Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat bestätigt, dass die Abmahnung eines Mitarbeiters bei Daimler-Move gerechtfertigt und verhältnismäßig war. Der Mitarbeiter hatte Beleidigungen und Drohungen gegen einen Kollegen ausgesprochen und damit den Betriebsfrieden gestört. Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit von Fairness und Respekt im Arbeitsverhältnis und die Rechtmäßigkeit von Abmahnungen als Mittel zur Durchsetzung von Verhaltenskodizes.
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Übersicht:
- ✔ Kurz und knapp
- Abmahnung im Arbeitsverhältnis: Wenn der Chef mahnt, muss der Arbeitnehmer gehorchen?
- ✔ Der Fall vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen: Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⬇ Das vorliegende Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
✔ Kurz und knapp
- Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet den Arbeitnehmer vor einer Abmahnung anzuhören. Eine vorherige Anhörung ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung.
- Die im Urteil geschilderten beleidigenden und bedrohenden Äußerungen des Klägers gegenüber dem Kollegen stellen eine Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten dar.
- Die Abmahnung ist hinreichend konkret formuliert. Details zum vorherigen Vorfall sind für die Wirksamkeit nicht entscheidend.
- Nach der Beweiswürdigung stehen die Äußerungen des Klägers als erwiesen fest. Mögliche Widersprüche wurden geprüft.
- Die Äußerungen fallen nicht unter die Meinungsfreiheit. Sie stehen in keinem Verhältnis zum Vorfall.
- Die Abmahnung ist bei Vorliegen der Voraussetzungen verhältnismäßig.
- Eventuell früheres Mobbing gegenüber dem Kläger ist für die Wirksamkeit unerheblich.
Abmahnung im Arbeitsverhältnis: Wenn der Chef mahnt, muss der Arbeitnehmer gehorchen?

Eine Abmahnung im Arbeitsverhältnis ist eine Rüge des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer. Sie dient als Warnung und Aufforderung an den Arbeitnehmer, sein Verhalten zu ändern. Kommt es zu Pflichtverletzungen, wie beispielsweise Fehlverhalten, Leistungsmängel oder Verhaltensauffälligkeiten, kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine schriftliche Abmahnung erteilen.
Für Arbeitnehmer ist es wichtig zu wissen, dass eine Abmahnung rechtlich wirksam sein muss. Nur unter bestimmten Voraussetzungen darf der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen. Gleichzeitig hat der Arbeitnehmer unter Umständen ein Recht darauf, eine Abmahnung aus der Personalakte entfernen zu lassen.
Im Folgenden soll ein konkretes Gerichtsurteil zu diesem Thema vorgestellt und eingehend analysiert werden. Dabei geht es um die Frage, unter welchen Bedingungen Arbeitnehmer eine Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen können.
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✔ Der Fall vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Streit um die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte
Im Zentrum des Rechtsstreits steht die Auseinandersetzung zwischen einem Mitarbeiter, der seit 2014 bei der Firma Daimler-Move tätig ist, und seinem Arbeitgeber. Der Mitarbeiter wurde am 26. Februar 2021 wegen bestimmter Verhaltensweisen während der Arbeit abgemahnt. Diese Verhaltensweisen umfassten unter anderem Beleidigungen und Drohungen gegenüber einem Kollegen. Laut dem Arbeitsvertrag und den betrieblichen Vereinbarungen, die Fairness und Respekt als Grundlage der Zusammenarbeit definieren, wurden diese Handlungen als schwerwiegende Verstöße gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten eingestuft.
Die strittige Abmahnung wurde nach einem Vorfall ausgesprochen, bei dem es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und einem Kollegen kam, die in einer Drohung mündete. Der Kläger behauptete, ordnungsgemäß gehandelt zu haben und stellte die Richtigkeit der ihm zur Last gelegten Äußerungen in Frage. Er forderte die Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte, da er auch nicht ordnungsgemäß zur Anhörung geladen worden sei, was seiner Ansicht nach ein Verstoß gegen die betrieblichen Prozesse darstellt.
Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen und Berufung
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen wies die Klage des Mitarbeiters auf Entfernung der Abmahnung ab. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die Äußerungen des Klägers eine Störung des Betriebsfriedens darstellten und eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten seien. Die Beweisaufnahme, die auch die Vernehmung von Zeugen beinhaltete, stützte die Sichtweise der Beklagten. Das Gericht hielt die Abmahnung für hinreichend konkret und die Anhörung des Klägers vor Ausspruch der Abmahnung nicht für notwendig.
