Übersicht:
- Konflikt zwischen Datenschutz und Kündigungsrecht: Ein prägnanter Fall der Videoüberwachung
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was darf der Arbeitgeber bei der Videoüberwachung am Arbeitsplatz überhaupt?
- Welche Rechte haben Arbeitnehmer bei unrechtmäßiger Videoüberwachung?
- Wann ist eine fristlose Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer gerechtfertigt?
- Welche finanziellen Folgen hat eine berechtigte fristlose Eigenkündigung?
- Welche Beweise müssen Arbeitnehmer für eine unrechtmäßige Videoüberwachung sichern?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: ArbG Nordhausen
- Datum: 15.02.2024
- Aktenzeichen: 3 Ca 625/23
- Verfahrensart: Arbeitsrechtliche Streitigkeit über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht
- Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Betreiberin eines Friseursalons in S…. Sie fordert die gerichtliche Überprüfung der außerordentlichen Kündigung. Ihre Argumentation richtet sich darauf, dass die Kündigung unter Berücksichtigung der innerbetrieblichen Umstände – insbesondere der internen Forderungen und der vorangegangenen Vorwürfe – unwirksam sei.
- Beklagte: Langjährige Friseurin, die seit Juli 2017 im Salon beschäftigt ist. Gegen sie wurde am 15.08.2023 eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen, deren Wirksamkeit nun zur Streitfrage wurde.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Im Rahmen eines internen Konflikts geriet der Betrieb des Friseursalons nach einer Übernahme der Geschäftsführung in eine Situation erhöhter Erwartungen und Vorwürfe, unter anderem bezüglich Honorarunterschlagung. Nach einem Personalgespräch und in Folge arbeitsmedizinischer Feststellungen (Krankheitszeitraum vom 16. bis 30. März 2023) wurde der Friseurinnendienst mit einer außerordentlichen Kündigung konfrontiert.
- Kern des Rechtsstreits: Es galt zu klären, ob die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung der vorliegenden Umstände, wie den internen Umstrukturierungen und dem Krankheitszeitraum der Beschäftigten, rechtlich wirksam ist.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wurde abgewiesen.
- Folgen: Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits, und der Streitwert wurde auf 2.079,96 EUR festgesetzt.
Konflikt zwischen Datenschutz und Kündigungsrecht: Ein prägnanter Fall der Videoüberwachung
Im Zeitalter strenger Datenschutzrichtlinien und wachsender Sensibilität im Bereich der Persönlichkeitsrechte sorgt die anlasslose Kameraüberwachung am Arbeitsplatz für hitzige Diskussionen. Betriebsinteressen stehen etwaigen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten gegenüber, wenn heimliche Videoüberwachung als Kündigungsgrund herangezogen wird und der Kündigungsschutz in Frage steht.
Das Spannungsfeld zwischen Arbeitnehmerrechten und betrieblichen Interessen führt zu rechtlichen Konsequenzen. Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt und analysiert.
Der Fall vor Gericht
Videoüberwachung ohne Einwilligung rechtfertigt fristlose Kündigung

Das Arbeitsgericht Nordhausen hat die Klage eines Friseursalons gegen die fristlose Eigenkündigung einer langjährigen Mitarbeiterin abgewiesen. Die seit 2017 beschäftigte Friseurin hatte im August 2023 aufgrund einer unrechtmäßigen Videoüberwachung ihres Arbeitsplatzes fristlos gekündigt.
Arbeitgeber installierte Kamera trotz fehlender Zustimmung
Der neue Geschäftsführer des Friseursalons hatte im Mai 2023 die Installation einer Videokamera angekündigt und die Mitarbeiter um Zustimmung gebeten. Als Grund nannte er zunächst vermehrte Diebstahlshandlungen und Schutzgelderpressung. Obwohl alle Mitarbeiter ihre Zustimmung verweigerten, ließ der Geschäftsführer eine schwenkbare WLAN-Überwachungskamera mit Bewegungsmelder und Audioübertragung installieren. Später räumte der Arbeitgeber ein, die Kamera sei tatsächlich zur Überwachung des Kassenbereichs installiert worden, um Unstimmigkeiten bei den Honorarabrechnungen der Mitarbeiter zu überprüfen.
