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Altersdiskriminierung – Gleichbehandlungsgrundsatz

ArbG Stuttgart, Az.: 11 Ca 3130/16, Urteil vom 10.11.2016

Leitsätze: Eine in einem Sozialplan vorgesehene Abfindungsregelung, die die Abfindungshöhe auf fünf bzw. im Falle der Schwerbehinderung sechs Bruttomonatsgehälter festlegt, ohne nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit oder dem Alter zu differenzieren, verstößt nicht gegen den Grundsatz des Verbotes der Altersdiskriminierung.

Jedenfalls im Anwendungsbereich des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG (Neugründung eines Unternehmens) verstößt eine derartige Regelung auch nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (unter Berücksichtigung des Zweckes eines Sozialplanes).

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf Euro 48.801,42 festgesetzt.

4. Die Berufung wird gesondert zugelassen.

Tatbestand

Altersdiskriminierung – Gleichbehandlungsgrundsatz
Symbolfoto: endomotion / Bigstock

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bezahlung einer weiteren Abfindung über die sich aus einem Sozialplan sowie einer weiteren freiwilligen Betriebsvereinbarung ergebenden Sozialplanabfindung hinaus unter dem Gesichtspunkt der Altersdiskriminierung bzw. dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung.

Die Klägerin war seit dem 06.10.1993 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zu einem Bruttomonatsgehalt von ca. 2.400,00 Euro als Montagemitarbeiterin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete durch Kündigung der Beklagten vom 25.02.2016 zum 30.09.2016 (vgl. Anlage K1, Abl. 6), gegen die die Klägerin keine Kündigungsschutzklage erhob. Die Beklagte und der für den Betrieb E. zuständige Betriebsrat schlossen neben einem Interessenausgleich vom 23.02.2016 unter dem Datum vom 23.02.2016 einen Sozialplan, der insbesondere folgenden Wortlaut hat:

„(…)

2. 1 Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich dieses Sozialplans fallen und deren Arbeitsverhältnisse aufgrund der im Interessenausgleich der Betriebspartner vom 23.2.2016 beschriebenen Maßnahme und aufgrund betriebsbedingter Kündigung durch SMPS enden, haben Anspruch auf eine Abfindung wie folgt:

– Diese betroffenen Arbeitnehmer erhalten eine pauschalierte und für alle Arbeitnehmer gleichartig berechnete Abfindung i.H.v. 5 individuellen durchschnittlichen Bruttomonatsvergütungen (Klarstellung: damit unabhängig von den Jahren der Betriebszugehörigkeit).

– Als Höhe der individuellen durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung für den jeweiligen Arbeitnehmer wird (a) dessen Bruttomonatsgrundvergütung im Dezember 2015 zugrunde gelegt zuzüglich (b) der Zahlung einer evtl. freiwilligen monatlichen Zulage/eines sog. monatlichen Besitzstandes im Dezember 2015 und (c) 1/12 des 13.-Gehaltes/Bonus des Jahres 2015; sonstige evtl. Zuschläge jeglicher Art, Anwesenheitsprämien, Sonderleistungen; sonstige Einmalzahlungen werden auch nicht anteilig berücksichtigt.

– Beträgt die wie vorstehend beschrieben berechnete individuelle durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers weniger als EUR 2.500,– so ist für die Berechnung der Abfindung eine erhöhte individuelle durchschnittliche Bruttomonatsvergütung i.H.v. EUR 2.500,– zugrunde zu legen; für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer gilt ein anteiliger Betrag.

– Beträgt die wie vorstehend beschrieben berechnete individuelle durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers mehr als EUR 6.200,–, so ist für die Berechnung der Abfindung nur eine Bruttomonatsvergütung i.H.v. EUR 6.200,– zugrunde zu legen; für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer gilt ein anteiliger Betrag.

– Die so berechnete Abfindung wird für die am 23.2.2016 (a) anerkannten schwerbehinderten Arbeitnehmer (Grad der Behinderung von mindestens 50) oder (b) den schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Arbeitnehmern (diese i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX) zusätzlich erhöht um eine weitere wie vorstehend berechnete individuelle durchschnittliche Bruttomonatsvergütung.

2.2 Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich dieses Sozialplans fallen, haben das Recht, Ihr Arbeitsverhältnis ordentlich mit einer Kündigungsfrist von 10 Tagen zum Ablauf eines 15.-ten oder eines Monatsendes vorzeitig schriftlich zu kündigen, aber erst sobald sie unwiderruflich freigestellt sind gem. Ziff. 2.6 des Interessenausgleichs vom 23.2.2016.

