Übersicht:
- Gerichtsurteil zu Sonderzahlungen: Anspruch auf Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld klargestellt
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Voraussetzungen müssen für einen Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld erfüllt sein?
- Können Sonderzahlungen bei längerer Krankheit gekürzt oder gestrichen werden?
- Welche Rolle spielt der Zweck der Sonderzahlung für den Anspruch?
- Was ist bei der gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen auf Sonderzahlungen zu beachten?
- Wie wirkt sich eine betriebliche Übung auf den Anspruch auf Sonderzahlungen aus?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
- Datum: 23.07.2024
- Aktenzeichen: 3 Sa 14/23
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein ehemaliger Mitarbeiter, der von 26.02.2020 bis 28.02.2023 wegen Krankheit arbeitsunfähig war und von seinem Arbeitgeber Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2021 und 2022 fordert. Der Kläger argumentiert, dass der Arbeitsvertrag keine Kürzung wegen Krankheit erlaubt und dass Betriebliche Übung sowie Gleichbehandlung diese Ansprüche unterstützen.
- Beklagte: Die Arbeitgeberin, die behauptet, dass Urlaubs- und Weihnachtsgeld Teile eines 13. Monatsgehalts sind, und bei krankheitsbedingten Abwesenheiten kein Anspruch besteht. Weiterhin sieht die Beklagte keine Pflicht zur Zahlung, da der Kläger 2022 keinen Urlaub nehmen konnte.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger, arbeitsunfähig von 2020 bis 2023, verlangt Urlaubs- und Weihnachtsgeld, das ihm laut seinem Arbeitsvertrag zustehen soll, auch während seiner Krankheitsphase, in denen er keine Arbeitsleistung erbracht hat.
- Kern des Rechtsstreits: Die Frage, ob der Kläger trotz seiner krankheitsbedingten Abwesenheit Anspruch auf das vertraglich vereinbarte Urlaubs- und Weihnachtsgeld hat, insbesondere in Abwesenheit einer ausdrücklichen Kürzungsregelung im Arbeitsvertrag.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig wurde als unzulässig verworfen.
- Begründung: Die Berufung wurde nicht formgerecht eingelegt, da die Beklagte diese nicht über das beA (besonderes elektronisches Anwaltspostfach) eingereicht hat, wie es seit 01.01.2022 vorgeschrieben ist. Ein anwaltlicher Irrtum über die Nutzungspflicht des beA für Syndikusanwälte ist der Partei zuzurechnen.
- Folgen: Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wurde zugelassen, was bedeutet, dass die Beklagte die Möglichkeit hat, das Urteil vom Bundesarbeitsgericht überprüfen zu lassen. Die Klageerweiterung des Klägers auf Zahlung des Weihnachtsgeldes 2022 wurde nicht entschieden, da die Berufung der Beklagten unzulässig war.
Gerichtsurteil zu Sonderzahlungen: Anspruch auf Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld klargestellt
Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld sind wichtige Zusatzleistungen im Arbeitsrecht, die für viele Arbeitnehmer eine willkommene finanzielle Unterstützung darstellen. Diese freiwilligen Leistungen der Arbeitgeber sind oft in Tarifverträgen geregelt und können je nach Branche und Unternehmen stark variieren.
Der Anspruch auf solche Bonuszahlungen hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie Beschäftigungsdauer, Arbeitsvertrag und individuellen Vereinbarungen. Während einige Arbeitnehmer einen rechtlichen Anspruch auf Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld haben, betrachten andere diese Zahlungen als freiwillige Zusatzleistungen. Die steuerliche Behandlung und sozialversicherungsrechtliche Einordnung dieser Sonderzahlungen sind dabei komplexe Themen.
Im Folgenden wird ein konkreter Gerichtsfall näher beleuchtet, der grundlegende Fragen zum Anspruch auf Urlaubsvergütung und Weihnachtsgeld aufzeigt.
Der Fall vor Gericht
Langzeiterkrankter Mitarbeiter gewinnt Klage um Urlaubs- und Weihnachtsgeld

Der jahrelang erkrankte Kläger hat vor dem Sächsischen Landesarbeitsgericht einen bedeutenden Erfolg im Streit um Sonderzahlungen erzielt. Die gegen das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig eingelegte Berufung seines früheren Arbeitgebers wurde als unzulässig verworfen.
