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Anspruch auf Überlassung eines Firmenfreifahrticket an Familienangehörigen

ArbG Essen – Az.: 5 Ca 2137/16 – Urteil vom 22.12.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Ehefrau des Klägers, Frau K.,  ein Ticket 1000 der Preisstufe A3 des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2658,60 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Überlassung eines Firmenfreifahrtickets an seine Ehefrau.

Die Beklagte betreibt seit Jahrzehnten ein öffentliches Nahverkehrsunternehmen in Essen. Der Kläger war bei ihr seit 01.11.1996 zunächst als Auszubildender und sodann ab dem 23.01.1997 als Omnibusfahrer (vgl. Ausbildungsvertrag vom 01.11.1996, Bl. 5 f. der Akte und Arbeitsvertrag v. 23.01.1997, Bl. 7 f. der Akte) beschäftigt. § 2 des Arbeitsvertrages enthält die Regelung, dass neben tariflichen Regelungen die betrieblichen Vereinbarungen und die Arbeitsordnung Anwendung finden.

Die Beklagte gewährte der Ehefrau des Klägers wie allen übrigen Ehepartnern ihrer Beschäftigten abgesehen von dem Steueranteil bis 31.12.2015 unentgeltlich ein Firmenticket, nämlich ein Ticket der Preisstufe A und für das gemeinsame Kind der Eheleute ein Schokoticket. Der Kläger selbst erhielt ein Firmenticket der Preisstufe C. Ein Ticket 1000 in der Preisstufe A3 kostet im monatlichen Abonnement derzeit monatlich 63,30 EUR.

Grundlage der Gewährung waren in der Vergangenheit „Bestimmungen über die Gewährung von Dienstausweisen, Frei-Fahrkarten, Familien-Fahrkarten, Lehrslings- und Schülerkarten“ vom 25.10.1958 (Bl. 42 f. der Akte). In diesen hieß es unter „III. Familien-Fahrkarten“ u.a. wie folgt:

„1.  Verheiratet männliche Belegschaftsmitglieder erhalten eine Familien-Fahrkarte, gültig für die Ehefrau des Belegschaftsmitgliedes, für kindergeldberechtigte Kinder bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres sowie für Kinder zwischen dem 16. und 25. Lebensjahr, die sich in Berufsausbildung befinden.“

Weiter wandte die Beklagte eine Regelung vom 25.01.1990 (Bl. 45 f. der Akte) an, in der es unter Ziffer 1 a) u.a. heißt, dass Ehepartnern, die mit einem Mitarbeiter der Beklagten im gemeinsamen Haushalt leben, auf der Rückseite der Familien-Fahrkarte eingetragen werden.

Am 27.11.1991 schloss die Beklagte mit dem für ihren Betrieb gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung (Bl. 34 ff. der Akte), nach der Arbeitnehmer der Beklagten ein Ticket der Preisstufe „A“ erhalten. Sofern der Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dieser Preisstufe nicht abgedeckt ist, wird die entsprechende Preisstufe „B“ bzw. „C“ ausgegeben. Laut § 2 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung hat jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit, anstelle der Preisstufen „A“ oder „B“ eine höhere zu wählen. In diesem Fall trägt der Arbeitnehmer den Differenzbetrag zwischen der gewählten Preisstufe und der von der EVAG zur Verfügung gestellten Preisstufe selbst.

Am 03.08.2015 schlossen Beklagte und Betriebsrat eine weitere Betriebsvereinbarung „Firmenticket“ mit Wirkung zum 01.01.2016 (Bl. 13 ff. der Akte).

In deren Präambel heißt es:

„Diese BV regelt die Überlassung von Tickets für die im Geltungsbereich genannten Personenkreise. Die Zurverfügungstellung von Tickets ermöglicht die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs in Essen.“

Unter § 1 sind dem Personenkreis Arbeitnehmer, Auszubildende und Volontäre zugeordnet sowie Rentner/Pensionäre sowie schließlich Kinder. Die genannten Personenkreise erhalten verschiedene Tickets. Unter § 5 Abs. 2 „Inkrafttreten“ heißt es schließlich:

„Diese Betriebsvereinbarung tritt am 01.01.2016 in Kraft. Sie ersetzt alle vorhergehenden Regelungen und Betriebsvereinbarungen bezüglich des Erhalts eines FirmenTickets bei der EVAG.“

Mit Schreiben vom 21.06.2016 (vgl. Bl. 10 f. der Akte) wandte sich der Kläger gegen die Entziehung des Tickets seiner Ehefrau. Die Beklagte lehnte den Anspruch mit Schreiben vom 27.06.2016 (vgl. Bl. 12 der Akte) ab.