Gericht bestätigt Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung
Das Arbeitsgericht stufte die Videoüberwachung als rechtswidrig ein. Eine Überwachung der Belegschaft zum Schutz vor Vermögensschäden sei ohne konkreten Anlass verboten. Der Arbeitgeber konnte weder eine Einwilligung der Mitarbeiter noch tatsächliche Anhaltspunkte für einen Verdacht auf Straftaten vorweisen. Das Gericht sah in der bewussten anlasslosen Überwachung einen wichtigen Grund, der eine Fristlose Kündigung rechtfertigt.
Keine Abmahnung erforderlich
Eine vorherige Abmahnung war nach Ansicht des Gerichts nicht erforderlich. Der Arbeitgeber hatte die Videoüberwachung trotz verweigerter Zustimmung durchgeführt und auch nach Beschwerden der Mitarbeiter daran festgehalten. Das Gericht bewertete dies als erhebliche Verletzung des Rechts auf Informationelle Selbstbestimmung und der Würde der Arbeitnehmer.
Interessenabwägung zugunsten der Arbeitnehmerin
In der Interessenabwägung stellte das Gericht fest, dass der Arbeitgeber keine besonderen Gründe für die Einhaltung der Kündigungsfrist vorgebracht hatte. Die subjektive Belastung der Arbeitnehmerin durch die ständige Überwachung wog hingegen schwer. Die Tatsache, dass die Friseurin unmittelbar nach der Kündigung eine neue Stelle antrat, änderte nichts an dieser Bewertung.
Zweiwochenfrist gewahrt
Die gesetzliche Frist für eine fristlose Kündigung wurde eingehalten, da die unrechtmäßige Videoüberwachung einen Dauertatbestand darstellte, der bis zur Kündigung am 15. August 2023 fortbestand. Das Arbeitsverhältnis endete damit wirksam mit sofortiger Wirkung.
Möchten Sie weitere Details zu den rechtlichen Grundlagen der Videoüberwachung am Arbeitsplatz oder den Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung erfahren?
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen möglich ist, wenn ein ärztliches Attest die Notwendigkeit der Beendigung der Tätigkeit bescheinigt und ein kausaler Zusammenhang zwischen Arbeitsumfeld und gesundheitlichen Beschwerden nachgewiesen wird. Die vollständige Genesung nach Aufnahme einer neuen Tätigkeit kann dabei als zusätzlicher Beleg für die Rechtmäßigkeit der Kündigung dienen. Besonders relevant ist die Feststellung, dass psychosomatische Beschwerden, die nachweislich durch das Arbeitsumfeld verursacht werden, einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen können.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Arbeitnehmer haben Sie das Recht, Ihr Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen, wenn Ihre Gesundheit durch das Arbeitsumfeld nachweislich beeinträchtigt wird. Dafür benötigen Sie ein ärztliches Attest, das den Zusammenhang zwischen Ihrer Erkrankung und der Arbeitssituation bestätigt. Die Dokumentation des Gesundheitsverlaufs, insbesondere eine Besserung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, kann Ihre Position zusätzlich stärken. Bei psychosomatischen Beschwerden ist es wichtig, diese durch einen Arzt diagnostizieren und den Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz dokumentieren zu lassen.
Benötigen Sie Hilfe?
Unzulässige Videoüberwachung und ihre arbeitsrechtlichen Folgen
Anlasslose Videoüberwachung am Arbeitsplatz kann zu schwerwiegenden arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen und individuelle Rechte in besonderem Maße berühren. In Fällen, in denen Überwachungsmaßnahmen ohne ausdrück Zustimmung vorgenommen werden, entsteht häufig ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den Interessen der und dem Schutz der Privatsphäre der Mitarbeiter.
Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, den Sachverhalt präzise zu analysieren und Ihre rechtlichen Möglichkeiten fundiert zu prüfen. Dabei legen wir großen Wert auf eine sachliche Beratung, die Ihnen Klarheit über Ihre Rechte verschafft und Sie in Ihrem Handeln bestärkt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was darf der Arbeitgeber bei der Videoüberwachung am Arbeitsplatz überhaupt?
Die Videoüberwachung am Arbeitsplatz unterliegt strengen gesetzlichen Beschränkungen und ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.
Grundsätzlich erlaubte Überwachung
In öffentlich zugänglichen Bereichen wie Verkaufsräumen oder Eingangsbereichen darf der Arbeitgeber Kameras installieren, wenn:
- Die Überwachung klar erkennbar ist
- Sie der Wahrung des Hausrechts dient
- Ein berechtigtes Interesse wie Diebstahlschutz vorliegt
Voraussetzungen für die Überwachung
Der Arbeitgeber muss vor der Installation von Überwachungskameras:
- Den Betriebsrat einbeziehen und dessen Zustimmung einholen
- Die Mitarbeiter transparent informieren
- Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sicherstellen
- Den Datenschutz gemäß DSGVO gewährleisten
Absolute Verbote
Niemals überwacht werden dürfen:
- Sanitärräume und Umkleiden
- Pausenräume
- Sozialräume
- Bereiche für private Tätigkeiten
Heimliche Überwachung
Eine verdeckte Videoüberwachung ist nur ausnahmsweise erlaubt:
- Bei konkretem Verdacht auf Straftaten
- Zeitlich eng begrenzt
- Wenn keine anderen Aufklärungsmöglichkeiten bestehen
- Nach Interessenabwägung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerrechten
Bei Verstößen gegen diese Vorgaben drohen dem Arbeitgeber erhebliche Bußgelder. Ein bekanntes Beispiel ist das Bußgeld von 10,4 Millionen Euro gegen notebooksbilliger.de wegen unrechtmäßiger Mitarbeiterüberwachung.
Welche Rechte haben Arbeitnehmer bei unrechtmäßiger Videoüberwachung?
Bei einer unrechtmäßigen Videoüberwachung am Arbeitsplatz stehen Ihnen als Arbeitnehmer umfangreiche Rechte zu, die sich aus dem Bundesdatenschutzgesetz und der DSGVO ableiten.
Unmittelbare Handlungsmöglichkeiten
Sie können von Ihrem Arbeitgeber die sofortige Einstellung der unzulässigen Videoüberwachung verlangen. Dieser Unterlassungsanspruch ergibt sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Zusätzlich haben Sie das Recht, Auskunft über Art, Umfang und Zweck der Videoüberwachung zu erhalten.
Rechtliche Ansprüche
Bei einer unrechtmäßigen Videoüberwachung können Sie Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen der Verletzung Ihrer Persönlichkeitsrechte geltend machen. Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach der Schwere und Dauer des Eingriffs. So wurde beispielsweise einem Techniker ein Schmerzensgeld von 3.500 Euro zugesprochen, weil er ohne Einwilligung dauerhaft videoüberwacht wurde.
Strafrechtliche Dimension
Besonders schwerwiegend wird der Fall, wenn die Videoüberwachung auch Tonaufnahmen umfasst. Dies stellt eine Straftat dar, die mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden kann. Bereits der Versuch ist strafbar.
Betriebliche Schritte
Wenn in Ihrem Unternehmen ein Betriebsrat existiert, können Sie sich an diesen wenden. Der Betriebsrat hat bei Überwachungsmaßnahmen ein zwingendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Eine Videoüberwachung ohne Beteiligung des Betriebsrats ist rechtswidrig, und der Betriebsrat kann auf Entfernung der Kameras klagen.
Datenschutzrechtliche Maßnahmen
Sie haben das Recht, sich bei der zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde zu beschweren. Bei Verstößen gegen die DSGVO können erhebliche Bußgelder verhängt werden – in einem Fall wurde beispielsweise ein Bußgeld von 10,4 Millionen Euro wegen unrechtmäßiger Mitarbeiterüberwachung verhängt.
