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Anspruch eines Arbeitnehmers auf Pflegezeit

Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit, um einen nahen Angehörigen zu pflegen?

Es gehört zu den Dingen, die einen Menschen unvermittelt im Leben treffen können und für die erst einmal eine Lösung gefunden werden muss. Wird ein Familienmitglied zum Pflegefall, so bringt dies für alle Beteiligten massive Herausforderungen mit sich. Angehörige, welche sich in diesem Fall um die Pflege erst einmal kümmern müssen, haben in der Regel selbst ein bereits gestandenes Leben mit entsprechenden beruflichen Verpflichtungen und müssen mit dem Arbeitgeber entsprechende Regelungen finden. Die gute Nachricht jedoch lautet, dass der Gesetzgeber für derartige Fälle entsprechende Möglichkeiten geschaffen hat. Ein Arbeitnehmer hat ein Recht darauf, dass die Pflege eines Familienangehörigen durch den Arbeitnehmer organisiert werden kann bzw. die Pflege naher Angehöriger auch in Eigenregie durchzuführen. Dieses Recht ist jedoch an entsprechende Voraussetzungen und Bedingungen geknüpft. Überdies gibt es auch unterschiedliche Modellvarianten, welche der Arbeitnehmer ebenfalls kennen sollte.

Das Wichtigste in Kürze


  • Arbeitnehmer haben das Recht, für die Pflege naher Angehöriger von der Arbeit freigestellt zu werden.
  • Es gibt verschiedene Modelle: kurzzeitige Arbeitsverhinderung, Pflegezeit und Familienpflegezeit.
  • Kurzzeitige Arbeitsverhinderung ermöglicht bis zu zehn Tage Pause, mit der Möglichkeit des Pflegeunterstützungsgeldes als Lohnersatz.
  • Pflegezeit kann bis zu sechs Monate dauern, abhängig von der Zustimmung des Arbeitgebers und der Betriebsgröße.
  • Familienpflegezeit ermöglicht eine teilweise Freistellung von bis zu 24 Monaten in Betrieben mit mehr als 24 Mitarbeitern.
  • Während der Pflegezeit besteht ein gesetzlich verankerter Sonderkündigungsschutz.
  • Arbeitgeber müssen unverzüglich über die Pflegezeit informiert werden, und es gibt bestimmte Voraussetzungen und Bedingungen, die erfüllt sein müssen.

Die unterschiedlichen Modellvarianten

Die Pflegezeitmodelle sind essentiell, um Arbeitnehmern die notwendige Flexibilität zu gewähren, wenn sie sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern müssen. Diese Modelle sind gesetzlich verankert und bieten verschiedene Optionen, um den individuellen Bedürfnissen und Umständen der Arbeitnehmer gerecht zu werden.

  1. Kurzzeitige Arbeitsverhinderung: In dringenden Pflegefällen können Arbeitnehmer bis zu zehn Arbeitstage abwesend sein. Diese Zeit ermöglicht es, die Pflege zu organisieren oder kurzfristig selbst zu übernehmen. Während dieser Zeit kann Pflegeunterstützungsgeld beantragt werden, welches als Lohnersatz dient.
  2. Pflegezeit: Bei einem längerfristigen Pflegebedarf können Arbeitnehmer bis zu sechs Monate freigestellt werden. Diese Zeit kann in Absprache mit dem Arbeitgeber auch in Teilen genommen werden, jedoch ist dies kein gesetzlicher Anspruch und hängt von der Betriebsgröße ab. Kleinbetriebe können die Pflegezeit verweigern.
  3. Familienpflegezeit: Diese Option ermöglicht eine teilweise Freistellung von bis zu 24 Monaten in Betrieben mit mehr als 24 Mitarbeitern. Hier kann die Wochenarbeitszeit auf mindestens 15 Stunden reduziert werden, wobei das Einkommen entsprechend angepasst wird.

Diese Modelle ermöglichen es Arbeitnehmern, ihre beruflichen Verpflichtungen und die Pflege von Angehörigen in Einklang zu bringen, ohne ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Sie bieten Schutz und Unterstützung in einer Lebensphase, in der der Bedarf an Flexibilität und Verständnis besonders hoch ist.