Langzeiterkrankung und verweigerte Sonderzahlungen
Der Kläger war als Monteur und Servicemitarbeiter mit einem Bruttogehalt von 2.511,99 Euro bei der Beklagten beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag sah eine Sonderregelung vor, nach der das Monatsgehalt 13-mal jährlich gezahlt werden sollte – aufgeteilt in 50% Urlaubsgeld im Mai und 50% Weihnachtsgeld im November. Vom 26. Februar 2020 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 28. Februar 2023 war der Mitarbeiter durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte zahlte ihm 2021 kein Weihnachtsgeld und 2022 weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld.
Erfolgreiche Klage in erster Instanz
Der Kläger machte seine Ansprüche erfolgreich vor dem Arbeitsgericht Leipzig geltend. Er argumentierte, der Arbeitsvertrag sehe keine Kürzungsmöglichkeit bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit vor. Die Zahlungen dienten nicht ausschließlich der Honorierung der Arbeitsleistung, sondern der Betriebstreue. Zudem verwies er auf die betriebliche Übung, da auch andere langzeiterkrankte Kollegen die Sonderzahlungen weiter erhalten hätten.
Formfehler bei Berufungseinlegung
Die Beklagte legte gegen das Urteil Berufung ein, die jedoch an einem Formfehler scheiterte. Der für den Arbeitgeberverband handelnde Syndikusrechtsanwalt reichte die Berufung per Fax und Post ein, statt den vorgeschriebenen elektronischen Rechtsweg über das besondere elektronische Anwaltspostfach zu nutzen. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde abgelehnt, da der Anwalt bei der zum Einlegungszeitpunkt unklaren Rechtslage den sicheren Weg hätte wählen und die Berufung zusätzlich elektronisch einreichen müssen.
Berufung als unzulässig verworfen
Das Landesarbeitsgericht verwarf die Berufung als unzulässig. Die Monatsfrist zur Berufungseinlegung war nicht gewahrt worden, da die gewählte Form der Einreichung den gesetzlichen Anforderungen nicht genügte. Das Gericht sah auch keine Verletzung der richterlichen Fürsorgepflicht, die eine Wiedereinsetzung gerechtfertigt hätte. Damit bleibt das Urteil des Arbeitsgerichts rechtskräftig, das dem Kläger die geforderten Sonderzahlungen in Höhe von jeweils 1.255,99 Euro brutto nebst Zinsen zusprach.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil bestätigt, dass Arbeitnehmer auch bei längerer Krankheit Anspruch auf vertraglich vereinbartes Urlaubs- und Weihnachtsgeld haben können, wenn keine explizite Kürzungsklausel im Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Entscheidend ist dabei die vertragliche Ausgestaltung und der Zweck der Sonderzahlung – dient sie der Honorierung der Betriebstreue, kann sie nicht wegen Krankheit gekürzt werden. Zusätzlich können sich Ansprüche aus einer betrieblichen Übung ergeben, wenn der Arbeitgeber auch anderen langzeiterkrankten Mitarbeitern die Sonderzahlungen gewährt hat.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie längere Zeit krank sind, haben Sie weiterhin Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, sofern Ihr Arbeitsvertrag keine ausdrückliche Kürzungsmöglichkeit bei Krankheit vorsieht. Prüfen Sie dazu Ihren Arbeitsvertrag genau auf entsprechende Klauseln. Achten Sie auch darauf, ob Ihr Arbeitgeber anderen erkrankten Kollegen diese Zahlungen gewährt hat – dies könnte Ihren Anspruch zusätzlich stützen. Im Zweifelsfall sollten Sie sich rechtlich beraten lassen, da die konkrete Vertragsgestaltung entscheidend ist.
Benötigen Sie Hilfe?
Anspruch auf Weihnachts- und Urlaubsgeld trotz Krankheit?
Das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts zeigt, wie wichtig die genaue Formulierung im Arbeitsvertrag ist, wenn es um den Anspruch auf Sonderzahlungen bei längerer Krankheit geht. Gerade bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld können unklare Regelungen zu Unsicherheiten und Streitigkeiten führen.