Beweisverwertungsverbot
Wichtig ist auch: Informationen aus einer unrechtmäßigen Videoüberwachung unterliegen unter Umständen einem Verwertungsverbot. Das bedeutet, dass diese Aufnahmen vor Gericht, beispielsweise in einem Kündigungsschutzprozess, nicht verwendet werden dürfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn mildere Mittel zur Aufdeckung eines Fehlverhaltens zur Verfügung gestanden hätten.
Wann ist eine fristlose Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer gerechtfertigt?
Eine fristlose Eigenkündigung ist nach § 626 BGB möglich, wenn wichtige Gründe vorliegen, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist unzumutbar machen.
Formelle Voraussetzungen
Sie müssen bei einer fristlosen Kündigung folgende formelle Anforderungen beachten:
- Die Kündigung muss schriftlich erfolgen
- Die Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes erklärt werden
- Eine Interessenabwägung muss die sofortige Beendigung rechtfertigen
Wichtige Kündigungsgründe
Als wichtige Gründe für eine fristlose Eigenkündigung gelten insbesondere:
Erhebliche Pflichtverletzungen des Arbeitgebers wie:
- Beträchtliche Lohnrückstände nach erfolgter Mahnung
- Schwerwiegende Verstöße gegen den Arbeitsschutz, wenn der Arbeitgeber sich weigert, Unfallvorschriften umzusetzen
- Unzulässige Videoüberwachung am Arbeitsplatz, besonders wenn diese anlasslos erfolgt und das Persönlichkeitsrecht verletzt
- Verlangen von Straftaten durch den Arbeitgeber
- Böswillige Vorenthaltung des zustehenden Urlaubs
Rechtliche Folgen
Bei einer fristlosen Eigenkündigung sollten Sie die möglichen Konsequenzen kennen:
Eine fristlose Eigenkündigung führt grundsätzlich zu einer zwölfwöchigen Sperrzeit beim Arbeitslosengeld. Diese Sperrzeit kann jedoch vermieden werden, wenn Sie der Arbeitsagentur nachweisen können, dass die Kündigung wegen eines schwerwiegenden Fehlverhaltens des Arbeitgebers zwingend notwendig war.
Liegt ein Verschulden des Arbeitgebers vor, können Sie nach § 628 Abs. 2 BGB zusätzlich Schadensersatzansprüche geltend machen.
Besonderheit bei Videoüberwachung
Ein aktuelles Beispiel für einen wichtigen Kündigungsgrund ist die anlasslose Videoüberwachung durch den Arbeitgeber. Das Arbeitsgericht Nordhausen hat in einem Urteil vom 15. Februar 2024 entschieden, dass eine bewusste, anlasslose Videoüberwachung am Arbeitsplatz eine erhebliche Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung darstellt und eine fristlose Kündigung rechtfertigt.
In diesem Fall ist eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich, wenn der Arbeitgeber trotz fehlender Zustimmung der Mitarbeiter und deren Beschwerden an der Videoüberwachung festhält.
Welche finanziellen Folgen hat eine berechtigte fristlose Eigenkündigung?
Eine berechtigte fristlose Eigenkündigung führt zu sofortiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist. Dies hat verschiedene finanzielle Auswirkungen:
Lohn und Gehalt
Bei einer berechtigten fristlosen Eigenkündigung steht Ihnen ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB zu. Dieser umfasst den sogenannten Verfrühungsschaden, der sich aus zwei Komponenten zusammensetzt:
- Den Lohnverlust für die reguläre Kündigungsfrist
- Eine angemessene Kompensation für den Verlust des Arbeitsplatzes, ähnlich einer Abfindung
Arbeitslosengeld
Bei einer berechtigten fristlosen Eigenkündigung vermeiden Sie die übliche Sperrzeit beim Arbeitslosengeld. Dies gilt insbesondere bei:
- Ausbleiben der Gehaltszahlungen
- Gesundheitsgefährdung am Arbeitsplatz
- Diskriminierung oder Mobbing
Resturlaub und weitere Ansprüche
Wenn Sie fristlos kündigen, hat dies folgende Auswirkungen:
- Sofortige Auszahlung des Resturlaubs in Geld
- Beibehaltung der Krankenversicherung für einen weiteren Monat nach Kündigung (Nachversicherungspflicht)
Besonderheiten bei Zahlungsverzug
Wenn Sie wegen ausbleibender Gehaltszahlungen fristlos kündigen, haben Sie zusätzliche Ansprüche:
- Schadensersatz für entgangenen Verdienst während der regulären Kündigungsfrist
- Anspruch auf Verzugszinsen für ausstehende Gehaltszahlungen
Die Zweiwochenfrist für die Erklärung der fristlosen Kündigung beginnt mit Kenntnis der maßgeblichen Umstände. Der Arbeitgeber muss die Kündigung unverzüglich schriftlich bestätigen, wenn Sie dies verlangen.