Mit am 26.08.2016 bei Gericht eingegangener, der Beklagten am 02.09.2016 zugestellter Klage, fordert der Kläger die lebenslange Gewährung eines Familienfreifahrtickets der Preisstufe A für seine Ehefrau, hilfsweise ein Ticket 2000 der Preisstufe A. Mit am 14.11.2016 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger seinen ursprünglichen Antrag dahingehend präzisiert, dass er für seine Ehefrau ein Ticket der Preisstufe A3 begehrt und die Klage um weitere zwei Hilfsanträge erweitert.

Der Kläger behauptet, seine Ehefrau habe zunächst eine Familien-Fahrkarte erhalten und seit Mitte 2000 ein Ticket 1000 der Preisstufe A. Diese Regelung beruhe auf einer individuellen Vereinbarung, da sie von der Regelung aus 1958 abweiche.

Die Ticketentziehung mit Wirkung zum 01.01.2016 sei nicht gerechtfertigt. Die Betriebsvereinbarung vom 03.08.2015 sei nicht die taugliche Grundlage für den Entzug, da sie keine Regelung für die Tickets der Ehefrauen der Mitarbeiter enthalte. Im Übrigen sei die einmal individuell gewährte Frei-Fahrkarte ein Sachbezug, nämlich ein Vergütungsbestandteil von monatlich 63,30 EUR. Auch aus Vertrauensgesichtspunkten sei der Entzug nicht gerechtfertigt. Dem Kläger sei zudem anlässlich seiner Einstellung zugesichert worden, dass er und seine Angehörigen, nämlich die Ehefrau und minderjährige Kinder freie Fahrt im VRR hätten.

In mehreren Vergleichsfällen habe die Beklagte aktuellen Pensionären ein Vergleichsangebot für die Pensionäre und deren Ehefrauen unterbreitet.

Der Kläger beantragt,

  • die Beklagte zu verurteilen, seiner Ehefrau, Frau K., lebenslang ein Familien-Freifahrticket 1000 der Preisstufe A3 des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) ab 01.01.2016 zu gewähren;
  • hilfsweise der Ehefrau des Klägers diese Ticket zu gewähren und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die von ihm oder seiner Ehefrau angewandten Tickets bis zu einem Preis von monatlich höchstens 63,30 EUR für die Zeit zu erstatten, bis zu der die Beklagte der Ehefrau das Frei-Fahrticket 1000 der Preisstufe A gewährt,
  • hilfsweise der Ehefrau des Klägers, Frau K., das Ticket 2000 der Preisstufe A lebenslang zu gewähren, wobei sie hierfür den monatlichen Umsatzsteueranteil in Höhe von derzeit 4,62 EUR zahlt und zwar ab dem 01.01.2016,
  • hilfsweise der Ehefrau des Klägers das Ticket 2000 der Preisstufe A lebenslang zu gewähren gegen Zahlung des monatlichen Umsatzsteueranteils in Höhe von derzeit 4,62 EUR und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger und/oder seiner Ehefrau die aufgewandten Kosten für Tickets bis zu einer monatlichen Höhe von 70,55 EUR für die Zeit zu ersetzen, bis zu der die Beklagte der Ehefrau des Klägers das Ticket 2000 der Preisstufe A gewährt.

Die Beklagte beantragt,   die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, Grundlage der Gewährung des Tickets für die Ehefrau sei die Betriebsvereinbarung vom 27.11.1991 sowie die Verfügung über die Gewährung von Freifahrt-Ausweisen vom 25.01.1990 basierend auf den Bestimmungen über die Gewährung von Dienstausweisen, Frei-Fahrkarten, Familien-Fahrkarten vom 25.10.1958 gewesen.