Wir unterstützen Sie dabei, Ihren individuellen Arbeitsvertrag zu prüfen und Ihre Rechte in Bezug auf Sonderzahlungen zu klären. Dabei berücksichtigen wir auch die aktuelle Rechtsprechung und Ihre persönliche Situation.
Sprechen Sie uns an, um Ihre Ansprüche zu sichern und gemeinsam die optimale Vorgehensweise zu finden.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Voraussetzungen müssen für einen Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld erfüllt sein?
Ein gesetzlicher Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld besteht in Deutschland nicht. Ein rechtlicher Anspruch kann sich jedoch aus verschiedenen anderen Grundlagen ergeben.
Vertragliche Anspruchsgrundlagen
Der häufigste Fall ist die ausdrückliche Regelung in einem der folgenden Dokumente:
- Im Arbeitsvertrag durch konkrete Zusage der Sonderzahlung
- In einem gültigen Tarifvertrag, der auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist
- In einer Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat
Betriebliche Übung
Ein Anspruch entsteht auch durch betriebliche Übung, wenn der Arbeitgeber die Sonderzahlung:
- Mindestens dreimal in Folge ohne Vorbehalt gezahlt hat
- Die Zahlungen vorbehaltlos erfolgten
- Auch unterschiedliche Höhen der Zahlungen können einen Anspruch begründen
Der Arbeitgeber kann die Entstehung einer betrieblichen Übung verhindern, indem er bei der Zahlung ausdrücklich erklärt, dass es sich um eine einmalige Leistung handelt und daraus kein Anspruch für die Zukunft entsteht.
Gleichbehandlungsgrundsatz
Ein Anspruch kann sich auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben. Wenn der Arbeitgeber einzelne Mitarbeiter von Sonderzahlungen ausschließt, muss dafür ein sachlicher Grund vorliegen. Als sachliche Gründe gelten beispielsweise:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Familienstand
- Anzahl der Kinder
- Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag
Besonderheiten bei der Zahlung
Die Höhe der Sonderzahlungen kann der Arbeitgeber grundsätzlich frei festlegen. Bei tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen gelten die tarifvertraglichen Regelungen. In der Praxis erhalten Beschäftigte mit Tarifbindung deutlich häufiger Sonderzahlungen – etwa 77% bekommen Weihnachtsgeld, während es bei Beschäftigten ohne Tarifbindung nur 41% sind.
Der Arbeitgeber kann die Zahlungen bei Krankheit oder Elternzeit kürzen, wenn dies vertraglich vereinbart wurde. Die Kürzung darf pro Krankheitstag maximal ein Viertel des durchschnittlichen Tagesverdienstes betragen.
Können Sonderzahlungen bei längerer Krankheit gekürzt oder gestrichen werden?
Die Kürzung von Sonderzahlungen bei Krankheit ist grundsätzlich möglich, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen rechtlich zulässig.
Erforderliche Vereinbarung
Eine Kürzung von Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld ist nur aufgrund einer ausdrücklichen Vereinbarung zulässig. Diese kann in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag geregelt sein.
Gesetzliche Kürzungsgrenze
Wenn eine Kürzungsvereinbarung besteht, darf die Kürzung pro Krankheitstag maximal ein Viertel des durchschnittlichen Tagesverdienstes betragen. Die maximale Kürzung berechnet sich wie folgt:
Maximale Tageskürzung = (Jahresarbeitsentgelt ÷ Arbeitstage pro Jahr) × 0,25
Zweck der Sonderzahlung entscheidend
Die Kürzungsmöglichkeit hängt vom Zweck der Sonderzahlung ab:
- Bei Sonderzahlungen mit reinem Entgeltcharakter (z.B. 13. Monatsgehalt) ist eine Kürzung nach Ende der Entgeltfortzahlung möglich.
- Bei Prämien für Betriebstreue ist eine Kürzung wegen Krankheit nicht zulässig, da die Betriebszugehörigkeit auch während der Krankheit fortbesteht.
- Bei Mischcharakter (Entgelt und Betriebstreue) ist eine Kürzung nur bei ausdrücklicher vertraglicher Regelung möglich.
Besondere Schutzfälle
In bestimmten Fällen ist eine Kürzung trotz Arbeitsunfähigkeit nicht erlaubt:
- Bei Mutterschutz dürfen Sonderzahlungen nicht gekürzt werden.