Machen Arbeitnehmer von diesem Recht Gebrauch, erhalten diese eine weitere Abfindung („Turboabfindung“). Die Turboabfindung beträgt 75% des gesamten Brutto-Betrages (ohne Arbeitgeberanteile zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen), den SMPS bis zur Beendigung des jeweiligen Arbeitsverhältnisses zu dem in der Kündigung von SMPS genannten Zeitpunkt als Vergütung hätte zahlen müssen, wenn das Arbeitsverhältnis nicht vom Arbeitnehmer ordentlich vorzeitig gekündigt worden wäre. Die Höhe der Turboabfindung wird gedeckelt auf max. EUR 7.500,—

(…)“

Die Betriebsparteien schlossen ferner eine weitere (freiwillige) Betriebsvereinbarung unter dem Datum vom 23.02.2016 ab, die unter anderem folgenden Wortlaut hat:

2. Zusatzabfindung

2.1 Voraussetzung für die Zahlung einer Zusatzabfindung ist, dass (a) die Arbeitnehmer sich in keiner Weise gegen eine Kündigung der SMPS wehren, die aufgrund des Interessenausgleichs vom 23.2.2016 ausgesprochen wird, die insbesondere keine Klage gegen eine Kündigung einreichen, und zudem (b) die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer aufgrund der Kündigung von SMPS zu dem in der Kündigung von SMPS angegebenen ordentlichen Beendigungszeitpunkt endet.

2.2 Die Höhe der Zusatzabfindung beträgt für die Arbeitnehmer pauschal 125% einer Bruttomonatsvergütung (Klarstellung: damit unabhängig von den Jahren der Betriebszugehörigkeit). Abzustellen ist auf die individuelle durchschnittliche Bruttomonatsvergütung. Für die Zusatzabfindung gelten ergänzend die Regelungen zur Abfindung aus dem Sozialplan vom 23.2.2016 (dies gilt u.a. für die Entstehung des Abfindungsanspruchs, ein möglicher Entfall, die Berechnung der Bruttomonatsvergütung (vgl. hierzu Ziff. 2.1), die Abrechnung, die Fälligkeit, die Anrechnung auf andere Ansprüche, die Ausschlussfristen etc.).

Insgesamt wurden 15 Mitarbeiter vom Sozialplan erfasst, die Klägerin ist mit 50,19 Jahren (Stichtag Sozialplan) eine der Ältesten, – das durchschnittliche Alter aller 15 Mitarbeiter beträgt 46,91 Jahre. Bezogen auf den Stichtag war der jüngste Arbeitnehmer 32,73 Jahre alt, der älteste 60,42 Jahre. Zwei weitere Arbeitnehmer waren unter 40 Jahre alt (einer davon fast 40), sechs Arbeitnehmer waren zwischen 40 und 50 Jahre alt; fünf Arbeitnehmer waren zwischen 50 und 60 Jahre alt. Die Klägerin war im Februar 2016 50 Jahre alt. Die Klägerin war zum Stichtag 50,19 Jahre alt, damit ca. 3 Jahre älter als der durchschnittliche Arbeitnehmer. Die Betriebszugehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer war sehr unterschiedlich und betrug (zum Stand 29.2.2016) zwischen ca. 5 und 22 Jahren.

Den abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen vom 23.02.2016 ging folgende Entwicklung voraus (vgl. auch die Präambel des unter dem Datum 23.02.2016 abgeschlossenen Interessenausgleichs, Anlage B1, Abl. 31 ff.):

Über das Vermögen der Rechtsvorgängerin der Beklagten wurde im Jahre 2014 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte hatte mit Datum 01.10.2014 als neugegründetes Unternehmen den Betrieb der Rechtsvorgängerin in E. übernommen. Im Zuge der Betriebsübernahme wurde seitens des Insolvenzverwalters aufgrund eines Erwerberkonzeptes Kündigungen ausgesprochen. Das Erwerberkonzept sah vor, dass die Beklagte – bis auf die Schaffung eines Modulcenters mit ca. 20 Mitarbeitern – den Betrieb noch längstens 18 Monate, d.h. bis längstens 31.03.2016 aufrechterhält. Es wurde ein Interessenausgleich mit Namensliste sowie ein Insolvenzsozialplan abgeschlossen, der insbesondere die 6-monatige Beschäftigung in einer Transfergesellschaft vorsah. Die Abfindungen aus dem Insolvenzsozialplan sind bisher noch nicht ausbezahlt, insbesondere steht auch die etwaige konkrete Höhe nicht fest.

Nachdem sich die Pläne eines Modulcenters allerdings – insbesondere vor dem Hintergrund, dass kein geeigneter Ort gefunden wurde – zerschlagen hatte, entschloss sich die Beklagte allen restlichen Mitarbeitern zu kündigen und den Betrieb in E. vollständig zu schließen (mit einer entsprechenden Betriebsverlagerung nach Tschechien). In diesem Zuge wurden die obig aufgeführten Betriebsvereinbarungen geschlossen. Die Beklagte hat (vgl. Anlage B5, Abl. 127) einen entsprechenden Entwurf für den Sozialplan vom 23.02.2016 übermittelt, der am rechten Rand eine Kommentierung enthält, die insbesondere die im Sozialplan vorgesehene Abfindung von fünf Bruttomonatsgehältern erläutert.