Aufgrund der strengen Sparvorgaben der Stadt Essen und der wirtschaftlichen Situation der Beklagten habe sie sämtliche Regelungen zu Mitarbeitertickets gekündigt und neu verhandelt. Es sei dann die neue Betriebsvereinbarung zum 01.01.2016 verabschiedet worden. Das bisherige Ticket verursache einen Kostenaufwand von 58.000 EUR, wobei damit nicht alle Kosten abgegolten seien, sondern die Beklagte nach der im VRR-Raum erfolgten Einnahmenaufteilung für die Nutzung des Tickets der Preisstufe D einen Ausgleich an benachbarte Unternehmen zahlen müsse. Die Neuregelungen führten demgegenüber zu Einsparungen von 300 bis 400.000,00 EUR jährlich.

Die Beklagte ist der Ansicht, die neue Betriebsvereinbarung habe – auch wenn die Ehepartner nicht ausdrücklich erwähnt seien – einen Anspruch der Ehefrau des Klägers beseitigt. Die älteren Regelungen seien auch als Gesamtzusagen mit einem kollektiven Bezug grundsätzlich betriebsvereinbarungsoffen. Mit der neuen Betriebsvereinbarung seien sämtliche vorhergehenden Regelungen abgelöst worden.

Ein Anspruch könne auch gar nicht entstanden sein, da § 4 Abs. 2 BMT-G seinerzeit bereits vorgesehen habe, dass Nebenabreden nur wirksam seien, soweit sie schriftlich vereinbart würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist im Wesentlichen zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.

1.

Der Antrag des Klägers, der für seine Ehefrau ein „Familien-Freifahrticket“ begehrt, war auszulegen und zwar dahingehend, dass die Beklagte der Ehefrau des Klägers weiterhin das ihr bis zum 31.12.2015 gewährte Fahrticket zu unveränderten Bedingungen zur Verfügung stellt.

Nach dem eigenen Vortrag des Klägers ist dies kein „Familienfreiticket“, insbesondere kein Firmenticket gewesen, sondern ein Ticket1000 der Preisstufe A. Klageanträge sind der Auslegung fähig. Wie das Gericht den Klageantrag zu verstehen hat, darf nicht allein dem bloßen Wortlaut des Antrags entnommen werden, sondern hierfür ist auch die Sachverhaltsschilderung des Klägers maßgebend (Musielak/Voit/Musielak, 13. Auflage 2016, § 308 ZPO, Rn. 3). Entscheidend ist im Zweifel, dass die Partei das anstrebt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Erklärungsadressaten entspricht. Dabei findet die Auslegung ihre Grenze dort, wo der Erklärung nachträglich ein anderer Sinn gegeben wird (Zöller/Greger, 31. Auflage 2016, Vor § 128 ZPO, Rn 25).

„Familienfreifahrtickets“ sind als Begriff in keiner der von den Parteien eingereichten Regelungen enthalten, so dass Zweifel hinsichtlich der Vollstreckbarkeit dieses Antrags bestehen. Ein Firmenticket, das nach dem eigenen Vortrag des Klägers höhere Leistungen als die „normalen“ Tickets beinhaltet, begehrt der Kläger für seine Ehefrau nicht. Unstreitig hat die Ehefrau des Klägers ein solches   Firmenticket nicht erhalten, da sie keine Arbeitnehmerin der Beklagten ist. Der Interessenlage entspricht der Wunsch nach Beibehaltung des Bisherigen.

2.

Der Kläger hat für seine Ehefrau einen Anspruch auf Gewährung eines   Tickets1000 der Preisstufe A; es besteht jedoch kein lebenslanger Anspruch. Dieser Anspruch wurde durch die von der Beklagten angeführte Betriebsvereinbarung nicht beseitigt.

a.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines lebenslangen Freifahrttickets für seine Ehefrau durch die Beklagte.

Soweit sich der Kläger zur Begründung dieses Anspruches darauf beruft, die Beklagte habe ihm anlässlich seiner Einstellung am 01.11.1996 durch ein anwesendes Vorstandsmitglied diesen lebenslangen Anspruch zugesichert, erachtet die Kammer unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vortrages der Parteien dies für nicht gegeben.

Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger, der die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs und dabei insbesondere die konkrete Zusicherung durch ein Vorstandsmitglied – es handelt sich bei der Zusicherung um eine für den Kläger günstige Tatsache – hat nicht konkret dargelegt, wann genau durch welches Vorstandsmitglied eine solche Zusicherung erfolgt sein soll. Gerade weil die Beklagte jene Zusicherung konkret bestritten hat, genügt die pauschale Behauptung des Klägers nicht, ein Vorstandsmitglied habe bei seiner Einstellung im Jahr 1996 die Zusicherung getätigt, dass er bei der Beklagten lebenslang freie Fahrt für sich, seine Ehefrau und die minderjährigen bzw. volljährigen Kinder in Ausbildung erhalte. Es ist zunächst wenig wahrscheinlich, dass ein Arbeitgeber bei der Einstellung eines Arbeitnehmers ein lebenslanges Recht gewährt, das unabhängig von weiteren Voraussetzungen gelten soll. Der vom Kläger behaupteten Formulierung nach soll nicht einmal der Bestand des Arbeitsverhältnisses Voraussetzung für die Familienfreifahrten gewesen sein. Wenngleich die Behauptung einer derartigen Zusicherung nicht ausgeschlossen erscheint, ist dem Kläger dennoch der Nachweis, dass ihm gegenüber eine solche Zusicherung erfolgt sei, nicht gelungen. Der Kläger hat zwar die behauptete Erklärung im Wortlaut wiedergegeben. Er hat aber nicht mitgeteilt wann genau dies gewesen sei. Insoweit bezieht er sich lediglich auf den Einstellungszeitpunkt 01.11.1996. Auch unter Berücksichtigung des langen Zeitraumes, der seit dem behaupteten Ereignis abgelaufen ist, erscheint es nicht überzogen, vom Kläger zu verlangen, den Zeitpunkt konkreter anzugeben, wenn er gleichzeitig noch den genauen Wortlaut der Äußerung des Vorstandsmitglieds wissen will, obwohl das Ereignis 20 Jahre zurückliegt.

Mangels anderer Anspruchsgrundlage scheidet ein entsprechender Anspruch des Klägers damit aus.

b.

Der Kläger hat für seine Ehefrau aber derzeit Anspruch auf ein Ticket1000 Preisstufe A3. Dieser Anspruch folgt aus einer Gesamtzusage der Beklagten und wurde durch die von der Beklagten angeführte Betriebsvereinbarung nicht beseitigt.

aa.

Der Anspruch wurde begründet durch die „Bestimmungen“ vom 25.10.1958 sowie die Mitteilung der Beklagten vom 25.01.1991. Sowohl die Bestimmungen vom 25.10.1958 als auch die Mitteilung vom 25.01.1991 stützen den vom Kläger geltend gemachten Anspruch. Jene Bestimmungen enthalten Regelungen über die Gewährung von Familien-Fahrkarten. Die Beklagte stellt auch nicht in Abrede, dass der Kläger bzw. dessen Ehefrau die Voraussetzungen der alten Regelungen von 1958 und 1991 erfüllen. Bei beiden Regelungen handelt es sich um eine den Anspruch begründende Gesamtzusage.

(1)

Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrags iSv. § 145 BGB wird dabei nicht erwartet und sie ist nicht erforderlich. Das in der Zusage liegende Angebot wird gemäß § 151 BGB angenommen und ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags. Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart werden, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf dessen konkrete Kenntnis kommt es nicht an. Die Arbeitnehmer erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen, wenn sie die betreffenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllen (BAG v. 20.08.2014 – 10 AZR 453/13 – juris, Rn. 14; BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12 – juris).

(2)

In jenen Regelungen von 1958 und 1991, die den Arbeitnehmern auch bekannt gegeben wurde, hat die Beklagte mitgeteilt, dass sie die Leistung eines Freifahrtickets für Ehepartner (bzw. in der Regelung von 1958 für „die Ehefrau des Belegschaftsmitgliedes“) erbringen will. Insoweit handelt es sich um eine in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, bei welcher eine Annahme durch die einzelnen Arbeitnehmer entbehrlich war. Durch ihr Verhalten hat die Beklagte den entsprechenden Anspruch des Klägers zu begründet.

bb.

