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Anfechtung und Wegfall der Geschäftsgrundlage eines Prozessvergleichs

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 7 Sa 178/22 – Urteil vom 21.09.2022

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15. Juni 2022, Az.: 7 Ca 1027/21 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der von ihnen geschlossene gerichtliche Beendigungsvergleich das Kündigungsschutzverfahren beendet hat.

Die Beklagte betreibt bzw. betrieb ein Reisebüro und beschäftigte eine Vollzeit- und zwei Teilzeitkräfte, unter anderem die 1987 geborene und verheiratete Klägerin seit dem 1. Februar 2019 als „Reisebüroexpedientin“ in Teilzeit (24 Stunden//Woche) bei einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 1.475,00 € zuzüglich vermögenswirksamer Leistungen und einem Tankgutschein. Dem Arbeitsverhältnis lag ein Anstellungsvertrag vom 28. Dezember 2018 (Blatt 4 ff. der Akte) zugrunde.

Seit März 2020 bestand für den Betrieb der Beklagten Kurzarbeit. Am 12. November 2020 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin eine ordentliche Kündigung aus. Nachdem die Klägerin Kündigungsschutzklage erhob und der Beklagten mitteilte, dass sie schwanger sei, wurde die Kündigung per arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 30. Dezember 2020, Az. 7 Ca 3835/20, im Ergebnis für gegenstandslos erklärt.

Mit Antrag vom 26. Januar 2021 beantragte die Beklagte bei der zuständigen Struktur- und Genehmigungsdirektion die Zustimmung zur beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin.

Anfang Februar 2021 führten die Prozessbevollmächtigten der Parteien Gespräche. Hierbei wurden zunächst die Eckdaten für die (Nach-)Berechnung des Arbeitsentgelts und möglicher Urlaubsansprüche für die Klägerin für das Jahr 2020 besprochen. Des Weiteren wurde die beabsichtigte Beendigung des Arbeitsverhältnisses besprochen. Hierbei teilte der Klägervertreter dem Beklagtenvertreter mit, dass ein Beendigungsvergleich nur im Rahmen eines neuen Kündigungsschutzverfahrens abgeschlossen werden könne und dass insoweit zumindest rein formal auch ein Zustimmungsverfahren bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord durchgeführt werden sollte. Bereits im Gespräch am 5. Februar 2021 wurden die Eckdaten für einen möglichen Beendigungsvergleich in einem zukünftigen Kündigungsschutzverfahren besprochen. In den Raum gestellt wurde insoweit eine Abfindung in Höhe von 1.500,00 € brutto bei einer ordentlichen Kündigung sowie eine Freistellung bis zum Beginn des Mutterschutzes für die Klägerin unter gleichzeitiger Urlaubsgewährung.

Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord erklärte mit Bescheid vom 13. April 2021 (Blatt 77 ff. der Akte) aufgrund des § 17 Abs. 2 MuSchG die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien zum 30. September 2021 für zulässig. In dem Bescheid heißt es weiter:

„Bedingung:

Die Zulässigerklärung wird nur für den Fall erteilt, dass der Betrieb wie im Antrag dargelegt tatsächlich zum 30.09.2021 stillgelegt und auch kein Betriebsübergang nach § 613a BGB stattfinden wird.“

In der Begründung des Bescheides heißt es auszugsweise:

„Der Betrieb wird derzeit abgewickelt und nach entsprechender Mitteilung der Antragstellerin vom 12.04.2021 zum 30.09.2021 endgültig stillgelegt und der Geschäftsbetrieb dann komplett eingestellt. Allen bisherigen Mitarbeiterinnen wurde spätestens zu diesem Zeitpunkt betriebsbedingt gekündigt.

[…]

Vorliegend ist für die Feststellung des „besonderen Falles“ die Beendigung des Geschäftsbetriebes des Arbeitgebers und der hiermit verbundene Wegfall des Arbeitsplatzes der Betroffenen wesentlich. Die Betriebsschließung bewirkt, dass für die Zukunft keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für die Antragsbetroffene durch den Arbeitgeber besteht und eine wesens- und sinngerechte Fortsetzung der Rechtsbeziehung des Arbeitsvertrages aus tatsächlichen Gründen unmöglich wird.

Sollte im vorliegenden Fall der Betrieb von einem anderen Unternehmen bzw. einer anderen Person weitergeführt werden, ist ein Betriebsübergang nach § 613a BGB und somit der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Übernehmer nicht auszuschließen. Jedoch braucht die Struktur- und Genehmigungsdirektion dazu keine weiteren Ausführungen zu machen, weil die Feststellung eines Betriebsüberganges gemäß § 613a BGB verbindlich nur von den Arbeitsgerichten beantwortet werden kann.

[…].“

Die Klägerin legte gegen den Bescheid mit Schreiben vom 15. April 2021 Widerspruch ein.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 23. April 2021 (Blatt 7 der Akte) zum 30. September 2021. Gleichzeitig stellte sie die Klägerin ab sofort unwiderruflich und unter gleichzeitiger Urlaubsgewährung von der Verpflichtung zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung frei.

Gegen diese Kündigung wandte sich die Klägerin mit ihrer am 28. April 2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 3. Mai 2021 zugestellten Kündigungsschutzklage. Sie hat mit Nichtwissen bestritten, dass die Beklagte den Betrieb schließe und ihr Arbeitsplatz damit in Wegfall gerate. Sie hat weiter geltend gemacht, mit dem Wegfall des betrieblichen Grundes verliere auch die Zustimmungserklärung der Struktur- und Genehmigungsdirektion ihre Wirkung, denn sie sei unter dem Vorbehalt ausgesprochen, dass die Beklagte den Betrieb tatsächlich einstelle.

Das Arbeitsgericht stellte am 25. Mai 2021 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen eines Prozessvergleichs folgenden Inhalts (Blatt 46 f. der Akte) fest:

„1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung vom 23.04.2021 mit Ablauf des 30.09.2021 aus betriebsbedingten Gründen (Betriebsstilllegung) sein Ende finden wird.

2. Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungszeitpunkt ordnungsgemäß abzurechnen. Nicht genommener Erholungsurlaub ist abzugelten.

3. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass die Klägerin seit Zugang der Kündigung vom 23.04.2021 unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt ist unter Anrechnung noch offener Urlaubsansprüche.

4. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Klägerin ab Geburt ihres Kindes für zwei Jahre Elternzeit in Anspruch nimmt.

5. Für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an die Klägerin in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von 1.500,00 € brutto. Der Anspruch auf Zahlung dieser Abfindung ist bei Abschluss des Vergleichs entstanden und fällig bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses; der Anspruch ist vererblich.