Die Klägerin ist der Rechtsansicht, dass die Regelung im Sozialplan einer pauschalen Zahlung von 5 bzw. 6 Bruttomonatsgehältern, ohne Berücksichtigung des Alters oder der Dauer der Betriebszugehörigkeit, als Einheitsabfindung gegen den (betriebsverfassungsrechtlichen) Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 BetrVG) verstoße. Die in einem Sozialplan vorgesehene Abfindung habe eine Überbrückungsfunktion, wobei die Betriebsparteien die unterschiedlichen Arbeitsmarktchancen bei der Ausgestaltung der Höhe der Abfindung zu berücksichtigen hätten. Die Wertung der Vorschrift des § 112 Abs. 5 BetrVG, die zwar unmittelbar nur für eine Entscheidung der Einigungsstelle gelte, sei dabei aber auch entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht, auch bei einvernehmlicher Regelung der Betriebsparteien zu berücksichtigen. Die Ausnahmevorschrift des § 112a Abs. 2 S. 1 BetrVG greife nicht ein, es liege kein Neugründungsfall im Sinne der Vorschrift vor. Die Beklagte habe von vornherein – was auch im abgeschlossenen Interessenausgleich dokumentiert sei – die Absicht gehabt, den Betrieb stillzulegen. In diesem Fall sei die Vorschrift vom Sinn und Zweck, insbesondere die Entwicklung neu gegründeter Unternehmen durch eine Sozialplanabfindung nicht zu erschweren, nicht einschlägig. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sei auch bezogen auf die freiwillige Betriebsvereinbarung (erhöhte Abfindung bei Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage) anzunehmen.

Die Regelung verstoße ferner gegen den Grundsatz des Verbotes der Altersdiskriminierung, vgl. §§ 1;3; 7 Abs. 1 und 2 AGG, § 75 BetrVG. Durch das völlige Fehlen der Faktoren Alter und / oder Betriebszugehörigkeit bei der Berechnung der Abfindungshöhe würden jüngere Mitarbeiter mit typischerweise kürzeren Betriebszugehörigkeitszeiten gegenüber älteren Arbeitnehmern bessergestellt oder umgekehrt die älteren Mitarbeiter im Vergleich zu diesen schlechter gestellt. Ein Rechtfertigungsgrund hierfür bestehe nicht.

Bei der Berechnung der Forderung, die aus der Ungleichbehandlung resultiere, sei die Gesamtdotierung der Sozialpläne ins Verhältnis zu setzen mit Alter und Betriebszugehörigkeit des Durchschnitts der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der Faktoren bei der Klägerin (vgl. im Einzelnen Berechnung Abl. 4 ff., Klage vom 18.05.2016), wonach sich eine weitergehende Abfindung in Höhe von 28.801,42 Euro zu Gunsten der Klägerin ergebe. Hilfsweise sei jedenfalls festzustellen, dass die abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen unwirksam seien und nach neuen Verteilungsgrundsätzen verhandelt werden müssen.

Der Klägerin beantragt zuletzt:

1. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 28.801,42 EUR (brutto), als weitere Abfindung über die im Sozialplan vorn 23.02.2016, bzw. der freiwilligen BV vom 23.02.2016 zu beanspruchenden Abfindungen hinaus zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die weitere Abfindung (Ziff.1) am 25.02.2016 entstanden und sofort vererblich ist.

hilfsweise:

3. Es wird festgestellt, dass der Sozialplan zwischen der Beklagten und deren Betriebsrat vom 23.02.2016 in Ziff.2.1. unwirksam ist und nach neuen Verteilungsgrundsätzen verhandelt werden muss.

4. Es wird festgestellt, dass die freiwillige Betriebsvereinbarung zwischen der Beklagten und deren Betriebsrat vom 23.02.2016 in Ziff.2.2. unwirksam ist und nach neuen Verteilungsgrundsätzen verhandelt werden muss.

Die Beklagte beantragt: Klagabweisung.

Die Beklagte ist der Rechtsauffassung, dass beide unter dem Datum vom 23.02.2016 abgeschlossenen Sozialpläne weder altersdiskriminierend noch gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstießen. Ziel des neuen Sozialplanes sei es gewesen, die aufgrund der neuen Maßnahme entlassenen Mitarbeiter ähnlich zu behandeln wie die Mitarbeiter, die unter den Insolvenzsozialplan fielen. Die Klägerin werde im Übrigen mit dem jetzigen Sozialplan deutlich besser gestellt als die seinerzeit im Rahmen der Insolvenz der Rechtsvorgängerin entlassenen Mitarbeiter. Es bestünde im Hinblick auf den Insolvenzsozialplan eine Unsicherheit, ob und inwieweit es überhaupt zu einer Auszahlung kommt. Es liege schließlich keine Einheitsabfindung vor, was sich bereits daran zeige, dass der Sozialplan von der Höhe an das individuelle zu berechnende Bruttomonatsgehalt anknüpfe und eine Deckelung der Höhe des zu bestimmenden Bruttomonatsgehalts nach unten bzw. oben stattfinde.

