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Anpassung der Betriebsrente

Landesarbeitsgericht Niedersachsen – Az.: 4 Sa 129/11 B – Urteil vom 28.07.2011

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 17.11.2010 – 3 Ca 520/08 – teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

1. 100,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2008 zu zahlen,

2. ab Dezember 2008 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 362,77 € (statt: 350,16 €) zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 4/5, die Beklagte zu 1/5.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob und in welchem Umfang die Beklagte die Betriebsrente des Klägers anzupassen hat.

Der am 00.00.1935 geborene Kläger war vom 01.09.1969 bis zum 31.03.1995 bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten als Leiter der Qualitätsendkontrolle beschäftigt. Er hat Anspruch auf Gewährung einer Betriebsrente nach Maßgabe der Pensionsordnung für die A. vom 01.07.1976. Seit dem 01.04.1996 erhält er eine Betriebsrente von derzeit 350,16 € im Monat. Außer einer Erhöhung der Rente infolge einer Neuberechnung auf der Grundlage der „Barber-Entscheidung“ erfolgten Anpassungen der Betriebsrente nicht.

Rechtsnachfolgerin der B. war die C. Deren Geschäftsanteile wurden im Jahr 2001 zunächst überwiegend auf die D. und im selben Jahr auf die E. (seit dem 19.02.2002: F.) übertragen. Die C. firmierte im Jahre 2002 zur G. um.

Am 22.12.2005 beschlossen die Gesellschafter der F., die G. durch finanzielle Unterstützung zu entschulden. Der Ausgleich der bilanziellen Überschuldung sollte dazu dienen, eine Verschmelzung der G. mit der H. zu ermöglichen. Zum 25.04.2006 wurde die G. aufgrund Verschmelzungsvertrages vom 27.02.2006, dem entsprechende Beschlüsse der Gesellschafter vom selben Tage zugrunde liegen, durch Aufnahme auf die H. verschmolzen und später in G., die jetzige Beklagte, umbenannt. Deren alleinige Gesellschafterin ist nach wie vor die F..

Neben der G. wurden auch die I. und die J. – jeweils mit Verschmelzungsvertrag vom 26.05.2006 – auf die jetzige Beklagte verschmolzen. Deren Verschmelzungen wurden am 25.07.2006 sowie am 13.10.2006 in das Handelsregister eingetragen.

Die Beklagte bestand auch nach diesen Verschmelzungen zunächst aus vier eigenständigen und selbständig geführten Geschäftsbereichen (K., L., M. und N.). Im Jahr 2007 wurde der Geschäftsbereich N. in den Geschäftsbereich M. integriert. Ende 2009/Anfang 2010 übertrug die Beklagte den Geschäftsbereich L. im Wege einer Ausgliederung auf die O., die inzwischen unter P. firmiert. Darüber hinaus wurde der Geschäftsbereich K. der Beklagten aufgrund des am 10.03.2010 geschlossenen Unternehmenskauf- und Übertragungsvertrages Ende April 2010 auf die Q. übertragen, die inzwischen unter „R.“ firmiert.

Die wirtschaftliche Entwicklung der Rechtsvorgängerin der Beklagten in den Jahren 1996 bis 2006 gestaltete sich wie folgt (Beträge in Mio.; bis zum Jahr 2001 in DM, ab dem Jahr 2002 in Euro; gerundet):

…………………….

Die wirtschaftliche Situation der aufnehmenden Gesellschaft und jetzigen Beklagten stellte sich unter Berücksichtigung der Jahresabschlüsse sowie der entsprechenden Gewinn- und Verlustrechnungen für die Jahre 2001 bis 2009 wie folgt dar:

…………………..

Die aufnehmende Gesellschaft betrieb in den Jahren 2001 bis 2004 kein operatives Geschäft. Im Jahr 2005 betraf das operative Geschäft ausschließlich den Geschäftsbereich L. Für das Jahr 2006 ergibt sich eine Verschmelzungsbilanz der E. mit dem Geschäftsbereich L. unter Einschluss der weiteren Geschäftsbereiche S. und T..

