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Anspruch auf Gewährung Kleindarlehen gegenüber Arbeitgeber

Landesarbeitsgericht Hamm – Az.: 6 Sa 55/18 – Urteil vom 30.05.2018

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29.11.2016 – 5 Ca 2517/16 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Gewährung eines Kleindarlehens und die Geltung einer Betriebsvereinbarung.

Der 1966 geborene Kläger war zunächst seit dem 01.01.1992 bei der S F AG, dort in der Abteilung „Absatzportfolio-Management“, beschäftigt.

Am 26.06.2007 schlossen die S F AG und der bei ihr gebildete Betriebsrat, dessen Vorsitzender der Kläger war, eine Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Kleindarlehen (im Folgenden: BV Kleindarlehen) (Bl. 47 ff. d.A.). Diese hat ua. folgenden Wortlaut:

„[…] § 2 Bedingungen für die Darlehensgewährung

1. Ein Kleindarlehen gemäß dieser Betriebsvereinbarung kann bei der Personalbetreuung beantragt und begründet werden. Es ist nicht an einen spezifischen Zweck gebunden und zinslos.

Die S F AG behält sich die Prüfung vor.

Die Darlehensgewährung erfolgt nicht während der Probezeit, bei einer vorliegenden Pfändung sowie für geringfügig Beschäftigte. Weiterhin erfolgt keine Neugewährung von Kleindarlehen an Mitarbeiter mit ruhenden Arbeitsverhältnissen, für diese Mitarbeiter eventuell bestehende Kleindarlehen können fortgeführt werden.

2. Gewährt wird eine Darlehenssumme in Höhe von 1000 bis 2450 Euro. […]

3. Die Rückzahlung des Kleindarlehens erfolgt in monatlichen Raten  von jeweils 100 Euro ggf. mit einer Schlussrate in Höhe von 50 Euro. Die Rückzahlung beginnt ab dem Monat nach Auszahlung des Kleindarlehens. Nach vollständiger Tilgung des Darlehens ist eine erneute Beantragung eines Darlehens möglich. Die Gewährung eines Darlehns gemäß dieser Betriebsvereinbarung erfolgt jedoch erst, wenn der Mitarbeiter etwaige noch laufende Kleindarlehn vollständig ordnungsgemäß zurückgezahlt hat. […]

§ 3 Vertrag/Abtretungserklärung

Basis für die Auszahlung des Darlehns ist der Abschluss eines Darlehensvertrages, der eine Abtretungserklärung enthält. […]

§ 4 Geltungsdauer

Diese Betriebsvereinbarung tritt am 15. August 2007 in Kraft. Sie kann mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf eines Kalenderjahres frühestens zum Ablauf des 31.12.2012 gekündigt werden. Nach ihrem Ablauf gelten ihre Regelungen nicht weiter. […]“

Die Betriebsorganisation der S F AG wurde im Jahr 2009 im Zuge des Projektes „Neue S“ aufgelöst. Im Zuge dessen schloss die S F AG mit dem Betriebsrat am 18.06.2009 einen Interessenausgleich. Bezüglich des Inhalts des Interessenausgleichs wird auf Bl. 51 ff. d.A. Bezug genommen. Die Abteilung „Absatzportfolio-Management“ wurde, ebenso wie weitere Abteilungen anderer Konzernunternehmen, auf die S W AG abgespalten. Das Absatzportfoliomanagement ist gebündelt in der S W AG fortgeführt worden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde ab dem 01.09.2009 mit der S W AG, einem neu gegründeten Betrieb, fortgeführt. In dem neuen Betrieb wurden mehrere Betriebsteile unterschiedlicher Unternehmen (S F AG, S S1AG, S X AG) zusammengeführt. Die Mitarbeiter der verschiedenen Betriebsteile arbeiteten in der Folge in einer Abteilung. Der Kläger erhielt ein Informationsschreiben vom 29.07.2009 zum Übergang seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a BGB (Bl. 59 ff. d.A.). Die S W AG und der bei ihr neu gebildete, für das Arbeitsverhältnis des Klägers zuständige Betriebsrat Mitte der S W AG vereinbarten, dass für neu eingestellte Arbeitnehmer die kollektivrechtlichen Regelungen, die vormals bei der S S1 AG galten, Anwendung finden sollten.

Die S W AG gewährte dem Kläger unter dem 17.02.2012 (Bl. 67 f. d.A.) sowie unter dem 15.01.2014 (Bl. 65 f. d.A.) jeweils auf Grundlage des bestehenden Arbeitsverhältnisses und der BV Kleindarlehen Darlehen in Höhe von je 2.450,00 €. Das Darlehen vom 15.01.2014 zahlte der Kläger mit der letzten Rate im Mai 2016 vollständig zurück.

Mit Schreiben jeweils vom 12.05.2015 kündigte die S W AG sowohl gegenüber dem Gesamtbetriebsrat als auch gegenüber dem Betriebsrat Mitte die BV Kleindarlehen zum 31.12.2015 (Bl. 111 d.A.). Der Gesamtbetriebsrat veröffentlichte hierzu am 28.05.2015 ein Informationsschreiben (Bl. 69 d.A.), wovon der Kläger Kenntnis erlangte.

Am 07.03.2016 beantragte der Kläger per E-Mail die Gewährung eines Kleindarlehens in Höhe von 2.450,00 € auf Basis der BV Kleindarlehen zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers unter Hinweis auf die Kündigung der BV Kleindarlehen ab.

Zum 01.04.2016 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers durch Betriebsübergang auf die S International SE über, welche dann in die nunmehrige Beklagte umfirmierte. Der Kläger erhielt ein diesbezügliches Informationsschreiben unter dem 29.03.2016 (Bl. 70 ff. d.A.).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die BV Kleindarlehen finde mangels Kündigung ihm gegenüber weiterhin auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

Die Klage sei zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse folge daraus, dass die zwischen den Parteien streitige Rechtsfrage, ob die BV Kleindarlehen weiterhin Anwendung finde, durch das Verfahren abschließend geklärt werden könne. Auf die konkrete Darlehensgewährung komme es ihm nicht an, so dass eine Leistungsklage nicht vorrangig sei.

Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, der Kläger erfülle die Voraussetzungen für die Darlehensgewährung nicht. Einen Leistungsantrag verfolge er gerade nicht. Darüber hinaus sei es nicht richtig, dass im gesamten Konzern keine Kleindarlehen mehr gewährt würden.