Der Kläger legte gegen dieses Urteil Berufung beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz ein. Er kritisierte unter anderem die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts und behauptete, dass der Zeuge E. unzuverlässige Angaben gemacht habe. Zudem argumentierte er, dass eine ordnungsgemäße Anhörung gemäß den betrieblichen Vereinbarungen vor der Ausstellung der Abmahnung hätte stattfinden müssen.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts. Die Berufung wurde aus rechtlichen Gründen als unbegründet angesehen. Die Richter folgten der Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die Abmahnung sowohl gerechtfertigt als auch verhältnismäßig sei. Die Gerichtsentscheidung verdeutlichte, dass selbst unter der Annahme eines absichtlichen Auffahrens durch den Kollegen E., die Reaktion des Klägers unangemessen und überzogen war. Es wurde betont, dass zwischen dem Auffahrunfall und den Äußerungen des Klägers genügend Zeit vergangen war, um die Situation zu deeskalieren, was jedoch nicht geschehen ist.
Bedeutung des Urteils und Nichtzulassung der Revision
Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Einhaltung von Verhaltenskodizes in Unternehmen und die Rechtmäßigkeit von Abmahnungen als Mittel zur Durchsetzung dieser Kodizes. Die Richter wiesen darauf hin, dass derartige Verstöße gegen die Betriebsordnung nicht toleriert werden können, insbesondere wenn sie den Betriebsfrieden stören. Zudem wurde in der Entscheidung klargestellt, dass eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers vor einer Abmahnung keine zwingende Voraussetzung ist. Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht betont die Endgültigkeit der Entscheidung in diesem speziellen Fall, was den Kläger dazu zwingt, das Urteil und die darin enthaltene Abmahnung als bestehenden Teil seiner Personalakte zu akzeptieren.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die Abmahnung des Arbeitnehmers rechtmäßig war. Die beleidigenden und bedrohenden Äußerungen des Arbeitnehmers gegenüber einem Kollegen stellen einen Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Nebenpflichten dar und rechtfertigen die ausgesprochene Abmahnung.
Wesentlich für diese Entscheidung war, dass die Reaktion des Arbeitnehmers, selbst wenn man von einem absichtlichen Auffahren des Kollegen ausgeht, unangemessen war. Die Gerichte sahen zudem keine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer vor Ausspruch der Abmahnung anzuhören.
✔ FAQ – Häufige Fragen: Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte
Unter welchen Umständen kann ein Arbeitnehmer die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte verlangen?
Ein Arbeitnehmer kann die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte unter bestimmten Voraussetzungen verlangen. Eine Abmahnung muss aus der Personalakte entfernt werden, wenn sie rechtswidrig ist, das heißt, wenn sie inhaltlich unbestimmt, auf unrichtigen Tatsachen basiert, eine falsche rechtliche Bewertung enthält oder unverhältnismäßig ist. Dies gilt sowohl für die Papier- als auch für die digitale Personalakte. Während bei der Papierform keine generelle Entfernungspflicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht – außer sie könnte dem Arbeitnehmer schaden –, muss eine Abmahnung in der digitalen Personalakte gemäß § 17 DSGVO gelöscht werden, unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit oder einem potenziellen Schaden nach dem Arbeitsverhältnis.
Eine unberechtigte Abmahnung ist unverzüglich aus der Personalakte zu nehmen, wenn der Arbeitnehmer die Vorwürfe bestreitet und er auf Entfernung der Abmahnung klagen kann. Eine Frist, innerhalb derer die Klage zu erheben ist, besteht nicht. Der Arbeitnehmer kann die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.
Für den Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte nach Ende des Arbeitsverhältnisses ist nicht der Nachweis notwendig, dass die Abmahnung den betroffenen Arbeitnehmer:innen noch irgendwie schaden könnte. Nach der Datenschutzgrundverordnung entfällt mit Ende des Beschäftigungsverhältnisses grundsätzlich die Rechtsgrundlage für die weitere Speicherung personenbezogener Daten.
Welche Rolle spielt die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Abmahnung?
Die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Abmahnung ist rechtlich nicht zwingend erforderlich, wird jedoch aus Gründen der Fairness und zur Klärung des Sachverhalts empfohlen. In der Rechtsprechung wird klargestellt, dass eine Abmahnung auch ohne vorherige Anhörung wirksam sein kann. Dies gilt insbesondere, wenn das Fehlverhalten des Arbeitnehmers klar und eindeutig ist und keine weiteren Erklärungen des Arbeitnehmers erfordert.
Allerdings kann eine Anhörung in bestimmten Fällen angebracht sein, insbesondere wenn der Sachverhalt unklar ist oder wenn das abzumahnende Verhalten des Arbeitnehmers auf bislang unbestätigten Verdachtsmomenten beruht. In solchen Fällen kann die Anhörung dazu beitragen, Missverständnisse zu klären und dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, seine Seite der Geschichte zu präsentieren, bevor eine formelle Abmahnung ausgesprochen wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Anhörung des Arbeitnehmers vor einer Abmahnung zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, aber dennoch eine empfehlenswerte Praxis darstellt, um die Rechte des Arbeitnehmers zu wahren und die Sachlage klar zu stellen, bevor disziplinarische Maßnahmen ergriffen werden.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Dieses Gesetz regelt die Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Kündigungen und Abmahnungen im Arbeitsrecht. Im vorliegenden Fall ist relevant, dass eine Abmahnung klar und unmissverständlich formuliert sein muss, um eine Grundlage für eine mögliche Kündigung zu bilden. Das Gericht prüft, ob die Abmahnung als berechtigte Ermahnung im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gilt.
