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Anfechtung eines Aufhebungsvertrages aufgrund widerrechtlicher Drohung

LAG Berlin-Brandenburg, Az.: 17 Sa 2219/14, Urteil vom 18.03.2015

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 09.10.2014  – 1 Ca 7891/14 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis infolge eines Aufhebungsvertrags oder einer zum 26.05.2014 erklärten Kündigung endete.

Der Beklagte beschäftigte die Klägerin seit dem 01.05.2014 als Sprechstunden-hilfe/Bürokraft in seiner orthopädischen Praxis. In Nr. 7 des Arbeitsvertrags (Kopie Bl. 4 f. der Akten) heißt es, dass „zu privaten Zwecken das Internet/email sowie das Arbeitstelefon nicht benutzt werden (darf).“

Die Klägerin nutzte das Internet zu privaten Zwecken über den ihr dienstlich zur Verfügung gestellten Personal-Computer.

Der Beklagte warf der Klägerin am 30.05.2014 die Privatnutzung des Personal-Computers vor und drohte ihr für den Fall, dass sie nicht einen vorbereiteten Aufhebungsvertrag unterzeichne, mit einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin unterzeichnete daraufhin ebenso wie der Beklagte folgendes Schreiben vom 30.05.2014 (Kopie Bl. 3 der Akten):

„Aufhebung des Arbeitsvertrages S./Sch.

Sehr geehrte Frau .,

Hiermit lösen beide Parteien den bestehenden Arbeitsvertrag in beiderseitigen Einvernehmen zum 1.6.14 auf. Beide Seiten verpflichten sich keinerlei rechtliche Ansprüche zu stellen.

Mit freundlichen Grüßen                          erhalten am 30.05.14

 

C…..                                                  S….“

Der Beklagte beschäftigte seit dem 02.06.2014 eine neue Sprechstundenhilfe.

Die Klägerin richtete unter dem 05.06.2014 ein Schreiben an den Beklagten, in dem es u.a. heißt:

„Betreff: Anfechtung und Widerruf des Aufhebungsvertrags S./Sch.

Hiermit fechte ich meine Erklärung vom 30.05.2014 zur Aufhebung des zwischen uns geschlossenen Arbeitsvertrags an und widerruf sie.“

Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf Blatt 12 der Akten verwiesen.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis vorsorglich zum 25.06.2014.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin u.a. die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 25.06.2014 fortbestanden hat. Sie hat behauptet, der Beklagte habe sie zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags durch Täuschung sowie durch widerrechtliche Drohung bestimmt. So habe der Beklagte erklärt, er werde aus wirtschaftlichen Gründen die Praxis auflösen und sei daher gezwungen, ihr zu kündigen. Statt einer außerordentlichen Kündigung sei jedoch der Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung die beste Lösung. Auch habe der Beklagte ihr die Nutzung des Internets für ihre E-Mails und Recherchen erlaubt und lediglich die Nutzung zu Zwecken des An- oder Verkaufs untersagt; an diese Anweisung habe sie sich gehalten. Der Beklagte ist der Anfechtung des Aufhebungsvertrags mit der Behauptung entgegen getreten, er habe Ausführungen zur wirtschaftlichen Situation der Praxis erst nach der Vertragsunterzeichnung gemacht. Er habe der Klägerin die private Nutzung des Internets nicht erlaubt.

Das Arbeitsgericht hat durch ein am 09.10.2014 verkündetes Urteil den Feststellungsantrag abgewiesen. Die Klägerin habe die auf Abschluss des Aufhebungsvertrags gerichtete Willenserklärung nicht wirksam angefochten. Sie habe für ihre Behauptung, sie sei durch arglistige Täuschung oder widerrechtlichen Drohung zur Abgabe der Willenserklärung bestimmt worden, keinen Beweis angetreten und sei daher beweisfällig geblieben. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 07.11.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 07.12.2014 eingelegte Berufung der Klägerin, die sie innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet hat.

Die Klägerin vertritt nunmehr die Rechtsauffassung, ein Aufhebungsvertrag liege nicht vor. Sie habe am 30.05.2014 lediglich den Erhalt eines Vertragsangebots des Beklagten bestätigt, nicht jedoch eine eigene Willenserklärung abgegeben. Im Übrigen habe sie einen – einmal angenommenen – Aufhebungsvertrag wirksam angefochten. Mit der Drohung, das Arbeitsverhältnis ohne Abschluss des Aufhebungsvertrags wegen der Privatnutzung des Rechners außerordentlich zu kündigen, habe der Beklagte sie – die Klägerin – widerrechtlich zur Abgabe der – unterstellten – Willens-erklärung bestimmt. Auch liege eine arglistige Täuschung vor; der Vortrag des Beklagten, er habe sich erst nach dem Vertragsschluss zu der wirtschaftlichen Situation der Praxis geäußert, stelle eine Schutzbehauptung dar.

Die Klägerin beantragt, unter teilweiser Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 09.10.2014 – 1 Ca 7891/14 – festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 25.06.2014 fortbestanden hat.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Abweisung der Feststellungsklage für zutreffend.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat die Feststellungsklage der Klägerin zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch den Aufhebungsvertrag vom 30.05.2014 zum 01.06.2014 aufgelöst worden.