6. Die Beklagte verpflichtet sich, unter dem Datum des Ausscheidens der Klägerin ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen, das im Leistungs- und Verhaltensbereich der Note „gut“ entspricht und mit einer Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel endet. Auf Wunsch erhält die Klägerin ein Zwischenzeugnis.

7. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.“

Im September 2021 veröffentlichte die Beklagte in der Zeitung „Wochenspiegel“ für den Kreis C.,-D-Stadt eine Stellenanzeige (Blatt 76 der Akte), die auszugsweise wie folgt lautet:

„Zur Verstärkung unseres Teams stellen wir ein:

Tourismuskauffrau / -mann m/w/d

In Vollzeit oder Teilzeit

[…]“

Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 27. September 2021 (Blatt 72 f. der Akte) auf, dem Abschluss eines Arbeitsvertrags zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 28. Dezember 2018 ab dem 1. Oktober 2021 zuzustimmen bzw. sie weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte lehnte dies mit anwaltlichen Schreiben vom 29. September 2021 (Blatt 71 der Akte) ab.

Die Klägerin erhob sodann Klage vor dem Arbeitsgericht Koblenz mit dem Ziel, dass die Beklagte dem Abschluss eines Arbeitsvertrags mit ihr zu den bisherigen Bestimmungen zustimmt. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. Dezember 2021, Az. 2 Ca 2193/21, abgewiesen. Die Klägerin hat unter dem Az. 7 Sa 19/22 Berufung eingelegt.

Mit Anwaltsschreiben vom 6. Februar 2022 (Blatt 74 f. der Akte) hat die Klägerin die auf den Abschluss des Prozessvergleichs vom 25. Mai 2021 gerichtete Willenserklärung „aus allen rechtlichen Gesichtspunkten“ angefochten und vorsorglich den Rücktritt vom Vergleich wegen Störung der Geschäftsgrundlage sowie den Wegfall der Geschäftsgrundlage erklärt.

Mit am 7. Februar 2022 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begehrt die Klägerin die Feststellung, dass das ursprüngliche Kündigungsschutzverfahren durch den Vergleichsbeschluss nicht beendet worden ist und dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 23. April 2021 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 30. September 2021 weiterhin unverändert fortbesteht.

Die Klägerin war der Ansicht, da der Betrieb realiter nicht stillgelegt worden sei, liege eine Zustimmung der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord nicht vor. Aus diesem Grund sei die streitgegenständliche Kündigung unwirksam und habe das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Sie beabsichtige nach Ende der Elternzeit die Arbeit bei der Beklagten wieder aufzunehmen und zwar zu den gleichen Bedingungen wie zuvor.

Ob und welche Willenserklärung zur Abgabe dieses Ziels die allein richtige sei, lasse sich vor dem Hintergrund der zahlreich zu findenden Auffassungen in der Rechtsprechung und in der Literatur nicht mit hinreichender Sicherheit sagen. Aus diesem Grund habe sie alle diejenigen Willenserklärungen abgegeben, die erforderlich seien, um den Prozessvergleich zu beseitigen, mit dem Ziel, die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung und damit die Weiterbeschäftigung nach der Elternzeit zu erreichen.

Die Kündigung vom 23. April 2021 sei nichtig, denn sie entspreche nicht der gesetzlichen Form des § 17 Abs. 2 Satz 2 MuSchG. Der Grund für die Kündigung, nämlich die Stilllegung des Betriebs zum 30. September 2021, werde in der Kündigung nicht genannt.

Sie hat vorgetragen, die Beklagte führe ihren Betrieb über den 30. September 2021 hinaus fort. Schon der Wortlaut der Stellenanzeige mache deutlich, dass weitere Arbeitsverhältnisse bestehen müssten, denn ein Team sei eine Organisationseinheit aus mindestens zwei Personen bestehend, die eine bestimmte Aufgabe erfüllten oder gemeinsame Zwecke verfolgten. Werde also Verstärkung für ein Team gesucht, so werde mindestens eine dritte Person gesucht. Und so sei es auch: Sie habe sich hiervon überzeugen können, als sie am 29. November 2021 und am 9. Dezember 2021 in C-Stadt bei dem Sitz der Beklagten gewesen sei und dort gesehen habe, dass das Reisebüro der Beklagten geöffnet gewesen sei. In dem Reisebüro habe sie Frau M. sehen können, die an ihrem Arbeitsplatz gesessen habe. Sie habe im Reisebüro auch eine weitere weibliche Person gesehen, die auf dem Arbeitsplatz gesessen habe, den sie (früher) eingenommen gehabt habe. Eines „Versuchsballons“ der Beklagten hinsichtlich zur Verfügung stehender Beschäftigter habe es nicht bedurft, da schließlich noch Arbeitsvertragsverhältnisse bestanden hätten.

Ob der Geschäftsführer der Beklagten vorgehabt habe, das Reisebüro zu schließen oder nicht, könne sie aus eigener Kenntnis nicht beurteilen. Sie habe sich jedenfalls geirrt, denn sie habe geglaubt, die Beklagte wolle – wie behauptet – den Betrieb zum 30. September 2021 schließen, was sich aber als falsch herausgestellt habe. Sie habe nur deshalb den Vergleich mit der Beklagten abgeschlossen, weil sie auf deren Erklärung, der Betrieb werde stillgelegt, vertraut habe. Ihr Vertrauen sei auch schützenswert gewesen, denn durch die Erklärungen im Verfahren vor der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord habe sie davon ausgehen müssen, dass aus wirtschaftlichen Gründen mit Ablauf des 30. September 2021 das Reisebüro geschlossen werden würde. Immerhin habe die Beklagte das mehrfach erklärt und sogar die Kopien der Kündigungen der übrigen Arbeitnehmer vorgelegt gehabt. Aus diesem Grund sei in Ziffer 1 des oben genannten Vergleichs auch expressis verbis die Betriebsstilllegung als Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgenommen worden. Auch für die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord sei der Grund für die Zustimmung zur Kündigung die endgültige Stilllegung des Betriebes (Reisebüro) zum 30. September 2021 gewesen.

Hätte sie zum Zeitpunkt der Abgabe der auf den Vergleich gerichteten Willenserklärung gewusst, dass der Betrieb fortgeführt werde, so hätte sie einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Vergleich nicht zugestimmt. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der Vereinbarung einer Abfindung über 1.500,00 € brutto. Die Fortführung des Arbeitsverhältnisses sei für sie vorteilhafter als der Erhalt der Abfindung, denn sie könne nach Beendigung der Elternzeit wieder in ein ungekündigtes versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zurückkehren. Selbst wenn die Beklagte ihr nach Rückkehr aus der Elternzeit kündige, so könne sie nach Rückkehr aus der Elternzeit noch Erholungsurlaub beanspruchen und vor dem Hintergrund der Beschäftigungsdauer sei auch eine entsprechend lange Kündigungsfrist einzuhalten. Werde sie im Laufe der Elternzeit erneut schwanger, so könne sie unmittelbar im Anschluss an die bisherige Elternzeit eine weitere Elternzeit beanspruchen – sowie auch ihr Ehemann – und hinsichtlich des Elterngeldes sei der frühere Verdienst bei der Beklagten zu berücksichtigen. Die Abfindung sei nur dann interessant gewesen, wenn der Betrieb ersatzlos stillgelegt werde.