- § 82 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): Er bietet Arbeitnehmern das Recht, in Angelegenheiten, die ihre Person betreffen, angehört zu werden. Dies ist besonders relevant für die Diskussion um eine Anhörung vor Erteilung einer Abmahnung. Obwohl keine gesetzliche Pflicht besteht, kann eine solche Anhörung zur Fairness und zur Transparenz im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beitragen.
- Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) §§ 64, 66, 69: Diese Vorschriften regeln das Verfahren vor den Arbeitsgerichten, einschließlich Berufung und Revision. Im Fall wurden spezifische Paragraphen angesprochen, die bestätigen, dass die Berufung form- und fristgerecht eingereicht wurde und dass die Berufungskammer die Argumentation des vorherigen Urteils übernommen hat.
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Obwohl nicht direkt im Text erwähnt, ist dieses Gesetz relevant für Fälle, in denen Diskriminierung am Arbeitsplatz ein Thema sein könnte. Die im Fall beschriebenen verbalen Angriffe könnten unter Umständen auch als Diskriminierung interpretiert werden, was das AGG relevant macht.
- Grundgesetz Artikel 5 (Meinungsfreiheit): Dieser Artikel schützt die Meinungsfreiheit in Deutschland. Der Kläger könnte argumentieren, dass seine Äußerungen von diesem Recht gedeckt sind, obwohl im Arbeitskontext die Meinungsfreiheit Grenzen haben kann, insbesondere wenn sie den Betriebsfrieden stört oder andere Mitarbeiter beleidigt.
⬇ Das vorliegende Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 1 Sa 239/22 – Urteil vom 25.08.2023
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz – vom 02.08.2022, Az. 11 Ca 382/21, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die dem Kläger unter dem 26.02.2021 erteilte schriftliche Abmahnung aus den Personalakten zu entfernen.
Der Kläger ist seit dem 01.10.2014 bei der Beklagten als Mitarbeiter in Daimler-Move im Rahmen der Schichtarbeit (Lagerarbeiter, Kommissionierer) beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien liegt der Arbeitsvertrag (Bl. 5 bis 8 d.A.) vom 18.09.2014 zugrunde. Der Kläger hat zuletzt einen Bruttomonatslohn von circa 3.300,00 € erzielt.
Unter dem 26.02.2021 erteilte die Beklagte dem Kläger die streitgegenständliche Abmahnung (Bl. 9 f. d.A.), die auszugsweise folgenden Inhalt hat:
„“…
Sehr geehrter Herr A.,
am 03.02.2021 gegen 6:00 Uhr zeigten Sie im Bereich der Kommissioniergasse 3 mit dem Zeigefinger auf das Gesicht Ihres Kollegen Herrn E. und sagten zu ihm: „Du hast mir gar nichts zu sagen, du bist ein Nichts.“ Im weiteren Verlauf des Gespräches sagten Sie zu ihm: „Wundere dich nicht, wenn demnächst mal 20 Leute vor dir stehen und dir zeigen, dass du ein Nichts bist.“
Damit haben Sie erheblich gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen.
Der Hintergrund der Situation war wie folgt: Es gab zuvor eine Kollision zwischen den Flurförderfahrzeugen, die Sie und Herr E. fuhren. Herr E. sprach Sie wenig später auf Ihre Fahrweise an. Sie zeigten mit Ihrem Mittelfinger auf dessen Gesicht und sagten zu ihm: „Du hast mir gar nichts zu sagen, du bist ein Nichts!“ Als Herr E. Sie daraufhin fragte, ob Sie mehr wert seien als er und was Sie ihm damit sagen wollen, entgegneten Sie ihm: „Du wohnst in F., oder? Ich kenne mich in F. sehr gut aus. Wunder dich nicht, wenn demnächst mal 20 Leute vor der Tür stehen und dir zeigen, dass du ein Nichts bist.“
Gemäß Ziffer 2 der Konzernbetriebsvereinbarung integres Verhalten gilt:
Fairness und Respekt sind die Basis für unsere Zusammenarbeit
Bei Daimler behandeln wir einander fair und respektvoll. Teamgeist, gegenseitiges Vertrauen und ein wertschätzender Umgang sind uns wichtig. Dies gilt nicht nur für unsere Mitarbeiter, sondern auch für unsere Kunden, Geschäftspartner und alle anderen.
Gemäß Ziffer VIII Nr. 15 der Gesamtbetriebsvereinbarung Arbeitsordnung gilt:
Jede dem Betriebsfrieden, der Ordnung und dem Arbeitszweck abträgliche Betätigung muss innerhalb des Betriebes unterbleiben.
