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Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung

Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten unzulässig

Landesarbeitsgericht Köln – Az.: 8 Sa 623/19 – Urteil vom 09.07.2020

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 01..08.2019 – 1 Ca 2695/18 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Weisung.

Die Klägerin ist seit dem 01.04.2017 bei der Beklagten, zu einem Bruttomonatsverdienst vom 5.700,00 EUR beschäftigt. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 08.02.2017 enthält unter § 1 „Tätigkeit“  u. a. folgende Bestimmungen:

1.1.  Der Arbeitnehmer wird im Unternehmen ab dem 01.04.2017 oder früher als Leiterin Finanz- und Rechnungswesen beschäftigt.

1.2.  Der Arbeitgeber ist berechtigt, dem Arbeitnehmer innerhalb des Betriebes eine dessen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende gleichwertige und gleichbezahlte Aufgabe zuzuweisen. (…)“

Die Klägerin war seit Vertragsbeginn als Leiterin Finanz- und Rechnungswesen, insbesondere mit folgenden Tätigkeiten befasst:

  • Monats-/Jahresabschlüsse der P
  • Liquiditätsplanung und Steuerung
  • Führung der Haupt- und Nebenbücher
  • Bewertung von Anlage- und Umlaufvermögen
  • Erstellung und Verbuchung von Abgrenzungen und Rückstellungen
  • Führung des Buchhaltungsteams von derzeit sieben Mitarbeitern.

Mit Schreiben vom 27.03.2018 und 28.03.2018 kündigte die Beklagte der Klägerin zum 30.06.2018. Mit rechtskräftigem Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 24.10.2018 obsiegte die Klägerin im Kündigungsrechtsstreit. Der Auflösungsantrag der Beklagten wurde zurückgewiesen.

Am 26.11.2018 wies die Beklagte die Klägerin an, künftig die neu geschaffene Stelle „Leitung Prozessoptimierung“ einzunehmen. In der Stellenbeschreibung der Beklagten heißt es u.a.:

„Ziele der Stelle:

Das Hauptziel der Stelle Leitung Prozessoptimierung ist die Verbesserung bestehender Prozesse P und die Schaffung neuer Prozesse zur Erhöhung der Produktivität und der Fehlersicherheit.

Dies geschieht in enger Abstimmung mit den betroffenen Abteilungen, wobei die Stelleninhaberin hierbei insbesondere die kaufmännischen und buchhalterischen Aspekte der Prozess prüft und verbessert. Die Auswahl der Prozesse geschieht durch die Geschäftsleitung…..“

Die Beklagte übergab der Klägerin hierzu einen Auftrag zur Optimierung der P -Fakturaüberwachung und des Fakturavorrates, der bis März 2019 umgesetzt und abgeschlossen sein sollte. Außerdem wurde der Klägerin das Projekt „Neuzertifzierung des P -Dokumentenarchivs“ übertragen. Am 11.03.2019 übertrug die Beklagte der Klägerin das Projekt „Problembehebung und Optimierung der Logistikprozesse und deren Abrechnung“.

Personalverantwortung gehörte unstreitig nicht zu den Aufgaben der Klägerin.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage die Feststellung begehrt, dass die Weisung der Beklagten vom 26.11.2018 unwirksam ist, sowie die Verurteilung der Beklagten, sie als Leiterin Finanz- und Rechnungswesen zu beschäftigen. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Direktionsklausel im § 1 Ziffer 1.2 des Arbeitsvertrages sei nach § 307 BGB unwirksam, da intransparent. Die Versetzung entspreche nicht billigem Ermessen, da sie weder ihrer Ausbildung als Steuerfachangestellter und langjährigen Tätigkeit als Bilanzbuchhalterin entspreche, noch annährend mit ihrem ursprünglichen Aufgabenbereich zu tun habe. Im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben der Fakturaüberwachung habe sie nach Anwendungsfehlern im Kundenservice zu suchen, nicht in der Buchhaltung. Der Kundenservice übernehme die Aufgaben der Kundenbetreuung und lege den Kundenauftrag in SAP-System an. Dieses Projekt habe nichts mit buchhalterischen Aufgaben zu tun, sondern lediglich mit dem Kundenservice in Verbindung mit der SAP-Programmbedienung. Auch das Projekt“ Neuzertifizierung des P -Dokumentenarchives“ habe nichts mit buchhalterischen Tätigkeiten oder Tätigkeiten im Rechnungswesen zu tun. Sie habe sich in diesem Bereich erst Kenntnisse zur Zertifizierung und der dazu gehörenden Dokumentationen erst aneignen müssen. Auch bei dem Projekt „Problembehebung und Optimierung der Logistikprozesse und deren Abrechnung“ gehe es nicht um buchhalterischen Lösungen bzw. Kontrollen, sondern darum herauszuarbeiten, was die Mitarbeiter im Kundenservice zu beachten haben, wenn Speditionskosten für einen Auftrag anfallen und wie diese Positionen in SAP in den Auftrag eingepflegt werden müssen, damit der Kunde mit dem vorausbezahlten Speditionskosten belastet werden könne.

