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Anspruch auf Teilzeitarbeit eines Arbeitnehmers nach § 8 TzBfG

Landesarbeitsgericht Düsseldorf – Az.: 11 Sa 360/11 – Urteil vom 25.08.2011

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 21.02.2011 – 1 Ca 2925/10 v – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Teilzeitantrag der Klägerin.

Die Klägerin war zunächst seit dem 19.09.1996 auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 25.07.1996 bei der früheren Beklagten, der M. M.-Unternehmen GmbH, die circa 1300 Flugbegleiter ständig beschäftigte, als Flugbegleiterin mit einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von zuletzt rund 3.300,– € in Vollzeit tätig.

Mit Wirkung zum 01.04.2011 wurde die M. M.-Unternehmen GmbH als übertragender Rechtsträger im Wege der aufnehmenden Verschmelzung unter Übertragung des gesamten Vermögens unter Auflösung ohne Abwicklung auf die nunmehrige Beklagte als übernehmenden Rechtsträger verschmolzen.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden gemäß § 1 Abs. 4 des Arbeitsvertrages die jeweils gültigen Tarifverträge der Rechtsvorgängerin der Beklagten Anwendung. Dazu gehört neben dem Manteltarifvertrag Nr. 11 für das Kabinenpersonal der M. M.-Unternehmen GmbH (im Folgenden: MTV Kabinenpersonal) u. a. der Tarifvertrag Teilzeit Nr. 3 Kabinenpersonal, gültig ab 01.01.2008 (im Folgenden: TV Teilzeit).

Die Klägerin, deren Arbeitszeit gemäß § 14 Abs. 2 MTV Kabinenpersonal 169 Stunden pro Kalendermonat beträgt, beantragte zunächst Teilzeit auf der Grundlage des TV Teilzeit. Dies lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagte ab.

Mit interner Mitteilung vom 20.10.2010 beantragte die Klägerin erneut die Reduzierung ihrer Arbeitszeit. Dieses Schreiben lautet wie folgt:

„Teilzeitantrag nach TzBfG

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit beantrage ich unbefristete Teilzeit gem. § 8 TzBfG ab 01.01.2011, wie folgt:

Mein Arbeitsverhältnis soll unverändert weitergeführt werden mit Ausnahme eines Freimonats im Juli, alternativ August.

Ich bitte um wohlwollende Prüfung meines Teilzeitantrages.“

Mit Schreiben vom 08.11.2010 lehnte die Beklagte das Teilzeitbegehren der Klägerin, ohne dass dieses zuvor mit ihr erörtert worden war, mit folgendem Schreiben ab:

„Ihr Schreiben vom 20.10.2010

Sehr geehrte Frau E.,

hiermit bestätigen wir den Erhalt Ihres Schreibens vom 20.10.2010, bei uns eingegangen am 20.10.2010, mit dem Sie Teilzeit nach dem Teilzeitbefristungsgesetz für den Monat Juli, alternativ für den Monat August beantragt haben.

Für den Monat Juli, alternativ August haben Sie zuvor befristete und unbefristete Teilzeit nach dem Tarifvertrag Teilzeit Kabinenpersonal Nr. 3 beantragt. Wie wir Ihnen mit Schreiben vom 23.08.2010 mitgeteilt haben, konnte Ihrem Antrag auf befristete und unbefristete Teilzeit nach dem TV Teilzeit nicht stattgegeben werden, da Ablehnungsgründe gemäß §§ 4 und 5 des TV Teilzeit vorgelegen haben. Die Voraussetzungen des TV Teilzeit für die Teilzeitbeschäftigung waren mithin nicht erfüllt.

Wir müssen Ihnen mitteilen, dass wir auch Ihrem Wunsch auf gesetzliche Teilzeit aus betrieblichen Gründen i.S.v. § 8 TzBfG nicht entsprechen können. Die betrieblichen Gründe für die Ablehnung ihres Antrages ergeben sich aus § 8 Abs. 4 S. 3 TzBfG i.V.m. § 5 Abs. 1 TV Teilzeit. Nach § 5 Abs. 1 S. 2, 3 TV Teilzeit sind die betrieblichen Möglichkeiten durch die Teilzeitvergabe nach dem TV Teilzeit ausgeschöpft. Weitere Teilzeitmodelle würden unverhältnismäßige Kosten verursachen und zu wesentlichen Beeinträchtigungen von Organisation, Arbeitsablauf und Sicherheit im Betrieb führen. Aufgrund der Besonderheiten der Einsatzplanung des fliegenden Personals bedarf die Bewilligung von Teilzeitbeschäftigung eines detaillierten und in sich abgestimmten Konzepts, welches gerade mit den tarifvertraglichen Teilzeitmodellen umgesetzt wird. Eine Teilzeitvergabe außerhalb des TV Teilzeit ist mit den Besonderheiten der Einsatzplanung daher nicht vereinbar.