Es liege im Übrigen eine Neugründung im Sinne des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG vor, so dass die Ermessenskriterien nach § 112 Abs. 5 BetrVG, die ohnehin nur für die Einigungsstelle gelten, keine Anwendung finden. Bei der Frage einer Neugründung im Sinne des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG sei auf das Unternehmen und nicht auf den Betrieb abzustellen. Es liege auch kein Rechtsmissbrauch vor. Hierfür müssten auch nach der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.6.2006 (1 ABR 18/05) hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beklagte im Jahr 2014 den Betrieb vor allem in der Absicht übernommen hatte, ihn umgehend stillzulegen (Stichwort; Stilllegungs-GmbH, vgl. BAG 13.6.1989, 1 ABR 14/88), um auf diese Weise den Insolvenzverwalter von der bestehenden Sozialplanpflicht zu entlasten. Dies liege nicht vor, was sich bereits aus dem Erwerberkonzept ergebe. Der dann einfachere Weg, dass der Insolvenzverwalter den gesamten Betrieb schließt und alle Mitarbeiter entlässt, wurde gerade nicht gewählt.

Selbst bei unterstellter Nichtanwendbarkeit der Vorschrift des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG ergebe sich kein anderes Bild. Es könne nicht angenommen werden – und dies wurde außerhalb einer Einigungsstelle auch bisher noch nie höchstrichterlich angenommen – dass die Betriebsparteien nach Alter bzw. Betriebszugehörigkeit differenzieren müssen. Soweit die Klägerseite auf die Vorschrift des § 10 Nr. 6 AGG abstelle, spreche die Systematik der Vorschrift als Rechtfertigungsgrund (d.h. grundsätzlich sei eben eine Differenzierung nach dem Alter untersagt) gerade dagegen, dass eine Differenzierung vorgenommen werden müsse.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verhandlungsprotokolle verwiesen, vgl. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 313 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist bezüglich Klagantrag Ziffer 2 unzulässig, im Übrigen sowohl im Hauptantrag als auch bezüglich der Hilfsanträge unbegründet. Im Einzelnen:

I.

Der Antrag der Klägerin auf Zahlung einer weiteren Abfindung in Höhe von 28.801,42 EUR (brutto) ist unbegründet.

1. Der unter dem Datum vom 23.02.2016 abgeschlossene Sozialplan, der eine Zahlung von 5 Bruttomonatsgehältern unabhängig von Alter und Betriebszugehörigkeit vorsieht, ist rechtswirksam, insbesondere liegt weder eine unzulässige Altersdiskriminierung noch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, mithin scheidet eine „Anpassung nach oben“ und damit eine weitere Zahlung über die im Sozialplan geregelte Abfindung aus (zur „Angleichung nach oben“ vgl. nur etwa Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Auflage, § 7 AGG Rz. 8 m.w.N.).

a) Die Regelung unter Ziffer 2.1 des Sozialplanes vom 23.02.2016 begründet weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne des § 3 Abs. 1, Abs. 2 AGG.

aa) Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Um eine unmittelbare Benachteiligung handelt es sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 2 AGG gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. Anderes gilt dann, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sind, um das Ziel zu erreichen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, handelt es sich schon tatbestandlich nicht um eine Benachteiligung iSv. § 7 Abs. 1 AGG (vgl. etwa BAG vom 23. April 2013 – 1 AZR 916/11 – Rn. 15; vgl. auch BAG vom 18.09.2014 – 6 AZR 636/13).

bb) Eine unmittelbare Altersdiskriminierung scheidet mithin von vornherein aus. Nach der Regelung des Sozialplanes sollen alle Mitarbeiter fünf bzw. im Falle der Schwerbehinderung 6 Bruttomonatsgehälter der Abfindung erhalten, nach dem Alter der Mitarbeiter wird gerade als Anknüpfungspunkt nicht differenziert. Das Alter ist für die begünstigende Norm gerade nicht Anspruchsvoraussetzung.

Aber auch eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters (vgl. § 3 Abs. 2 AGG) liegt nicht vor. Eine mittelbare Diskriminierung ist dadurch gekennzeichnet, dass die nachteilige Maßnahme nicht an ein Merkmal nach § 1 AGG anknüpft, sondern an Kriterien, die auch grundsätzlich von „Nicht-Merkmalsträgern“ erfüllt werden können. Der Maßnahme muss eine allgemeine Regel zu Grunde liegen. Eine Benachteiligung ist mittelbar merkmalsbedingt, wenn als Differenzierungskriterium, das die nachteiligen Folgen herbeiführt, zwar nicht unmittelbar die Zugehörigkeit zur geschützten Gruppe dient, wohl aber solche Merkmale, die v. Gruppenmitgliedern erheblich häufiger als von anderen Personen erfüllt werden. In diesem Falle ist wegen der typischerweise überwiegenden gruppenangehörigen Personen treffenden nachteiligen Wirkung zu vermuten, dass gerade die Gruppenzugehörigkeit maßgebliche Ursache der Benachteiligung war (vgl. nur etwa EuGH vom 07.06.2012, NZA 2012, 742;vgl. auch BAG vom 06.10.2011, NZA 2011, 1431).

