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Anspruch auf Berechtigung zur Ausübung einer Nebentätigkeit

ArbG Düsseldorf – Az.: 2 Ca 3089/18 – Urteil vom 21.06.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert beträgt 5.000,00 EUR.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berechtigung des Klägers, eine Nebentätigkeit auszuüben.

Der Kläger ist seit dem 01.08.2011 bei der beklagten kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein in einem Arbeitsverhältnis als Niederlassungsberater beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-L Anwendung. Der Kläger erhält eine monatliche Vergütung nach der Entgeltgruppe 13, Stufe 4 in Höhe von zuletzt 4.715,55 EUR brutto.

Mit Schreiben vom 16.03.2018 zeigte der Kläger gegenüber der Beklagten die beabsichtigte Aufnahme einer Nebentätigkeit wie folgt an:

Allgemeine Bürotätigkeiten in der Arztpraxis E. – Ärztin, Hautärztin (Dermatologin), H. – ab dem 01.06.2018 außerhalb der für ihn bei der Beklagten maßgeblichen Arbeitszeit und für wöchentlich sechs Stunden.

Auf den Inhalt der Anzeige (Bl. 10 ff. d. Akte) wird verwiesen. Mit Schreiben vom 18.04.2018 hat die Beklagte die vom Kläger begehrte Nebentätigkeit unter Hinweis auf § 3 Abs. 4 Satz 2 TV-L untersagt. Auf den Inhalt der Untersagung (Bl. 14 d. Akte) wird verwiesen. Der bei der Beklagten gebildete Personalrat stimmte am 17.04.2018 der Untersagung der Nebentätigkeit des Klägers zu (vgl. Bl. 54 d. Akte).

Der Kläger behauptet, dass Frau E. seine Lebenspartnerin sei und aus gesundheitlichen Gründen auf seine Unterstützung bei allgemeinen Bürotätigkeiten angewiesen sei. Durch eine onkologische Behandlung sei sehr viel Ablage liegen geblieben, die seine Hilfe erfordern würde. Die Zustimmung des Personalrats zu der Untersagung der Nebentätigkeit werde mit Nichtwissen bestritten.

Der Kläger ist der Auffassung, der konkrete Inhalt der begehrten Nebentätigkeit stehe in keinem Zusammenhang zu der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit als Niederlassungsberater. Sie würde weder zu einer Bevorzugung noch zu Abrechnungsvorteilen von Frau. E. führen. Er könne seine Tätigkeit nicht zulasten anderer Mitglieder der Beklagten einsetzen. Aufgrund der gesetzlichen Bedarfsplanung bestünde kein Wettbewerb im klassischen Sinne zwischen den Mitgliedern der Beklagten. Die mit der Nebentätigkeit beabsichtigten einfachen Bürotätigkeiten hätten auch keinen Zusammenhang mit seinen Kenntnissen als Niederlassungsberater oder als Gesundheitsökonom. Ein Interessenkonflikt könne sich auch deshalb nicht ergeben, da er für die Stadt Essen, in der Frau E. ihren Vertragsarztsitz hat, nicht zuständig sei. Zudem enthalte die Compliance-Richtlinie der Beklagten einen eigenen Regelungspunkt zur Vermeidung und Offenlegung von Interessenkonflikten, der als probates und adäquates Mittel ausreichend sei.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Nebentätigkeitsgenehmigung für allgemeine Bürotätigkeiten in der Arztpraxis Dr. E. – Ärztin, Hautärztin (Dermatologin), H., ab dem 01.06.2018, außerhalb der für ihn bei der Beklagten maßgeblichen Arbeitszeit und für wöchentliche sechs Stunden zu erteilen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, sie habe zum Schutz ihrer berechtigten Interessen die Nebentätigkeit des Klägers gerade in einer Arztpraxis untersagen können. Sie verweist im Hinblick auf die betriebswirtschaftliche Beratung und die Niederlassungsberatung durch den Kläger auf die diesbezügliche Tätigkeitsbeschreibung (vgl. Bl. 49 ff. d. Akte). Aufgrund dieser Tätigkeiten sei die Beklagten gegenüber den Arztpraxen als Mitgliedern verpflichtet, neutral zu handeln und nicht den Anschein zu erwecken, ein bestimmtes Mitglied zu bevorzugen. Aus Sicht der Mitglieder sei die Tätigkeit des Klägers in einer Arztpraxis jedoch geeignet, den Verdacht zu erwecken, dass eine völlige Neutralität und eine objektive Beratung nicht vorliegen würden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2018 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig. Sie bedarf allerdings der Auslegung.