Im Übrigen habe sie keine Leitungsfunktion mit Personalverantwortung mehr.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Weisung der Beklagten vom 26.11.2018, mit der der Klägerin die Tätigkeit als „Leitung Prozessoptimierung“ zugewiesen worden ist, unwirksam ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Leiterin Finanz- und Rechnungswesen insbesondere mit folgenden Tätigkeiten in Lohmar zu beschäftigen:

  • Monats-/Jahresabschlüsse der P
  • Liquiditätsplanung und Steuerung
  • Führung der Haupt- und Nebenbücher
  • Bewertung von Anlage- und Umlaufvermögen
  • Erstellung und Verbuchung von Abgrenzungen und Rückstellungen
  • Führung des Buchhaltungsteam von derzeit sieben Mitarbeitern.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, der Klägerin sei mit dem Projekt Fakturaüberwachung eine bedeutende Aufgabe übertragen worden, zu der ein fundiertes kaufmännisches Verständnis erforderlich sei. Die Bedeutung des Projekts zeige sich anhand des gesamten Volumens der von der Klägerin überprüften Rechnungen in Höhe von knapp 200.000,00 EUR. Zwar gehöre die Rechnungsprüfung organisatorisch zum Kundenservice. Die Klägerin müsse sich jedoch zu allen kaufmännischen Fragen ganz eng und regelmäßig mit der Finanzbuchhaltung abstimmen. Die Abteilung sei das Bindeglied zwischen Kundenservice und Finanzbuchhaltung, weshalb in der Vergangenheit bereits mehrfach überlegt und von der früheren Leiterin der Finanzbuchhaltung auch vorgeschlagen worden sei, diese der Finanzbuchhaltung zu unterstellen, was ebenso gut möglich und sinnvoll wäre. Das Projekt „Neuzertifizierung des P -Dokumentenarchivs“ sei der Finanzbuchhaltung zuzuordnen. Die Beklagte habe die Aufgabe, die gesetzlich vorgegebenen Abläufe und Anforderungen der §§ 239, 257 HGB und der §§ 146, 147 Abgabenordnung umzusetzen. Nachdem die Klägerin in den ersten beiden Projekten bereits gute Fortschritte habe erzielen können, habe die Beklagte der Klägerin das dritte Projekt zugewiesen, bei dem es um die Problembehebung und Optimierung der Logistikprozesse und deren Abrechnung gehe. Um die Finanzbuchhaltung zu entlasten, sei die Klägerin beauftragt worden, bestimmte Prozesse zu analysieren und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Hierfür sei die Klägerin aufgrund ihres fachlichen Knowhows bestens geeignet.

Die Versetzung der Klägerin sei auch deshalb erfolgt, weil die Personalführung bei der Beklagten zu gravierenden Problemen geführt habe. Zwei Mitarbeiterinnen hätten übereinstimmend dargestellt, dass die Klägerin Mitarbeiterinnen gezielt und systematisch ausgrenze und herabwürdige.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf das Urteil (Bl. 254 – 257 da.) wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiter unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags der Auffassung ist, sie habe der Klägerin eine gleichwertige Tätigkeit zugewiesen. Die Vorgesetztenstellung sei nur ein Kriterium für die Gleichwertigkeit, dem keine allzu hohe Bedeutung beizumessen sei. Die Personalführungsaufgaben der Klägerin ergäben sich auch nicht aus dem Arbeitsvertrag der Parteien. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Klägerin durch den Entzug der Leitungsfunktion herabgestuft worden wäre, würde dies jedenfalls durch die Bedeutung der ihr neu von der Geschäftsführung zugewiesenen Aufgaben kompensiert. Die drei zunächst übertragenen Projekte hätten ganz erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beklagten hierzu wird auf die Berufungsbegründung (Seiten 4 – 8 und 12, 13) verwiesen.