Sein Arbeitsverhältnis sei am 01.09.2009 im Rahmen eines Betriebsteilübergangs gemäß § 613a BGB auf die S W AG übergegangen. Mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses sei die zunächst gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG zwingend geltende BV Kleindarlehen Inhalt des Arbeitsverhältnisses des Klägers geworden, § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB. Im Rahmen des Betriebsübergangs auf die S W AG sei der Betriebsteil, in dem er beschäftigt gewesen sei, nicht identitätswahrend fortgeführt worden.

Die gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB fortgeltende Betriebsvereinbarung habe die S W GmbH nicht wirksam gekündigt. Eine Kündigung hätte nur gegenüber dem Kläger im Wege der Änderungskündigung erfolgen können. Es sei zwar gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB theoretisch möglich gewesen, eine ablösende Betriebsvereinbarung mit dem neuen Betriebsrat abzuschließen, für eine Kündigung gegenüber dem neuen Betriebsrat finde sich im Gesetz allerdings kein Anhaltspunkt. Das zum schuldrechtlichen Teil der Betriebsvereinbarung gehörende Kündigungsrecht sei gerade nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert worden.

Durch den weiteren Betriebsübergang habe sich an der Fortgeltung der BV Kleindarlehen nichts geändert.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass die Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Kleindarlehen zwischen der S F AG und dem Betriebsrat der S F AG vom 26.06.2007 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung eines Darlehens. Er erfülle weder die in der BV Kleindarlehen festgesetzten Voraussetzungen noch sei die BV Kleindarlehen weiterhin auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.

Der Beklagten stünde nach § 2 Ziff. 1 BV Kleindarlehen ein Prüfrecht zu. Aufgrund der angespannten finanziellen Lage des Konzerns und weil die Arbeitnehmer wegen der allgemeinen Zinslage nicht mehr auf zinslose Darlehen der Arbeitgeberin angewiesen seien, habe sie sich entschlossen, keine Kleindarlehen mehr zu gewähren. Bereits aus diesem Grund sei die Beklagte berechtigt, eine Darlehensgewährung zu verweigern.

Die S W AG sei auch berechtigt gewesen, die BV Kleindarlehen gegenüber dem Betriebsrat Mitte zu kündigen. Durch die individualrechtliche Fortgeltung der BV Kleindarlehen sei eine Kündigung nicht ausgeschlossen, zumal auch die Betriebsveräußerin die BV Kleindarlehen unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist hätte kündigen können. Der Bestand individualrechtlich fortgeltender Normen sei nicht weiter geschützt als bei kollektivrechtlicher Weitergeltung. Eine andere Sichtweise würde zu einer gesetzlich nicht gewollten Besserstellung der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer führen.

Etwas anderes ergäbe sich auch nicht aus dem Interessenausgleich vom 18.06.2009. Aus diesem ergebe sich nicht, dass eine Besserstellung der Arbeitnehmer gewollt gewesen wäre.

Sollte entgegen der Auffassung der Parteien kein Betriebsübergang stattgefunden haben, ergäbe sich erst Recht keine Fortgeltung der BV Kleindarlehen.

Zudem sei das Recht des Klägers, sich auf die Geltung der BV Kleindarlehen zu berufen, verwirkt. Er habe nach der durch den Gesamtbetriebsrat erteilten Information mehr als ein Jahr zugewartet, bis er Klage erhoben habe. Zu diesem Zeitpunkt habe die Beklagte nicht mehr mit einer Geltendmachung von Ansprüchen aus der BV Kleindarlehen rechnen müssen.

Mit Urteil vom 29.11.2016 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Der Feststellungsantrag sei zulässig, das erforderliche Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass die Anwendbarkeit der BV Kleindarlehen Rechtsfolgen und Ansprüche nach sich ziehe. Eine Leistungsklage sei nicht vorrangig, da der Kläger derzeit nicht die Gewährung eines Darlehens begehre. Die Klage sei aber nicht begründet. Die BV Kleindarlehen sei nicht mehr auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Die Beklagte habe diese wirksam zum 31.12.2015 gekündigt. Dies gelte unabhängig davon, ob die BV Kleindarlehen nach dem Betriebsübergang im Jahr 2009 kollektivrechtlich oder individualrechtlich weitergegolten habe, wobei allerdings mangels ausreichender Darlegungen des Klägers von einer kollektivrechtlichen Weitergeltung auszugehen sei. In beiden Fällen sei die Beklagte berechtigt gewesen, die BV Kleindarlehen gegenüber dem lokalen Betriebsrat zu kündigen. Auch bei lediglich individualrechtlicher Weitergeltung sei der Bestand der BV Kleindarlehen nicht weiter geschützt als bei kollektivrechtlicher Weitergeltung.

Gegen das dem Kläger am 13.12.2016 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 21.12.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung, die er am 13.02.2017 unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen wie folgt begründet hat: Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe der Betrieb, in dem der Kläger zunächst beschäftigt worden war, im Zuge des Betriebsübergangs im Jahr 2009 seine Identität verloren, es sei eine völlig neue Einheit entstanden, so dass kollektivrechtliche Normen Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden seien. Dies entspreche der Mitteilung aus dem Informationsschreiben vom 29.07.2009. Daran ändere nichts, dass der Betriebsrat der S X AG ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG ausgeübt habe. § 21a BetrVG habe für die Frage der Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen keine Bedeutung. Die bei der S-X AG geschlossenen Betriebsvereinbarungen seien mangels kollektivrechtlicher Geltung bei der S W AG auf das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht anwendbar.

Die individualrechtlich als arbeitsvertragliche Einheitsregelung fortgeltende BV Kleindarlehen habe, nach Ablauf der Veränderungssperre von einem Jahr, entweder durch eine andere Kollektivvereinbarung abgelöst oder gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern gekündigt werden können, wobei die Beklagte diesbezüglich § 2 KSchG zu beachten hätte. Die Möglichkeit einer Ablösung durch Kollektivvertrag ergebe sich aus § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB. Da dieser aber keine Kündigungsmöglichkeit vorsehe, sei eine Kündigung gegenüber einem neuen Betriebsrat zur Beendigung individualrechtlich fortgeltender Betriebsvereinbarungen gesetzlich nicht vorgesehen. Der Betriebsrat Mitte der S W AG sei gerade nicht der Rechtsnachfolger des Betriebsrats der S F AG gewesen, so dass eine Kündigung ihm gegenüber nicht hätte erklärt werden können.

Der Kläger hat beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29.11.2016 – 5 Ca 2517/16 – abzuändern und festzustellen, dass die Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Kleindarlehen zwischen der S F AG und dem Betriebsrat der S F AG vom 26.06.2007 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet.