Die Klägerin war der Ansicht, gehe sie im abgeschlossenen Vergleich davon aus, dass der Betrieb stillgelegt werde und zeige sich dann im Nachhinein, dass der Betrieb fortgeführt werde, so sei die Geschäftsgrundlage für den Vergleich entfallen. Sie sei jedenfalls berechtigt, den Rücktritt vom Vergleich zu erklären und das Verfahren sei fortzusetzen.

Sie habe an keiner Stelle erklärt, arglistig getäuscht worden zu sein. Vor dem Hintergrund des Pandemiegeschehens erscheine es durchaus glaubhaft, dass die Beklagte in Erwägung gezogen gehabt habe, ihren Betrieb zu schließen. Für sie (die Klägerin) komme es alleine darauf an, dass die Beklagte offensichtlich von diesem Entschluss Abstand genommen habe und ihren Betrieb weiter fortführe.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das Verfahren Arbeitsgericht Koblenz, Az. 7 Ca 1027/21 durch den Beschluss vom 25. Mai 2021 (Vergleich) nicht beendet ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 23. April 2021 nicht aufgelöst worden ist;

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 30. September 2021 hinaus weiterhin unverändert fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Klage sei unbegründet, da das vorliegende Verfahren durch den Vergleichsbeschluss vom 25. Mai 2021 beendet worden sei.

Anfang Februar 2021 habe sie sich in Anbetracht der wirtschaftlich dramatischen Situation entschlossen, ihren Betrieb insgesamt zu schließen. Da für die Arbeitnehmerin mit der längsten Betriebszugehörigkeit eine Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende gegolten habe, habe sie eine Betriebsschließung zum 30. September 2021 beschlossen. Ihr Prozessbevollmächtigter sei insoweit in ihrer Entscheidungsfindung aktiv eingebunden gewesen. Zum Zeitpunkt der Kündigung der Klägerin seien in Bezug auf die beiden anderen Arbeitsverhältnisse bereits Kündigungen durch sie ausgesprochen gewesen.

Anfang September 2021 habe sich bei ihr eine Interessentin für eine mögliche Fortführung des Reisebüros gemeldet. Voraussetzung für ernsthafte Übernahmeverhandlungen sei allerdings von Seiten der Interessentin erklärtermaßen gewesen, dass vorab habe geklärt werden müssen, ob für das Reisebüro auch Arbeitskräfte zur Verfügung stünden. Ausschließlich vor diesem Hintergrund habe sie im September 2021 eine einzige Stellenanzeige geschaltet. Dementsprechend habe es sich bei dieser Stellenanzeige lediglich um einen „Versuchsballon“ gehandelt, auf die sich im Übrigen auch niemand gemeldet habe. Die Stellenanzeige habe in keiner Weise auf einem nichtexistenten Entschluss zur Fortführung des Geschäftsbetriebs beruht, sondern vielmehr um einen Teil von ersten Verhandlungen über eine mögliche Veräußerung der Gesellschaftsanteile. Die Verkaufsverhandlungen seien dann Ende November 2021 nochmals aufgenommen worden. In diesem Zusammenhang habe sich die Kaufinteressentin in die Geschäftsunterlagen der Beklagten vor Ort eingearbeitet. Es möge insoweit sein, dass die Klägerin die Kaufinteressentin hierbei Ende November/Anfang Dezember 2021 einmal gesehen habe.

Die Beklagte war der Ansicht, die erklärte Anfechtung des Vergleichs vom 25. Mai 2021 sei unwirksam, da kein Anfechtungsgrund bestehe. Insbesondere sei die Klägerin nicht durch arglistige Täuschung im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB zum Vergleichsabschluss bestimmt worden. Unabhängig davon habe die Klägerin sich auch in keiner Weise darauf verlassen, dass der Betrieb der Beklagten tatsächlich zum 30. September 2021 geschlossen werde.

Nachdem kein Anfechtungsgrund für die Klägerin bestehe, existiere auch kein Rücktrittsrecht für sie. Ebenso wenig sei die Geschäftsgrundlage für den Vergleich nachträglich entfallen. Geschäftsgrundlage für den streitgegenständlichen Vergleich sei es gewesen, dass eine bestehende Unsicherheit über die Rechtswirksamkeit der Kündigung im Vergleichswege gegen Zahlung einer Abfindung beseitigt habe werden sollen. An dieser Geschäftsgrundlage habe sich nichts geändert. Sie sei nicht in Wegfall geraten.