Die Beklagte trägt weiter vor, am 18.10.2019 seien der Klägerin zwei weitere Projekte übertragen worden, die beide erhebliche Bedeutung für sie hätten. Das Projekt „Aufbau/Übernahme der kurzfristigen Liquiditätsplanung der P “ sowie das Projekt „Überprüfung vorhandener Steuerrisiken“. Wegen der Einzelheiten wird auf die von der Beklagten überreichte Anlage B 17 verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 30.06.2020  überreicht die Beklagte eine Projektliste, die 28 potentielle Projekte für eine/n Leiter/in Prozessoptimierung und Projekte“ umfasse. Auf die Anlage B 18 wird verwiesen.

Die Beklagte ist schließlich weiter der Auffassung, dass die Versetzung billigem Ermessen entspreche, da sie – die Beklagte -auf die von der Klägerin versursachten Konflikte und Spannungen innerhalb der Abteilung Finanz- und Rechnungswesen habe reagieren müssen.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Die Klägerin verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags die angefochtene Entscheidung. Sie ist weiter der Auffassung, die ihr als „Leiterin Prozessoptimierung“ zugewiesenen Aufgaben seien nicht gleichwertig zu ihrer bisherigen Tätigkeit als Leiterin im Finanz- und Rechnungswesen“. Bei den ihr am 18.10.2019 übertragenen Projekten handele es sich um Aufgaben, die nicht zur Tätigkeit „Leiterin Prozessoptimierung“, sondern zu ihrem bisherigen Aufgabengebiet „Leiterin im Finanz- und Rechnungswesen“ gehörten und von ihr in dieser Funktion auch wahrgenommen worden seien.

Die Klägerin trägt weiter vor, die von der Beklagten behauptete „Konfliktlage“ gebe es nicht. Die meisten Teammitglieder seien froh, dass sie die „Leitung“ wieder inne habe und fühlten sich bei ihr gut aufgehoben.

Seit dem 06.11.2019 wird die Klägerin von der Beklagten – zur Abwendung der von der Klägerin mit Schreiben vom 25.10.2019 angedrohten Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Beschäftigungstitel – wieder als „Leiterin des Finanz- und Rechnungswesens“ im bisherigen Umfang, einschließlich der Personalverantwortung beschäftigt.

Wegen der Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.  Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die zulässige Klage ist begründet. Die Zuweisung der Tätigkeit der „Leitung Prozessoptimierung“ am 26.11.2018 ist unwirksam. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin als „Leiterin Finanz- und Rechnungswesen“ antragsgemäß zu beschäftigen. Das Berufungsgericht schließt sich der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts an. Die Berufung der Beklagten enthält keine neuen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.

1.  Die Weisung der Beklagten vom 26.11.2018 mit der der Klägerin die Tätigkeit „Leitung Prozessoptimierung“ zugewiesen wurde, ist unwirksam, denn sie ist nicht vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht nach § 106 GewO gedeckt. Dies hat das Arbeitsgericht zu Recht mit zutreffender Begründung, der sich das Berufungsgericht anschließt, festgestellt.

a.  Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz festgelegt sind. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers dient nur der Konkretisierung des vertraglich vereinbarten Tätigkeitsinhalts, beinhaltet aber nicht das Recht zu einer Änderung des Vertragsinhalts. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung; eine Zuweisung geringerwertiger Tätigkeiten ist auch dann unzulässig, wenn die bisherige Vergütung fortgezahlt wird (st.Rspr., vgl. etwa BAG 25. August 2010 – 10 AZR 275/09 – mwN).

b.  Die Klägerin ist nach § 1 Ziffer 1.1 des Arbeitsvertrages der Parteien als „Leiterin Finanz- und Rechnungswesen“ zu beschäftigen. Dabei übte die Klägerin unstreitig insbesondere folgende Tätigkeiten aus:

  • Monats-/Jahresabschlüsse der P
  • Liquiditätsplanung und Steuerung
  • Führung der Haupt- und Nebenbücher
  • Bewertung von Anlage- und Umlaufvermögen
  • Erstellung und Verbuchung von Abgrenzungen und Rückstellungen
  • Führung des Buchhaltungsteams von derzeit sieben Mitarbeitern.

c.  Nach § 1 Ziffer 1.2 des Arbeitsvertrages ist die Beklagte berechtigt, der Klägerin eine ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende gleichwertige und gleichbezahlte Aufgabe zuzuweisen. Es kann dahinstehen, ob diese Versetzungsklausel einer Vertragskontrolle nach §§ 305 ff. BGB standhält, insbesondere ob sie einer Angemessenheitskontrolle iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB oder nur einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unterliegt (vgl. etwa BAG 13. 04. 2010 – 9 AZR 36/09 – mwN).

d.  Die Versetzung der Klägerin von ihrer vertraglich vereinbarten Tätigkeit als „Leiterin Finanz- und Rechnungswesen“ zur Tätigkeit „Leitung Prozessoptimierung“ überschreitet auch unter Berücksichtigung des Versetzungsvorbehaltes das durch den Arbeitsvertrag der Parteien eingeschränkte Direktionsrecht der Beklagten. Denn es handelt sich bei der neu zugewiesenen Tätigkeit um keine gleichwertige Aufgabe.

aa.  Die Gleichwertigkeit der arbeitsvertraglichen Aufgaben bestimmt sich grundsätzlich aus der auf den Betrieb abgestellten Verkehrsauffassung und dem sich daraus ergebenden Sozialbild (vgl. BAG 30.08.1995 – 1 AZR 47/95). Kriterien der Gleichwertigkeit sind die Anzahl der unterstellten Mitarbeiter oder der Umfang der Entscheidungsbefugnisse über den Einsatz von Sachmitteln oder einer Personalkapazität (LAG Hamm 09.01.1997 – 17 Sa 1554/96 ). Die Gleichwertigkeit einer Tätigkeit ergibt sich dabei nicht nur nach dem unmittelbaren Tätigkeitsinhalt selbst, sondern auch nach den betrieblichen Rahmenbedingungen, unter denen die Tätigkeit ausgeübt werden soll. Zu diesen Rahmenbedingungen zählt insbesondere die Einordnung der Stelle in die Betriebshierarchie ebenso wie z. B. die Frage, ob, und wenn ja, in welchem Umfang die Tätigkeit mit Vorgesetztenfunktionen gegenüber anderen Mitarbeitern verbunden ist. Nicht zuletzt durch die vorgenannten Rahmenbedingungen wird maßgeblich das soziale Ansehen beeinflusst, dass mit der Ausübung einer bestimmten vertraglichen Tätigkeit verbunden ist (LAG Köln 11.12.2009 – 10 Sa 328/09 – mwN; 22.12.2004 (7 Sa 839/04).

bb.  Nach diesen Grundsätzen, von denen auch das Arbeitsgericht ausgegangen ist, ist die neu zugewiesene Tätigkeit vor allem deshalb als geringerwertig anzusehen, weil der Klägerin die Leitung einer Abteilung mit Personalverantwortung entzogen worden ist.

aaa.  Als „Leiterin Finanz- und Rechnungswesen“ führte die Klägerin unstreitig ein Buchhaltungsteam von derzeit sieben Mitarbeitern. Die „Leitung“ der „Prozessoptimierung“ umfasst keine Leitungsfunktion mit Personalführungsbefugnis. Es handelt sich dabei um keine Abteilung, die die Klägerin „leitet“, sondern um jeweils von der Beklagten zugewiesene Einzelprojekte, die organisatorisch zu unterschiedlichen Abteilungen, wie z.B. dem Kundenservice gehören und von der Klägerin verantwortlich bearbeitet werden. Damit ist die Klägerin nicht mehr als Abteilungsleiterin, sondern nur noch als Projektsachbearbeiterin tätig.