Durch Ihre wiederholte Beleidigung von Herrn E. als „Nichts“ und durch Ihre Drohung mit 20 Leuten, die vor seiner Türe stehen und ihm dies zeigen sollten, ließen Sie gegenüber Herrn E. einen respektvollen und wertschätzenden Umgang in besonders hohem Maße vermissen.
Dieses oder ein vergleichbares Fehlverhalten in jeglicher Form wird von uns nicht geduldet.
Wir fordern Sie daher auf, sich in Zukunft vertragsgerecht zu verhalten und insbesondere die Regelungen der Konzernbetriebsvereinbarung für integres Verhalten und der Gesamtbetriebsvereinbarung Arbeitsordnung zu beachten. Dazu gehört es auch, beleidigende sowie bedrohende Äußerungen zu unterlassen.
Bei zukünftigen gleichartigen oder ähnlichen Verstößen sehen wir uns gezwungen, weitere arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten, die bis hin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung führen können.
…“
Vor Ausspruch der Abmahnung erhielt der zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig erkrankte Kläger ein Anhörungsschreiben mit Datum vom 12.02.2021 (Bl. 11 ff. d.A.), mit welchem er zu einem Personalgespräch für den 24.02.2021 eingeladen und ihm für den Fall der Nichtteilnahme angeboten wurde, schriftlich oder per Mail Stellung zu nehmen. Mit Mail des Betriebsratsmitglieds G. an die Beklagte teilte dieser im Namen des Klägers mit, dass dieser weiter arbeitsunfähig erkrankt sei, aber eine schriftliche Stellungnahme beabsichtige, sobald er hierzu gesundheitlich in der Verfassung sei. Mit Schreiben seines seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten vom 04.03.2021 (Bl.14 ff. d.A.) nahm der Kläger Stellung und forderte die Entfernung der Abmahnung.
Es existiert ein von der IG Metall herausgegebener, vom seinerzeitigen Betriebsratsvorsitzenden und stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden mit einem Vorwort versehener „ratgeber – Gesetzliche, tarifliche und betriebliche Vereinbarungen und Richtlinien für Beschäftigte der Daimler AG – Standort A-Stadt“ (Bl. 314 ff. d.A.). In diesem heißt es unter dem Stichwort „Ermahnung/Abmahnung:
„…Bevor die Abmahnung in die Personalakte kommt, muss der/die Betroffene angehört werden und Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten…..“
Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht:
Er habe sich am 03.02.2021 im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit ordnungsgemäß an die Geschwindigkeitsvorgaben gehalten und die erforderliche Sorgfalt im Kreuzungsverkehr beziehungsweise bezüglich eventueller Fußgänger walten lassen.
Der Zeuge E. habe ihn dahingehend tätlich angegriffen, dass er ihn mit seinem Fahrzeug ganz offensichtlich mit Absicht angefahren habe.
Unzutreffend sei, dass der Kläger die normale Fahrgeschwindigkeit nicht habe aufnehmen können und wollen. Es sei auch falsch, dass ein Überholen nicht möglich gewesen sein soll. Nicht zutreffend sei auch, dass der Kläger sein Fahrzeug ohne ersichtlichen Grund gestoppt habe. Der Kläger habe situationsbedingt abbremsen müssen. Auch nach dem Vortrag der Beklagten sei es erforderlich, jederzeit sein Gerät zum Stillstand bringen zu können. Wenn die Beklagte nun vortrage, die Geschwindigkeit sei äußerst gering gewesen, müsse sich der Schluss aufdrängen, dass der Auffahrunfall absichtlich geschehen sei. Soweit die Beklagte behaupte, das verbaute Easykey System habe nicht ausgelöst und deswegen habe es sich nur um einen Anstoß geringer Kraft gehandelt, müsse dies mit Nichtwissen bestritten werden.
Die angeblichen Äußerungen des Klägers gegenüber Herrn E. müssten ausdrücklich bestritten werden. Der Kläger habe weder gesagt „Du bist ein Nichts“, noch „Wundere dich nicht, wenn demnächst mal 20 Leute vor dir stehen und dir zeigen, dass du ein Nichts bist“.
Die Abmahnung sei auch deswegen zu entfernen, weil der Kläger nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Vielmehr sei die Anhörung schon so gestaltet, dass die Beklagte davon ausgehe, der Vorfall sei so geschehen wie dort geschildert. Dem Kläger sei daher nie die Möglichkeit gegeben worden, unvoreingenommen den Sachverhalt zu schildern. Vielmehr sei er zur Rechtfertigung aufgefordert worden.