Unabhängig davon würde ein Recht aus einer Störung der Geschäftsgrundlage unter anderem voraussetzen, dass einer der Parteien das unveränderte Festhalten am Vertrag hierdurch nicht zugemutet werden könne. Dies wiederum wäre nur der Fall, wenn das Festhalten am Vertrag zu einem „untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis“ führen würde. Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gegen Abfindungszahlungen stelle für sich genommen schon kein solch untragbares Ergebnis dar.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 15. Juni 2022 festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleichsbeschluss vom 25. Mai 2021 erledigt ist. Es hat – zusammengefasst – zur Begründung ausgeführt, der streitgegenständliche Beendigungsvergleich sei unstreitig wirksam zustande gekommen. An seiner Wirksamkeit habe sich entgegen der Ansicht der Klägerin nichts geändert. Die Klägerin habe den Vergleich nicht wirksam angefochten. Auch mit der Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage dringe die Klägerin nicht durch. Ergäben sich erst nach Abschluss eines Abfindungsvergleichs unvorhergesehene neue Beschäftigungsmöglichkeiten, kämen zwar an sich die allgemeinen, zum Wegfall der Geschäftsgrundlage entwickelten Grundsätze zur Anwendung. Die Voraussetzungen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage lägen jedoch nicht vor. Es gelte zunächst zu beachten, dass ein Vergleich zu den Geschäften gehöre, die die vertragliche Übernahme gewisser Risiken miteinkalkulierten und abdecken sollten. Insbesondere bei Abfindungsvergleichen in Kündigungsschutzprozessen könne gerade nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, Geschäftsgrundlage sei die gemeinsame Vorstellung der Parteien, bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses werde sich keine – auch unerwartete – anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit mehr ergeben; vielmehr könne auch eine solche Ungewissheit hinsichtlich der künftigen Entwicklung im Vergleich Berücksichtigung gefunden haben. So liege es hier. Die Beklagte weise zutreffend darauf hin, dass die Klägerin bereits in ihrer damaligen Klageschrift vom 28. April 2021 angeführt habe, sie bestreite, dass die Beklagte ihren Betrieb zum 30. September 2021 schließe und ihr Arbeitsplatz damit in Wegfall geraten sei. Ebenso habe sie sich bereits in der Klageschrift ausdrücklich darauf berufen, dass mit diesem von ihr behaupteten Wegfall des betrieblichen Kündigungsgrundes auch die Zustimmungserklärung der Struktur- und Genehmigungsdirektion ihre Wirkung verliere und die Kündigung daher unwirksam sei. Wenn die Klägerin dann beinahe ein Jahr später die Anfechtung unter Berufung darauf, sie halte diesen Fall (fehlende Betriebsschließung) für nunmehr eingetreten, erkläre, erscheine dies der Kammer treuwidrig, denn den seinerzeitigen Beendigungsvergleich habe sie erkennbar vor dem Hintergrund ihrer geäußerten Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigung geschlossen. Das Risiko, dass der im Raum stehende Kündigungsgrund der Betriebsschließung in der Folgezeit/während des Ablaufs der – der Klägerin erheblich verlängerten – Kündigungsfrist doch noch entfalle, sei die Klägerin sehenden Auges eingegangen. Dies habe sie sich von der Beklagten auch „bezahlen“ lassen, denn der Vergleich räume ihr statt der an sich nach § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB einschlägigen einmonatigen Kündigungsfrist eine mit fünf Monaten deutlich längere Kündigungsfrist ein, zuzüglich des ihr dadurch ermöglichten Eintritts in die zweijährige Elternzeit, zuzüglich der Regelabfindung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts bei zwei Beschäftigungsjahren sowie zuzüglich eines überdurchschnittlichen, nämlich „guten“ Arbeitszeugnisses. Auch der nunmehr für die Kündigung zusätzlich vorgetragene Unwirksamkeitsgrund der fehlenden Begründung im Kündigungsschreiben (§ 17 Abs. 2 Satz 2 MuSchG) ändere hieran nichts. Entweder die Klägerin bzw. ihr Prozessbevollmächtigter hätten diesen Unwirksamkeitsgrund seinerzeit gesehen, dann sei er im Vergleich miteingepreist. Oder sie hätten ihn nicht gesehen. Dann hätten sie ihre Chancen möglicherweise unzutreffend eingeschätzt, könnten diesen Grund deswegen aber nach Abschluss des Vergleichs nicht später heranziehen, um sich vom Vergleich wieder zu lösen mit der Begründung, die Kündigung wäre eigentlich noch aus einem weiteren Grunde unwirksam gewesen. Unabhängig hiervon ergäben sich Rechte unter Berufung auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage für den von der Störung Betroffenen nur, wenn diesem ein unverändertes Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden könne, da dies für ihn zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechterdings nicht zu vereinbarenden Ergebnis führen würde. An dieser Voraussetzung fehle es hier. Ein Festhalten am Vergleich sei der Klägerin keineswegs unzumutbar, da die vergleichsweise Regelung ihren Interessen hinreichend Rechnung trage. Von einem „mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis“ könne überhaupt keine Rede sein. Schließlich komme eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage auch deswegen nicht in Betracht, weil die Klägerin keine Vertragsanpassung im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB erstrebe. In der ersatzlosen Aufhebung des Abfindungsvergleichs liege keine Anpassung, sondern genau das Gegenteil von dem, was die Parteien vereinbart hätten. Der bei Unmöglichkeit einer Anpassung gemäß § 313 Abs. 3 BGB vorgesehene Rücktritt scheidet vorliegend ebenfalls aus. Er müsste nach einer beiderseitigen Interessenabwägung beiden Parteien zumutbar sein, woran es unter anderem fehle, wenn die „Anpassung“ zu einer Überkompensation zugunsten einer Partei führen würde. So liege es hier. Die von der Klägerin begehrte „Vertragsanpassung“ bedeute die – von ihr bereits erfolglos eingeklagte – Aufrechterhaltung/Fortführung ihres Arbeitsverhältnisses und damit das genaue Gegenteil der im Vergleich getroffenen Vereinbarung. Dies übersteige eine Überkompensation zu ihren Gunsten sogar noch. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Blatt 131 ff. der Akte) Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist Klägerin am 22. Juni 2022 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 11. Juli 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie des Schriftsatzes vom 18. Juli 2022, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Blatt 146 ff., 171 der Akte), zusammengefasst geltend,

es lägen die Voraussetzungen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor. Nach § 779 BGB sei ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt werde (Vergleich) unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspreche und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Diese Unwirksamkeit des Vergleichs sei ein gesetzlich geregelter Sonderfall der Störung der Geschäftsgrundlage. Als feststehend zugrunde gelegt sei der unstreitige Sachverhalt, von dem die Parteien bei Abschluss des Vergleichs ausgingen, der von ihnen nach dem Inhalt des Vergleichs als Grundlage und als wesentliche Voraussetzung für die erzielte Beilegung ihres Streits betrachtet werde und sich außerhalb des Streits und der Ungewissheit befinde. Bei der Frage, was als feststehender Sachverhalt zugrunde gelegt werden könne, helfe der Vergleichstext, wenn zum Beispiel ein Zusatz aufgenommen werde. So sei es im vorliegenden Fall. Der Vergleichswortlaut nenne nämlich die betriebsbedingten Gründe expressis verbis, nämlich „Betriebsstilllegung“.

Wenn gemäß § 313 BGB eine Anpassung des Vertrages nicht möglich oder nicht zumutbar sei, könne der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. In der Anfechtung und in dem Berufen auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage sei gleichzeitig der Rücktritt vom Vertrag zu sehen. Auch wenn der Rücktritt nicht ausdrücklich im Schreiben vom 6. Februar 2022 erklärt worden sei, hätte das Gericht erster Instanz diese Erklärung als Rücktritt vom Vertrag (Vergleich) deuten müssen.

Die Rechtsfolge sei die, dass das Verfahren erster Instanz nicht durch den Vergleich beendet worden, sondern fortzusetzen sei. Und dann gelte: die Kündigung sei aus zwei Gründen unwirksam: zum einen sei die Form nicht eingehalten, denn die Kündigung sei entgegen § 17 Abs. 2 Satz 2 MuSchG nicht begründet, und zum anderen liege die Erlaubnis der Genehmigungsbehörde nicht vor, denn die Zustimmung sei unter einem Vorbehalt erklärt worden, nämlich dem der Betriebsstilllegung. Der Betrieb sei aber nach dem 30. September 2021 noch fortgeführt worden.

Sie habe sich nicht treuwidrig verhalten. Sie habe den Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in den Wortlaut des Vergleichs aufgenommen, nämlich den der Betriebsstilllegung. Wenn die Beklagte entgegen des Wortlauts des Vergleichs den Betrieb nicht stilllege, so verhalte sich vielmehr die Beklagte treuwidrig.