Die Beklagte hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat das arbeitsgerichtliche Urteil verteidigt, ihre erstinstanzlichen Ausführungen wiederholt und vertieft sowie ergänzend ausgeführt: Zu Recht sei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass die S W AG unabhängig davon, ob die BV Kleindarlehen kollektivrechtlich oder individualrechtlich fortgegolten habe, diese gegenüber dem bei ihr neu gebildeten Betriebsrat Mitte habe kündigen können. Denn durch den Betriebsübergang solle der Arbeitnehmer nicht stärker geschützt werden als zuvor. Es könne daher nicht sein, dass eine Betriebsvereinbarung, so lange sie kollektivrechtlich gelte, ohne Angabe von Gründen gekündigt werden könne, bei einer individualrechtlichen Fortgeltung aber lediglich unter den strengen Voraussetzungen einer Änderungskündigung nach § 2 KSchG. Zumindest würde die Verpflichtung, gegenüber jedem Arbeitnehmer einzeln eine Kündigung auszusprechen, eine erhebliche Erschwerung der Kündigungsmöglichkeit bedeuten, die gesetzlich nicht gewollt sei. Eine Kündigungsmöglichkeit gegenüber dem Betriebsrat auch bei nur individualrechtlicher Fortgeltung sei durch § 613a Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB gerade nicht ausgeschlossen. Dort sei nicht geregelt, wie eine Kündigung zu erfolgen habe.

Letztlich sei die Kündigung aber auch dem Kläger gegenüber erklärt worden, denn dieser habe die Information des Gesamtbetriebsrats über die Kündigung erhalten.

Es sei auch fraglich, ob die BV Kleindarlehen überhaupt weitergegolten habe. Nach dem Betriebsübergang habe der frühere Betriebsrat der S X AG ein Übergangsmandat nach § 21a Abs. 2 BetrVG innegehabt, so dass der Kläger ggf. durch die mit diesem vor dem Betriebsübergang geschlossene Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Kleindarlehen ausreichend geschützt gewesen wäre.

Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 28.06.2017 – 6 Sa 1511/16 – die Berufung des Klägers zurückgewiesen, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Die Klage sei unzulässig. Die vom Kläger begehrte Feststellung sei nicht geeignet, den Streit der Parteien beizulegen. Sie betreffe lediglich eine vorgreifliche Rechtsfrage. Die Pflicht der Beklagten zur Gewährung eines Darlehens sei damit nicht geklärt. Im Übrigen sei die Klage, worauf mit nicht tragenden Gründen hingewiesen werde, auch unbegründet. Selbst bei Transformation der Normen nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB würden diese ihren kollektiv-rechtlichen Charakter behalten. Daher verbleibe es bei den Änderungs- und Kündigungsmöglichkeiten, die beim Veräußerer bestanden hätten.

Auf die Beschwerde des Klägers hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 19.12.2017 das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Im erneuten Berufungsverfahren trägt der Kläger unter Vertiefung und Ergänzung seines Vortrags wie folgt vor: Der Kläger sei berechtigt, nunmehr einen Anspruch im Wege der Leistungsklage geltend zu machen. Die Klageänderung sei sachdienlich. Der Kläger habe einen Anspruch auf Auszahlung des begehrten Darlehensbetrages. Dies ergebe sich aus der BV Kleindarlehen. Ein Prüfrecht und eine Gewährung nach billigem Ermessen hätten die Betriebsparteien bei Abschluss der BV Kleindarlehen nicht vorgesehen. Hierfür bedürfe es nicht des Abschlusses eines Darlehensvertrages. Begründungsakt für den Anspruch auf Auszahlung des Darlehens sei einzig die BV Kleindarlehen. Anderenfalls könne die Beklagte durch Verweigerung des Abschlusses eines Darlehensvertrags die Ansprüche des Klägers ausschließen. Zumindest aber habe der Kläger einen Anspruch auf Abschluss eines Darlehensvertrages.

Die BV Kleindarlehen sei nicht wirksam durch die S W AG gekündigt worden. Die Transformation einer kollektivrechtlichen Norm in das Arbeitsverhältnis und die Erklärung der Beendigung von dessen Geltung seien jeweils Rechtsakte sui generis. Es sei sachgerecht, wenn die Beendigungserklärung gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer abzugeben sei. Anderenfalls verbleibe für § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB kein Anwendungsbereich mehr.

Es sei zulässig, wenn der Kläger seinen ursprünglichen Feststellungsantrag nunmehr als Zwischenfeststellungsklage iSd. § 256 Abs. 2 ZPO weiter verfolge. Der Streit um die Anwendbarkeit der BV Kleindarlehen sei ein vorgreifliches, streitiges und damit feststellungsfähiges Rechtverhältnis.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 29.11.2016 – 5 Ca 2517/16 – abzuändern und

1) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein Kleindarlehen in Höhe von 2.450,00 € gemäß § 2 der Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Kleindarlehen zwischen der S F AG und dem Betriebsrat der S F AG vom 26.06.2007 zu zahlen;

2) hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, dem Vertragsangebot des Klägers auf Abschluss eines Darlehensvertrags gemäß § 3 der Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Kleindarlehen zwischen der S F AG und dem Betriebsrat der S F AG vom 26.06.2007 zuzustimmen, mit dem Inhalt nach § 2 dieser Betriebsvereinbarung, dass dem Kläger ein zweckungebundenes Darlehen in Höhe von 2.450,00 € gewährt wird, welches nicht zu verzinsen und in monatlichen Raten zu 100,00 € mit einer Schlussrate in Höhe von 50,00 € beginnend mit dem Monat nach Auszahlung des Darlehens zurückzuzahlen ist;

3) im Wege der Zwischenfeststellungsklage festzustellen, dass die Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Kleindarlehen zwischen der S F AG und dem Betriebsrat der S F AG vom 26.06.2007 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt ergänzend aus: Die Klageänderung sei unzulässig. Die Beklagte widerspreche dieser. Sie sei auch nicht sachdienlich. Sollte die Beklagte zum Abschluss eines Darlehensvertrages verurteilt werden, müsse der Kläger für die Auszahlung einen erneuten Prozess durchführen, so dass der Streit zwischen den Parteien nicht erledigt wäre. Die Klageänderung könne auch nicht auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung ohnehin zugrunde zu legen habe. Dem Kläger fehle für den Leistungsantrag das Rechtsschutzbedürfnis. Er habe im Verlauf des Verfahrens stets klargestellt, dass es ihm nicht um die Darlehensgewährung selbst, sondern lediglich um die Feststellung der Anwendbarkeit der BV Kleindarlehen gehe.