Mit dem Klageantrag verlangt der Kläger die Erteilung einer Genehmigung zur Ausübung einer Nebentätigkeit. Dieser Antrag ist entsprechend dem erkennbaren Klageziel dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Feststellung begehrt, zur Ausübung der angezeigten Nebentätigkeit berechtigt zu sein. Mit diesem Inhalt ist der Antrag zulässig.

1.

Zwar begegnet die auf Genehmigung einer Nebentätigkeit gerichtete Leistungsklage grundsätzlich keinen Zulässigkeitsbedenken. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich ohne weiteres aus dem behaupteten materiell-rechtlichen Leistungsanspruch (BAG 11.08.1998 – 9 AZR 155/97 – BAGE 89, 300, zu B I der Gründe). Diese Leistungsklage wäre jedoch vorliegend nach § 3 Abs. 4 des unstreitig auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren TV-L von vornherein als unbegründet abzuweisen, ohne dass es auf die vom Kläger angestrebte Klärung der Frage, ob er berechtigt ist, einer Nebentätigkeit bei Frau E.  nachzugehen, ankäme.

Denn nach § 3 Abs. 4 Satz 1 TV-L haben die Beschäftigten ihrem Arbeitgeber Nebentätigkeiten gegen Entgelt rechtzeitig vorher schriftlich anzuzeigen. Daher ist die Ausübung einer Nebentätigkeit grundsätzlich zulässig. Der Arbeitgeber kann die Nebentätigkeit nach § 3 Abs. 4 Satz 2 TV-L seinerseits nur untersagen oder mit Auflagen versehen, wenn diese geeignet ist, die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten der Beschäftigten oder berechtigte Interessen des Arbeitgebers zu beeinträchtigen. Die Zulässigkeit einer Nebentätigkeit hängt daher nicht von der vorherigen Genehmigung des Arbeitgebers ab. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien arbeitsvertraglich abweichend von § 3 Abs. 4 TV-L vertraglich eine Genehmigungspflicht für Nebentätigkeiten vereinbart haben, sind nicht ersichtlich.

2.

Da die Ausübung der Nebentätigkeit somit keiner Genehmigung durch die Beklagte bedarf, wäre die auf Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung gerichtete Leistungsklage abzuweisen, ohne dass die Frage geklärt würde, ob der Kläger berechtigt ist, diese Nebentätigkeit auszuüben (vgl. BAG 28.02.2002 – 6 AZR 357/01 -, Rn. 19 – 22, juris). Eine solche Entscheidung würde dem erkennbaren Klagebegehren nicht gerecht.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Kläger ist nach § 3 Abs. 4 Satz 1 TV-L nicht berechtigt, eine Nebentätigkeit in der Arztpraxis E. auszuüben, weil diese geeignet ist,  berechtigte Interessen der Beklagten zu beeinträchtigen (§ 3 Abs. 4 Satz 2 TV-L). Der Personalrat der Beklagten hat am 17.04.2018  der Untersagung der Nebentätigkeit auch zugestimmt.

1.

Der Arbeitgeber kann die Nebentätigkeit nach § 3 Abs. 4 Satz 2 TV-L nur untersagen oder mit Auflagen versehen, wenn diese geeignet ist, die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten der Beschäftigten oder berechtigte Interessen des Arbeitgebers zu beeinträchtigen. Der Begriff „berechtigte Interessen des Arbeitgebers“ ist im weitesten Sinne zu verstehen (BAG 28.02.2002 – 6 AZR 357/01 -, Rn. 25, juris). Davon werden alle Umstände erfasst, die für den Bestand und die Verwirklichung der Ziele des Arbeitgebers von Bedeutung sein können. Hierzu gehören nicht nur die dienstlichen Belange, die innerbetrieblich für einen störungsfreien Ablauf der zu erledigenden Arbeitsaufgaben erforderlich sind. Berechtigte Interessen des Arbeitgebers können auch beeinträchtigt sein, wenn sich Nebentätigkeiten seiner Mitarbeiter negativ auf die Wahrnehmung des Arbeitgebers in der Öffentlichkeit auswirken (vgl. dazu BVerwG 30.06.1983 – 2 C 57.82 – BVerwGE 67, 287; 26.06.1980 – 2 C 37.78 – BVerwGE 60, 254). Ob solche Interessen gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Ausübung der Nebentätigkeit den Vorrang genießen, ist nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Grundrechts der Berufsfreiheit zu entscheiden (BAG 24.96.1999 – 6 AZR 605/97 – AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 5 = EzA BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 2, zu I 1 a der Gründe; 7.12.1989 – 6 AZR 241/88 – ZTR 1990, 379, zu II 2 b der Gründe).