- Wenn die vereinbarten Leistungsziele bereits vor der Erkrankung erreicht wurden, ist eine nachträgliche Kürzung unzulässig.
- Bei Arbeitsunfällen gelten besondere Schutzvorschriften.
Welche Rolle spielt der Zweck der Sonderzahlung für den Anspruch?
Der Zweck einer Sonderzahlung ist entscheidend für die rechtliche Bewertung und bestimmt maßgeblich die Anspruchsvoraussetzungen. Es werden drei grundlegende Arten von Sonderzahlungen unterschieden:
Sonderzahlungen mit reinem Entgeltcharakter
Bei diesen Zahlungen steht die Vergütung der Arbeitsleistung im Vordergrund. Sie stellen eine zusätzliche Vergütung für bereits erbrachte Dienste dar. Ein typisches Beispiel ist das dreizehnte Monatsgehalt. Bei solchen Zahlungen haben Arbeitnehmer auch bei vorzeitigem Ausscheiden einen anteiligen Anspruch auf die Vergütung.
Sonderzahlungen für Betriebstreue
Diese Zahlungen dienen ausschließlich der Honorierung der Betriebszugehörigkeit. Sie können entweder die bereits gezeigte oder die zukünftige Betriebstreue belohnen. Bei dieser Form der Sonderzahlung darf der Arbeitgeber die Zahlung vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag abhängig machen.
Sonderzahlungen mit Mischcharakter
Diese häufigste Form der Sonderzahlungen verfolgt beide Zwecke gleichzeitig – sie honoriert sowohl die Arbeitsleistung als auch die Betriebstreue. Bei Sonderzahlungen mit Mischcharakter gelten besondere Regeln:
- Eine Stichtagsregelung ist grundsätzlich unwirksam, wenn die Zahlung auch der Vergütung bereits erbrachter Arbeitsleistung dient.
- Der Arbeitgeber kann die Zahlung nicht vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen abhängig machen, wenn sie als Gegenleistung zur Arbeitsleistung gedacht ist.
Ein wichtiges Kriterium für die Einordnung ist die Höhe der Sonderzahlung: Beträgt sie mehr als 25 Prozent des Jahresgrundgehalts, wird sie automatisch als Zahlung mit Mischcharakter eingestuft. Der Arbeitgeber muss den beabsichtigten Zweck der Sonderzahlung eindeutig in der Zusage zum Ausdruck bringen.
Was ist bei der gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen auf Sonderzahlungen zu beachten?
Zuständigkeit und Klageeinreichung
Das Arbeitsgericht ist für Streitigkeiten über Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld zuständig. Die Klage können Sie beim Arbeitsgericht am Sitz des Unternehmens oder am Ort Ihrer üblichen Tätigkeit einreichen.
Die Klage wird durch Einreichung der Klageschrift beim zuständigen Arbeitsgericht oder durch Erklärung zu Protokoll bei der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts erhoben. In der Klageschrift müssen Sie den genauen Betrag der geforderten Sonderzahlung beziffern und Ihre Anspruchsgrundlage darlegen.
Beweislast und Darlegungspflichten
Bei Streitigkeiten über Sonderzahlungen müssen Sie als Arbeitnehmer die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen. Dies bedeutet:
- Bei Ansprüchen aus dem Arbeitsvertrag müssen Sie den Vertrag und die entsprechende Regelung vorlegen
- Bei betrieblicher Übung müssen Sie die regelmäßige Zahlung in den Vorjahren nachweisen
- Bei Ansprüchen aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz müssen Sie die unterschiedliche Behandlung darlegen
Verfahrensablauf
Das arbeitsgerichtliche Verfahren läuft in zwei Stufen ab:
Der Gütetermin findet zunächst nur vor dem Vorsitzenden Richter statt. Hier wird versucht, eine gütliche Einigung zu erzielen. Kommt keine Einigung zustande, folgt der Kammertermin mit der vollständigen Kammer einschließlich der ehrenamtlichen Richter.
Besondere Verfahrensaspekte
Im Arbeitsgerichtsprozess gilt der Beschleunigungsgrundsatz. Erscheinen Sie nicht zum Termin, kann ein Versäumnisurteil ergehen. Die Einspruchsfrist gegen ein Versäumnisurteil beträgt nur eine Woche.