Der Leistungsantrag sei aber auch unbegründet. Die Beklagte habe das ihr zustehende Prüfrecht dahingehend ausgeübt, keine Kleindarlehen mehr zu vergeben. Zudem sei die BV Kleindarlehen wirksam gekündigt worden. Dem Grundsatz, dass durch die Transformation von ehemals kollektivrechtlichen Regelungen in das Arbeitsverhältnis die Arbeitnehmer keine Besserstellung erfahren sollten, werde allein die Annahme einer Kündigungsmöglichkeit gegenüber den Interessenvertretern der Arbeitnehmer gerecht.

Wegen Unzulässigkeit der Leistungsklage sei auch die Zwischenfeststellungsklage unzulässig.

Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Auszahlung eines Darlehensbetrags noch auf Abschluss eines Darlehensvertrags gegen die Beklagte. Mangels Anwendbarkeit der BV Kleindarlehen auf das Arbeitsverhältnis kann die begehrte Feststellung nicht getroffen werden.

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b) ArbGG) und nach den § 519 ZPO, §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß begründet worden. Sie ist damit insgesamt zulässig.

Durch die zuletzt vorgenommene Klageänderung ist die Beschwer des Klägers nicht entfallen. Eine Berufung ist nur dann unzulässig, wenn sie den in erster Instanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, also die Richtigkeit der erstinstanzlichen Klageabweisung gar nicht in Frage stellt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt (BGH 08.06.1994 – VIII ZR 178/93 – zu 2 a der Gründe). Vorliegend verlangt der Kläger allerdings nicht etwas anderes, sondern aus demselben Sachverhalt lediglich weitergehende Rechtsfolgen. Mit dem im Berufungsrechtszug angekündigten Leistungsantrag erstrebt der Kläger die Beseitigung seiner durch Abweisung seines auf Feststellung gerichteten erstinstanzlichen Klageantrags geschaffenen Beschwer (vgl. BGH 08.06.1994 – VIII ZR 178/93 – zu 2 b aa der Gründe). Darüber hinaus hat der Kläger den erstinstanzlichen Feststellungsantrag als Zwischenfeststellungsklage aufrechterhalten.

Die Frage der Zulässigkeit der Klageerweiterung hindert die Zulässigkeit der Berufung nicht (vgl. OLG Sachsen-Anhalt 18.06.2010 – 10 U 61/09 – zu II 1 a der Gründe).

II.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Auszahlung eines Darlehens noch auf Abschluss eines Darlehensvertrages. Mangels Anwendbarkeit der BV Kleindarlehen auf sein Arbeitsverhältnis ist auch der Feststellungsantrag unbegründet.

1.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die im Berufungsverfahren vorgenommene Änderung der Anträge zulässig. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger ohne Änderung des Klagegrundes lediglich von einem Feststellungsantrag zum Leistungsantrag übergegangen ist, was nach § 264 Nr. 2 ZPO keine Klageänderung darstellen würde und danach ohne weiteres auch in der Berufungsinstanz zulässig wäre (vgl. BAG 21.02.2006 – 3 AZR 77/05 – Rn. 12), oder ob der Leistungsantrag, da er die Gewährung eines bestimmten Darlehens betrifft, im Vergleich zum Feststellungsantrag etwas anderes ist und damit eine Klageänderung vorliegt (vgl. hierzu BAG 23.03.2016 – 5 AZR 758/13 – Rn. 37; 28.05.2014 – 5 AZR 794/12 – Rn. 15; BGH 04.10.1984 – VII ZR 162/83 –). Jedenfalls wäre eine Klageänderung nach § 533 ZPO zulässig. Die Beklagte hat dieser zwar widersprochen, sie ist jedoch sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO) und kann auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO).

a)

Die Klageänderung ist sachdienlich.

aa)

Maßgeblich für die nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Sachdienlichkeit ist der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit, für den es entscheidend darauf ankommt, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung zu einer sachgemäßen und endgültigen Erledigung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet und einem andernfalls zu erwartenden Rechtsstreit vorbeugt (BAG 14.06.2017 – 10 AZR 308/15 – Rn. 39).

bb)

Vorliegend war die Klage nach der Entscheidung des LAG Hamm im ersten Berufungsverfahren (6 Sa 1511/16) unzulässig. Der Streit zwischen den Parteien hätte daher mit dem ursprünglichen Antrag nicht beigelegt werden können, der Kläger hätte seine Forderung ohne die Klageänderung in einem neuen Verfahren geltend machen müssen. Daher konnte eine sachgemäße Erledigung des Streits zwischen den Parteien lediglich durch die Klageänderung erreicht werden. Die Sachdienlichkeit entfällt hinsichtlich des Hilfsantrags entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch, dass die Beklagte bereits angekündigt hat, bei einer Verurteilung zum Abschluss eines Darlehensvertrags eine Auszahlung dennoch erst nach Durchführung eines weiteren Prozesses aufgrund einer Verurteilung zur Zahlung vornehmen zu wollen. Die Tatsache, dass die Beklagte ankündigt, einen Vertragsschluss auch nach gerichtlicher Ersetzung der Annahmeerklärung nicht akzeptieren und den Vertrag nicht erfüllen zu wollen, lässt die Sachdienlichkeit nicht entfallen.

b)

Die Klageänderung kann auch iSv. § 533 Nr. 2 ZPO auf Tatsachen gestützt werden, die die Kammer ihrer Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte. Der die Erweiterung des Klageantrags betreffende Antrag des Klägers auf Darlehensgewährung sowie dessen Ablehnung sind zwischen den Parteien unstreitig und zudem nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO durch das Arbeitsgericht festgestellt.

2.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Auszahlung eines Darlehensbetrags in Höhe von 2.450,00 € aus der BV Kleindarlehen iVm. einem Darlehensvertrag gegen die Beklagte.

a)

Der Zahlungsantrag ist zulässig. Dem Kläger fehlt insbesondere nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil es ihm nach eigenen Angaben nicht maßgeblich auf die tatsächliche Darlehensgewährung, sondern hauptsächlich auf die Feststellung der Fortgeltung der BV Kleindarlehen ankommt. Das Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich grundsätzlich daraus, dass der Kläger einen materiellen Anspruch, nämlich die Auszahlung des Darlehensbetrags, geltend macht, den die Beklagte in Abrede stellt.

Ein Fall, bei dem ausnahmsweise das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil die Klage ausschließlich prozessfremden Zielen dient (vgl. zur Vollstreckungsabwehrklage BGH 21.10.2016 – V ZR 230/15 – Rn. 23), liegt nicht vor. Das durch den Kläger begehrte Ziel, nämlich die Feststellung, ob die BV Kleindarlehen weiterhin auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung findet oder nicht, ist nicht prozessfremd, sondern gerade Inhalt des vorliegenden Rechtsstreits und Voraussetzung für einen Zahlungsanspruch.

b)

Der Zahlungsantrag ist aber nicht begründet. Voraussetzung für die Auszahlung eines Kleindarlehens ist nach den Regelungen der BV Kleindarlehen der Abschluss eines Darlehensvertrages. Ein solcher ist zwischen den Parteien bislang nicht zustande gekommen.