Es sei fehlerhaft, nur aufgrund der Dauer der Betriebszugehörigkeit und der Höhe der Abfindung von einer Überkompensation zu sprechen. Es sei nämlich immer auch zu prüfen, worin die Gegenleistung bestehe. Tatsache sei, dass sie ihren Arbeitsplatz hingegeben habe für eine Bruttoabfindung in Höhe von 1.500,00 €. Dieser Vergleich sei nur zustande gekommen, weil sie davon ausgegangen sei, sicher ihren Arbeitsplatz zu verlieren. In dieser Situation seien 1.500,00 € brutto „besser als nichts“. Vor diesem Hintergrund sei der Vergleich abgeschlossen worden.

Die Beklagte führe den Betrieb über den 30. September 2021 hinaus weiterhin fort, denn die letzte Eintragung im Handelsregister sei vom 5. April 2022 und es ergebe sich daraus, dass nicht mehr – wie ursprünglich Herr F. – sondern nunmehr Frau L. Geschäftsführerin der Beklagten sei.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15. Juni 2022, Az. 7 Ca 1027/21,

1. festzustellen, dass das Verfahren Arbeitsgericht Koblenz, Az. 7 Ca 1027/21 durch den Beschluss vom 25. Mai 2021 (Vergleich) nicht beendet ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 23. April 2021 nicht aufgelöst worden ist;

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 30. September 2021 hinaus weiterhin unverändert fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 3. August 2022, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Blatt 175 ff. der Akte), als rechtlich zutreffend.

Es bleibe dabei, dass sie im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungserklärung den ernsthaften und endgültigen Entschluss zur Stilllegung ihres Betriebs gefasst und diesen auch durch die Kündigung aller Arbeitsverhältnis umgesetzt gehabt habe. An der Stilllegung des Betriebs habe sich auch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30. September 2021 nichts geändert gehabt. Wer nach Ablauf dieses Datums in welcher Weise und zu welchem Zweck in den Räumlichkeiten befindlich gewesen sei, sei somit irrelevant.

Der Vergleichswortlaut sei das Produkt der Einigung, nicht die Vergleichsgrundlage. Die Ungewissheit der Betriebsstilllegung verbunden mit dem Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin sei durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt worden. Die Klägerin habe den Fakt des definitiven Wegfalls des Arbeitsplatzes akzeptiert, auch wenn sie davon nicht überzeugt gewesen sein möge. Sie habe dafür aber im Gegenzug eine Abfindung, eine längere Kündigungsfrist, den Eintritt in eine zweijährige Elternzeit sowie ein gutes Zeugnis erhalten.

Ebenfalls zutreffend habe das Arbeitsgericht festgestellt, dass vorliegend weiterhin weder eine Vertragsanpassung noch ein Rücktritt vom Vertrag gemäß § 313 Abs. 1, 3 BGB infrage kämen. Es sei nicht einmal vorgetragen, warum es der Klägerin nicht zumutbar sein solle, am Vertrag in Form dieses Vergleichs festzuhalten.

Selbst wenn die gewünschte Rechtsfolge, das ursprüngliche Verfahren fortzuführen, eintreten würde, wäre der Klägerin nicht geholfen, da die ausgesprochene Kündigung rechtswirksam sei.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 21. September 2022 (Blatt 185 ff. der Akte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

In der Sache hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit ausführlicher Begründung festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleichsbeschluss vom 25. Mai 2021 erledigt ist. Es ist daher nicht über die Frage zu entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 23. April 2021 aufgelöst worden ist (Antrag zu 2) und ob das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 30. September 2021 hinaus weiterhin unverändert fortbesteht (Antrag zu 3).

I.

Der Antrag der Klägerin auf Feststellung, dass das Kündigungsschutzverfahren durch den Beschluss vom 25. Mai 2021 nicht beendet worden ist, ist zulässig.

Wird die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs angegriffen und damit seine den Prozess beendigende Wirkung in Frage gestellt, ist das Verfahren, in dem der Prozessvergleich geschlossen wurde, fortzusetzen (BAG 24. April 2014 – 8 AZR 429/12 – Rn. 16 mwN.). Der Grund für die Verfahrensfortsetzung – statt Einleitung eines neuen Rechtsstreits – ist die verfahrensrechtliche Seite des Prozessvergleichs (BAG 24. April 2014 – 8 AZR 429/12 – Rn. 16). Ein unwirksamer (nichtiger) Vergleich führt nicht zur Beendigung des Rechtsstreits; dieser ist bei Geltendmachung der Nichtigkeit fortzuführen. Das gilt auch dann, wenn es um die Frage geht, ob die von einer Vergleichspartei erklärte Anfechtung rückwirkend zur Unwirksamkeit des Vergleichs geführt hat (§ 142 Abs. 1 BGB) (vgl. nur BGH 29 Juli 1999 – III ZR 272/98 – Rn. 7 mwN., juris; Geimer in: Zöller, ZPO, § 794 Rn. 15a f.). Wird der Vergleich als wirksam angesehen, so ist auszusprechen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist (BAG 24. April 2014 – 8 AZR 429/12 – Rn. 16 mwN.).

Dagegen ist ein Streit darüber, ob nach Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs dessen Geschäftsgrundlage weggefallen ist, nicht in dem alten, sondern in einem neuen Prozess auszutragen (BAG 28. Juni 2000 – 7 AZR 904/98 – Rn. 19 mwN.). Etwas Anderes gilt allenfalls, soweit der Wegfall der Geschäftsgrundlage ausnahmsweise dazu führte, dass die prozessbeendigende Wirkung des Vergleichs entfällt (BAG 4. Dezember 1997 – 2 AZR 140/97 – Rn. 25, juris). Rechtsfolge der Störung der Geschäftsgrundlage ist grundsätzlich die Anpassung des Vertrags – bzw. des Vergleichs, da die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage auch auf Vergleiche anzuwenden sind – an die geänderten Verhältnisse, nicht dagegen dessen Auflösung. Eine solche Anpassung des Vergleichs berührt seinen rechtlichen Bestand und seine prozessbeendende Wirkung grundsätzlich nicht. Es besteht die Möglichkeit, den Anpassungsanspruch gerichtlich durchzusetzen, jedoch nicht durch Fortsetzung des durch den Vergleich erledigten Rechtsstreits. Ausgangspunkt des Grundsatzes der vorrangigen Anpassung des Vergleichs bzw. der gerichtlichen Klärung des Anpassungsanspruchs in einem neuen Rechtsstreit ist der Gedanke, dass die Auflösung eines Vertrags tiefer in die Privatautonomie eingreift als dessen Anpassung (BAG 24. April 2014 – 8 AZR 429/12 – Rn. 27 mwN.). Jedoch kann im Einzelfall eine Abweichung vom Grundsatz der vorrangigen Anpassung des Vergleichs wegen des objektiven Erklärungswerts des Prozessverhaltens der Parteien angezeigt sein (BAG 24. April 2014 – 8 AZR 429/12 – Rn. 28 mwN.).

