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Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs 1 S 1 EntgFG – wiederholte Erkrankung

ArbG Bonn – Az.: 4 Ca 2070/18 – Urteil vom 05.06.2019

1)  Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.687,98 EUR brutto abzüglich an die A  übergegangener 3.406,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.04.2019 zu zahlen.

2)  Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3)  Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin und die Beklagte je zur Hälfte.

4)  Streitwert: 2.794,94 EUR (Gebührenstreitwert: 6.201,22 EUR).

Tatbestand

Die Klägerin ist seit dem 01.09.2012 bei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttogehalt von 2.200,00 EUR beschäftigt. Die Klägerin war wie folgt arbeitsunfähig erkrankt:

1. in der Zeit vom 3. wegen einer b. (Ziffer J06.9 G); (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Bl. 17 d. A.)).

2. in der Zeit vom 2. wegen H. (Ziffer A 09.9 G); (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Bl. 18 d. A.)).

3. in der Zeit vom 3. wegen F. (Ziffer M77.9 G und M25.59 G); (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Bl. 19 d. A.)).

4. in der Zeit vom 2. wegen H. (Ziffer J11. G); (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Bl. 20 d. A.)).

5. in der Zeit vom 3. wegen M. (Ziffer M51.1 G); (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Bl. 21 d. A.)).

6. in der Zeit vom 2. wegen b. (Ziffer J06.9 G); (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Bl. 22 d. A.)).

7. in der Zeit vom 4. x. (Ziffer F 43.1 G); (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Bl. 23 d. A.)).

Die Krankenkasse der Klägerin trat für den Zeitraum vom 14.03. bis zum 20.03.2018 mit Krankengeldzahlung i.H.v. 312,83 EUR in Vorlage und forderte diesen Betrag mit Schreiben vom 14.11.2018 von der Beklagten zurück. Weiterhin erhielt die Klägerin für den Zeitraum 21.03. bis 17.04.2018 Krankengeld in Höhe von 1.251,32 EUR sowie für den Zeitraum 30.04. bis 10.06.2018 Krankengeld i.H.v. 1.842,13 EUR. Die Beklagte zahlte an die Klägerin für den Monat Februar 2.200,00 EUR brutto sowie für den Monat März anteilig bis zum 12.03.2018 922,58 EUR brutto. Mit Schreiben vom 11.04.2018, 15.05.2018 sowie 11.07.2018 machte die Klägerin ihren rückständigen Lohn für die Monate März, April, Mai und Juni bis zum 10.06.2018 geltend.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr ab dem 13.03.2018 bis zum 10.06.2018 ein Lohnfortzahlungsanspruch gegen die Beklagte zustehe. Sie behauptet, nach der Krankschreibung bis zum 09.02.2018 aufgrund einer b. sei sie seit dem 10.02.2018 wieder gesund und arbeitsfähig gewesen. Nach ihrer Erkrankung vom 12. bis zum 23.02. wegen einer H. sei sie seit dem 24.02. wieder gesund und arbeitsfähig gewesen. Nach der Arbeitsunfähigkeit vom 26.02. bis 09.03.2018 wegen einer F. sei sie seit dem 10.03.2018 wieder gesund und arbeitsfähig gewesen. Nach der Arbeitsunfähigkeit vom 12.03. bis zum 20.03.2018 wegen f. sei sie seit dem 21.03.2018 wieder gesund und arbeitsfähig gewesen. Nach ihrer Erkrankung vom 21.03. bis zum 17.04.2018 wegen M. sei sie seit dem 18.04.2018 wieder gesund und arbeitsfähig gewesen. Nach ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 18. bis zum 27.04.2018 wegen einer b. sei sie seit dem 28.04.2018 wieder gesund und arbeitsfähig gewesen. In der Zeit vom 30.04.2018 an sei sie fortlaufend wegen einer e. arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Für den Monat Juni 2018 betrage das anteilige Gehalt bis zum 10.06.2018 523,80 Euro.