Der Kläger hat zwar mit E-Mail vom 07.03.2016 der Beklagten ein Angebot zum Abschluss eines Darlehensvertrages unterbreitet, dieses hat die Beklagte allerdings nicht angenommen, sondern einer Darlehensgewährung ausdrücklich widersprochen. Entgegen der Auffassung des Klägers enthält die BV Kleindarlehen keine antizipierte Annahmeerklärung der Beklagten. Dies ergibt die Auslegung der BV Kleindarlehen.

aa)

Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 18.09.2014 – 8 AZR 757/13 – Rn. 21; 12.06.2013 – 7 AZR 557/11 – Rn. 25).

bb)

Nach diesen Grundsätzen besteht ein Auszahlungsanspruch erst nach Abschluss eines Darlehensvertrags. Die BV Kleindarlehen enthält keine antizipierte Annahmeerklärung der Beklagten.

Hierfür spricht zunächst, dass nach § 3 BV Kleindarlehen Basis für die Auszahlung der „Abschluss eines Darlehensvertrages“, der eine Abtretungserklärung enthält, ist. Einer solchen Regelung bedürfte es allerdings nicht, wenn aufgrund des Angebots des Arbeitnehmers bereits ein Darlehensvertrag zustande kommen würde. Insbesondere ist aber aufgrund der Regelung in § 2 Nr. 1 Abs. 2 BV Kleindarlehen ausgeschlossen, dass bereits aufgrund eines Angebots des Klägers und antizipierter Annahmeerklärung der Beklagten ein Darlehensvertrag zustande kommt. Denn in § 2 Nr. 1 Abs. 2 BV Kleindarlehen hat sich die Beklagte ein Prüfungsrecht vorbehalten. Unabhängig davon, was Inhalt dieses Prüfungsrechts sein soll, schließt dies aus, dass bereits mit dem Antrag des Arbeitnehmers ein Vertrag zustande kommt.

Entgegen der Auffassung des Klägers wird damit nicht der Beklagten die Möglichkeit eingeräumt, den Abschluss eines Darlehensvertrags zu verhindern. Denn bei Erfüllen der Voraussetzungen besteht ein Anspruch des Klägers auf Abgabe der Willenserklärung zur Annahme des Vertragsangebots.

cc)

Mangels Annahmeerklärung der Beklagten ist daher bislang kein Vertrag über eine Darlehensgewährung zwischen den Parteien zustande gekommen, aus dem sich ein Zahlungsanspruch des Klägers ergeben könnte.

3.

Auch der auf Abschluss eine Darlehensvertrags gerichtete Hilfsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abschluss eines Darlehensvertrags aufgrund seines Antrags vom 07.03.2016 gegen die Beklagte aus der BV Kleindarlehen.

a)

Der Antrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt.

Es handelt sich um eine Klage auf Abgabe einer Willenserklärung, die nach § 894 Abs. 1 ZPO mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils als abgegeben gilt. Auf Grund dieser Rechtsfolge erfordert das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, dass der Klageantrag – ggf. in Verbindung mit der Klagebegründung – die wesentlichen Vertragsbedingungen festlegt (BAG 16.07.2008 – 7 AZR 322/07 – Rn. 25). Dies ist vorliegend gegeben, der Antrag des Klägers enthält sowohl die Höhe der begehrten Darlehenssumme, die Rückzahlungsmodalitäten und die Frage der Zinsen. Damit sind die essentialia negotii enthalten. Unschädlich ist, dass der Kläger die in § 3 BV Kleindarlehen vorgesehene Abtretungserklärung nicht in seinen Antrag aufgenommen hat. Diese gehört nicht zu den wesentlichen Vertragsbedingungen. Zudem ist der Antrag auf Abschluss einer Darlehensvereinbarung nach § 3 BV Kleindarlehen, also inklusive einer Abtretungserklärung, gerichtet.

Dem Kläger fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. die Ausführungen zu II 2 a der Gründe).

b)

Der Antrag ist aber nicht begründet. Der Kläger stützt seinen Anspruch ausdrücklich ausschließlich auf die BV Kleindarlehen. Aufgrund des Antrags des Klägers vom 07.03.2016 wären die Voraussetzungen zum Abschluss eines Darlehensvertrages zwar grundsätzlich erfüllt, jedoch findet die BV Kleindarlehen auf das Arbeitsverhältnis des Klägers keine Anwendung mehr.

aa)

Der Kläger hat mit E-Mail vom 07.03.2016 einen ordnungsgemäßen Antrag auf Gewährung eines Kleindarlehens nach § 2 Ziff. 1 Abs. 1 BV Kleindarlehen gestellt. Dem steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung das vorherige Darlehen noch nicht vollständig zurückgezahlt war und eine erneute Beantragung gem. § 2 Ziff. 3 Abs. 1 Satz 1 BV Kleindarlehen erst nach vollständiger Tilgung des vorangegangenen Darlehens möglich ist. Denn der Kläger hat ausdrücklich die Gewährung eines neuen Darlehens erst für einen Zeitpunkt nach vollständiger Tilgung des alten Darlehens beantragt.

Unerheblich ist auch, dass der Antrag an die S W AG und nicht die S International SE bzw. die Beklagte gerichtet war. Aufgrund des Betriebsübergangs ist die Beklagte in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der S W AG eingetreten. Die Beklagte hat den Antrag auch als an sie gerichtet angesehen, indem sie den Antrag des Klägers nach Betriebsübergang mit E-Mail vom 01.06.2016 abgelehnt hat.

bb)

Die nach der BV Kleindarlehen für die Gewährung eines Kleindarlehens erforderlichen Voraussetzungen liegen vor.

Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht ein unbefristetes, ungekündigtes Arbeitsverhältnis (§ 1 BV Kleindarlehen). Die Darlehensgewährung ist nicht nach § 2 Ziff. 1 Abs. 3 BV Kleindarlehen ausgeschlossen. Der Kläger befindet sich weder in der Probezeit noch liegt eine Pfändung vor. Der Kläger ist auch nicht geringfügig Beschäftigter. Das Arbeitsverhältnis ruht nicht. Das dem Kläger zuvor gewährte Darlehen hat der Kläger bereits vollständig zurückgezahlt. Ein besonderer Verwendungszweck für das Darlehen ist nicht erforderlich (§ 2 Ziff. 1 Abs. 1 Satz 2 BV Kleindarlehen).

cc)

Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Darlehensgewährung unter Verweis auf § 2 Ziff. 1 Abs. 2 BV Kleindarlehen abzulehnen. Die Auslegung der BV Kleindarlehen ergibt, dass sich dieses Prüfrecht ausschließlich auf den jeweiligen Einzelfall und damit die Person des Antragstellers bezieht und der Beklagten nicht das Recht einräumt, generell ohne Kündigung der BV Kleindarlehen keine Kleindarlehen mehr zu gewähren.