Welche Beweise müssen Arbeitnehmer für eine unrechtmäßige Videoüberwachung sichern?
Bei einer vermuteten unrechtmäßigen Videoüberwachung am Arbeitsplatz müssen Sie als Arbeitnehmer systematisch Beweise sichern, um Ihre Rechte durchsetzen zu können.
Dokumentation der Überwachungsanlage
Erfassen Sie detailliert die technischen Details der Videoüberwachung. Dazu gehören Standorte der Kameras, Aufnahmewinkel und ob die Kameras offen oder verdeckt installiert sind. Fotografieren Sie, wenn möglich, die installierten Kameras und deren Positionen. Notieren Sie auch, ob Hinweisschilder auf die Videoüberwachung vorhanden sind.
Zeitliche Dokumentation
Dokumentieren Sie präzise den Zeitraum der Überwachung. Halten Sie fest, wann Sie die Kameras erstmals bemerkt haben und wie lange die Überwachung bereits andauert. Bei einer dauerhaften Überwachung können Schmerzensgeldzahlungen von bis zu 3.500 Euro gerechtfertigt sein.
Nachweis fehlender Zustimmung
Sammeln Sie Belege für die fehlende Einwilligung. Prüfen Sie, ob eine Betriebsvereinbarung zur Videoüberwachung existiert und ob der Betriebsrat zugestimmt hat. Bewahren Sie Kopien Ihres Arbeitsvertrags und etwaiger Zusatzvereinbarungen auf, die keine Einwilligung zur Videoüberwachung enthalten.
Beeinträchtigungen dokumentieren
Halten Sie konkrete Beeinträchtigungen durch die Überwachung fest. Dokumentieren Sie, wie die Überwachung Ihre Arbeit und Ihr Wohlbefinden beeinträchtigt. Führen Sie ein Protokoll über gesundheitliche oder psychische Folgen der ständigen Beobachtung.
Zeugenaussagen sichern
Sprechen Sie mit Kollegen, die ebenfalls von der Überwachung betroffen sind. Bitten Sie diese, ihre Beobachtungen schriftlich festzuhalten. Achten Sie darauf, dass die Zeugenaussagen mit Datum und Unterschrift versehen sind.
Betriebliche Veranlassung nachweisen
Dokumentieren Sie den Zusammenhang zwischen der Überwachung und Ihrer Arbeitstätigkeit. Notieren Sie, welche Arbeitsbereiche von den Kameras erfasst werden und ob diese für Ihre Tätigkeit relevant sind. Die bloße Anwesenheit im Betrieb reicht als Nachweis nicht aus.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Fristlose Kündigung
Eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund, die ohne Einhaltung der üblichen Kündigungsfrist erfolgt. Sie ist nur bei schwerwiegenden Verstößen zulässig, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen. Die gesetzliche Grundlage findet sich in § 626 BGB. Die Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden des Kündigungsgrundes erklärt werden.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer kann fristlos kündigen, wenn der Arbeitgeber massiv gegen Persönlichkeitsrechte verstößt, wie bei unrechtmäßiger Videoüberwachung.