Der Anspruch ist auch nicht für die Zeit ab 01.01.2016 untergegangen durch einzelvertragliche Vereinbarung oder Abschluss der Betriebsvereinbarung vom 03.08.2015.

Hierzu führt die 4. Kammer des Arbeitsgerichts in einem Urteil vom 07.09.2016 – AZ 4 Ca 1536/16 – wie folgt aus:

„…a) Von einer gegenüber den Arbeitnehmern erklärten, vorbehaltlosen Zusage kann sich der Arbeitgeber individualrechtlich nur durch Änderungsvertrag oder wirksame Änderungskündigung lösen (BAG vom 20.08.2014 – 10 AZR 453/13 – zit. nach juris, Rn. 14; vom 11.12.2007 – 1 AZR 869/06 – zit. nach juris, Rn. 13). Hier hat die Beklagte weder eine Änderungskündigung ausgesprochen noch eine abweichende Vereinbarung mit dem Kläger getroffen.

b) Der durch die Gesamtzusagen der Beklagten begründete Anspruch konnte bzw. kann jedoch grundsätzlich auch durch eine nachfolgende Betriebsvereinbarung beseitigt werden. Denn Gesamtzusagen sind grundsätzlich betriebsvereinbarungsoffen.

aa) Arbeitsvertragsparteien können ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Das kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen und ist auch bei Gesamtzusagen möglich (BAG vom 05.03.2013 – 1 AZR 417/12 – zit. nach juris, Rn. 60).

bb) Diese sogenannte Betriebsvereinbarungsoffenheit ist bei Gesamtzusagen der Regelfall.

(1) Eine solche konkludente Vereinbarung der Abänderbarkeit ist zunächst für Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit kollektivem Bezug regelmäßig anzunehmen.

(a) Der Arbeitgeber macht mit der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen (BAG vom 05.03.2013 – 1 AZR 417/12 – a.a.O., Rn. 60). Eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen stünde dem entgegen. Die Änderung und Umgestaltung von betriebseinheitlich gewährten Leistungen wäre nur durch den Ausspruch von Änderungskündigungen möglich.

(b) Der Abschluss von betriebsvereinbarungsfesten Abreden würde zudem den Gestaltungsraum der Betriebsparteien für zukünftige Anpassungen von Arbeitsbedingungen mit kollektivem Bezug einschränken. Von einem derartigen Willen der Betriebsparteien kann regelmäßig nicht ausgegangen werden.

(c) Da Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet sind, kann aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handelt, die einer Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbaren, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen (BAG, a.a.O.).

(d) Auch die Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Nach § 305 c Abs. 2 BGB muss der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Diese Auslegungsregel kommt allerdings erst dann zur Anwendung, wenn der Klauselinhalt nicht bereits durch Auslegung zweifelsfrei festgestellt werden kann. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die bloß entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG vom 05.03.2016, a.a.O., Rn. 61; vom 14.09.2011 – 10 AZR 526/10 – zit. nach juris, Rn. 20).

(2) Nach Auffassung der Kammer sind diese Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts nicht nur auf Allgemeine Geschäftsbedingungen anzuwenden, die durch eine Betriebsvereinbarung abgelöst werden können. Sondern sie gelten in gleicher Weise auch für Gesamtzusagen des Arbeitgebers (so auch LAG Hessen vom 15.02.2016 – 7 Sa 1558/14 – zit. nach juris, Rn. 68 f.). Auch diese sind im Zweifel so auszulegen, dass sie betriebsvereinbarungsoffen sind, wenn nicht deutliche Anhaltspunkte gegen diese Auslegung sprechen (so bisher nur BAG vom 10.03.2015 – 3 AZR 56/14 – zit. nach juris, Rn. 32). Der Arbeitgeber nutzt die Gesamtzusage gerade dazu, alle Arbeitnehmer einheitlich zu behandeln, so dass sie immer einen kollektiven Bezug hat. Nur bei ausdrücklicher Vereinbarung einer Regelung unabhängig von für den gesamten Betrieb geltenden normativen Regelungen kann eine feste Vereinbarung angenommen werden, die durch Betriebsvereinbarung nicht abgelöst werden kann.