Wir bitten um Ihr Verständnis, dass wir Ihnen keine andere Mitteilung machen können. Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.“

Mit ihrer am 03.12.2010 (Original) beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingereichten, der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 08.12.2010 zugestellten Klage verfolgt die Klägerin ihr Teilzeitverlangen weiter.

Die Klägerin hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Die Voraussetzungen des gesetzlichen Anspruchs auf Zustimmung zur Verringerung ihrer vertraglichen Arbeitszeit gemäß § 8 TzBfG seien erfüllt. Sie habe ihren Antrag rechtzeitig gestellt, da die Verringerung ihrer Arbeitszeit erst im Juli 2011, alternativ im August 2011 beginnen solle. Die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit für einen Monat auf null stehe der arbeitsvertraglich vorgesehenen Monatsarbeitszeit nicht entgegen. Betriebliche Gründe zur Ablehnung der Teilzeit lägen nicht vor.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihrem Antrag vom 20.10.2010 auf unbefristete Reduzierung ihrer vertraglichen Arbeitszeit von zwölf Monaten (Vollzeit) auf elf Monate im Jahr zuzustimmen, mit der Maßgabe, dass sie – die Klägerin – in dem Monat Juli eines jeden Jahres nicht zu arbeiten hat;

2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihrem Antrag vom 20.10.2010 auf unbefristete Reduzierung ihrer vertraglichen Arbeitszeit von zwölf Monaten (Vollzeit) auf elf Monate im Jahr zuzustimmen, mit der Maßgabe, dass sie – die Klägerin – in dem Monat August eines jeden Jahres nicht zu arbeiten hat.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat vor allem ausgeführt:

Die Klägerin könne sich für ihr Teilzeitbegehren nicht auf das TzBfG berufen, da sie nicht die Verringerung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit orientiert an ihrer monatlichen Arbeitszeit beantragt habe. Außerdem sei der Antrag gemäß § 8 Abs. 2 TzBfG verfristet, da dieser bis spätestens zum 30.09.2010 hätte gestellt werden müssen. Davon abgesehen seien ihre betrieblichen Möglichkeiten mit den im TV Teilzeit vereinbarten Teilzeitmodellen ausgeschöpft. Weitere Teilzeitmodelle würden unverhältnismäßige Kosten verursachen und zu wesentlichen Beeinträchtigungen von Organisation, Arbeitsablauf und Sicherheit im Betrieb führen. Zur Aufrechterhaltung der Organisation und des geordneten Arbeitsablaufes sowie auch der Sicherheit in ihrem Betrieb müssten die im TV Teilzeit geregelten Fristen und Termine zwingend eingehalten werden. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass sie aufgrund von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen verpflichtet sei, Urlaubsanträge unter Einhaltung bestimmter Fristen zu bescheiden. Die Regelungen in § 4 TV Teilzeit würden die betrieblichen Gründe, die auch einem Teilzeitbegehren nach § 8 TzBfG entgegen gehalten werden könnten, konkretisieren. Die Kosten für eine Flugbegleiterschulung würden sich für den gesamten Kurs mit ca. 20 Teilnehmern auf 40.000,00 € belaufen. Im Fall der Schulung eines einzelnen Flugbegleiters würden Kosten in Höhe von mindestens 10.000,00 € anfallen.