bbb.  Diese gravierende Herabstufung der Klägerin wird auch nicht – wie die Beklagte meint – durch die erhebliche Bedeutung der der Klägerin zugewiesenen Projekte kompensiert. Die Beklagte hat der Klägerin zunächst die Projekte „Optimierung der P -Fakturaüberwachung und des Fakturavorrates“ sowie der „Neuzertifzierung des P -Dokumentenarchivs“ zugewiesen und sodann im März 2019 das Projekt „Problembehebung und Optimierung der Logistikprozesse und deren Abrechnung“. Es kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass es sich dabei – ihrem Vortrag folgend – um für die Beklagte bedeutsame Projekte handelt. Die Beklagte hat jedoch nicht schlüssig vorgetragen, dass diesen Projekte im Vergleich zu den gleichfalls bedeutsamen Aufgaben, die die Klägerin als „Leiterin Finanz- und Rechnungswesen“ wahrgenommen hat, wozu insbesondere

  • Monats-/Jahresabschlüsse der P
  • Liquiditätsplanung und Steuerung
  • Führung der Haupt- und Nebenbücher
  • Bewertung von Anlage- und Umlaufvermögen
  •  Erstellung und Verbuchung von Abgrenzungen und Rückstellungen

gehören, eine größere Bedeutung  – einzeln und zusammen betrachtet – zukommt.

ccc.  Das gilt gleichermaßen auch für die der Klägerin am 18.10.2019 zugewiesenen zwei weiteren Projekte: „Aufbau/Übernahme der kurzfristigen Liquiditätsplanung der P “ sowie „Überprüfung vorhandener Steuerrisiken“. Hierbei ist darüber hinaus zu berücksichtigen , dass es sich dabei – nach schlüssigem Vortrag der Klägerin, dem die Beklagte nicht entgegen getreten ist – nicht um Projekte der „Prozessoptimierung“, sondern um Aufgaben der Finanzbuchhaltung handelt, die von der Klägerin als „Leiterin Finanz- und Rechnungswesen“ als Teilaufgaben bereits wahrgenommen worden sind.

ddd.  Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 30.06.2020 auf eine Projektliste von 28 „potentiellen Projekten“ für die Tätigkeit eines/r “ Leiter/in Prozessoptimierung und Projekte“ verweist, ist dieser Vortrag bereits deshalb unerheblich, weil es sich dabei lediglich um – nach Auffassung der Beklagten – mögliche zukünftige Einsätze, nicht jedoch der Klägerin tatsächlich zugewiesene Tätigkeiten handelt.

e.  Da die Beklagte der Klägerin keine gleichwertige Position zugewiesen hat, ist die Versetzung bereits wegen der Überschreitung des arbeitsvertraglich eingeschränkten Direktionsrechts unwirksam. Daher bedarf es keiner weiteren Überprüfung der Maßnahme, insbesondere keiner Billigkeitsprüfung nach § 106 GewO iVm § 315 Abs. 3 BGB, sodass es auch die zwischen den Parteien streitige Personalkompetenz für die Entscheidung dieses Rechtsstreits unerheblich ist.

2.  Der Beschäftigungsantrag der Klägerin ist zulässig und begründet.

a.  Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, da nach dem Antrag erkennbar ist, welche konkrete Beschäftigung die Klägerin anstrebt. Die Voraussetzungen des § 259 ZPO liegen vor, obwohl die Klägerin zurzeit auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt wird. Die derzeitige Beschäftigung erfolgt unstreitig ausschließlich aufgrund der vorläufig vollstreckbaren Entscheidung des Arbeitsgerichts.

b.  Die Klage auf Beschäftigung ist  auch begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin als „Leiterin Finanz- und Rechnungswesen“ antragsgemäß zu beschäftigen. Erweist sich – wie hier – eine vom Arbeitgeber vorgenommene Versetzung als unwirksam, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung in seiner bisherigen Tätigkeit am bisherigen Ort. Dies gilt auch dann, wenn Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht abschließend festgelegt sind, sondern dem Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) unterliegen. Solange dieser nicht rechtswirksam von seinem Weisungsrecht erneut Gebrauch gemacht hat (vgl. dazu etwa BAG 25.08.2010 – 10 AZR 275/09 – mwN).

II.  Die Beklagte hat die Kosten der erfolglosen Berufung zu tragen(§ 97 Abs. 1 ZPO).

III.  Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen.

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