(1)

Dem Wortlaut nach behält sich die Beklagte „die Prüfung vor“. Dies schließt zunächst ein umfassendes Prüfrecht der Beklagten nicht aus. Aus der Systematik der BV Kleindarlehen ergibt sich allerdings, dass das Prüfrecht einzig auf den Antrag des jeweiligen Arbeitnehmers bezogen ist. Die Prüfung ist im direkten Anschluss an den Antrag und vor Auflistung von Ablehnungsgründen, die sich alle ausschließlich auf die Person des Antragstellers beziehen, geregelt. Die Prüfung kann sich daher ausschließlich auf diese Aspekte beziehen. Zudem würde ein Prüfrecht, dass es der Beklagten ermöglichen würde, die grundsätzliche Entscheidung zur Gewährung von Kleindarlehen zu revidieren, die (zumindest ursprünglich) normative Wirkung der BV Kleindarlehen aushebeln. Die Vereinbarung der Laufzeit und Kündigungsfrist in § 4 Abs. 1 BV Kleindarlehen wäre dann obsolet.

(2)

Es kann dahinstehen, wie weit das ausschließlich auf die Person des Klägers bezogene Prüfrecht der Beklagten reicht. Gründe in der Person des Klägers, die die Beklagte zur Verweigerung einer Darlehensgewährung berechtigen würden, sind weder ersichtlich noch durch die Beklagte vorgetragen.

dd)

Ein Recht des Klägers, Ansprüche aus der BV Kleindarlehen geltend zu machen, wäre nicht verwirkt.

(1)

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und soll dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit dienen. Sie hat nicht den Zweck, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger ihre Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen (Zeitmoment). Es müssen viel mehr besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzutreten (Umstandsmoment), die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Der Berechtigte muss unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BAG 22.02.2012 – 4 AZR 579/10 – Rn. 43; 13.08.2008 – 7 AZR 269/07 – Rn. 36 ff.).

(2)

Nach diesen Grundsätzen ist keine Verwirkung eingetreten. Es ist bereits zweifelhaft, ob die erstmalige Beantragung eines Kleindarlehens im März 2016 – und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem das vorherige Kleindarlehen noch nicht vollständig zurückgezahlt war – hinreichend lange nach Ausspruch der Kündigung der Beklagten aus Mai 2015 lag, um das Zeitmoment zu erfüllen. Jedenfalls aber sind keine besonderen Umstände im Verhalten des Klägers ersichtlich, die bei der Beklagten den Eindruck hätten erwecken können, der Kläger werde keine Rechte mehr aus der BV Kleindarlehen geltend machen. Vortrag der Beklagten zu solchen Umständen ist nicht erfolgt.ee)

Der Kläger hat dennoch keinen Anspruch auf Abschluss eines Darlehensvertrags. Aufgrund der Kündigung der S W AG vom 12.05.2015 gegenüber dem bei ihr bestehenden Betriebsrat Mitte kann der Kläger keine Ansprüche mehr aus der BV Kleindarlehen herleiten.

(1)

Ursprünglich fand die BV Kleindarlehen aufgrund des zwischen dem Kläger und der S F AG bestehenden Arbeitsverhältnisses gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG Anwendung. Das Arbeitsverhältnis ist zum 01.09.2009 auf die S W AG im Wege des Betriebsübergangs nach § 613a BGB übergegangen.

(a)

Ein Betriebs(teil-)übergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB – wie auch iSd. Richtlinie 2001/23/EG – liegt vor, wenn die für den Betrieb verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt und die in Rede stehende Einheit nach der Übernahme durch den neuen Arbeitgeber ihre – vor der Übernahme vorhandene – Identität bewahrt. Der Übergang muss eine ihre Identität bewahrende – auf Dauer angelegte – wirtschaftliche Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit betreffen. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbstständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck. Die Kontinuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse soll unabhängig von einem Inhaberwechsel gewährleistet werden. Entscheidend für einen Übergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ist deshalb, dass die betreffende Einheit ihre Identität bewahrt, was namentlich dann zu bejahen ist, wenn die Einheit tatsächlich weitergeführt oder wieder aufgenommen wird. Dem Übergang eines gesamten Betriebs steht, soweit die Voraussetzungen des § 613a BGB erfüllt sind, der Übergang eines Betriebsteils gleich. Dies ist unabhängig davon, ob die übergegangene wirtschaftliche Einheit ihre Selbstständigkeit innerhalb der Struktur des Erwerbers bewahrt oder nicht; entscheidend ist, dass die funktionelle Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zwischen den übertragenen Faktoren beibehalten wird und es dem Erwerber derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (BAG 19.10.2017 – 8 AZR 63/16 – Rn. 33 f.)

(b)

Es ist bereits deshalb von einem Betriebs(teil-)übergang von der S F AG auf die S W AG auszugehen, weil diese Rechtstatsache zwischen den anwaltlich vertretenen Parteien unstreitig ist. Bei dem Begriff des Betriebsübergangs iSd. § 613a BGB handelt es sich um einen einfachen Rechtsbegriff, der als unstreitige Tatsache in den Prozess eingeführt werden kann (vgl. BAG 14.11.2007 – 4 AZR 861/06 – Rn. 28 f.). Die Annahme der Parteien ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Für einen Betriebsübergang sprechen insbesondere der Interessenausgleich vom 18.06.2009 sowie das Informationsschreiben vom 29.07.2009 und die darin beschriebenen Maßnahmen, die unstreitig umgesetzt worden sind.

(2)

Es spricht viel dafür, aufgrund des Betriebsübergangs nicht von einer kollektivrechtlichen, sondern lediglich von einer individualrechtlichen Fortgeltung der BV Kleindarlehen gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB auszugehen. Letztlich kann dies allerdings dahinstehen. Entgegen der Auffassung ist sie zwar nicht durch eine bei der S X AG abgeschlossene Betriebsvereinbarung abgelöst und auch nicht gegenüber dem Kläger gekündigt worden, jedoch war die S W AG berechtigt, die BV Kleindarlehen gegenüber dem bei ihr gebildeten Betriebsrat Mitte zu kündigen.