Mit seinem am 23.02.2011 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage mit ihrem Hauptantrag stattgegeben und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Teilzeitwunsch der Klägerin scheitere nicht schon daran, dass sie ihren Antrag nicht innerhalb der Frist des § 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG gestellt habe. Die Beklagte haben den Teilzeitantrag der Klägerin abgelehnt, ohne diesen zuvor mit ihr erörtert und ohne im Rahmen der Ablehnung die fehlende Fristeinhaltung auch nur erwähnt zu haben. Damit sei entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts von einem Verzicht der Beklagten auf die Einhaltung der gesetzlichen Mindestfrist auszugehen, auch wenn im Streitfall – anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall – keine Erörterung stattgefunden habe. Die Klägerin begehre mit ihrem Teilzeitantrag – entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung – die Verringerung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit i. S. von § 8 Abs. 1 TzBfG. Wenn der Arbeitnehmer aus dem TzBfG sowohl in Bezug auf die Verringerung der Arbeitszeit als auch für ihre Verteilung einen Anspruch auf Vertragsänderung haben solle, könne dies nur bedeuten, dass das TzBfG Arbeitnehmern mit einer Monatsarbeitszeit einen Anspruch auf Änderung dieses Vertrages mit der Folge der Reduzierung der Jahresarbeitszeit einräume. Das Vorbringen der Beklagten lasse keine der gewünschten Teilzeitbeschäftigung entgegenstehenden betrieblichen Gründe i. S. des § 8 Abs. 4 TzBfG erkennen. Entgegen der Auffassung der Beklagten würde § 4 TV Teilzeit keine betrieblichen Gründe i. S. des § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG konkretisieren. Auch die Regelungen in § 5 TV Teilzeit seien nicht als Ablehnungsgründe i. S. des § 8 Abs. 4 Satz 3 TzBfG geeignet. Ebenso überzeuge die Annahme, dass andere Teilzeitmodelle zwingend zu unverhältnismäßig hohen Kosten führen würden, nicht. Durch die Fristenregelung in § 2 TV Teilzeit könne nicht der gesetzliche Teilzeitanspruch eingeschränkt werden, da hierin ein Verstoß gegen § 22 Abs. 1 TzBfG liege. Soweit die Beklagte bei der Bearbeitung von Urlaubsanträgen der Mitglieder des Kabinenpersonals aufgrund des MTV Kabinenpersonal und Betriebsvereinbarungen Fristen wahren müsse, könnten hierin allenfalls betriebliche Gründe i. S. von § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG liegen, mit denen ein Teilzeitantrag abgelehnt werden könne. Schließlich stehe dem Teilzeitantrag der Klägerin nicht entgegen, dass sie bereits weniger als zwei Jahre vor diesem Antrag bei der Beklagten Teilzeit nach dem TV Teilzeit begehrt habe. Denn die Voraussetzungen des § 8 Abs. 6 TzBfG lägen nicht vor.

Gegen das ihr am 11.03.2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit einem bei Gericht am 18.03.2011 eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem hier am 11.05.2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte hat unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend gemacht:

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz handele es sich bei dem Antrag der Klägerin vom 20.10.2010 nicht um einen in den Anwendungsbereich des § 8 TzBfG fallenden Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit, da er sich nicht, wie von § 8 Abs. 1 TzBfG gefordert, an der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit orientiere. Die Parteien hätten keine Jahresarbeitszeit vereinbart, sondern eine Arbeitszeit von 169 Stunden pro Kalendermonat. Zwar habe das Arbeitsgericht richtig erkannt, dass der Antrag der Klägerin vom 20.10.2010 verfristet sei. Es habe jedoch zu Unrecht angenommen, dass sie auf die Einhaltung der in § 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG geregelten Antragsfrist verzichtet hätte. Nichts spreche dafür, dass sie mit den Hinweisen in ihrem Ablehnungsschreiben vom 08.11.2010 zu Gunsten der Klägerin eine Verzichtserklärung im Hinblick auf die Einhaltung von Fristen durch die Klägerin habe abgeben wollen. Die Vorinstanz habe zudem verkannt, dass in der Regelung des § 5 Nr. 1 TV Teilzeit eine nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässige Konkretisierung der betrieblichen Gründe gemäß § 8 Abs. 4 Satz 3 TzBfG zu sehen sei. Die Klägerin habe sich durch ihren Antrag vom 20.10.2010 auf ein bestimmtes Modell beschränkt, dessen Voraussetzungen nach § 4 TV Teilzeit weder zum Zeitpunkt ihres Antrags noch zum Zeitpunkt seiner Bescheidung noch zum heutigen Zeitpunkt vorliegen würden.

Die Beklagte beantragt, die Klage in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 23.02.2011 – 8 Ca 7651/10 – abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt in erster Linie das angefochtene Urteil und macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend geltend:

Sie verstoße mit ihrem Teilzeitbegehren nicht gegen § 8 Abs. 1 TzBfG. Das Bundesarbeitsgericht habe in seinem Urteil vom 16.12.2008 – 9 AZR 893/07 – ausdrücklich klargestellt, dass der Wortlaut des § 8 TzBfG, der einen Anspruch auf Verringerung der „vertraglich vereinbarten Arbeitszeit“ begründe, keine Beschränkung auf das arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeitmodell vorgebe. Diese Rechtsauffassung habe das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 18.08.2009 – 9 AZR 517/08 – bekräftigt. Sie habe unter Beachtung der Drei-Monats-Frist des § 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG rechtzeitig ihren Teilzeitantrag gestellt. Aber selbst wenn sie durch ihren Antrag vom 20.10.2010 diese Frist nicht gewahrt haben sollte, hätte die Beklagte auf die Einhaltung der Frist, wie es die Vorinstanz richtig gesehen habe, verzichtet. Hinreichend gewichtige entgegenstehende betriebliche Gründe i. S. des § 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 TzBfG habe die Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht vorgetragen. Der TV Teilzeit stelle überhaupt kein betriebliches Organisationskonzept i. S. der Rechtsprechung zu § 8 TzBfG dar. Zumindest würde aber ihr Teilzeitbegehren dem nicht entgegenstehen. Ihr Begehren entspreche nämlich genau den Teilzeitmodellen im TV Teilzeit (Modell I G bzw. H).

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte ausdrücklich ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung der Beklagten, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist unbegründet. Zu Recht hat die Vorinstanz der Klage mit ihrem Hauptantrag stattgegeben.

I. Die auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtete Klage ist insgesamt zulässig. Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt i. S. von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Satz 2 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG steht nicht entgegen, dass die Klageanträge nicht die Angabe des von der Klägerin gewünschten Beginns der Arbeitszeitverringerung enthalten. Dies ist entbehrlich, da aus § 894 ZPO i. V. m. § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG folgt, dass die Zustimmung der Beklagten erst mit Rechtskraft des Urteils als erteilt gilt (BAG 21.06.2005 – 9 AZR 409/04 – Rz. 30 NZA 2006, 316, 318; BAG 16.10.2007 – 9 AZR 239/07 – Rz. 10 EzA § 8 TzBfG Nr. 19; BAG 24.06.2008 – 9 AZR 313/07 – Rz. 18 EzA § 8 TzBfG Nr. 21). Dieser Zeitpunkt ist aber bei Klageerhebung nicht absehbar. Im Übrigen hat die Klägerin die von ihr begehrte Verringerung sowie die gewünschte Neuverteilung konkret sowohl im Haupt- wie im Hilfsantrag benannt. Damit haben beide Anträge einen für die Vollstreckung genügend genauen Inhalt.

II. Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag auch begründet.

1. Richtig hat die Vorinstanz zunächst erkannt, dass die Klägerin gemäß § 8 Abs. 1 TzBfG Anspruch auf Verringerung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit um einen Monat hat.

a) Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Verringerung der vereinbarten Arbeitszeit sind erfüllt. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin besteht mit der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin länger als sechs Monate (vgl. § 8 Abs. 1 TzBfG). Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin beschäftigen in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer (vgl. § 8 Abs. 7 TzBfG).

b) Dem Wunsch der Klägerin auf Verringerung ihrer Arbeitszeit um einen Monat pro Jahr steht nicht entgegen, dass sie ihren Antrag vom 20.10.2010, folgt man der Argumentation der Beklagten, nicht innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG gestellt hat. Die mangelnde Fristwahrung führt nicht zur Unwirksamkeit des Änderungsverlangens. Die Vertragsänderung wird nur später wirksam (vgl. näher BAG 20.07.2004 – 9 AZR 626/03 – NZA 2004, 1090, 1092; ebenso BAG 16.12.2008 – 9 AZR 893/07 – Rz. 39 EzA § 8 TzBfG Nr. 23). Infolge Zeitablaufs kann das Verringerungsverlangen der Klägerin erstmals im Jahre 2012 realisiert werden.

c) Richtig hat die Vorinstanz erkannt, dass dem Begehren der Klägerin auf Verringerung ihrer vereinbarten Arbeitszeit i. S. von § 8 Abs. 1 TzBfG nicht entgegensteht, dass die Verwirklichung dieses Begehrens zu einer Änderung des vereinbarten Arbeitszeitmodells, nämlich Erbringung der Arbeitsleistung in jedem Kalendermonat, führt.

aa) Das TzBfG will den Wechsel von einem Vollzeit- in ein Teilzeitarbeitsverhältnis oder umgekehrt erleichtern (BT-Drucks. 14/4374, S. 11 und 18). Das Gesetz enthält keine pauschalen Zeitvorgaben, die den Wünschen der Arbeitnehmer widersprechen und daher die beschäftigungspolitische Wirkung der Teilzeitarbeit konterkarieren könnten. Die Arbeitnehmer sollen die Möglichkeit haben, die Arbeitszeit individuell an ihre Bedürfnisse anzupassen (BT-Drucks. 14/4374, S. 12).