Vorliegend wollen die Parteien im vorliegenden Rechtsstreit die Frage geklärt wissen, ob der Vergleich vollständig in Wegfall geraten ist, mit dem Ziel der Fortsetzung des Kündigungsrechtsstreits. Hinsichtlich der Frage des Inhalts des Vergleichs, insbesondere einer Vergleichsanpassung im Wege eines Wiedereinstellungsanspruchs führen die Parteien den weiteren Rechtsstreit Arbeitsgericht Koblenz Az. 2 Ca 2193/21, LAG Rheinland-Pfalz Az. 7 Sa 19/22.

II.

Der vom Arbeitsgericht am 25. Mai 2021 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO protokollierte Prozessvergleich hat den Kündigungsrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Koblenz wirksam beendet. Er ist weder nichtig noch ist er infolge einer Anfechtung noch eines Rücktritts der Klägerin in Wegfall gekommen.

1.

Nach dem Inhalt des nach § 278 Abs. 6 ZPO protokollierten Vergleichs, insbesondere dessen Ziffer 7 hat dieser den „Rechtsstreit erledigt“. Dieser eindeutige Wortlaut bedarf keiner Auslegung. Die Beendigung des Kündigungsrechtsstreits geht unmissverständlich aus dem Vergleichstext hervor.

2.

Der Prozessvergleich ist ordnungsgemäß zustande gekommen. Das Arbeitsgericht hat den Vergleich ordnungsgemäß gemäß § 278 Abs. 6 ZPO nach übereinstimmender Mitteilung des Vergleichstextes durch die Prozessbevollmächtigten der Parteien protokolliert. Der Klägervertreter hat mit Schriftsatz vom 6. Mai 2021 dem Arbeitsgericht mitgeteilt, dass mit dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten fernmündlich eine vergleichsweise Regelung besprochen worden sei, sodass der Rechtsstreit im schriftlichen Verfahren seine Erledigung finden könne. Gleichzeitig hat er den Inhalt des durch Beschluss festzustellenden Vergleichs mitgeteilt. Daraufhin hat der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 12. Mai 2021 sein grundsätzliches Einverständnis mit dem Vergleichsvorschlag vom 6. Mai 2021 erklärt, „dies allerdings – in Abstimmung mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin – mit der Maßgabe, dass Ziff. 4 des Vergleichstextes wie folgt neu formuliert wird“. Mit Schriftsatz vom 16. Mai 2021 teilte sodann der Klägervertreter mit, dass mit dem Beklagtenvertreter Einvernehmen darüber erzielt worden sei, dass Ziffer 4 des Vergleichs wie vom Beklagtenvertreter in seinem Schriftsatz vom 12. Mai 2021 formuliert lauten solle. Auf Anfrage des Gerichts hat sodann der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 21. Mai 2021 unter Bezugnahme auf das Schreiben des Klägervertreters vom 16. Mai 2021 und sein Schreiben vom 12. Mai 2021 um kurzfristige Feststellung des Zustandekommens eines entsprechenden Vergleichs gebeten. Das Arbeitsgericht hat sodann das Zustandekommen und den Inhalt des von den Parteien übereinstimmend vorgeschlagenen Vergleichs durch Beschluss vom 25. Mai 2021 festgestellt, § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO.

3.

Der Vergleich ist rechtswirksam, die verfahrensrechtliche Wirkung der Prozessbeendigung hat Bestand. Die zum Abschluss des Prozessvergleichs führende Erklärung der Klägerin ist nicht nichtig (§ 142 Abs. 1 BGB).

a) Die Klägerin hat keinen Grund geltend gemacht, der sie zur Anfechtung wegen Irrtums nach § 119 Abs. 1 BGB berechtigt. Wegen eines Inhaltsirrtums kann seine Willenserklärung nach § 119 Abs. 1 BGB anfechten, wer bei der Abgabe über deren Inhalt im Irrtum war und sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben hätte. Bei einem Inhaltsirrtum entspricht zwar der äußere Tatbestand dem Willen des Erklärenden, dieser irrt sich jedoch über die Bedeutung oder die Tragweite seiner Erklärung (BAG 24. April 2014 – 8 AZR 429/12 – Rn. 16 mwN.). Nicht nach § 119 Abs. 1 BGB anfechtbar sind dagegen Erklärungen, die auf einem im Stadium der Willensbildung unterlaufenen Irrtum im Beweggrund – Motivirrtum – beruhen (BAG 24. April 2014 – 8 AZR 429/12 – Rn. 22 mwN.; 8. Mai 2008 – 6 AZR 517/07 – Rn. 23).

Ein etwaiger Irrtum der Klägerin dahingehend, sie werde im Hinblick auf die anstehende Betriebsstilllegung den Kündigungsschutzprozess verlieren, daher sei die Abfindung „besser als nichts“, ist somit als Motivirrtum unbeachtlich.

b) Die Klägerin hat weiter ausdrücklich deutlich gemacht, sie berufe sich nicht auf eine Unwirksamkeit des Vergleichs wegen arglistiger Täuschung (§§ 142 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB).

4.

Der Vergleich ist auch nicht nach § 779 BGB unwirksam.

a) Nach § 779 Abs. 1 BGB ist ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich) unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde. Es handelt sich um einen gesetzlich geregelten Sonderfall des Fehlens der (subjektiven) Geschäftsgrundlage. Als feststehend zugrunde gelegt ist der unstreitige Sachverhalt, von dem die Parteien bei Abschluss des Vergleichs ausgehen, der also von ihnen nach dem Inhalt des Vergleichs als Grundlage und wesentliche Voraussetzung für die erzielte Beilegung ihres Streits betrachtet wird und sich außerhalb des Streits oder der Ungewissheit befindet. Maßgebend ist, dass die Auffassung der einen Partei über den Sachverhalt mit derjenigen der anderen Partei übereinstimmt. Dabei muss der gemeinsame Irrtum das gegenwärtige Bestehen des Sachverhalts betreffen, nicht dagegen die zukünftige Entwicklung (LAG Rheinland-Pfalz 20. Oktober 2005 – 11 Sa 260/05 – Rn. 71 mwN., juris). Sie folgt dem Vergleichsschluss erst nach und ist niemals sicher vorhersehbar, kann also auch nicht als feststehend zugrunde gelegt werden (Staudinger/Hau (2020), Stand: 31. Juli 2021, § 779 BGB Rn. 141). Nicht zur Vergleichsgrundlage gehören diejenigen Umstände, die unter den Parteien streitig oder ungewiss waren und gerade Gegenstand der Streitbeilegung waren (LAG Rheinland-Pfalz 20. Oktober 2005 – 11 Sa 260/05 – Rn. 72 mwN., juris; LAG Hamm 30. November 2004 – 19 Sa 1323/04 – Rn. 64 mwN., juris; Staudinger/Hau (2020), Stand: 31. Juli 2021, § 779 BGB Rn. 142). Insoweit übernehmen die Parteien für die ihnen ungünstige Abweichung das Risiko. Ist dieser Sachverhalt unrichtig, ist der Vergleich daher nicht gemäß § 779 BGB unwirksam (LAG Rheinland-Pfalz 20. Oktober 2005 – 11 Sa 260/05 – Rn. 73, juris).