Die Regelung in Ziffer 2.1 des Sozialplanes stellt gerade nicht bestimmte Anspruchskriterien auf, die von älteren Mitarbeitern typischerweise nicht erfüllt werden können, denn alle Arbeitnehmer erhalten die entsprechende Abfindung von 5 bzw. 6 Bruttomonatsgehältern. Ältere Mitarbeiter werden in diesem Sinne nicht ungleich behandelt. Die Klägerseite stellt vielmehr darauf ab, dass ältere Mitarbeiter im Hinblick auf die Funktion eines Sozialplanes eine höhere Abfindung erhalten müssten als jüngere Mitarbeiter. Dies ist aber keine Frage einer Altersdiskriminierung, sondern die Frage eines etwaigen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne des § 75 BetrVG (hierzu sogleich unter I 1. b der Gründe).

b) Die Regelung in Ziffer 2.1 des Sozialplanes verstößt nicht gegen § 75 BetrVG unter Zugrundelegung (auch) der Zwecke eines Sozialplanes. Im vorliegenden Fall liegt eine Neugründung im Sinne des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG dar, was zur Folge hat, dass die Ermessenskriterien des § 112 Abs. 5 BetrVG weder mittelbar noch unmittelbar übertragen werden können und die hier konkret geregelten Abfindungsmodalitäten nicht zu beanstanden sind. Die erkennende Kammer geht im Übrigen selbst bei unterstellter Nichtanwendbarkeit der Vorschrift des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG von einer Rechtswirksamkeit der Regelung aus.

aa) Ein Sozialplan dient gemäß § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG dem Ausgleich bzw. der Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die dem Arbeitnehmer infolge einer Betriebsänderung entstehen. Neben der Funktion eines Ausgleiches für den Verlust des Arbeitsplatzes steht die (zukunftsbezogene) Funktion einer Überbrückungshilfe bis zu einem neuen Arbeitsplatz bzw. dem Bezug des gesetzlichen Altersruhegeldes im Vordergrund (Überleitungs- und Vorsorgefunktion, vgl. etwa BAG vom 11.11.2008, NZA 2009, 210).

Die Betriebsparteien haben bei Betriebsvereinbarungen § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten. Der dort geregelte und auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Sind in einer Betriebsvereinbarung für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Leistungen vorgesehen, verlangt der Gleichheitssatz, dass diese Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Maßgeblich hierfür ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck. Dieser ergibt sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird. Dabei ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass diese die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. zum Ganzen etwa BAG vom 8. Dezember 2015 – 1 AZR 595/14 – Rn. 20 mwN; vgl. auch BAG vom 26.04.2016 – 1 AZR 435/14).

Im Bereich des § 112 Abs. 5 BetrVG ist davon auszugehen, dass die Einigungsstelle den vorgegebenen Ermessensrahmen überschreitet, wenn sie für alle von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer ohne Unterschied Abfindungen festsetzt, deren Höhe sich allein nach dem Monatseinkommen und der Dauer der Betriebszugehörigkeit bemisst (vgl. nur BAG vom 14.09.1994 – 10 ABR 7/94). Im Übrigen wird teilweise auch bei einvernehmlicher Regelung der Betriebsparteien die Zahlung einer Einheitsabfindung, z.B. 10.000,00 Euro für jeden Mitarbeiter, als Verstoß gegen § 75 BetrVG gewertet mit dem Argument, „Ungleiches müsse seiner Eigenart auch differenziert behandelt werden“ (vgl. nur Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Auflage, § 112 a BetrVG Rz. 26).

bb) Es liegt eine Neugründung im Sinne des § 112 a Abs 2 S. 1 BetrVG vor, die es verbietet, den Umstand, dass die Beklagte im Rahmen des abgeschlossenen Sozialplanes weder für die Abfindungshöhe an das Alter noch an die Betriebszugehörigkeit anknüpft, als Verstoß gegen § 75 BetrVG zu werten.

(1) Für die gesetzliche Ausnahme von der Sozialplanpflicht kommt es nicht auf das Alter des Betriebs, sondern auf das des Unternehmens an. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der überwiegenden Auffassung im Schrifttum (vgl. nur etwa BAG vom 27.06.2006 – 1 ABR 18/05 mit umfassenden Nachweisen zum Meinungsstand).

Nach Wortlaut und Syntax von § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist der für die Ausnahme von der Sozialplanpflicht entscheidende Umstand das Alter des Unternehmens, nicht das des Betriebs. Sonst dürfte es nicht heißen, es würden Betriebe eines Unternehmens in den ersten vier Jahren nach “seiner” Gründung, sondern es müsste heißen, sie würden in den ersten vier Jahren nach “ihrer” Gründung vom Anwendungsbereich des § 112 Abs. 4 BetrVG bzw. Abs. 5 ausgenommen (vgl. BAG vom 13. Juni 1989 – 1 ABR 14/88 – BAGE 62, 108, zu B 3 a der Gründe) . Dem entsprechen Sinn und Zweck der Regelung. Mit ihr geht es dem Gesetzgeber um die Schaffung zusätzlicher Beschäftigungsmöglichkeiten (vgl. Entwurf der Bundesregierung zum BeschFG 1985 vom 11. Oktober 1984 BT-Drucks. 10/2102 S. 14 zu A I). Dazu sollen im Betrieb eines neu gegründeten Unternehmens Betriebsänderungen durchgeführt werden können, ohne dass ein Sozialplan über die Einigungsstelle erzwungen werden kann. Das soll Unternehmen die schwierige Anfangsphase des Aufbaus erleichtern. Nach der Gesetzesbegründung knüpft die Ausnahmeregelung ausdrücklich an die Gründung des Unternehmens, nicht an die des Betriebs an. Dementsprechend sind länger als vier Jahre bestehende Unternehmen auch dann nicht privilegiert, wenn sie neue Betriebe errichten (BT-Drucks. 10/2102 S. 28) . Das Gesetz will zum Engagement in neue Unternehmen ermutigen, indem das mit einem Misserfolg verbundene Sozialplanrisiko aufgehoben wird. Der Gesetzgeber hat sich eine Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten ersichtlich schon mit der finanziellen Entlastung neu gegründeter Unternehmen – etwa bei der Übernahme älterer, aber notleidender Betriebe – und nicht erst dadurch versprochen, dass mit dieser Gründung unmittelbar die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Errichtung von Betrieben verbunden ist (vgl. BAG vom 13. Juni 1989 – 1 ABR 14/88 der Gründe).