bb) Hieraus wird deutlich, dass das TzBfG darauf abzielt, den Arbeitnehmern größtmögliche Freiheit in der Gestaltung ihrer individuellen Arbeitszeit einzuräumen (LAG Düsseldorf 01.03.2002 – 18 (4) Sa 1269/01 – LAGE § 8 TzBfG Nr. 5). Diesem Ziel würde es, wie die Vorinstanz unter Bezugnahme auf das erwähnte Urteil des erkennenden Gerichts richtig erkannt hat, widersprechen, wenn ein Arbeitnehmer lediglich innerhalb des vertraglich geltenden Arbeitszeitmodells eine Verringerung und eine damit verbundene Neuverteilung der Arbeitszeit verlangen könnte.

cc) Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 16.12.2008 (- 9 AZR 893/07 – Rz. 29 EzA § 8 TzBfG Nr. 23) u. a. unter Hinweis auf die vorgenannte Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 01.03.2002 darauf hingewiesen, dass ein Arbeitnehmer nicht auf das vertraglich vereinbarte Modell der Arbeitszeitverteilung beschränkt sei, sondern Anspruch auf Vertragsänderung habe. Diese Auffassung hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 18.08.2009 (- 9 AZR 517/08 – Rz. 27 NZA 2009, 1207, 1209 bestätigt. Es hat sogar in diesem urteil deutlich gemacht, dass der Arbeitnehmer bei seinem Wunsch nach Verringerung der Arbeitszeit (vgl. § 8 Abs. 1 TzBfG) nicht auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit beschränkt ist. Zwar hat das BAG auch in diesem Urteil zunächst erwähnt, der Arbeitnehmer sei nicht auf das vertraglich vereinbarte Modell der Arbeitszeitverteilung beschränkt. Dann hat es aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass § 8 TzBfG „nicht nur für die Verringerung der Arbeitszeit, sondern auch für ihre Verteilung bis zu den Grenzen des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) einen Anspruch auf Vertragsänderung“ begründet (BAG 18.08.2009 – 9 AZR 517/08 – Rz 27 a. a. O.). Hieraus kann entgegen der Auffassung der Beklagten nur gefolgert werden, dass der Anspruch auf Verringerung der vereinbarten Arbeitszeit auch zur Veränderung des verabredeten Arbeitszeitmodells – im Streitfall zur Reduzierung der vereinbarten Arbeitszeit von 169 Stunden im Monat auf Arbeitszeit „Null“ für einen Monat im Jahr – führen kann. Nur diese Auffassung kann im Übrigen mit dem oben wiedergegebenen Sinn und Zweck des TzBfG in Einklang gebracht werden. Der Arbeitgeber wird hierdurch auch nicht überfordert. Er hat jederzeit die Möglichkeit, einen Verzögerungswunsch des Arbeitnehmers, der außerhalb des vereinbarten Arbeitszeitmodells liegt, unter Hinweis auf – nachgewiesene – betriebliche Gründe i. S. von § 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 TzBfG abzulehnen.

c) Die Vorinstanz hat weiter richtig erkannt, dass dem Verringerungswunsch der Klägerin keine betrieblichen Gründe i. S. des § 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 TzBfG entgegenstehen. Hieran hat sich zweitinstanzlich nichts geändert.

aa) Ein betrieblicher Ablehnungsgrund liegt u. a. gemäß § 8 Abs. 4 Satz 3 TzBfG dann vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Ob ein solcher Grund vorliegt, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Ablehnung durch den Arbeitgeber (BAG 18.02.2003 – 9 AZR 356/02 – EzA § 8 TzBfG Nr. 2; BAG 21.11.2006 – 9 AZR 138/06 – EzA § 8 TzBfG Nr. 16).

bb) Nach § 8 Abs. 4 Satz 3 TzBfG können die Ablehnungsgründe durch Tarifvertrag festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelung über die Ablehnungsgründe vereinbaren (§ 8 Abs. 4 Satz 4 TzBfG). Aufgrund der in § 1 Abs. 4 des Arbeitsvertrages enthaltenen Bezugnahmeklausel gilt für das Arbeitsverhältnis der Parteien u. a. der TV Teilzeit.