Bei der Vollstreckung von Urteilen über Sonderzahlungen ist zu beachten, dass diese grundsätzlich vorläufig vollstreckbar sind. Der Arbeitgeber kann jedoch die Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragen, wenn ihm ein nicht zu ersetzender Nachteil droht.
Wie wirkt sich eine betriebliche Übung auf den Anspruch auf Sonderzahlungen aus?
Eine betriebliche Übung entsteht, wenn ein Arbeitgeber mindestens drei Jahre in Folge vorbehaltlos Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld gewährt. Ab dem vierten Jahr haben Arbeitnehmer dann einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf diese Leistung.
Entstehungsvoraussetzungen
Die betriebliche Übung setzt ein regelmäßiges und gleichförmiges Verhalten des Arbeitgebers voraus. Dabei ist seit 2015 durch ein wegweisendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts auch die Zahlung in unterschiedlicher Höhe möglich. Wenn Sie also drei Jahre lang Weihnachtsgeld in wechselnder Höhe erhalten haben, kann trotzdem ein Anspruch entstehen.
Rechtliche Bindungswirkung
Die entstandene betriebliche Übung wird automatisch Bestandteil des Arbeitsvertrags. Ein einmal entstandener Anspruch kann nicht einseitig durch den Arbeitgeber aufgehoben werden. Die Beendigung ist nur möglich durch:
- Eine einvernehmliche Vereinbarung mit den Arbeitnehmern
- Eine wirksame Änderungskündigung
Vermeidung der betrieblichen Übung
Arbeitgeber können die Entstehung einer betrieblichen Übung durch einen eindeutigen Freiwilligkeitsvorbehalt verhindern. Dieser muss klar formuliert sein und ausdrücklich festhalten, dass auch bei wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft entsteht.
Bei bereits bestehender betrieblicher Übung hilft auch ein nachträglicher Freiwilligkeitsvorbehalt nicht mehr. Die bloße Mitteilung des Arbeitgebers, dass „aufgrund der wirtschaftlichen Lage ausnahmsweise kein Weihnachtsgeld gezahlt werden kann“, reicht nicht aus, um den Anspruch zu beseitigen.
Die betriebliche Übung gilt grundsätzlich auch für neu eingestellte Mitarbeiter. Diese können jedoch durch eine ausdrückliche Vereinbarung im Arbeitsvertrag von den Leistungen ausgeschlossen werden, sofern dafür ein sachlicher Grund vorliegt.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Betriebliche Übung
Eine betriebliche Übung entsteht, wenn der Arbeitgeber bestimmte Leistungen wiederholt und gleichförmig an seine Arbeitnehmer gewährt, sodass diese darauf vertrauen dürfen, diese Leistungen auch künftig zu erhalten. Nach drei Jahren regelmäßiger Gewährung entsteht daraus ein rechtlicher Anspruch. Dies gilt auch ohne schriftliche Vereinbarung im Arbeitsvertrag. Im vorliegenden Fall wurde die Zahlung von Sonderzahlungen an Langzeiterkrankte zur betrieblichen Übung, da auch andere erkrankte Mitarbeiter diese Leistungen erhielten.
Syndikusrechtsanwalt
Ein Syndikusrechtsanwalt ist ein bei einem Unternehmen oder Verband angestellter Rechtsanwalt, der dort als Jurist tätig ist. Er unterliegt gemäß §§ 46-46c BRAO besonderen berufsrechtlichen Regelungen. Anders als freie Rechtsanwälte darf er nur seinen Arbeitgeber rechtlich beraten und vertreten. Im konkreten Fall vertrat der Syndikusrechtsanwalt den Arbeitgeberverband, machte jedoch einen formalen Fehler bei der Berufungseinlegung durch Nutzung des falschen Übermittlungswegs.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ein Rechtsbehelf nach § 233 ZPO, der es ermöglicht, eine versäumte Frist nachträglich einzuhalten, wenn jemand ohne eigenes Verschulden an der Fristeinhaltung gehindert war. Der Antrag muss binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden. Im Fall wurde der Antrag abgelehnt, da der Anwalt bei unklarer Rechtslage vorsichtshalber beide Einreichungswege hätte nutzen müssen.
Besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA)
Das besondere elektronische Anwaltspostfach ist ein sicheres Kommunikationssystem für den elektronischen Rechtsverkehr zwischen Anwälten und Gerichten, geregelt in § 31a BRAO. Seit 1.1.2022 sind Rechtsanwälte verpflichtet, Schriftsätze ausschließlich elektronisch über das beA einzureichen. Die Nichtnutzung des beA führte im Fall zur Unzulässigkeit der Berufung, da die Einreichung per Fax und Post nicht mehr ausreichend war.
Richterliche Fürsorgepflicht
Die richterliche Fürsorgepflicht verpflichtet Gerichte, Verfahrensbeteiligte vor Nachteilen zu schützen und auf mögliche Fehler hinzuweisen. Sie ergibt sich aus dem Justizgewährungsanspruch und dem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 19 Abs. 4, Art. 103 GG). Im Fall sah das Gericht keine Verletzung dieser Pflicht, da bei der Berufungseinlegung keine Hinweispflicht auf den korrekten Übermittlungsweg bestand.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG): Das EFZG regelt die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall. Arbeitgeber sind verpflichtet, dem Arbeitnehmer für bis zu sechs Wochen den Lohn weiterzuzahlen, wenn dieser aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig ist. Diese Regelung stellt sicher, dass Arbeitnehmer während ihrer Krankheit finanziell abgesichert sind.
Im vorliegenden Fall war der Kläger von Februar 2020 bis Februar 2023 durchgehend krankgeschrieben, wodurch § 3 EFZG relevant ist, um zu klären, ob und wie sich die Krankheit auf seine Ansprüche auf Sonderzahlungen auswirkt. - § 39 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Nach § 39 BGB können im Arbeitsvertrag individuelle Vereinbarungen bezüglich der Vergütung getroffen werden. Wird eine bestimmte Vergütungsart, wie zum Beispiel Weihnachts- oder Urlaubsgeld, vertraglich festgelegt, muss diese nach den vereinbarten Bedingungen erfüllt werden.
Der Arbeitsvertrag des Klägers sieht vor, dass das Weihnachtsgeld erstmals nach sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit und ohne Anspruch im Austrittsjahr gewährt wird. Diese vertragliche Regelung ist zentral für die Beurteilung der Ansprüche des Klägers. - Betriebsübung: Betriebsübung bezeichnet eine regelmäßige und gleichförmige Durchführung von Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber, die den Arbeitnehmer berechtigt, diese fortzusetzen. Eine solche Praxis kann rechtlich bindend werden, auch wenn sie nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag festgehalten ist.
Der Kläger argumentiert, dass die regelmäßige Zahlung von Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld trotz Krankheit eine Betriebsübung darstellt, die sein Anrecht auf diese Zahlungen stützt, unabhängig von seiner Arbeitsfähigkeit. - Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Das AGG schützt Arbeitnehmer vor Diskriminierung am Arbeitsplatz aus Gründen wie Krankheit, Geschlecht oder Herkunft. Es stellt sicher, dass alle Arbeitnehmer gleich behandelt werden und keine unfaire Benachteiligung erfährt.
Im Fall des Klägers wird behauptet, dass die Beklagte ähnliche Zahlungen an erkrankte Kollegen leistet, was darauf hinweist, dass eine Gleichbehandlung ohne Diskriminierung erfolgt. Dies unterstützt die Argumentation des Klägers auf Gleichbehandlung im Rahmen des AGG. - Arbeitsrechtliche Tarifverträge: Tarifverträge können spezifische Regelungen zu Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld enthalten, die von den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen abweichen können. Sie werden zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften ausgehandelt und gelten für die Mitglieder der Tarifparteien.
Obwohl im vorliegenden Fall kein Tarifvertrag explizit genannt wird, können ähnliche betriebliche Vereinbarungen oder Unternehmenspraktiken, die tarifvertraglichen Regelungen entsprechen, Einfluss auf die Ansprüche des Klägers haben.
Das vorliegende Urteil
Sächsisches Landesarbeitsgericht – Az.: 3 Sa 14/23 – Urteil vom 23.07.2024
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