Ursprünglich hat die Klägerin mit ihrer Klage vom 08.10.2018 die Zahlung ihres Lohns für den streitgegenständlichen Zeitraum ohne Anrechnung der Leistungen der Krankenkasse eingeklagt.

Nunmehr beantragt sie unter Rücknahme der Klage im Übrigen noch, die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.201,22 EUR (i. W. sechstausendzweihunderteins Euro, Cent wie nebenstehend) brutto abzüglich an die Krankenkasse übergegangener Ansprüche in Höhe von 312,83 EUR (i. W. dreihundertzwölf Euro, Cent wie nebenstehend) netto sowie von weiteren 1.251,32 EUR (i. W. eintausendzweihunderteinundfünfzig Euro, Cent wie nebenstehend) netto sowie von weiteren 1.842,13 EUR (i. W. eintausendachthundertzweiundvierzig Euro, Cent wie nebenstehend) netto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.04.2019.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass ihre Verpflichtung zur Lohnfortzahlung nur für die ersten 6 Wochen der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin im Jahr 2018 bestehe bis zum 12.03.2018. Die Klägerin sei während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums durchgehend erkrankt gewesen und nicht wieder gesundet. Es handle sich um einen einheitlichen Verhinderungsfall, der den Neubeginn der Lohnfortzahlungspflicht verhindere.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A. I. Die Klage ist zulässig.

II. Sie ist überwiegend begründet, i.H.v. 513,34 EUR ist sie unbegründet.

1. Die Klägerin hat gem. § 3 Abs. 1 EFZG Anspruch gegen die Beklagte auf Lohnfortzahlung für den Monat März vom 12. bis zum 31.03.2018 unter Anrechnung auf die bereits von der Beklagten gezahlten 922,58 EUR in Höhe von noch 1.277,42 EUR brutto. Für den Monat April kann die Klägerin für den Zeitraum vom 01. bis zum 22.04.2018 sowie für den 30.04.2018 insgesamt 1.686,66 EUR brutto an Lohnfortzahlung verlangen. Hinsichtlich des von ihr darüber hinausgehend geltend gemachten Anspruchs für den Zeitraum vom 23. bis zum 29.04.2018 i.H.v. 513,34 EUR brutto ist die Klage wegen Überschreitung des 6-Wochen-Zeitraums als unbegründet abzuweisen. Schließlich stehen der Klägerin für den Zeitraum vom 01.05. bis zum 10.06.2018 die von ihr eingeklagten 523,80 EUR brutto zu.

2. Im Einzelnen gilt Folgendes:

Der Klägerin wurde in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 12.03.2018 bis zum 10.06.2018 aufgrund verschiedener Erkrankungen durch ihre Ärzte Arbeitsunfähigkeit attestiert.

a) Am 12.03.2018 begann ein neuer 6-Wochen-Zeitraum i.S.d. § 3 Abs. 1 S.1 EFZG, der eine Lohnfortzahlungspflicht bei der Beklagten auslöste. Entsprechend den von ihr vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen war die Klägerin vom 12. bis zum 20.03.2018 an f. erkrankt sowie vom 21.03. an über das Ende des Monats hinweg an einer M.. Zu diesen Erkrankungen lagen keine Vorerkrankungen vor, die auf den 6-Wochen-Zeitraum anzurechnen wären.

aa) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann auch nicht von einem einheitlichen Verhinderungsfall ausgegangen werden.

Nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG auf die Dauer von 6 Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer bei entsprechender Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten Arbeitsverhinderung die 6-Wochen-Frist nur einmal in Anspruch nehmen. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt. Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwischen 2 Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden. Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und damit für das Ende des Verhinderungsfalls ist die Entscheidung des Arztes, der Arbeitsunfähigkeit – unabhängig von der individuellen Arbeitszeit des betreffenden Arbeitnehmers – im Zweifel bis zum Ende eines Kalendertags bescheinigen wird. Dabei ist es unerheblich, ob das Ende der Arbeitsunfähigkeit auf einen Arbeits- oder arbeitsfreien Tag fällt. (vgl. BAG, Urteil v. 25.05.2016, Rn. 13).