(a)

Die BV Kleindarlehen ist nicht durch eine bei der S X AG bestehende Betriebsvereinbarung iSd. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst worden. Die S X AG war nicht neuer Inhaber iSd. Norm. Dies ergibt sich bereits daraus, dass dem Betriebsrat der S X AG lediglich ein Übergangsmandat nach § 21a Abs. 1 Satz 2 BetrVG zustand. Ein solches setzt den Verlust der Identität des Betriebs voraus, so dass gerade keine normative Fortgeltung in Betracht kommt (vgl. MüKoBGB-Müller-Glöge 7. Aufl. § 613a Rn. 149). Nur bei einer solchen wäre aber möglich, von einer Ablösung iSd. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB auszugehen. Anhaltspunkte dafür, dass entgegen der damaligen Auffassung der Betriebsparteien der Betriebsrat der S X AG originär und nicht lediglich im Rahmen eines Übergangsmandats für den neuen Betrieb der S W AG zuständig gewesen wäre, hat die Beklagte nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.

(b)

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Kündigung vom 12.05.2015 ausschließlich gegenüber dem Betriebsrat Mitte der S W AG und gegenüber dem Gesamtbetriebsrat der S W AG, nicht aber gegenüber dem Kläger erklärt worden. Die Kündigungen waren ihrem Wortlaut nach nicht an den Kläger, sondern an den Betriebsrat Mitte bzw. den Gesamtbetriebsrat gerichtet. Nur diesen hat die S W AG die Kündigungen auch übermittelt. Der Kläger ist lediglich durch den Gesamtbetriebsrat über die Kündigung informiert worden. Er musste daher nicht davon ausgehen, die Kündigung solle auch ihm persönlich gegenüber ausgesprochen werden.

(c)

Es spricht nach dem Vortrag der Parteien viel dafür, dass die BV Kleindarlehen nach dem Betriebsübergang auf die S W AG nicht kollektivrechtlich, sondern individualrechtlich weitergalt. Eine kollektivrechtliche Weitergeltung kommt nach einem Betriebsübergang iSd. § 613a Abs. 1 BGB nur in Betracht, wenn die Identität des Betriebs gewahrt geblieben ist. Im anderen Fall wäre vorbehaltlich des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB von einer Transformation der Regelungen der Betriebsvereinbarung in das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB auszugehen (BAG 08.07.2015 – 4 AZR 111/14 – Rn. 29; 13.03.2012 – 1 AZR 659/10 – Rn. 17). Durch die Abspaltung von Betriebsteilen und Zusammenfassung verschiedener Betriebsteile unterschiedlicher Unternehmen zu einem neuen Betrieb sind Organisation und Arbeitsabläufe und damit die Identität der bisherigen Betriebsteile aufgelöst worden (vgl. zur Verschmelzung BAG 31.08.2005 – 5 AZR 517/04 – Rn. 12). Es wurden zwar dieselben Tätigkeiten verrichtet, dies allerdings in andere Organisation und personeller Zusammensetzung. Der Betriebsteil, in dem der Kläger zuvor tätig war, hatte daher seine Selbstständigkeit innerhalb der Struktur der S W AG verloren.

(d)

Letztlich kann die Frage der kollektivrechtlichen Fortgeltung jedoch dahinstehen. Die S W AG konnte sowohl bei kollektivrechtlicher Weitergeltung als auch bei individualrechtlicher Weitergeltung der BV Kleindarlehen diese gegenüber dem BR Mitte kündigen. Bei kollektivrechtlicher Weitergeltung ergibt sich dies bereits aus der in der BV Kleindarlehen vereinbarten Kündigungsmöglichkeit bzw. aus § 77 Abs. 5 BetrVG. Der Betriebsrat Mitte wäre dann an die Stelle des ursprünglichen Betriebsrats der S F AG getreten. Auch bei individualrechtlicher Fortgeltung nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB muss der Erwerber berechtigt sein, diese zu beenden. Denn die nunmehr individualrechtlich als Inhalt des Arbeitsverhältnisses geltenden kollektivrechtlichen Regelungen sind inhaltlich nicht weiter geschützt, als sie es bei einem Fortbestand beim Erwerber wären (so zur Möglichkeit der Ablösung durch andere Betriebsvereinbarungen BAG 13.03.2012 – 1 AZR 659/10 – Rn. 17; 22.04.2009 – 4 AZR 100/08 – Rn. 64). Die Transformation der kollektivrechtlichen Regelungen als „Inhalt des Arbeitsverhältnisses“ führt nicht dazu, dass die transformierten Regelungen nunmehr individualvertraglichen Vereinbarungen gleichrangig sind. Der kollektiv-rechtliche Charakter der transformierten Norm bleibt erhalten und bedingt deren Stellung beim Erwerber (so zur Kollision bei tariflichen Regelungen BAG 22.04.2009 – 4 AZR 100/08 – Rn. 30). Damit ist allerdings nicht geklärt, wie und gegenüber wem der Erwerber die Fortgeltung der transformierten Regelungen beenden kann.

(aa)

Einer Auffassung zufolge kann bedingt durch den kollektivrechtlichen Ursprung der fortgeltenden Vereinbarungen eine Kündigung dieser nur nach den ursprünglich geltenden Beendigungsregelungen erfolgen, mithin bei einer Betriebsvereinbarung gegenüber dem (neuen) Betriebsrat und in betriebsratslosen Betrieben einheitlich gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern (Staudinger/Annuß Neub. 2016 § 613a BGB Rn. 218 f.; Erfk/Preis 18. Aufl. § 613a BGB Rn. 117; Gaul FS Bauer 2010, 339 (345)). Dies sei geboten, um den vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer nicht besser zu stellen, als dies ohne den Betriebsübergang der Fall sei (LAG Köln 08.04.2003 – 1 Sa 1219/02 – zu 2 a der Gründe; Bauer/von Medem DB 2010, 2560 (2563 f)).

(bb)

Anderer Ansicht nach kann eine Beendigung der Fortgeltung der transformierten Regelungen ausschließlich gegenüber dem Arbeitnehmer erklärt werden, wobei diese Erklärung zum Teil als ausnahmsweise zulässige Teilkündigung (Bauer/v. Steinau-Steinrück NZA 2000, 505 (509)), zum Teil als Lossagungsrecht sui generis (Völksen NZA 2013, 1182 (1185)) und zum Teil als Änderungskündigung nach § 2 KSchG (LAG Hamm 23.05.2002 – 8 Sa 244/02 – zu I 3 b der Gründe; Bachner/Köstler/Matthießen/Trittin Arbeitsrecht bei Unternehmensumwandlung und Betriebsübergang 4. Aufl. Rn. 137; Oberthür/Seitz Betriebsvereinbarungen 2. Aufl. A.XI Rn. 30; Henssler NZA 1994, 913 (918)) abzugeben sein soll. Ein neu gebildeter Betriebsrat sei für die Regelungen nach dem Verlust ihrer kollektivrechtlichen Geltung gerade nicht mehr zuständig (Völksen NZA 2013, 1182 (1185)).