cc) Die Öffnungsklausel des § 8 Abs. 4 Satz 3 TzBfG ermächtigt die Tarifvertragsparteien, Gründe für die Ablehnung der Verringerung der Arbeitszeit zu konkretisieren. Dadurch wird ihnen ermöglicht, den spezifischen Anforderungen des jeweiligen Wirtschaftszweiges Rechnung zu tragen (vgl. BT-Drucks. 14/4374, S. 17). Die tarifliche Festlegung kann auch, wie aus § 2 Abs. 1 TVG folgt, in einem Haustarifvertrag erfolgen. Die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien ist jedoch nicht unbegrenzt. § 8 Abs. 4 Satz 3 TzBfG gestattet nicht, über das Gesetz hinausgehende, weitere Voraussetzungen für die Geltendmachung von Verringerungsansprüchen aufzustellen. Insoweit bleibt es bei § 22 Abs. 1 TzBfG, der abweichende Regelungen zu Ungunsten des Arbeitnehmers untersagt (BAG 21.11.2006 – 9 AZR 138/06 – Rz. 28 EzA § 8 TzBfG Nr. 16).

dd) Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien des TV Teilzeit durch Abschluss dieses Tarifvertrages von der Öffnungsklausel in § 8 Abs. 4 Satz 3 TzBfG Gebrauch machen wollten.

(1.) Zum einen fehlt es in § 5 TV Teilzeit an einem Hinweis darauf, dass bei Fehlen der Voraussetzungen für die in § 4 TV Teilzeit aufgelisteten Teilzeitmodelle (auch) die in § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG speziell genannten betrieblichen Gründe in Anwendung der Öffnungsklausel des § 8 Abs. 4 Satz 3 TzBfG konkretisiert werden sollten (vgl. in diesem Zusammenhang die Überschrift des § 35 Manteltarifvertrag Deutsche BA vom 25.05.2001 in BAG 21.11.2006 – 9 AZR 138/06 – Rz. 3 EzA § 8 TzBfG Nr. 16). Zum anderen folgt aus weiteren Regelungen im TV Teilzeit, dass dieser Tarifvertrag Ansprüche nach dem TzBfG überhaupt nicht betrifft.

(2.) So bestimmt § 2 Nr. 1 Satz 1 TV Teilzeit, dass die Verringerung der Arbeitszeit nur mit Wirkung vom 01.01. des jeweiligen Kalenderjahres beantragt werden kann, soweit in ihm nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist. Nach § 8 TzBfG kann der Antrag auf Arbeitszeitverringerung das ganze Jahr über gestellt werden. Es muss lediglich die Drei-Monats-Frist des § 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG eingehalten werden.

(3.) Neben zeitlich unbefristeter Verringerung der Arbeitszeit (§ 4 Nr. 1 bis 4) bestimmt der TV Teilzeit in § 4 Nr. 5 eine zeitlich befristete Verringerung der Arbeitszeit. Der Antrag nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG richtet sich dagegen ausschließlich auf eine unbefristete Verringerung der Arbeitszeit (vgl. BAG 19.08.2003 – 9 AZR 542/02 – EzA § 8 TzBfG Nr. 4; BAG 21.11.2006 – 9 AZR 138/06 – Rz. 32, 33 EzA § 8 TzBfG Nr. 16; BAG 22.10.2008 – 10 AZR 360/08 – Rz. 25 EzA § 74 HGB Nr. 71).

(4). Außerdem bestimmt § 2 Nr. 1 Satz 4 TV Teilzeitmodell, dass der Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit spätestens bis zum 30. Juni, 24.00 Uhr, elektronisch (Teilzeiterfassungsprogramm) erfolgen müsse. Eine derartige Regelung stände, sollte sie (auch) für den Teilzeitanspruch nach § 8 Abs. 1 TzBfG gelten, im Hinblick auf die Drei-Monats-Frist des § 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht in Einklang mit § 22 TzBfG.

ee) Sonstige, außerhalb des TV Teilzeit liegende betriebliche Gründe i. S. von § 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 TzBfG hat die Beklagte nicht geltend gemacht.

2. Auch war dem Arbeitszeitverteilungswunsch der Klägerin (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2 TzBfG), die um einen Monat (= 169 Arbeitsstunden) verringerte Arbeitszeit in den Juli eines jeden Jahres zu legen, gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG zu entsprechen, da diesem keine betrieblichen Gründe entgegenstehen. Wie bereits dargelegt, können solche nicht § 5 TV Teilzeit entnommen werden. Außerhalb dieses Tarifvertrages liegende betriebliche Gründe hat die Beklagte nicht geltend gemacht.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

Die Kammer hat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zugemessen und deshalb die Revision an das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

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