1. Die Parteien haben am 30.05.2014 einen schriftlichen Vertrag über die Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses getroffen. Das Schreiben vom 30.05.2014 beinhaltet entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur ein Angebot des Beklagten auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags, dessen Erhalt die Klägerin lediglich bestätigte. Vielmehr haben beide Parteien mit ihren Unterschriften ihrem Willen Ausdruck verliehen, „hiermit“ den bestehenden Arbeitsvertrag einvernehmlich aufzulösen. Dass über der Unterschrift der Klägerin „erhalten am 30.05.14“ vermerkt war, gibt nur wieder, dass die Klägerin den Vertrag an diesem Tag unterzeichnet hat. Dies zeigt sich vor allem in der Reaktion der Klägerin auf das Geschehen am 30.05.2014. Die Klägerin hat bis zur Begründung ihrer Berufung nicht geltend gemacht, sie habe einen Aufhebungsvertrag nicht abgeschlossen. Sie hat vielmehr bereits mit Schreiben vom 05.06.2014 die Anfechtung „des Aufhebungsvertrags“ erklärt und damit deutlich gemacht, dass auch sie die Unterschrift unter das Schreiben vom 30.05.2014 als Vertragsschluss verstanden hatte. Ferner hat sie in ihrer schriftlichen Einlassung vor dem Arbeitsgericht erklärt, sie habe eine sofortige Entscheidung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen. Bei dieser Sachlage kann von einer bloßen Empfangsbestätigung der Klägerin keine Rede sein.

2. Die auf Abschluss des Aufhebungsvertrags gerichtete Willenserklärung der Klägerin ist nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB nichtig. Die Anfechtungserklärung der Klägerin geht ins Leere, weil ihr ein Anfechtungsgrund im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB nicht zur Seite steht.

a) Die Klägerin kann zunächst nicht mit Erfolg geltend machen, der Beklagte habe sie durch eine widerrechtliche Drohung zur Abgabe der Willenserklärung bestimmt.

Eine Drohung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB setzt die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird. Der Bedrohte muss einer Zwangslage ausgesetzt sein, die ihm subjektiv das Gefühl gibt, sich nur noch zwischen zwei Übeln entscheiden zu können. Die Widerrechtlichkeit der Drohung kann sich aus der Widerrechtlichkeit des eingesetzten Mittels oder des verfolgten Zwecks ergeben. Bedient sich der Drohende zwar an sich erlaubter Mittel zur Verfolgung eines an sich nicht verbotenen Zwecks, kann sich die Widerrechtlichkeit aus einer Unangemessenheit des gewählten Mittels im Verhältnis zum verfolgten Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, ist die Drohung rechtswidrig (BAG, Urteil vom 13.12.2007   – 6 AZR 200/07 – EzA Nr. 8 zu § 123 BGB 2002 m.w.N.). Dabei ist es in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass die Androhung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche Kündigung beenden zu wollen, falls der Arbeitnehmer nicht einen Aufhebungsvertrag abschließe, zur Anfechtung berechtigen kann, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Betracht ziehen dürfe (BAG, Urteil vom 23.11.2006 – 6 AZR 394/06 – AP Nr. 8 zu § 623 BGB Rn. 39 f., m.w.N.).

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte zwar unstreitig vor Abschluss des Aufhebungsvertrages mit einer außerordentlichen Kündigung des Arbeits-verhältnisses gedroht, sollte die Klägerin den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnen. Die Drohung ist jedoch nicht widerrechtlich. Die Klägerin hatte – was ebenfalls unstreitig ist – den dienstlichen Personal-Computer nicht nur gelegentlich für private Zwecke genutzt. Eine derartige Nutzung ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (vgl. BAG, Urteil vom 07.07.2005 – 2 AZR 581/04 – AP Nr. 192 zu § 626 BGB), auch wenn die Wirksamkeit einer derartigen Kündigung von einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls abhängt (vgl. BAG, Urteil vom 19.04.2012 – 2 AZR 186/11 – AP Nr. 13 zu § 14 KSchG 1969). Angesichts des ausdrücklichen Verbots einer privaten Internetnutzung in dem Arbeitsvertrag, mit dem die auf dem Computer gespeicherten Patientendaten geschützt werden sollten, des Umfangs des Verstoßes der Klägerin gegen dieses Verbot und des nur sehr kurzen Bestandes des Arbeitsverhältnisses durfte der Beklagte durchaus davon ausgehen, zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung berechtigt zu sein; ob diese Kündigung einer arbeitsgerichtlichen Kontrolle standgehalten hätte, ist für die hier zu entscheidende Rechtsfrage ohne Bedeutung. Soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte habe ihr eine Internetnutzung erlaubt, rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis. Die Klägerin hat nicht angegeben, wann und auf welche Weise diese – von der kurz zuvor getroffenen vertraglichen Vereinbarung abweichende – Erlaubnis erfolgt sein soll; ihr Vorbringen ist deshalb unsubstantiiert und daher der Sachentscheidung nicht zugrunde zu legen. Sie hat im Übrigen keinen Beweis für die genannte Behauptung angetreten, obwohl sie die tatsächlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anfechtungsgrund nicht nur vorzutragen, sondern auch zu beweisen hat (vgl. BAG, Urteil vom 11.07.2012 – 2 AZR 42/11 – EzA Nr. 12 zu § 123 BGB 2002); auch dies geht zu ihren Lasten.

b) Die Anfechtung der Klägerin erweist sich auch nicht wegen einer arglistigen Täuschung des Beklagten als rechtswirksam.

Eine arglistige Täuschung im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn hierdurch zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst hat, wobei der Anfechtende die Beweislast für die Tatsachen trägt, die ihn zur Anfechtung berechtigen sollen (BAG, a.a.O.). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zwar behauptet, der Beklagte habe sie durch unrichtige Angaben über seine wirtschaftliche Situation dazu gebracht, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Sie hat für diesen von dem Beklagten bestrittenen Sachvortrag jedoch trotz eines gerichtlichen Hinweises keinen Beweis angetreten und ist daher insoweit beweisfällig geblieben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.

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