(cc)

Der ersten Ansicht ist nach Auffassung der Kammer zu folgen. Nach Sinn und Zweck der Norm soll § 613a Abs. 1 BGB im Falle eines Betriebsübergangs den Schutz der kollektivvertraglichen Regelungen von Betriebsvereinbarungen erhalten. Außerdem sollen betriebseinheitliche Arbeitsbedingungen gefördert werden. Danach kann der Bestand einer individualrechtlich wirkenden Betriebsvereinbarung nicht weiter geschützt sein, als er bei Fortbestehen der Betriebsidentität und kollektivrechtlicher Weitergeltung geschützt wäre (BAG 22.04.2009 – 4 AZR 100/08 – Rn. 64; 14.08.2001 – 1 AZR 619/00 – zu A II 1 a der Gründe). Daher muss nicht nur eine Ablösung, sondern auch eine Kündigung der individualrechtlich fortgeltenden Regelungen unter den gleichen Voraussetzungen möglich sein wie bei normativer Geltung der Regelungen (vgl. zur Situation bei der dynamischen Bezugnahme auf Tarifverträge EuGH 27.04.2017 – C-680/15 – [Asklepios] Rn. 23, 29; BAG 30.08.2017 – 4 AZR 95/14 – Rn. 58). Im Falle der individualrechtlichen Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen kann diese Kündigung allerdings – anders als bei Tarifverträgen – nicht mehr zwischen den ursprünglich vertragsschließenden Parteien erfolgen. Grundsätzlich käme daher in Betracht, die individualrechtlichen Regelungen wie Betriebsvereinbarungen in einem Betrieb zu behandeln, in dem kein Betriebsrat mehr existiert. In diesem Fall wäre eine Kündigung gegenüber allen Arbeitnehmern möglich (vgl. BAG 18.09.2002 – 1 ABR 54/02 – zu III 2 b cc (2) der Gründe). Dies würde aber außer Acht lassen, dass im Betriebsverfassungsrecht nicht nur die Arbeitgeberstellung an die arbeitsorganisatorische Einheit anknüpft (vgl. BAG 26.08.2009 – 4 AZR 280/08 – Rn. 29), sondern hinsichtlich des Betriebsrats das Prinzip der Funktionsnachfolge und der Grundgedanke der Kontinuität der betriebsverfassungsrechtlichen Interessenvertretungen gilt (vgl. zur Beteiligtenstellung im Beschlussverfahren BAG 23.06.2010 – 7 ABR 3/09 – Rn. 11; vgl. auch Kreft FS Wißmann 2005, S. 347 (349 f.)). Aus diesen Gründen erscheint es einzig sachgerecht, eine Kündigung des Arbeitgebers gegenüber einem in dem neuen Betrieb gebildeten Betriebsrat auch hinsichtlich lediglich individualrechtlich fortgeltender Regelungen aus früheren Betriebsvereinbarungen als zulässig zu erachten. Der neue Betriebsrat übernimmt damit die Eigenschaft des alten Betriebsrats als Adressat der Kündigung. Würde man eine Kündigung gegenüber (allen) Arbeitnehmern verlangen, könnte der Arbeitgeber lediglich unter erschwerten Voraussetzungen kündigen, und zwar nicht nur, wenn man im Hinblick auf § 2 KSchG einen Kündigungsgrund verlangt, sondern auch bei Annahme eines „Lossagungsrechts“ oder besonderen Kündigungsrechts. Je nach Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer wäre die Kündigung deutlich aufwendiger und der Zugang der jeweiligen Kündigungen und damit der Nachweis der Beendigung der Fortgeltung erheblich erschwert. Dies würde zu einer Besserstellung der Arbeitnehmer führen.

(3)

Nach diesen Grundsätzen hat die S W AG die BV Kleindarlehen ordnungsgemäß gegenüber dem Betriebsrat Mitte mit Schreiben vom 12.05.2015 gekündigt. Zu diesem Zeitpunkt war die Jahresfrist des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB bereits abgelaufen. Die Kündigungsfrist ist eingehalten worden.

(4)

Der weitere Betriebsübergang von der S W AG auf die S International SE am 01.04.2016 hat daran nichts geändert. Zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs galt die BV Kleindarlehen bereits nicht mehr.

4.

Der Feststellungsantrag ist als Zwischenfeststellungsklage ebenfalls zulässig, aber unbegründet.

a)

Der Feststellungsantrag ist als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.

aa)

Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann ein Kläger zugleich mit seinem Hauptantrag auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, dh. vorgreiflichen Rechtsverhältnisses klagen. Damit wird ein Begründungselement aus der Entscheidung verselbstständigt und mit eigener Rechtskraft versehen. Grund hierfür ist dessen Eignung, über den konkreten Gegenstand hinaus, der mit der Hauptklage entschieden wird, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten herzustellen. Eine Zwischenfeststellungsklage bedingt daher, dass die Frage nach dem Bestand des entsprechenden Rechtsverhältnisses notwendig auch bei der Entscheidung über den Hauptantrag beantwortet werden muss und darüber hinaus auch für andere denkbare Folgestreitigkeiten Bedeutung haben kann (BAG 18.10.2017 – 10 AZR 330/16 – Rn. 22; 21.10.2015 – 4 AZR 663/14 – Rn. 17).

bb)

Vorliegend ist der Zwischenfeststellungsantrag auf ein Element eines Rechtsverhältnisses, nämlich die Anwendbarkeit bestimmter Normen auf das Arbeitsverhältnis, beschränkt. Die begehrte Feststellung ist auch vorgreiflich iSd. § 256 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die Frage, ob der Kläger Anspruch auf Abschluss eines Darlehensvertrags hat, hängt ausschließlich von der Anwendbarkeit der BV Kleindarlehen ab. Darüber hinaus kann die Frage der Anwendbarkeit der BV Kleindarlehen auf für folgende Anträge des Klägers auf Darlehensgewährung Bedeutung haben.

b)

Die Zwischenfeststellungsklage ist aber nicht begründet. Aufgrund der Kündigung der S W AG vom 12.05.2015 findet die BV Kleindarlehen keine Anwendung mehr auf das Arbeitsverhältnis des Klägers.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG im Hinblick auf die Entscheidung des LAG Hamm vom 23.05.2002 – 8 Sa 244/02 – zuzulassen.

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