Einem Abstellen auf das Alter des Unternehmens stehen auch europarechtliche Vorgaben nicht entgegen, insbesondere besteht kein Wertungswiderspruch zu der Regelung des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB bzw. der Richtlinie Art. 3 Nr. 1 Abs. 1 EGRL 23/2001, da diese Regelungen nur individualrechtliche Pflichten des Veräußerers erfasst, zu diesen indes die mögliche Pflicht zum Abschluss eines Sozialplanes mit dem Betriebsrat nicht gehört (vgl. nur BAG vom 27.06.2005, a.a.O Rz. 25 ff.).

Die Berufung der Arbeitgeberin auf die Ausnahme von der Sozialplanpflicht bzw. die Nichtgeltung des § 112 Abs. 5 BetrVG kann rechtsmissbräuchlich sein. Dies kann der Fall sein, wenn ein Betrieb in der Weise stillgelegt wird, dass er zunächst auf ein neu gegründetes Unternehmen übertragen wird und dann von diesem aufgelöst wird (vgl. nur BAG vom 13.06.1989 – 1 ABR 14/88).

(2) Die Beklagte ist im Jahre 2014 gegründet worden, mithin wurde der hier streitgegenständliche Sozialplan innerhalb der vier Jahresfrist abgeschlossen. Dass der übernommene Betrieb bereits länger bestand, ist, siehe oben, unerheblich.

Ein Rechtsmissbrauch liegt nicht vor. Zwar ist der Klägerseite zuzugeben, dass im Jahre 2014 im Zuge der Übernahme des Betriebes durch die Beklagte bereits ein Entschluss vorlag, dokumentiert auch durch den abgeschlossenen Interessenausgleich sowohl aus dem Jahre 2014 als auch vom 23.02.2016, den Betrieb spätestens nach 18 Monaten zum 31.03.2016 zu schließen. Zu beachten ist indes, dass jedenfalls eine Absicht, den Betrieb umgehend zu schließen ohne unternehmerische Aktivitäten zu entfalten bzw. andere Ziele als eine Entlastung des Insolvenzverwalters zu verfolgen, nicht erkennbar sind. Die Beklagte beabsichtigte gerade den Betrieb für einen relevanten Zeitraum fortzuführen. Ferner war auch eine über den 31.03.2016 hinausgehende Fortführung eines Modulcenters mit 20 Arbeitnehmer beabsichtigt. Zudem wurde ja gerade ein Insolvenzsozialplan abgeschlossen, von einer beabsichtigten Umgehung der Sozialplanpflicht kann gerade keine Rede sein. Dass die Beklagte im Übrigen ja gerade gewillt war, ihrerseits einen Sozialplan abzuschließen, wird gerade ja durch den am 23.02.2016 abgeschlossenen Sozialplan bestätigt. Dieser Sichtweise steht – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch der Gesetzeszweck der Vorschrift nicht entgegen. Der Gesetzgeber bezweckt mit der Regelung die Schaffung zusätzlicher Beschäftigungsmöglichkeiten. Es ist nicht ersichtlich, dass diese von vornherein auf Dauer angelegt sein müssen. Jedenfalls dann, wenn – wie hier – als Alternative die Schließung des kompletten Betriebes im Raum stand, ist von einer relevanten – wenn auch zeitlich eingeschränkten – Betriebsfortführung auszugehen, die kein Rechtsmissbrauch darstellt.

Die Anwendung des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG ist schließlich nicht über § 112 a Abs. 2 S. 2 BetrVG ausgeschlossen.

Nach dieser Bestimmung gilt die Privilegierung neu gegründeter Unternehmen nicht für Neugründungen, die im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen entstehen. In diesen Fällen besteht angesichts des Regelungszwecks des Satzes 1 keine Veranlassung für eine Ausnahme von der generellen Sozialplanpflicht. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs gehören zu solchen Neugründungen beispielsweise die Verschmelzung bestehender auf ein neu gegründetes Unternehmen, die Auflösung eines bestehenden Unternehmens unter Übertragung seines Vermögens auf ein neu gegründetes Unternehmen, die Aufspaltung eines Unternehmens auf mehrere neu gegründete Unternehmen und die Abspaltung von Teilen bestehender Unternehmen auf neu gegründete Tochtergesellschaften (BT-Drucks 10/2102 S. 28).