Letztendlich müsse darauf hingewiesen werden, dass die Beklagte ihren Schutzpflichten nicht nachkomme. Der Kläger sei in der Gruppe, der er zugeteilt sei, bereits in der Vergangenheit gehänselt beziehungsweise negativ angegangen worden. Dies habe der Kläger mehrmals gegenüber dem zuständigen Meister erwähnt. Die Beklagte weigere sich nachweislich, aktiv den Kläger vor Anfeindungen und körperlichen Übergriffen zu schützen.
Nach Beweiserhebung gemäß Beweisbeschluss vom 02.08.2022 (Bl. 176 d.A.) durch Vernehmung der Zeugen E. und H., (Sitzungsniederschrift vom 02.08.2022 Bl. 174 ff. d.A.) hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 02.08.2022, Az. 11 Ca 382/21 (Bl. 197 ff. d.A.) die Klage mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Datum vom 26.02.2021 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen, abgewiesen und zur Begründung zusammengefasst ausgeführt:
Die zur Last gelegte Bezeichnung des Herrn E. als „Nichts“ und das Inaussichtstellen des Besuchs von 20 Personen, die die Nichtwürdigkeit aufzeigen sollen, stelle sich als Störung des Betriebsfriedens und damit Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten dar.
Die Abmahnung sei auch hinreichend konkret. Unerheblich sei, dass die Beklagte den vor den Äußerungen des Klägers sich ereignenden Aufprall des Kommissionierfahrzeugs des Herrn E. auf das Fahrzeug des Klägers nicht detailliert geschildert habe, da der Aufprall und dessen Ablauf für die Beklagte in der Gesamtbetrachtung nicht relevant gewesen seien.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stünde auch zur hinreichenden Überzeugung fest, dass dem Kläger die in der Abmahnung vorgeworfene Pflichtverletzung auch tatsächlich zur Last falle. Auf die umfangreichen Ausführungen zur Beweiswürdigung unter II 2 c der Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Die Abmahnung sei auch nicht unverhältnismäßig. Selbst wenn angenommen werde, das Auffahren durch Herrn E. sei möglicherweise mit Absicht erfolgt, stünden die Äußerungen des Klägers zu einem eventuellen, allenfalls geringfügigen Auffahrereignis außer Verhältnis, zumal zwischen dem Auffahrereignis und den Äußerungen ein zeitlicher Abstand bestanden habe, der dem Verhalten des Klägers das affekthafte nehme.
Schließlich sei die Abmahnung auch nicht deshalb unwirksam, weil der Kläger zu dieser nicht zuvor (ausreichend) angehört worden wäre. Eine Abmahnung setze keine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers voraus.
Das genannte Urteil ist dem Kläger am 12.08.2022 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 05.09.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 10.10.2022 bis zum 14.11.2022 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 14.11.2022, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet.
Zur Begründung der Berufung macht der Kläger mit dem genannten Schriftsatz vom 14.11.2022 sowie mit weiteren Schriftsätzen vom 17.04., 20.04.2023 und 24.04.2023(Bl. 230 ff., 297, 300 ff., 311 ff. d.A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird, im Wesentlichen geltend:
Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts sei fehlerhaft. So führe das Arbeitsgericht aus, dass inhaltliche Widersprüche in der Darstellung an sich und in der Aussage des Zeugen E. nicht erkennbar seien, um im nächsten Satz festzuhalten, dass in Teilen der Darstellung hinsichtlich von Randtatsachen ein Unterschied zur Darstellung des Vorfalls durch die Beklagte festzustellen sei. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht auch den Sachvortrag nicht berücksichtigt, dass der Kläger in der Gruppe, welcher er zugewiesen war, mehrfach in der Vergangenheit bereits gehänselt bzw. negativ angegangen worden sei und von dieser Gruppe, der der Zeuge E. zugehörig sei, als MOF (Mensch ohne Freunde) bezeichnet worden sei. Zu Unrecht sei dem diesbezüglichen Beweisangebot nicht nachgegangen worden. Gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen spreche auch, dass dieser in seiner Aussage die Art des Auffahrens lediglich als leichtes Andocken gekennzeichnet habe, während die Beklagte in einem Schriftsatz davon gesprochen habe, das Fahrzeug des Klägers sei einen Meter weit nach vorne geschoben worden und diese Angabe nur vom Zeugen stammen könne.
Obwohl es nicht stimme, dass der Kläger den Zeugen E. als „Nichts“ bezeichnet habe, könne eine solche Äußerung als unter die Meinungsfreiheit fallend nicht sanktioniert werden.
Die Beklagte habe es auch verabsäumt, den Kläger vor Ausspruch der Abmahnung (ordnungsgemäß) anzuhören. Dass eine entsprechende Pflicht bestehe, ergebe sich aus der Broschüre der IG Metall „ratgeber“ für die Beschäftigten der Beklagten am Standort A-Stadt (Bl. 314 ff. d.A., Stichwort „Ermahnung/Abmahnung“). Es existiere auch eine Betriebsvereinbarung, die eine Anhörungspflicht beinhalte.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein -Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz- vom 02.08.2022 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Datum vom 26.02.2021 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit ihrer Berufungserwiderung gemäß Schriftsatz vom 15.12.2022 sowie weiteren Schriftsätzen vom 14.04.2023 und 08.08.2023, auf die Bezug genommen wird (Bl. 248 ff., 291 ff. und 343 ff. d.A.).
Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlage sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist an sich statthaft nach § 64 Abs. 1 und 2 c) ArbGG. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO.
II.
In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Berufungskammer folgt der Begründung des angefochtenen Urteils und stellt dies fest, § 69 Abs. 2 ArbGG. Das Berufungsvorbringen veranlasst lediglich die nachfolgenden Ausführungen:
1.
Die Abmahnung ist nicht bereits allein deshalb aus der Personalakte zu entfernen, weil der Kläger hierzu nicht angehört worden ist. Es kann dahinstehen, ob dem Kläger ungeachtet der bestehenden Arbeitsunfähigkeit ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist. Eine rechtliche Verpflichtung der Beklagten zu einer vorherigen Anhörung des Klägers als Wirksamkeitsvoraussetzung der Abmahnung bestand nicht.
Die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Abmahnung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Aus § 82 BetrVG lässt sich eine derartige Verpflichtung nicht herleiten. Diese Norm gibt dem Arbeitnehmer zwar das Recht, in betrieblichen Angelegenheiten, die seine Person betreffen, von den zuständigen Personen angehört zu werden. Dies erfordert allerdings ein entsprechendes Verlangen des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber ist aber danach nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer von sich aus anzuhören. Die Anhörung ist folglich auch nicht Wirksamkeitserfordernis der Abmahnung (Ascheid/Preis/Schmidt/Vossen KSchG, 6. Aufl., § 1 Rn. 366a). Die Annahme einer Anhörungspflicht würde auch zu einem nicht erklärbaren Widerspruch zum Kündigungsschutzrecht führen: Außer im Falle der sog. Verdachtskündigung ist vor Ausspruch einer Kündigung als gegenüber der Erteilung einer Abmahnung gravierendere Maßnahme eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers nicht Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung.
Eine tarifvertragliche Norm, die die Beklagte zu einer vorherigen Anhörung verpflichtet hätte, ist vom Kläger weder dargetan noch ersichtlich. Für den Bereich der Privatwirtschaft gibt es keine tariflichen Regelungen, die ein Anhörungsrecht vor Ausspruch einer Abmahnung bzw. vor ihrer Aufnahme in die Personalakte zwingend vorsehen (Ascheid/Preis/Schmidt/Vossen, aaO.).
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund des Hinweises des Klägers auf den „ratgeber – Gesetzliche, tarifliche und betriebliche Vereinbarungen und Richtlinien für Beschäftigte der Daimler AG Standort A-Stadt“ der IG Metall (Bl. 314 ff. d.A.). Der „ratgeber“ selbst ist erkennbar keine tarifliche Regelung. Soweit dort unter dem Stichwort „Ermahnung/Abmahnung“ ausgeführt wird, der/die Betroffene müsse vor Ausspruch der Abmahnung und Aufnahme derselben in die Personalakte angehört werden, geht nicht hervor, aufgrund welcher Rechtsgrundlage diese Aussage getätigt wird. Die Beklagte hat bestritten, dass es eine dementsprechende tarifliche Vereinbarung gibt. Der Kläger seinerseits hat nicht dargelegt, aufgrund welcher konkreten tariflichen Regelung eine Anhörungspflicht normiert sein soll.
Soweit der Kläger auf eine in einer Betriebsvereinbarung geregelte Pflicht zur Anhörung abstellt, ist sein Sachvortrag zum einen nicht ausreichend substantiiert. Welchen genauen Inhalt eine etwaige Betriebsvereinbarung haben soll, wird nicht dargelegt. Selbst wenn eine derartige Regelung existieren sollte, folgt aber ohne Kenntnis des Inhalts und des Regelungszusammenhangs aus der eventuellen Verletzung der eventuell bestehenden Anhörungspflicht nicht zwangsläufig die Unwirksamkeit der Abmahnung. Voraussetzung hierfür wäre vielmehr, dass entweder die betriebliche Regelung selbst eine Unwirksamkeitsfolge anordnet oder nach Sinn und Schutzzweck der Regelung die Annahme einer so weitreichenden Rechtsfolge wie die Unwirksamkeit geboten ist (vgl. BAG 18.10.2017 -10 AZR 330/16-, Rn. 34, juris). Angesichts der Tatsache, dass der Arbeitgeber im Falle einer auf Entfernung der Abmahnung gerichteten Klage die volle Darlegungs- und Beweislast für die Berechtigung der erhobenen Vorwürfe und damit das volle Risiko der Unwirksamkeit trägt, ist die Annahme einer Unwirksamkeitsfolge bei Verletzung der Anhörungspflicht nicht zwingend.