In einem Vorprozess hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung einer rückständigen Betriebsrente für die Zeit vom 01.04.2004 bis zum 28.02.2007 in Höhe von 1.493,36 € in Anspruch genommen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Beklagte habe seine Betriebsrente zum 01.04.2002 um 8,5 % (= 29,76 €) und zum 01.04.2005 um 13 % (= 45,32 €) anpassen müssen. Für die Zeit vom 01.04.2004 bis zum 31.03.2005 schulde ihm die Beklagte die Zahlung eines Betrages in Höhe von 446,40 € (15 x 29,76) und für die Zeit vom 01.04.2005 bis zum 28.02.2007 Zahlung weiterer 1.046,96 € (23 x 45,32; richtig: 1.042,36). Das Arbeitsgericht Oldenburg wies die Klage durch Urteil vom 10.10.2007 ab (3 Ca 72/07 B). Zur Begründung führte es aus, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe zu den maßgeblichen Anpassungszeitpunkten 01.04.1999, 01.04.2002 und 01.04.2005 keine Erträge und keinen Wertzuwachs erwirtschaftet, der für die Verteilung an die Betriebsrentner im Wege einer Anpassung der Betriebsrente zur Verfügung gestanden habe. Das Urteil ist rechtskräftig.

Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 480,41 € für die Monate April bis November 2008 (7 x 68,63; richtig: 8 x 68,63) und Zahlung einer monatlichen Betriebsrente in Höhe von 416,79 € ab 01.12.2008 in Anspruch.

Der Kläger hat gemeint, die Verbraucherpreise seien bis April 2002 um 8,5 % und in dem Zeitraum von April 2002 bis April 2005 um 13 % gestiegen. Nach dem Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI) hätten sich die Verbraucherpreise im Zeitraum April 2005 bis April 2008 erneut um 6,6 % erhöht. Entsprechend sei die Betriebsrente um 19,6 % anzupassen. Das könne die Beklagte auch leisten. Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage sei nicht auf die Geschäftslage im Bereich „K.“ abzustellen, sondern auf die Beklagte insgesamt. Deren wirtschaftliche Lage habe sich ausweislich der vorgelegten Kennzahlen stark verbessert. Das Unternehmen erwirtschafte Gewinne, habe beträchtliches Eigenkapital aufbauen können und habe eine hohe Eigenkapitalrentabilität. An dieser wirtschaftlichen Gesundung müsse die Beklagte ihre Betriebsrentner angemessen beteiligen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. an den Kläger 480,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2008 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab Dezember 2008 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 418,79 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, vor der Verschmelzung habe sie sich in einer wirtschaftlich höchst kritischen Lage befunden. Nur durch die finanziellen Zuwendungen der F. habe eine Insolvenz verhindert werden können. Auch nach der Verschmelzung sei nach wie vor auf die wirtschaftlichen Daten der Rechtsvorgängerinnen abzustellen. Im Übrigen müsse das verschmolzene Unternehmen zunächst die Möglichkeit haben, sich über einen mittelfristig anzusetzenden Zeitraum zu regenerieren und den in der Vergangenheit eingetretenen Substanzverlust auszugleichen. Jedenfalls komme eine Anpassung allenfalls in Höhe des Anstiegs der Reallöhne in dem Zeitraum von 2005 bis 2008 in Betracht. Im Hinblick auf die Entwicklung der Nettolöhne im Unternehmen habe sie als Vergleichsgruppe diejenigen Angestellten herangezogen, die in der tariflichen Vergütungsgruppe G 6 H eingruppiert sind. Die Mehrheit der Angestellten sei in dieser tariflichen Entgeltgruppe eingruppiert. Das Anpassungsmaß beschränke sich durch die Kappungsgrenze gemäß § 16 Abs. 2 Ziffer 2 BetrAVG folglich auf maximal 3,6 %.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 17.11.2010 abgewiesen. Gegen das ihm am 22.12.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.01.2011 (22. = Samstag) Berufung eingelegt und sie nach Verlängerung der Begründungsfrist am 22.03.2011 begründet.