Es ist nicht ersichtlich bzw. von der Klägerseite vorgetragen, dass die Beklagte gegründet wurde, um anschließend einen von einem Mutter-, Schwester- oder Tochterunternehmen bereits geführten Betrieb zu übernehmen und damit schon bestehende unternehmerische Aktivitäten der eigenen Unternehmensgruppe nur innerhalb neuer rechtlicher Strukturen fortzusetzen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten stand offensichtlich nicht in einem „Konzernverhältnis“ zur Beklagten bzw. zum Unternehmen mit Sitz in Tschechien.

cc) Da § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG Anwendung findet, findet die Vorschrift des § 112 Abs. 5 BetrVG, die jedenfalls für die Einigungsstelle bestimmte Ermessenskriterien aufstellt, insbesondere die Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalles bei dem Ausgleich oder bei der Milderung wirtschaftlicher Nachteile (Nr. 1) bzw. die Berücksichtigung der Aussichten der betroffenen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt (Nr. 2), keine Anwendung. Die hat im Ergebnis zur Folge, dass ein Abstellen auf das Alter bzw. die Betriebszugehörigkeit, nicht verlangt werden kann bzw. eine Nichtberücksichtigung nicht als Verstoß gegen § 75 BetrVG gewertet werden kann. Andernfalls würde, würde man die Berücksichtigung des Einzelfalles auch im Anwendungsbereich der Privilegierung des § 112a Abs. 2 S. 1 BetrVG verlangen, ein Wertungswiderspruch entstehen: Wenn schon im Bereich der Einigungsstelle keine Bindung an die entsprechenden Ermessenskriterien angenommen werden kann, hat dies erst Recht für eine einvernehmliche Regelung der Betriebsparteien zu gelten. Insoweit überzeugt auch der Vortrag der Klägerin nicht, wonach zwar die Beklagte im Falle der unterstellten Anwendbarkeit des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG bezüglich des „Ob“ des Abschlusses eines Sozialplanes frei sei, nicht jedoch bezüglich des „Wie“. Die Vorschrift schließt sowohl die Anwendbarkeit des § 112 Abs. 4 BetrVG und damit die Erzwingbarkeit des Sozialplanes und damit das „Ob“ aus als auch den § 112 Abs. 5 BetrVG (Ermessenskriterien) und damit das „Wie“.

Im Übrigen ist zu konstatieren, dass eine klassische Einheitsabfindung gerade nicht vorliegt und durchaus dabei individuelle Umstände berücksichtigt sind. Der Sozialplan knüpft an das Bruttomonatsgehalt an, welches naturgemäß bei den betroffenen Arbeitnehmern variiert und unterschiedlich ausfällt. Bezüglich des heranzuziehenden Bruttomonatsgehalts findet eine Deckelung sowohl nach unten als auch nach oben statt, wenn Ziffer 2.1 des Sozialplanes regelt, dass bei der Höhe des Bruttomonatsgehaltes in jedem Fall ein Betrag von 2.500,00 Euro bzw. nach oben maximal 6.200,00 Euro zu Grunde zu legen ist. Mit der vorgesehenen Erhöhung der Abfindung bei Schwerbehinderten wird zumindest in diesem Fall die typischerweise schwierigeren Arbeitsmarktchancen der Betroffenen berücksichtigt.

Es ist ferner zu konstatieren, dass die getroffenen Sozialplanregelung nach Überzeugung der Kammer (auch ohne eine durchgeführte Beweisaufnahme der beklagtenseits benannten Personalleiterin der Rechtsvorgängerin, die Klägerin hat diesen Vortrag der Beklagten pauschal mit Nichtwissen bestritten) offensichtlich eine Gleichstellung mit denjenigen Mitarbeitern bezweckte, die unter den Insolvenzsozialplan aus dem Jahre 2014 fallen. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus dem beklagtenseits vorgelegten Entwurf zum Sozialplan nebst Kommentierung und der vorgelegten E-Mail vom 04.02.2016, die explizit den Umstand erwähnt, dass – anders als im Sozialplan 2014 – eine Transfergesellschaft nicht eingerichtet wurde. Der Entwurf erwähnt im Rahmen der Kommentierung ausdrücklich eine Berechnungsmodalität zur Ermittlung in etwa einer Abfindung, die der Nettovergütung im Rahmen der damaligen Beschäftigungsgesellschaft entspricht. Diese Überlegung hat schließlich dann auch mit der Festlegung einer Abfindung in Höhe von fünf bzw. 6 Bruttomonatsgehältern im Rahmen des abgeschlossenen Sozialplanes Einklang gefunden.

