abberufungsverlangen gestellt war. Die Aussage der Zeugin ist glaubhaft. Die Aussage der Zeugin schildert den Geschehensablauf detailreich und widerspruchsfrei.

War demnach eine Versetzung des Klägers erforderlich, hat sich die Beklagte darauf beschränkt, die den Kläger am wenigsten belastenden Veränderungen zum Inhalt des Änderungsangebots zu machen.

Nach den vertraglichen Bestimmungen zwischen der Bundeswehr und nachfolgend zwischen der Beklagten und ihrer Auftraggeberin hatte das Abberufungsverlangen zur Folge, dass nicht nur ein Einsatz des Arbeitnehmers, dessen Ablösung verlangt wurde, in dem bisherigen militärischen Objekt ausscheidet, sondern auch ein Einsatz in anderen Liegenschaften der Bundeswehr ausgeschlossen war. Als anderweitige Einsatzmöglichkeiten verblieben daher nur zivile Objekte.

Soweit der Kläger sich im Rahmen der Berufung darauf beruft, als weniger belastende Maßnahme käme ein Einsatz in Objekten in S. oder T. in Betracht und dabei Bezug genommen hat auf eine Veröffentlichung von Stellenangeboten im Internetauftritt der Q.-GmbH (Bl. 18 d.A.) kann dahinstehen, dass die Beklagte weder berechtigt noch verpflichtet ist, dem Kläger Arbeitsstellen eines anderen Unternehmens anzubieten. Die annoncierte Stelle in T. wird beschrieben als Stelle „Sicherheitsmitarbeiter (m/w) unter Waffe für militärische Liegenschaften im Raum T.“. Es handelt sich also um eine Tätigkeit in Objekten der Bundeswehr. Zu einem Einsatz in derartigen Objekten ist die Beklagte nach den bestehenden vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Beklagten und deren Auftraggeberin ist ihr nach dem Abberufungsverlangen ein Einsatz des Klägers in militärischen Objekten rechtlich nicht möglich.

Hinsichtlich der vom Kläger erstinstanzlich in Bezug genommenen Beschäftigung als Sicherheitsmitarbeiter im Raum S. (nicht in S.), hat die Beklagte dargelegt, dass sie kein Objekt in S. betreut und sofern der Kläger hiermit ein Objekt in P. meinen sollte, der Kläger eine noch längere Fahrtstrecke in Kauf nehmen müsste. Der Kläger seinerseits hat nicht näher dargelegt, welches Objekt der Beklagten in S. er meint.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren unter Hinweis auf den Abruf von im Internet veröffentlichten Stellenangeboten der Beklagten (Bl. 420 d.A.) als weniger belastende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit eine Tätigkeit als „Sicherheitsmitarbeiter in S.“ in Bezug genommen hat, ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Ausdrucken des Internetauftritts, dass es sich nicht um eine Stelle der Beklagten, sondern um eine solche eines anderen Unternehmens, der Q.- S. GmbH, handelt. Die kündigungsschutzrechtliche Prüfung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten ist aber unternehmens-, nicht konzernbezogen (grundlegend BAG 14.10.1982 -2 AZR 568/80- Rn. 43 ff; in der Folge etwa BAG 27.11.1991 -2 AZR 255/91- Rn. 33 ff., juris). Umstände, die ausnahmsweise die Berücksichtigung einer unternehmensübergreifenden Beschäftigungsmöglichkeit rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Es ist weder dargelegt, noch ersichtlich, dass sich die Q.- S. GmbH zur Übernahme des Klägers bereit erklärt hat, noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nach dem Arbeitsvertrag von vornherein mit Konzern- oder Unternehmensgruppenbezug eingestellt wurde oder sich arbeitsvertraglich mit einer Versetzung innerhalb des Konzerns oder der Unternehmensgruppe einverstanden erklärt hat.

Ebenfalls muss der Kläger die mit der Änderung von Tätigkeit und Einsatzort einhergehende Vergütungsänderung hinnehmen. Die Höhe der Vergütung folgt aus der Anwendung des zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung allgemeinverbindlichen Lohntarifvertrags für Sicherheitsdienstleistungen U.. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält keine eigene Vergütungsregelung, sondern bezieht sich ebenfalls auf das jeweilige tarifliche Vergütungssystem.

Bei einer vom Arbeitgeber angestrebten Änderung sowohl der Tätigkeit als auch der Vergütung muss die Änderung der Vergütung dann nicht selbständig gerechtfertigt sein, wenn sich die Höhe der Vergütung aus einem Vergütungssystem, etwa einem Lohntarifvertrag von selbst ergibt, weil für die Eingruppierung auf die jeweiligen Tätigkeitsmerkmale abgestellt wird (BAG 24.5.2012 – 2 AZR 163/11- Rn. 37, juris; GK-KSchG/Kreft, § 2 KSchG Rn. 175).

II.

Sonstige Gründe, die zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung führen könnten, sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Ein Grund zur Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.

 

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