Der Kläger macht geltend, Beurteilungsgrundlage für die langfristig zu stellende Prognose sei die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens in der Zeit vor dem Anpassungsstichtag, soweit daraus Schlüsse für die Entwicklung des Unternehmens gezogen werden könnten. Die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung nach dem Anpassungsstichtag könne eine frühere Prognose bestätigen oder entkräften. Nur insoweit seien die wirtschaftlichen Daten bis zur letzten Tatsachenverhandlung zu berücksichtigen. Nicht vorhersehbare, veränderte Rahmenbedingungen spielten demgegenüber keine Rolle. Derartige veränderte Rahmenbedingungen stellten die wirtschaftlichen Verwerfungen in der Finanzkrise dar. Zukünftige Entwicklungen nach dem Anpassungsstichtag dürften deshalb nur sehr eingeschränkt oder aber gar nicht berücksichtigt werden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 17.11.2010 – 3 Ca 520/08 B – abzuändern und nach den in der ersten Instanz gestellten Schlussanträgen zu erkennen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die Leistungen des Klägers aus der betrieblichen Altersversorgung ab dem 01.04.2008 um einen vom dem Gericht nach billigem Ermessen festzusetzenden Anpassungsbetrag zu erhöhen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 21.04.2011.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die Ruhestandsbezüge des Klägers mit Wirkung vom 01.04.2008 um 3,6 % zu erhöhen.

1. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet, dass er in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn die Anpassungsprüfung vorzunehmen hat. Schuldner des Anspruchs auf Anpassung der Betriebsrente des Klägers ist nach § 16 Abs. 1 BetrAVG die Beklagte. Mit der Verschmelzung gingen die Verbindlichkeiten der G. gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auf die Beklagte über.

Zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass es auf die wirtschaftliche Lage der Beklagten als Anpassungsschuldnerin ankommt. Das ergibt sich § 16 Abs. 1 BetrAVG. Die Auffassung der Beklagten, es seien nach der Verschmelzung so lange unterschiedliche Anpassungsentscheidungen zu treffen, wie Leistungsbeiträge der Ursprungsunternehmen noch voneinander unterschieden werden könnten, läuft darauf hinaus, auf die Verhältnisse eines in dieser Form nicht mehr existierenden Unternehmens abzustellen. § 16 BetrAVG sieht eine fiktive Fortschreibung früherer gesellschaftsrechtlicher Verhältnisse nicht vor. Für eine Rechtsfortbildung gibt es keine tragfähige Grundlage. Die Rechtsprechung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts zur Anpassung von Betriebsrenten im Konzern (vgl. Urteil vom 25.06.2002 – 3 AZR 226/01 – AP § 16 BetrAVG Nr. 51) kann schon deshalb nicht herangezogen werden, weil die verschmolzenen Unternehmen keinen Konzern bilden, sondern die beiden ursprünglich selbständigen Unternehmen zu einem Unternehmen verschmolzen wurden. Die Ansicht der Beklagten würde zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen, selbst wenn man von bilanzrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten absieht. Auf die Motive für die Verschmelzung und darauf, ob sie auch dann stattgefunden hätte, wenn die Rechtsfolgen vorausgesehen worden wären, kommt es nicht an (BAG 31.07.2007 – 3 AZR 810/05 – AP § 16 BetrAVG Nr. 25).

2. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber als Versorgungsschuldner bei seiner Anpassungsentscheidung insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und seine wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Die Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG verpflichtet den Versorgungsschuldner grundsätzlich, den realen Wert der Betriebsrente zu erhalten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es ihm aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht zuzumuten ist, die sich aus der Anpassung ergebenden Mehrbelastungen zu tragen (vgl. BAG 25.06.2002 – 3 AZR 226/01 – AP § 16 BetrAVG Nr. 51).

a. Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ist eine zukunftsbezogene Größe. Sie umschreibt seine wirtschaftliche Belastbarkeit und setzt eine Prognose voraus (BAG 23.05.2000 – 3 AZR 83/99 – AP BetrAVG § 16 Nr. 43). Beurteilungsgrundlage für diese insoweit langfristig zum Anpassungsstichtag zu erstellende Prognose ist grundsätzlich die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens vor dem Anpassungsstichtag, soweit daraus Schlüsse für dessen weitere Entwicklung gezogen werden können. Für eine zuverlässige Prognose muss die bisherige Entwicklung über einen längeren repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren ausgewertet werden (BAG 31.07.2007 – 3 AZR 810/05 – AP BetrAVG § 16 Nr. 65). Zwar kann sich auch die wirtschaftliche Entwicklung nach dem Anpassungsstichtag auf die Überprüfung der Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers auswirken. Sie kann seine frühere Prognose bestätigen oder entkräften (BAG 23.05.2000 – 3 AZR 83/99 – AP § 16 BetrAVG Nr. 43). Voraussetzung für die Berücksichtigung der späteren Entwicklung bei der zum Anpassungsstichtag zu erstellenden Prognose ist jedoch, dass die Veränderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens zum Anpassungsstichtag bereits vorhersehbar waren (BAG 26.10.2010 – 3 AZR 502/08 – BB 2011, 700). Spätere, unerwartete Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens können erst bei der nächsten Anpassungsprüfung berücksichtigt werden.

b. Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, als das Unternehmen dadurch übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn der Arbeitgeber annehmen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen (BAG 10.02.2009 – 3 AZR 272/07 – AP BetrAVG § 16 Nr. 68). Die Anpassungen müssen nicht aus der Unternehmenssubstanz finanziert werden. Demzufolge kommt es auf die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung im Unternehmen an.

Diese Grundsätze gelten auch, wenn in der Vergangenheit kein oder kein voller Geldwertausgleich gewährt wurde. In diesem Fall ist aber besonders sorgfältig zu prüfen, ob eine volle Anpassung den Arbeitgeber übermäßig belasten würde. War die Betriebsrente wegen schlechter wirtschaftlicher Lage nicht anzupassen – zu Recht unterbliebene Anpassung -, so gelten die §§ 16 Abs. 4 Satz 1, 30 c Abs. 2 BetrAVG. Danach sind nur vor dem 01.01.1999 zu Recht unterbliebene Anpassungen nachzuholen.

c. Ist der Versorgungsschuldner – wie vorliegend – aus einer Verschmelzung zweier Unternehmen entstanden, die in dem für die Prognose maßgeblichen repräsentativen Zeitraum stattgefunden hat, kommt es auch auf die wirtschaftliche Entwicklung der beiden ursprünglich selbständigen Unternehmen bis zur Verschmelzung an.

Ausgehend von diesen Grundsätzen steht die wirtschaftliche Entwicklung der Arbeitgeberin einer Rentenanpassung nicht entgegen.