Von einem Verstoß gegen § 75 BetrVG kann mithin nach alledem nicht ausgegangen werden.

c) Es muss im Ergebnis im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 112 a Abs. 2 S. 1 BetrVG nicht abschließend entschieden werden, ob auch bei unterstellter Nichtanwendbarkeit der Vorschrift die vorgesehene Sozialplanabfindung mit § 75 BetrVG vereinbar ist. Die Kammer bejaht dies indes auch für diesen Fall. In diesem Zusammenhang ist auf Folgendes hinzuweisen:

Richtig dürfte sein, dass aus dem Zweck eines Sozialplanes und der Wertung der Vorschrift des § 112 Abs. 5 BetrVG, der auch ein Rechtsgedanke für die einvernehmliche Regelung zwischen den Betriebsparteien zu entnehmen ist (vgl. nur etwa BAG vom 08.12.2015 – 1 AZR 595/14 unter Rz. 24 der Gründe), jedenfalls in der Regel ein Verbot einer völligen Pauschalierung zu entnehmen ist (vgl. auch BT-Drs. 10/2102, S. 17), allerdings sind durchaus auch Pauschalierungen möglich, die nach der Gesetzesbegründung gerade nicht generell untersagt werden sollen (BT-Drs. 10/2102, S. 17: „(..) Die Einigungsstelle soll sich nämlich nur in der Regel an die Gegebenheiten des Einzelfalles orientieren. Auch nach der Neuregelung kann die Einigungsstelle, soweit beispielsweise die Abwicklung des Sozialplanes wesentlich erschwert oder verzögert wird, Pauschalen festsetzen“). Dem § 75 BetrVG kann dabei wohl nicht entnommen werden, dass gerade nach dem Alter differenziert werden muss. Dies zeigt im Ergebnis gerade auch § 10 Nr. 6 AGG, der einen Rechtfertigungstatbestand darstellt. Wenn grundsätzlich eine Differenzierung nach dem Alter unzulässig ist (soweit keine spezifische Regelung existiert), dann kann auch der Umstand, dass die Betriebsparteien von vornherein nicht nach dem Alter differenzieren wollen, keinen Verstoß gegen § 75 BetrVG begründen. Dies statuiert im Übrigen auch die Vorschrift des § 112 Abs. 5 BetrVG nicht (anders als etwa § 1 Abs. 3 KSchG im Rahmen der Sozialauswahl) nicht.

Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass jedenfalls der Umstand der Erhöhung der Abfindung bei einer Schwerbehinderung und ein Anknüpfen an das Bruttomonatsgehalt, das naturgemäß ebenfalls schwankt und im Übrigen wohl tendenziell bei längerer Beschäftigungsdauer ansteigt, sowie eine betragsmäßige Deckelung nach unten und oben, eine hinreichende Differenzierung darstellt, die (noch) mit § 75 BetrVG im Einklang steht.

Nach alledem war der Hauptantrag Ziffer 1 abzuweisen.

2. Auch die Regelung in der freiwilligen Betriebsvereinbarung vom 23.02.2016, die für den Fall der Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage eine Zusatzabfindung in Höhe von 125 % eines Bruttomonatsgehaltes vorsieht, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Bezüglich der Frage einer Altersdiskriminierung bzw. eines Verstoßes gegen § 75 BetrVG wird auf obige Ausführungen verwiesen. Ergänzend ist hervorzuheben, dass eine Zusatzabfindung wegen Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage nicht den Zweck einer Überbrückungsfunktion hat sondern einem „Bereinigungsinteresse“ dient, sie ist auch als Pauschalbetrag anerkannt, soweit – wie hier – (die Abfindung bildet im Vergleich zur vorgesehenen Gesamtabfindung aus dem anderweitigen Sozialplan den deutlich geringeren Teil) nicht das Verbot umgangen wird, Sozialplanleistungen von einem solchen Verzicht abhängig zu machen (vgl. nur BAG vom 31.05.2005, NZA 2005, S. 997).

II.

Der Hauptantrag auf Feststellung, dass die (weitere) begehrte Abfindung bereits entstanden und vererblich gestellt ist, ist unzulässig. Es fehlt bereits an einem Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO. Unabhängig von der Frage, ob überhaupt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vorliegt, ist festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bereits beendet ist, mithin nicht erkennbar ist, dass (noch) ein Interesse an der Feststellung der Entstehung des Anspruches nebst Feststellung der Vererblichkeit neben der Geltendmachung der Leistungsklage besteht.

III.

Die im Hinblick auf die Abweisung der Hauptanträge zur Entscheidung angefallenen Hilfsanträge sind unbegründet. Da die abgeschlossenen Sozialplanregelungen rechtswirksam sind, scheidet eine Feststellung der Rechtsunwirksamkeit und Feststellung, dass diese nach neuen Verteilungsgrundsätzen zu verhandeln sind, aus.

IV.

Die Klägerin trägt als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits, vgl. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 91 ZPO.

V.

Der Urteilsstreitwert (vgl. § 61 Abs. 1 S. 1 ArbGG) war auf 48.801,42 Euro festzusetzen, wobei bezüglich Klageziffer 1 der Nennbetrag der Forderung und bezüglich Klagziffer 2 5.000,00 Euro, Klagziffer 3 10.000,00 Euro und bezüglich Klagziffer 4 5.000,00 Euro angesetzt wurde.

VI.

Die bereits kraft Gesetzes im Hinblick auf den Beschwerdewert zulässige Berufung (vgl. § 64 Abs. 2 b ArbGG) war gesondert wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (vgl. § 64 Abs. 2a, Abs. 3 Nr. 1 ArbGG). Die hier in Rede stehende Rechtsfrage der Vereinbarungsmöglichkeit (jedenfalls teilweise) einer pauschalieren Abfindung in einem Sozialplan erscheint klärungsbedürftig.

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