Informationelle Selbstbestimmung
Das Grundrecht jedes Menschen, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Es leitet sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ab und wurde durch das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil 1983 entwickelt. Eine Einschränkung ist nur durch Gesetz oder Einwilligung möglich.
Beispiel: Die Installation einer Überwachungskamera am Arbeitsplatz ohne Einwilligung verletzt dieses Recht.
Dauertatbestand
Ein fortlaufender rechtswidriger Zustand, der sich über einen längeren Zeitraum erstreckt und nicht mit einer einmaligen Handlung abgeschlossen ist. Im Arbeitsrecht ist dies besonders für Fristen relevant, da diese erst mit Beendigung des Dauertatbestands zu laufen beginnen.
Beispiel: Eine unrechtmäßig installierte Überwachungskamera stellt einen Dauertatbestand dar, solange sie in Betrieb ist.
Abmahnung
Eine förmliche Rüge des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers, die auf ein Fehlverhalten hinweist und für den Wiederholungsfall arbeitsrechtliche Konsequenzen androht. Sie ist normalerweise Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung. Bei besonders schweren Verstößen kann sie entbehrlich sein.
Beispiel: Bei einer Unterschlagung größerer Geldbeträge kann eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung erfolgen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Kündigungsschutzgesetz (KSchG) – § 626 Außerordentliche Kündigung: Dieses Gesetz regelt die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung im Arbeitsverhältnis. Eine außerordentliche Kündigung ist nur gerechtfertigt, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Im vorliegenden Fall hat die Arbeitgeberin die Beklagte fristlos gekündigt, wobei gesundheitliche Gründe angegeben wurden. Das KSchG wird hier relevant, um zu prüfen, ob die Kündigung tatsächlich auf einem wichtigen Grund basiert und ob die formellen Voraussetzungen eingehalten wurden.
- Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – Art. 6 und Art. 88: Die DSGVO regelt den Schutz personenbezogener Daten und deren Verarbeitung im Arbeitskontext. Insbesondere die Installation von Videokameras im Salon wirft Fragen zum Datenschutz auf, da die Überwachung der Mitarbeiter personenbezogene Daten verarbeitet. Art. 6 bestimmt die Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung, während Art. 88 spezifische Ausnahmen für die Beschäftigungssituation enthält. Die Zustimmung der Mitarbeiter zur Videoüberwachung ist ein zentraler Aspekt, der hier überprüft werden muss.
- Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) – § 74 BetrVG: Dieses Gesetz regelt die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei technischen Einrichtungen, die das Verhalten oder die Leistung der Mitarbeiter überwachen. Die Installation der Videokamera ohne Zustimmung des Betriebsrats könnte einen Verstoß gegen § 74 darstellen. Im vorliegenden Fall wurde die Videoüberwachung trotz Ablehnung durch die Mitarbeiter installiert, was die Mitbestimmungsrechte beeinträchtigen könnte.
- Arbeitsrechtliche Vorschriften zum Gesundheitsschutz – Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Das ArbSchG verpflichtet Arbeitgeber, die Gesundheit ihrer Mitarbeiter zu schützen und Gefährdungen am Arbeitsplatz zu vermeiden. Die Erkrankung der Beklagten und die daraus resultierenden Kündigungsgründe müssen im Kontext des Gesundheitsschutzes bewertet werden. Es ist zu prüfen, ob die Kündigung aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen im Einklang mit dem ArbSchG steht und ob angemessene Schutzmaßnahmen ergriffen wurden.
- Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) – § 159 SGB IX: Dieses Gesetz befasst sich mit dem Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen. Sollte die Beklagte eine anerkannte Schwerbehinderung haben, bietet das SGB IX zusätzlichen Kündigungsschutz. Die Vorlage eines ärztlichen Attests zur Bestätigung der gesundheitlichen Situation der Beklagten spielt eine Rolle bei der Anwendung dieser Vorschrift und der Bewertung der Rechtmäßigkeit der Kündigung.
Das vorliegende Urteil
ArbG Nordhausen – Az.: 3 Ca 625/23 – Urteil vom 15.02.2024
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