b) Danach käme eine Unwirksamkeit nach § 779 Abs. 1 BGB nur dann in Betracht, wenn bei Abschluss des Vergleichs festgestanden hätte, dass die Klägerin über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus hätte weiterbeschäftigt werden können, und die Parteien fehlerhaft davon ausgegangen wären, dass sie nicht hätte weiterbeschäftigt werden können. Hiervon geht aber auch die Klägerin nicht aus. Sie hat nicht dargelegt, dass bereits am 25. Mai 2021 festgestanden hätte, dass der Betrieb nicht stillgelegt wird, und dass beide Parteien hiervon einvernehmlich ausgegangen sind. Dagegen spricht auch, dass zwischen dem Vergleichsabschluss und dem vereinbarten Beendigungstermin noch mehr als vier Monate lagen. Außerdem hatte die Struktur- und Genehmigungsdirektion im Bescheid vom 13. April 2021 ihre Zulässigerklärung nur für den Fall erteilt, dass der Betrieb tatsächlich zum 30. September 2021 stillgelegt wird. Angesichts dieser Umstände musste beiden Parteien klar sein, dass der Betrieb noch nicht endgültig stillgelegt war und sich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist noch Änderungen ergeben konnten. Genau diese Ungewissheit über ihr Rechtsverhältnis haben die Parteien im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt. Auf einen (möglichen) Irrtum der Vertragsschließenden über ungewisse Umstände, seien sie tatsächlicher oder rechtlicher Art, die der Vergleich gerade beheben will, findet die Unwirksamkeitsregel des § 779 BGB keine Anwendung (LAG Rheinland-Pfalz 4. März 2008 – 3 Sa 775/07 – Rn. 30 mwN., juris).

c) Der Vergleich ist auch nicht deshalb gemäß § 779 Abs. 1 BGB unwirksam, weil die Zulässigerklärung der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord unter die Bedingung gestellt ist, dass der Betrieb tatsächlich zum 30.09.2021 stillgelegt und auch kein Betriebsübergang nach § 613a BGB stattfinden wird, und diese Bedingung nicht eingetreten wäre.

Die Parteien haben den Bestand der Zulässigerklärung gerade nicht zur Bedingung des Vergleichsabschlusses gemacht. In Anbetracht des klaren Wortlauts des Bescheids der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord vom 13. April 2021 musste den Parteien klar sein, dass diese Zulässigerklärung entfallen konnte. Dennoch haben sie sich vergleichsweise geeinigt, ohne diesen Umstand im Vergleich besonders zu erwähnen oder zur Bedingung für den Bestand des Vergleichs zu machen. Zudem hatte die Klägerin gegen den Bescheid vom 13. April 2021 Widerspruch eingelegt. Sie zielte somit zusätzlich darauf ab, diesen Bescheid in Wegfall zu bringen. Schloss sie vor diesem Hintergrund einen Vergleich, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Gegenstand hatte, stand für sie der Bestand des Bescheids gerade nicht fest und konnte daher nicht Vergleichsgrundlage werden. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass die Prozessbevollmächtigten unstreitig bereits vor Ausspruch der Kündigung vom 23. April 2021 Gespräche über die beabsichtigte Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hatten. Die Eckdaten des am 5. Februar 2021 besprochenen Vergleichs – Abfindung in Höhe von 1.500,00 € brutto bei ordentlicher Kündigung, Freistellung bis zum Beginn des Mutterschutzes für die Klägerin unter gleichzeitiger Urlaubsgewährung) entsprachen dem später geschlossenen Vergleich. Für die Klägerin war es lediglich unverzichtbar, dass ein Beendigungsvergleich im Rahmen eines neuen Kündigungsschutzverfahrens abgeschlossen werden und dass insoweit zumindest rein formal auch ein Zustimmungsverfahren bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord durchgeführt werden sollte. Dies spricht deutlich dagegen, dass die Zulässigerklärung der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord zur Vergleichsgrundlage geworden wäre.

d) Schließlich ist es im arbeitsgerichtlichen (Kündigungsschutz-)Verfahren gerade Sinn und Zweck einer während des gesamten Verfahrens anzustrebenden gütlichen Erledigung des Rechtsstreits (§ 57 Abs. 2 ArbGG) im Interesse beider Parteien und der Prozessökonomie durch den Abschluss eines Vergleichs die Frage der Rechtswirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung einvernehmlich zu regeln, ohne die vom Arbeitgeber für die ausgesprochene Kündigung angeführten (unter anderem – wie hier – betrieblichen) Gründe im Einzelnen aufzuklären und gegebenenfalls durch eine Beweisaufnahme auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen (LAG Rheinland-Pfalz 20. Oktober 2005 – 11 Sa 260/05 – Rn. 75 mwN., juris). Wird – wie vorliegend – bereits vor dem Gütetermin ein Prozessvergleich abgeschlossen, kann eine Aufklärung des Sachverhalts im Regelfall mangels substantiierten Vorbringens des Arbeitgebers (§ 47 Abs. 2 ArbGG) und einer regelmäßig fehlenden Beweisaufnahme auch gar nicht geleistet werden. Entschließt sich der Arbeitnehmer dazu von der von ihm schon eingeleiteten und ihm offen stehenden Überprüfung der vom Arbeitgeber behaupteten Kündigungsgründe abzusehen, übernimmt er grundsätzlich auch das dadurch entstehende Risiko. Vor bewusst wahrheitswidrigen Angaben einer Partei, durch die die andere Partei zum Vergleichsabschluss bestimmt wird, wird diese regelmäßig dadurch geschützt, dass sie den Vergleich bei Vorliegen der Voraussetzungen wegen arglistiger Täuschung anfechten kann (LAG Rheinland-Pfalz 20. Oktober 2005 – 11 Sa 260/05 – Rn. 78 mwN., juris).

4.

Der zwischen den Parteien geschlossene Prozessvergleich ist auch nicht nach den Grundsätzen über den nachträglichen Wegfall der Geschäftsgrundlage in Wegfall geraten.