cc) Gemäß diesem Regelfall ist auch die Gesamtzusage von 1958 in der Form von 1990 hier betriebsvereinbarungsoffen. Es gibt in den beiden Gesamtzusagen keinerlei (erst recht keine deutlichen) Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die in den Zusagen enthaltenen Ansprüche änderungsfest den Arbeitnehmern zusagen wollte.

c) Die Betriebsvereinbarung vom 27.11.1991 hat den Anspruch des Klägers aus der Gesamtzusage nicht beseitigt, weil in ihr nur Ansprüche der Arbeitnehmer selbst auf ein Ticket geregelt, nicht aber die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Tickets für Ehefrauen oder sonstige Familienangehörige.

d) Auch die von der Beklagten angeführte Betriebsvereinbarung vom 03.08.2015 hat den Anspruch nicht beseitigt. Sie beschäftigt sich nicht mit den Freifahrtickets für Ehepartner und ist auch nicht so auszulegen, dass die Betriebspartner den bestehenden Anspruch des Klägers auf ein Freifahrticket für seine Ehefrau beseitigen wollten.

aa) Der Wortlaut der Betriebsvereinbarung behandelt an keiner Stelle die Gruppe der Ehefrauen.

bb) Die Betriebsvereinbarung ist auch nicht so auszulegen, dass der Anspruch der Arbeitnehmer auf ein Freifahrticket für die jeweiligen Ehefrauen ausgeschlossen wurde.

(1) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters auszulegen wie Tarifverträge und diese wie Gesetze. Auszugehen ist danach zunächst vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (st. Rspr. des BAG, vgl. zuletzt BAG vom 08.12.2015 – 3 AZR 267/14 – zit. nach juris, Rn. 22).

(2) Die Betriebsvereinbarung bietet ihrem Wortlaut nach keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Betriebspartner den Anspruch der Ehefrauen ausschließen wollten. Keine der beiden Parteien hat etwas zum wirklichen Willen der Betriebsparteien bei Abschluss dieser Vereinbarung in das Verfahren eingeführt und insbesondere keine Tatsachen behauptet, aus denen dieser Wille abzuleiten gewesen wäre.

(a) Die Präambel der Betriebsvereinbarung regelt, dass die Betriebsvereinbarung die Überlassung von Tickets „für die im Geltungsbereich genannten Personenkreise“ regle. Im Geltungsbereich sind unter § 1, Ziffer 1 Arbeitnehmer, Auszubildende, Volontäre, Rentner/Pensionäre und Kinder aufgeführt. Ehefrauen der Arbeitnehmer unterfallen dem Regelungsbereich nach § 1 Ziffer 1 nicht und daher kann die Präambel auch nicht so ausgelegt werden, dass die Betriebsvereinbarung für Ehefrauen gelten soll.

(b) Auch aus dem Text in § 1 Ziffer 2 „Ausnahmen“ ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, die Betriebsparteien hätten eine Regelung zur Gruppe der Ehefrauen von Arbeitnehmern treffen wollen. Denn dort ist lediglich die Rede von Arbeitnehmern anderer Arbeitgeber, die in einem gemeinsamen Betrieb der Beklagten und der anderen Arbeitgeber beschäftigt sind.

(c) Schließlich lässt sich dem Text des § 5 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung „Inkrafttreten“ kein Anhaltspunkt dazu entnehmen, die Ehefrauen der Arbeitnehmern hätten der Regelung unterfallen sollen. Im Satz 2 der Ziffer 2 ist zwar aufgeführt, die Betriebsvereinbarung ersetze „alle vorhergehenden Regelungen und Betriebsvereinbarungen bezüglich des Erhalts eines FirmenTickets bei der EVAG“. Aus dieser Formulierung wird nicht hinreichend deutlich, ob damit auch die Gesamtzusagen im Hinblick auf die Ehefrauen der Arbeitnehmer gemeint sind.

(aa) Zwar spricht der Wortlaut nicht nur von „Betriebsvereinbarungen“, so dass nicht nur die Betriebsvereinbarung vom 27.11.1991 ersetzt wurde, die einen Anspruch allein für Arbeitnehmer regelte. Vielmehr ist auch von „Regelungen“ die Rede, so dass auch die Gesamtzusagen von 1958 und 1990 gemeint sein könnten.