2.

Diese Voraussetzungen für eine Untersagung liegen hier vor. Die beabsichtigte Nebentätigkeit des Klägers ist geeignet, berechtigte Interessen der Beklagten zu beeinträchtigen. Das Interesse des Klägers an der Ausübung der Nebentätigkeit genießt keinen Vorrang

a)   Die Nebentätigkeit in der Arztpraxis von Frau E. ist mit den vom Kläger arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten als betriebswissenschaftlicher Berater und Niederlassungsberater nicht vereinbar, da diese Tätigkeit geeignet ist, sich negativ auf die Wahrnehmung der Beklagten in der Öffentlichkeit auszuwirken.

Denn im Bereich des Praxismarketings ist der Kläger arbeitsvertraglich gegenüber der Beklagten verpflichtet, Mitgliedern der Beklagten auf Wunsch zu helfen, neue Zielgruppen zu identifizieren und zu gewinnen. Dabei hat der Kläger die Mitglieder der Beklagten zu unterstützen beim Thema Marketing und dort insbesondere im Bereich der Akquise neuer Patienten. Da die Mitglieder der Beklagten auch überörtlich tätig werden können und Kooperationsmöglichkeiten an verschiedenen Standorten eingehen können, kann die Beratungsleistung des Klägers bei Mitgliedern der Beklagten z.B. in Mülheim, Duisburg oder Oberhausen durchaus einen wettbewerblichen Bezug zum Standort der Frau E. in Essen haben. In diesen Fällen muss sich für die Mitglieder der Beklagten der Eindruck aufdrängen, die Beratung des Klägers könne durch seine Nebentätigkeit in Essen zumindest eingeschränkt beeinflusst werden. Sofern die Nebentätigkeit des Klägers bei anderen Ärzten im Umfeld von Essen bekannt wird, kann dies zu einem Misstrauen gegen die Objektivität und Neutralität der Mitarbeiter der Beklagten führen. Diese könnten den Eindruck gewinnen, die Beklagte bevorzuge durch den Einsatz des Klägers ein bestimmtes Mitglied, nämlich Frau E..

Dass eine solche Besorgnis im Fall des Klägers nach dem unstreitigen Vortrag beider Parteien tatsächlich nicht begründet ist, spielt dabei keine Rolle. Entscheidend ist allein die mögliche negative Wirkung der Nebentätigkeit des Klägers auf die Mitgliedspraxen der Beklagten und die Öffentlichkeit.

b)  Der Kläger wird dadurch, dass er die Nebentätigkeit mit allgemeinen Bürotätigkeiten in einer Arztpraxis zu unterlassen hat, nicht unverhältnismäßig in seinem Recht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) beeinträchtigt. Der Beklagten ist ein erhebliches Interesse daran zuzubilligen, dass der Kläger von dieser Nebentätigkeit Abstand nimmt. Dies hindert ihn nicht daran, seine Arbeitskraft anderweitig einzusetzen und Nebenbeschäftigungen nachzugehen, die nicht im Widerspruch zu den Interessen der Beklagten stehen. Es ist auch nicht erkennbar, warum der Kläger seiner Lebenspartnerin nicht unentgeltlich während ihrer Erkrankung bzw. Gesundung mit der rückständigen Ablage helfen kann.

3.

Im Hinblick auf die vorgelegte Zustimmung des Personalrats zur Untersagung der Nebentätigkeit kommt es auf das Bestreiten des Klägers mit Nichtwissen nicht mehr an. Der Kläger hätte substantiiert dazu vortragen müssen, warum die Zustimmung zur Untersagung durch den Personalrat vom 17.04.2018 unwirksam sein sollte. Daher bedarf es auch keiner Entscheidung, ob eine unwirksame Zustimmung des Personalrats zur Untersagung der Nebentätigkeit überhaupt dazu führt, dass der Kläger berechtigt wäre, dieser Nebentätigkeit nachzugehen (vgl. BAG 28.02.2002 – 6 AZR 357/01 – dort verneint).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Kläger hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtstreits zu tragen. Der Streitwert war als Rechtsmittelstreitwert gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen.

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