Zudem ist der Sachvortrag des Klägers, es gäbe eine die Anhörungspflicht vorsehende Betriebsvereinbarung auch verspätet, § 67 Abs. 3, Abs. 4 ArbGG, § 282 Abs. 1 ZPO.
Der Kläger hatte erstinstanzlich überhaupt nichts zum Bestehen einer kollektivrechtlichen Regelung dargelegt. In der Berufungsbegründung hat sich der Kläger ebenfalls hierzu nicht geäußert, obwohl das Arbeitsgericht insoweit tragend darauf abgestellt hat, dass eine Anhörungspflicht nicht besteht. Erst im Schriftsatz vom 24.04.2023 stellte der Kläger unter Hinweis auf den genannten „ratgeber“ der IG Metall darauf ab, es bestehe eine Vereinbarung zwischen der Beklagten und der IG Metall, also eine tarifvertragliche Vereinbarung. Erst im Termin vor der Berufungskammer am 25.08.2023 hat sich der Kläger darauf berufen, es handele sich um eine Regelung durch Betriebsvereinbarung. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Geltendmachung eines aus einer Betriebsvereinbarung ggfs. folgenden Unwirksamkeitsgrundes erstinstanzlich unterblieb und sodann im Berufungsverfahren entgegen § 67 Abs. 4 ArbGG nicht mit der Berufungsbegründung geltend gemacht wurde. Die Geltendmachung erst im Verhandlungstermin am 25.08.2023 ist weder entschuldigt, noch ist dieses Verteidigungsmittel erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist entstanden. Seine Berücksichtigung hätte auch zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits geführt. Die Aufklärung des genauen Inhalts einer Betriebsvereinbarung und die Notwendigkeit, der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu der hieraus vom Kläger in Anspruch genommenen Rechtsfolge der Unwirksamkeit zu geben, hätten einen weiteren Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bedingt.
2.
Ebenso wenig folgt ein Entfernungsanspruch daraus, dass die Abmahnung inhaltlich nicht ausreichend konkret ist.
Der Kläger stützt dies darauf, dass der Ort, an welchem sich das Geschehen ereignet hat, nicht ausreichend präzise dargestellt werde, da lediglich auf die Gasse 3 verwiesen werde, nicht aber auch auf Ebene 3. Da es aber im Betrieb und auch in der Abteilung, in der der Kläger tätig ist, mehrere Gassen 3 gebe, sei nicht nachvollziehbar, wo genau sich der Vorfall ereignet haben solle.
Abgesehen davon, dass in der Abmahnung nicht nur von Gasse 3, sondern von Kommissioniergasse 3 die Rede ist und im vorangegangenen Anhörungsschreiben die Örtlichkeit bereits näher konkretisiert war, überspannt der Kläger die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Abmahnung. Aufgrund der Tatsache, dass es zu dem Auffahren des Zeugen E. auf das vom Kläger gelenkte Kommissioniergerät als Ausgangspunkt der nachfolgenden verbalen Auseinandersetzung kam, war für den Kläger ohne weiteres erkennbar, auf welchen Vorfall die Abmahnung abstellt und wo genau dieser sich ereignete. Eine Verwechslungsgefahr mit irgendeinem anderen betrieblichen Vorfall bestand nicht. Durch eine – möglicherweise – unvollständige Angabe des Orts des Geschehens ändert sich am Kern des Abmahnungsvorwurfs, nämlich die verbalen Äußerungen des Klägers gegenüber dem Zeugen E. nichts.
3.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die durch das Arbeitsgericht in Würdigung der erhobenen Beweise erfolgte Tatsachenfeststellung nicht fehlerhaft. Eine erneute bzw. ergänzende Beweiserhebung durch das Berufungsgericht ist nicht geboten.
a)
Nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszuges gebunden. Diese Bindung entfällt aber, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (LAG Rheinland-Pfalz 04. Dezember 2018 – 8 Sa 37/18 – Rn. 75, juris). Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich u.a. aus Fehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. BGH 21. März 2018 – VII ZR 170/17 – Rn. 15 mwN, juris). Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinn sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Sie können sich auch aus Vortrag der Parteien, vorbehaltlich der Anwendung von Präklusionsvorschriften auch aus Vortrag der Parteien in der Berufungsinstanz ergeben (BGH 21. März 2018 – VII ZR 170/17 – aaO). Entsprechende Anhaltspunkte können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist oder sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (LAG Baden-Württemberg 11. Dezember 2019 – 3 Sa 30/19 – Rn. 70, mwN, juris).
b)
Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vorliegend entscheidungserheblichen Feststellungen bestehen nicht. Insbesondere ist die vom Arbeitsgericht vorgenommene Beweiswürdigung nicht zu beanstanden.