(bb) Die Formulierung „FirmenTicket“ ist aber nicht deutlich genug, um einen Anhaltspunkt dafür zu bieten, die Betriebspartner hätten den Anspruch der Ehefrauen aus den Gesamtzusagen mit der Betriebsvereinbarung beseitigen wollen. Denn die Tickets oder Fahrkarten der Ehefrauen sind in der Regelung von 1958 als „Familien-Fahrkarte“ und in der Regelung von 1990 als „Freifahrt-Ausweise“ bezeichnet.

(cc) Der Begriff „Firmenticket“ wird aber üblicher Weise so verwendet, dass er eine Fahrkarte für Mitarbeiter eines Unternehmens beschriebt. Auch die Beklagte wirbt in ihrer Internetpräsenz damit, das Firmenticket könnten Unternehmen für ihre Mitarbeiter erhalten. In dem Text (http://www.evag.de/tickets/taeglich-unterwegs/firmenticket.html) ist ausschließlich von Mitarbeitern die Rede und an keiner Stelle von Familienangehörigen. Daher spricht hier alles dafür, dass die Betriebsparteien den Begriff im üblichen Sinne verwenden wollten und folglich nur Regelungen zu Ansprüchen der Arbeitnehmertickets ersetzt werden sollten. Selbst wenn sie anderes im Sinn gehabt hätten, fände sich im Wortlaut der Regelung kein Anhaltspunkt für diese abweichende Auslegung.“…

Die erkennende 5. Kammer schließt sich den Ausführungen der 4. Kammer vollumfänglich an.

Dass dem Kläger für seine Ehefrau aus den Gesamtzusagen ein Ticket mit dem Geltungsbereich „A“ zustand, ist zwischen den Parteien nicht streitig, so dass der Anspruch mangels Ablösung durch die Betriebsvereinbarungen in gerade diesem Umfang fortbesteht.

Danach steht dem Kläger derzeit ein Anspruch auf ein Freifahrticket für seine Ehefrau aus den Gesamtzusagen zu. Dem Hauptantrag der Klage war daher im erfolgten Umfang stattzugeben. Mangels Anspruchs auf eine lebenslange Freifahrtkarte war der Zusatz „lebenslang“ aus dem Antrag des Klägers zu streichen. Gleichfalls zu streichen war das Datum „01.01.2016“ als Beginn der Gewährung, weil eine solche für die Vergangenheit nicht mehr möglich ist.

Nachdem dem Hauptantrag stattgegeben wurde, kam es auf den zweiten Hilfsantrag nicht mehr an, weil jedenfalls auch in diesem der Zusatz „lebenslang“ zu streichen gewesen wäre und er ohne diesen Zusatz hinter dem ausgeurteilten Anteil des Hauptantrages zurückbliebe.

Auch auf den ersten Hilfsantrag kam es aufgrund der teilweisen Stattgabe des Hauptantrages nicht an. Jener Antrag, mit welchem der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm die Ticketkosten für die von ihm oder seiner Ehefrau aufgewandten Tickets zu erstatten, ist wegen des Grundsatzes des Vorrangs der Leistungsklage bereits unzulässig. Gleiches gilt für den dritten Hilfsantrag.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 ZPO. Nachdem beide Parteien im Rechtsstreit teilweise obsiegt haben und unterlegen waren, waren die Kosten anteilmäßig zu quoteln. Das Gericht hat den Anteil des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens angesichts des lebenslangen Antrages als gleich groß geschätzt, so dass eine hälftige Kostenteilung auszusprechen war. Dies erschien auch deshalb als angemessen, weil der Kläger sich für den lebenslangen Anspruch auf eine Anspruchsgrundlage berief (Zusage eines Vorstandsmitgliedes bei Einstellung) und für den bestehenden und austitulierten Anspruch auf eine andere Anspruchsgrundlage (Gesamtzusage der Beklagten) abgestellt wurde.

III.

Die Streitwertfestsetzung ergeht nach §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO in Höhe des Wertes des Tickets im dreieinhalbjährigen Referenzzeitraum. Die Angabe des Klägers zum Wert des bisher gewährten Tickets der Ehefrau (ausgehend von einem monatlichen Abopreis von 63,30 EUR) hat die Beklagte nicht bestritten.

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