Die Sonderregelung des § 779 Abs. 1 BGB schließt die Anwendung der allgemeinen Grundsätze über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) nicht aus, für sie bleibt jedoch nur begrenzter Spielraum. Im Wesentlichen gehört zu § 313 BGB der nachträgliche Wegfall der Vergleichsgrundlage, der von § 779 Abs. 1 BGB nicht erfasst wird.

Die Anwendung von § 313 BGB führt – anders als § 779 Abs. 1 BGB – nicht automatisch zur Unwirksamkeit des Vergleichs. Vielmehr ist, soweit einer Partei das unveränderte Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann, der Vergleich nach § 313 Abs. 1 BGB unter möglichst weitgehender Berücksichtigung des in ihm geregelten Interessenausgleichs den wirklichen bzw. veränderten Verhältnissen anzupassen. Nur für den Fall, dass die Aufrechterhaltung des Vergleichs mit angepasstem Inhalt nicht möglich oder einer Partei nicht zumutbar ist, soll § 313 Abs. 3 BGB zur Vertragsauflösung führen. Der benachteiligte Teil kann dann vom Vertrag zurücktreten.

In Anwendung dieser Grundsätze kommt im vorliegenden Fall – auch wenn die Vergleichsgrundlage nachträglich weggefallen sein sollte – lediglich eine Vergleichsanpassung etwa über einen Wiedereinstellungsanspruch, nicht jedoch eine Unwirksamkeit des Vergleichs in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (8. Mai 2008 – 6 AZR 517/07 – Rn. 25 mwN.) kommt dann, wenn es auf Veranlassung des Arbeitgebers zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages kommt, eine Anpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht, wenn sich in der Zeit zwischen dem Abschluss des Aufhebungsvertrages und dem vereinbarten Vertragsende unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer ergibt. Dabei kann eine Vertragsanpassung auch in einer Wiedereinstellung liegen.

Einen Wiedereinstellungsanspruch verfolgt die Klägerin nicht im vorliegenden Rechtsstreit, sondern im Rechtsstreit Arbeitsgericht Koblenz Az. 2 Ca 2193/21, LAG Rheinland-Pfalz Az. 7 Sa 19/22.

Nach Auffassung der Kammer, ist darüber hinaus auch nicht die Geschäftsgrundlage des Vergleichs weggefallen. Geschäftsgrundlage des Vergleichs war die Beseitigung der bestehenden Unsicherheit über die Rechtswirksamkeit der von der Beklagten am 23. April 2021 ausgesprochenen Kündigung. Die Klägerin ist gerade nicht davon ausgegangen, dass der Betrieb sicher zum 30. September 2021 geschlossen wird. So hat sie in der Klageschrift vom 28. April 20221 mit Nichtwissen bestritten, dass die Beklagte den Betrieb schließt und ihr Arbeitsplatz damit in Wegfall gerät. Dass die Betriebsschließung nicht sicher war, ergibt sich ebenfalls daraus, dass die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord mit Bescheid vom 13. April 2021 die Zulässigerklärung „nur für den Fall erteilt“ hat, „dass der Betrieb wie im Antrag dargelegt tatsächlich zum 30.09.2021 stillgelegt und auch kein Betriebsübergang nach § 613a BGB stattfinden wird“. Auch hierauf hat sich die Klägerin in der Klageschrift ausdrücklich bezogen, indem sie angeführt hat, dass „mit dem Wegfall des betrieblichen Grundes“ „auch die Zustimmungserklärung der Struktur- und Genehmigungsdirektion ihre Wirkung“ verliert, „denn sie ist unter dem Vorbehalt ausgesprochen, dass die Beklagte den Betrieb tatsächlich einstellt.“ Es ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Zweifel der Klägerin in der kurzen Zeitspanne bis zur Übermittlung des ersten Vergleichstextes durch den Klägervertreter mit Schreiben vom 6. Mai 2021 behoben worden wären. Dem widerspricht auch, dass die Parteivertreter unstreitig bereits Anfang Februar 2021 Gespräche hinsichtlich einer gütlichen Einigung geführt und in einem Gespräch am 5. Februar 2021 die Eckdaten für einen möglichen Beendigungsvergleich in einem zukünftigen Kündigungsschutzverfahren besprochen hatten. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte die Kündigung noch mit Hinweis auf eine Einbuße von „nahezu 70 % des Vorjahreszeitraums“ und damit begründet, dass neben der Klägerin auch ein weiteres Arbeitsverhältnis, nämlich das von Frau K. gekündigt werde. Dass die Klägerin nunmehr behauptet, sie hätte den Vergleich nicht abgeschlossen, wenn sie gewusst hätte, dass der Betrieb nicht geschlossen, sondern fortgeführt wird, macht dieses Motiv nicht zur Geschäftsgrundlage des Prozessvergleichs.

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Parteien in Ziffer 1 des Vergleichs vereinbart haben, dass zwischen den Parteien Einigkeit darüber besteht, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung vom 23. April 2021 mit Ablauf des 30. September 2021 aus betriebsbedingten Gründen sein Ende finden wird.

Die Auslegung eines Vergleichs richtet sich nach allgemeinen Regeln (§§ 133, 157 BGB). Vergleiche sind grundsätzlich nichttypische Verträge (BAG 15. September 2004 – 4 AZR 9/04 – Rn. 21 mwN., juris; 17. April 1970 – 1 AZR 302/69 – Rn. 22 mwN., juris). Das gilt auch für die Auslegung des materiell-rechtlichen Inhalts eines als Prozessvergleich zu Protokoll des Gerichts geschlossenen Vergleichs (BAG 15. September 2004 – 4 AZR 9/04 – Rn. 21 mwN., juris).

In Ziffer 1 des Vergleichs haben die Parteien sich sowohl über das Ende und den Beendigungszeitpunkt als auch über den Beendigungsgrund geeinigt, indem sie aufgenommen haben, dass betriebsbedingte Gründe (Betriebsstilllegung) vorliegen. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann die Ziffer 1 des Vergleichs demgegenüber nicht dahingehend ausgelegt werden, dass das Vorliegen der betriebsbedingten Gründe Vergleichsgrundlage werden sollte. Die Parteien haben nach dem Wortlaut der Ziffer 1 gerade nicht vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis enden soll, „sofern“, „wenn“ oder „weil“ betriebsbedingte Gründe vorliegen, nämlich der Betrieb stillgelegt wird. Auch angesichts der laufenden langen Kündigungsfrist haben die Parteien keine Regelungen im Hinblick auf eine Änderung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten vorgesehen. Eine etwaige Unsicherheit über das Vorliegen betriebsbedingter Gründe, insbesondere einer Betriebsstilllegung wurde von den Parteien durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt.

Die Berufung der Klägerin hatte daher keinen Erfolg.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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