Soweit der Kläger geltend macht, die Beweiswürdigung sei in sich widersprüchlich, weil das Arbeitsgericht einerseits ausgeführt habe, dass inhaltliche Widersprüche in der Darstellung an sich und in der Aussage des Zeugen E. selbst nicht erkennbar seien, im nächsten Satz aber in Widerspruch zu dieser Bewertung festgestellt habe, dass in Teilen der Darstellung Abweichungen vorhanden seien, da in Randtatsachen ein Unterschied zur Darstellung der Beklagten vorliege, liegt hierin keine Widersprüchlichkeit. Das Arbeitsgericht hat vielmehr und in nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass es für die Glaubwürdigkeit des Zeugen und die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen E. spricht, dass dieser den der Abmahnung zugrundeliegenden Vorfall nicht in vollständiger Übereinstimmung mit der Darstellung der Beklagten geschildert hat. Dies spricht dafür, dass der Zeuge auf der Grundlage eigener Wahrnehmung und Erinnerung und nicht in dem Bestreben ausgesagt hat, unter allen Umständen die Darstellung der Beklagten zu bestätigen.
Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers folgt eine Fehlerhaftigkeit der Tatsachenfeststellung auch nicht daraus, dass das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt habe, dass der Zeuge E. negativ gegenüber dem Kläger eingestellt gewesen sei und dem vom Kläger angebotenen Beweis für die Behauptung, er sei in der Gruppe, welcher er zugewiesen war, mehrfach bereits in der Vergangenheit „gehänselt“ worden bzw. negativ angegangen worden, nicht nachgegangen ist.
Das Arbeitsgericht hat sich in seiner Beweiswürdigung mit einer negativen Einstellung des Zeugen E. zum Kläger ausweislich der Ausführungen auf Seiten 16, 17 des angefochtenen Urteils ausdrücklich auseinandergesetzt und u.a. die Tatsache, dass der Zeuge erkennbar gemacht hat, dass das Verhältnis zum Kläger gestört war, als für die Glaubwürdigkeit des Zeugen sprechend gewertet.
Von einer Beweiserhebung durch den vom Kläger benannten Zeugen Krieger hat das Arbeitsgericht zu Recht abgesehen. Die unter Beweis gestellte Behauptung, der Kläger sei in seiner Gruppe gehänselt bzw. negativ angegangen worden, ist unsubstantiiert. Sie enthält keine Tatsachen, sondern Wertungen. Welche Vorfälle in tatsächlicher Hinsicht diesen Wertungen zugrunde liegen soll, hat der Kläger nicht dargestellt.
Schließlich führt auch der vom Kläger geltend gemachte Widerspruch zwischen der Schilderung der Heftigkeit des Auffahrens („Andocken“) zu einer schriftsätzlichen Darstellung der Beklagten (Vorschieben des Fahrzeugs um 1 Meter) nicht zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen. Dies muss nicht darauf beruhen, dass der Zeuge gegenüber der Beklagten zunächst von 1 Meter gesprochen hat und dies dann anlässlich seiner Vernehmung anders dargestellt hat. Der Zeuge hat bekundet, dass er die Angabe von 1 Meter gegenüber der Beklagten nicht gemacht hat. Ebenso ist diese Differenz in der Darstellung damit erklärbar, dass die Beklagte ihrerseits das vom Zeugen geschilderte leichte Vorrücken des vom Kläger geführten Fahrzeugs infolge des Auffahrens auf eine solche Strecke geschätzt hat.
Auch im Übrigen sind keine Tatsachen ersichtlich, die zu einem Entfall der Bindung an die erstinstanzlich getroffenen Feststellungen führen.
4.
Soweit der Kläger weiter geltend macht, die Bezeichnung des Herrn E. als „Nichts“ sei durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) gedeckt und könne deshalb nicht durch eine Abmahnung sanktioniert werden, rechtfertigt dies keine andere rechtliche Beurteilung.
Zum einen schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG keine Formalbeleidigungen (BAG 10.12.2009 – 2 AZR 534/08, Rn. 17, juris). Die entsprechende Äußerung des Klägers bringt zum Ausdruck, dass er Herrn E. jeden personalen Wert abspricht und ist damit ganz erheblich herabsetzend. Ein irgendwie gearteter Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung fehlt.
Zum anderen aber steht dieser Teil der Äußerung in unmittelbarem Kontext zu der nach den erstinstanzlichen Feststellungen damit verbundenen Äußerung, „…Wunder dich nicht, wenn demnächst mal 20 Leute vor der Tür stehen und dir zeigen, dass du ein Nichts bist.“ Dieser Teil der Äußerungen des Klägers enthält – wovon das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist – das keinesfalls durch Art. 5 Abs. 1 GG gedeckte Inaussichtstellen einer körperlichen Bedrohung dar. Die vorangegangene Bezeichnung als „Nichts ist Teil eines Gesamtgeschehens, welches als solches eine erhebliche Verletzung des betrieblichen Friedens und damit eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten ist.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Ein Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.