Die Beklagte meint, bei der Bestimmung des Eigenkapitals als wesentliche Größe zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass das positive Eigenkapital der G.. zum 31.12.2005 in Höhe von € 2,68 Mio darauf zurückzuführen sei, dass im Vorgriff auf die geplante Verschmelzung ein Betrag in Höhe von € 87,6 Mio. in die Kapitalrücklage der G. eingestellt worden sei. Ist der Versorgungsschuldner aus einer Verschmelzung zweier Unternehmen entstanden, die in dem für die Prognose maßgeblichen repräsentativen Zeitraum stattgefunden hat, kommt es zwar auch auf die wirtschaftliche Entwicklung der beiden ursprünglich selbständigen Unternehmen bis zur Verschmelzung an (BAG 31.07.2007 – 3 AZR 810/05 – AP § 16 BetrAVG Nr. 65). Für den Zeitraum nach der Verschmelzung ist hingegen auf die wirtschaftliche Entwicklung des verschmolzenen Unternehmens abzustellen. Die Geschäftszahlen der Beklagten für das Jahr 2005 sind nur eingeschränkt aussagekräftig, weil das operative Geschäft in diesem Jahr ausschließlich den Geschäftsbereich L. betraf. Die Verschmelzungsbilanzen der Beklagten für die Jahre 2006, 2007 und 2008 weisen demgegenüber auf eine positive Entwicklung hin. Das Ergebnis vor Steuern steigerte sich von 27,28 € Mio. im Jahr 2005 auf 48,50 € Mio. im Jahr 2006, auf 73,27 € Mio. im Jahr 2007 und schließlich auf 76,24 € Mio. im Jahr 2008. Damit korrespondiert die Entwicklung des Eigenkapitals von 82,68 € Mio. im Jahr 2005 auf 126,74 € Mio. im Jahr 2006, auf 184,76 € Mio. im Jahr 2007 und schließlich auf 248,79 € Mio. im Jahr 2008. Da sich das Eigenkapital während des Geschäftsjahres ständig verändert, kann weder das zu Beginn des Geschäftsjahres vorhandene noch das am Ende des Geschäftsjahres erreichte Eigenkapital zugrunde gelegt werden. Vielmehr ist von einem Durchschnittswert auszugehen (BAG 23. Mai 2000 – 3 AZR 146/99 – AP § 16 BetrAVG Nr. 45). Bei der Prognose der künftigen Entwicklung war die Eigenkapitalverzinsung heranzuziehen, die die Beklagte nach Abschluss der Verschmelzung bis zum Anpassungsstichtag erzielte. In dieser Zeit erreichte die Beklagte nach den vom 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Berechnungsgrundsätzen eine angemessene Eigenkapitalverzinsung. Dies gilt auch dann, wenn berücksichtigt wird, dass in die Kapitalrücklage der Beklagten im Jahr 2006 entsprechend den Vereinbarungen in den Verschmelzungsverträgen € 20,56 Mio. eingestellt worden sind.

Die Beklagte macht des Weiteren geltend, entgegen der Auffassung des Klägers sei nicht ausschließlich auf ihre Entwicklung bis zur zweiten Hälfte des Jahres 2008 abzustellen. Bereits im Jahr 2008 sei hinreichend deutlich geworden, das sie in eine wirtschaftliche Notlage geraten werde. Ihre Geschäftsführung habe in dem Lagebericht zum Geschäftsverlauf und zur Ertragslage für den Jahresabschluss 2008 auf sich abzeichnende erhebliche Schwierigkeiten hingewiesen. In dem Lagebericht werde ausgeführt, dass im Jahr 2008 eine zweigeteilte Entwicklung zu beobachten gewesen sei. Während im ersten Halbjahr noch von einer guten Geschäftstätigkeit gesprochen werden könne, seien die Umsätze im zweiten Halbjahr im Zuge der weltweiten Finanzkrise deutlich zurückgegangen. Im Ansatzpunkt zutreffend weist die Beklagten darauf hin, dass wirtschaftliche Daten nach dem Anpassungsstichtag bis zur letzten mündlichen Verhandlung die frühere Prognose bestätigen oder entkräften können und sich dadurch auf die Darlegungs- und Beweislast auswirken. Spätere, unerwartete Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens können jedoch erst bei der nächsten Anpassungsprüfung berücksichtigt werden. Dass bereits zum Anpassungsstichtag mit einem negativen Ergebnis für das Jahr 2009 zu rechnen war, hat die Beklagte weder schlüssig vorgetragen noch mit Tatsachen belegt.