Die Darlegungs- und Beweislast für den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit trägt der Arbeitnehmer. Für die Darlegung und Nachweis von Beginn und Ende einer auf einer bestimmten Krankheit beruhenden Arbeitsunfähigkeit kann sich der Arbeitnehmer zunächst auf die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stützen. Bringt der Arbeitgeber gewichtige Indizien dafür vor, dass die erneute Arbeitsunfähigkeit auf einer Krankheit beruht, die bereits vor dem attestierten Beginn der Arbeitsunfähigkeit bestanden hat und zu einer Krankheit, wegen derer der Arbeitnehmer bereits durchgehend 6 Wochen arbeitsunfähig war, hinzugetreten ist, muss der Arbeitnehmer als Voraussetzung des Entgeltfortzahlungsanspruchs den von ihm behaupteten Beginn der „neuen“ krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung beweisen (vgl. BAG, Urteil v. 25.05. 2016, 5 AZR 318/15, Rn. 22, juris).

bb) Die Klägerin ist der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ihre Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht aufgrund eines einheitlichen Verhinderungsfalls zusammenzurechnen sind, für den Zeitraum vom 12.03. bis zum 22.04. nachgekommen. Sie konnte sich für die ihr obliegende Darlegungs- und Beweislast auf die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen stützen. Ihre Arbeitsunfähigkeit wegen H. begann am 26.02. und war laut Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 09.03.2018 beendet. Seit dem 12.03.2018 litt die Klägerin unter f. bis zum 20.03.2018. Die Beklagte hat keine gewichtigen Indizien dafür vorgetragen, dass die H. bereits bei Beendigung der Vorerkrankung wegen H. am 09.03.2018 eingetreten war. An die bis zum 20.03. dauernde H. schloss sich ab dem 21.03. die C. bis zum 17.04.2018 an. Ab dem 18.04. litt die Klägerin unter einem akuten J.. Bis zum 22.04.2018 hat die Klägerin damit die Voraussetzungen für die Zahlung von Lohnfortzahlung nach § 3 EFZG dargelegt.

b) Für den Zeitraum 23. bis 29.04.2018 besteht hingegen kein Lohnfortzahlungsanspruch der Klägerin. Ihre Arbeitsunfähigkeit ab dem 23.04. bis zum 29.04.2018 überschreitet den maßgeblichen 6-Wochen-Zeitraum nach § 3 Abs. 1 EFZG, da seit dem 12.03.2018 von einem einheitlichen Verhinderungsfall auszugehen war. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen schlossen während dieses Zeitraums unmittelbar aneinander an. Insofern ist kein Zeitpunkt erkennbar, an dem die Klägerin von ihrem vorausgegangenen Leiden genesen und noch nicht an dem folgenden Leiden erkrankt war.

c) Ab dem 30.04.2018 wiederum hat die Klägerin für die ab dann durchgehend eingetretene Erkrankung einer E. für 6 Wochen bis zum 10.06.2018 einen Lohnfortzahlungsanspruch gegen die Beklagte. Ihre vorausgegangenen Erkrankungen waren mit der letzten Arbeitsunfähigkeit wegen eines akuten J. ausweislich der von ihr vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit Ende des 27.04.2018 auskuriert. Ihre Arbeitsunfähigkeit wegen E. begann gemäß der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst am 30.04.2018. Die Beklagte hat keine gewichtigen Indizien dafür vorgetragen, dass diese E. bereits vor dem attestierten Beginn am 30.04.2018 bestanden hat.

3. Von dem errechneten Lohnfortzahlungsanspruch sind die von der Krankenkasse geleisteten Krankengeldzahlungen entsprechend dem Klageantrag wegen des Anspruchsübergangs gemäß § 115 SGB X abzuziehen.

4. Die Zinsentscheidung folgt aus § 286 Abs. 1, § 288 BGB.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 92 Abs. 1 ZPO.

C. Der Streitwert wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO festgesetzt.

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