3. Der Anpassungsanspruch des Klägers ist durch die Nettolohnentwicklung auf einen Prozentsatz von 3,6 begrenzt.

a. Bei der Anpassungsprüfung zum 01.04.2008 war gemäß § 16 Abs. 4 BetrAVG nur auf den Anpassungsbedarf der letzten drei Jahre abzustellen. Nach §§ 16 Abs. 4 Satz 1, 30 c Abs. 2 BetrAVG ist bei einer zu Recht unterbliebenen Anpassung der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Anpassung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Die Rechtsvorgängerinnen der Beklagten haben die laufenden Leistungen zu den Anpassungsstichtagen 01.04.1999, 01.04.2002 und 01.04.2005 zu Recht unterlassen. Die wirtschaftliche Lage der G. (bis 2002: C.) rechtfertigte in dem Zeitraum seit Renteneintritt des Klägers am 01.04.1996 bis zum Anpassungsstichtag 01.04.2005 eine vollständige Ablehnung der Betriebsrentenanpassung. Die G. hatte in den Jahren 1996 bis 2005 durchgehend Verluste erzielt, ihr Eigenkapital im Jahr 2000 aufgezehrt und keine Erträge oder Wertzuwächse erwirtschaftet. Zudem hatten die C. und der U. unter dem 11./22.04.2002 eine Vereinbarung über die Zustimmung zu einem außergerichtlichen Vergleich gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 BetrAVG getroffen, wonach als Tag des Eintritts des Sicherungsfalls gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 BetrAVG der 01.12.2001 galt. Der U. hatte die Vereinbarung mit der C. getroffen, um eine Insolvenz abzuwenden (§ 7 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 BetrAVG) und zu deren Sanierung beizutragen. Wie sich aus § 7 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 BetrAVG ergibt, geht auch das Betriebsrentengesetz davon aus, dass der U. Sanierungsversuche sachkundig beurteilen und sich bei ausreichender Erfolgsaussicht daran beteiligen kann. Ein Unternehmen, dessen unmittelbar bevorstehende Insolvenz nur durch einen außergerichtlichen Vergleich abgewendet wurde, ist aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht im Stande, einen Teuerungsausgleich zu leisten. Gerät ein Unternehmen in so große wirtschaftliche Schwierigkeiten, dass es Versorgungsleistungen selbst nicht mehr erbringen kann, so kann nach § 16 BetrAVG ein Teuerungsausgleich erst recht nicht in Betracht kommen (BAG 29.09.2010 – 3 AZR 427/08 – DB 2011, 362). Dass die Beklagte zu den Anpassungsstichtagen 01.04.2002 und 01.04.2005 nicht zu einer Anpassung der Betriebsrente verpflichtet war, steht aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10.10.2007 (3 Ca 72/07 B) fest.

b. Die Beklagte hat die Entwicklung der Nettoverdienste auf der Grundlage der Entgeltgruppe G 6 H festgestellt. Dies ist nicht zu beanstanden.

Bei der reallohnbezogenen Obergrenze kommt es nicht darauf an, wie sich die Nettovergütungen des einzelnen Versorgungsempfängers ohne Eintritt des Versorgungsfalles und ohne Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis voraussichtlich entwickelt hätten. Entscheidend ist die Lohnentwicklung in einer bestimmten Vergleichsgruppe aktiver Arbeitnehmer. Bereits die Rechtsprechung zu § 16 BetrAVG a. F. hatte aus Gründen der Praktikabilität, insbesondere zur Verwaltungsvereinfachung auf eine Individualisierung verzichtet. Daran hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 16 BetrAVG festgehalten. Er wollte mit § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG n. F. die bisherige Rechtslage verdeutlichen und festschreiben.

Weder nach der bisherigen noch nach der neuen Fassung des § 16 BetrAVG ist eine bestimmte Gruppenbildung geboten. Der Arbeitgeber hat vielmehr einen weitgehenden Entscheidungsspielraum. Ihm bleibt es überlassen, ob er eine gröbere oder eine differenziertere Einteilung vornimmt. Der Entscheidungsspielraum ist nicht überschritten, wenn klare, verdienstbezogene Abgrenzungskriterien die Gruppenbildung als sachgerecht erscheinen lassen. Die Gerichte haben nicht zu prüfen, ob eine andere Einteilung in ihren Augen gerechter oder zweckmäßiger wäre. Nach diesen Maßstäben durfte die Beklagte zunächst alle tariflichen Angestellten als einen typischen Teil der Belegschaft ansehen. Nicht zu beanstanden ist auch die Entscheidung der Beklagten, als Vergleichsgruppe diejenigen Angestellten heranzuziehen, die in der tariflichen Vergütungsgruppe G 6 H eingruppiert sind. Diese Lohngruppe ist geeignet, ein repräsentatives Bild über die Nettolohnentwicklung im Angestelltenbereich bei der Beklagten darzustellen, da die Mehrheit der Angestellten in dieser tariflichen Entgeltgruppe eingruppiert ist.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92, 97 ZPO.

IV. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

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