Die lediglich kurzzeitige Verhinderung der Arbeit

Anspruch Arbeitnehmer auf Pflegezeit
Kommt man als Arbeitnehmer in die Situation einen nahen Angehörigen pflegen zu müssen, ging das normalerweise entweder nur im Urlaub oder wenn der Arbeitgeber zu einer längeren und unbezahlten Freistellung bereit war. Beide Möglichkeiten waren aber eher unzureichend. Abhilfe schafft hier das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) von 2008. Hier erfahren Sie alles über den Anspruch von berufstätigen Personen auf Pflegezeit. Symbolfoto: evrmmnt/Bigstock

Sofern der Arbeitnehmer die Pflege der betroffenen Person nicht in Eigenregie übernimmt, sondern diese Pflege vielmehr lediglich organisieren muss besteht ein Anspruch, insgesamt zehn Tage Pause von der Arbeitsverpflichtung zu nehmen. Die rechtliche Grundlage für die kurzzeitige Arbeitsverhinderung findet sich im § 2 des PflegeZG. Hierbei handelt es sich um ein gesetzliches Recht des Arbeitnehmers, sodass der Arbeitgeber – unabhängig von der Betriebsgröße sowie der Anzahl der Beschäftigten – dies nicht verwehren darf. Für den Arbeitnehmer besteht auch keinerlei Verpflichtung, sich während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung für den Arbeitgeber „in Bereitschaft“ zu halten. In früheren Tagen war die kurzzeitige Arbeitsverhinderung gänzlich unbezahlt, heutzutage jedoch besteht die Möglichkeit des Pflegeunterstützungsgeldes.

Das Pflegeunterstützungsgeld wird bei der Pflegekasse der pflegebedürftigen Person beantragt. Gedacht ist das Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatz. 90 bis 100 Prozent von dem Nettogehalt des Pflegenden können veranschlagt werden.

Die Pflegezeit

Im Hinblick auf den Anspruch eines Arbeitnehmers auf Pflegezeit ist der Pflegebedarf der betroffenen Person immens wichtig. Sollte sich auf der Basis eines ärztlichen Gutachtens herausstellen, dass ein längerfristiger Pflegebedarf besteht, so kann ein Angehöriger diese Pflege übernehmen. In seiner Stellung als Arbeitnehmer kann die pflegende Person auf der Grundlage der Paragrafen 3 sowie 4 des PflegeZG eine Maximalfreistellung über sechs Monate in Anspruch nehmen. Diese sechs Monate können in Rücksprache mit dem Arbeitgeber in Teilen genommen werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass diese Option nicht als gesetzlicher Anspruch angesehen wird und daher von der Größe des Betriebes sowie der Anzahl der Beschäftigten abhängig gemacht werden muss. Sollte der Arbeitgeber den Status eines Kleinbetriebes inne haben ist es daher für den Arbeitgeber auch möglich, die Pflegezeit für den Arbeitnehmer zu verweigern. Ein Kleinbetrieb darf dabei nicht mehr als 15 Angestellte beschäftigen.

Die Familienpflegezeit

Im Jahr 2012 wurde das Familienpflegezeitgesetz, kurz FPfZG, beschlossen. Dieses Gesetz bietet Arbeitnehmern das Recht darauf, bis zu einer Maximalzeit von 24 Monaten teilweise von der Arbeitspflicht freigestellt zu werden. Als wichtige Bedingung für dieses Recht gilt das Arbeitsverhältnis in einem Betrieb mit mehr als 24 Arbeitnehmern. Für den Zeitraum von 24 Monaten kann die Wochenarbeitszeit auf ein unteres Limit von 15 Stunden verringert werden. Sollte der Arbeitnehmer nach Ablauf der Familienpflegezeit wieder in Vollzeit arbeiten wollen gilt jedoch, dass das Erwerbseinkommen zunächst reduziert bleibt. Die Reduzierung bleibt solange bestehen, bis das Zeitkonto des Arbeitnehmers wieder auf 0 ausgeglichen wurde.

Der Sonderkündigungsschutz

Nimmt ein Arbeitnehmer die Pflegezeit bzw. die Familienpflegezeit in Anspruch, so besteht ein gesetzlich verankerter Sonderkündigungsschutz. Der Arbeitgeber darf auf der Grundlage des § 5 Absatz 1 PflegeZG sowie dem § 3 FPfZG in dem Zeitraum der ersten schriftlichen Ankündigung der Pflegezeit bis zur vollständigen Beendigung der Pflegezeit gegenüber dem Arbeitnehmer die Kündigung nicht aussprechen. Der Sonderkündigungsschutz kennt jedoch auch Ausnahmen.

Als wichtigste Ausnahmen gelten

  • besondere Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers
  • Stilllegung des Betriebes

In diesen Fällen ist eine Kündigung auch während der Pflegezeit bzw. Familienpflegezeit rechtlich gültig. Die Kündigung muss jedoch in Verbindung mit der obersten Landesbehörde, die für den Arbeitsschutz zuständig ist, abgestimmt werden.

Die Kündigung ist von der Zustimmung der obersten Behörde abhängig.

Wer ist anspruchsberechtigt für die Formen der beruflichen Freistellung

Der Anspruch auf berufliche Freistellung aufgrund von Pflege bezieht sich in erster Linie auf nahe Angehörige des Pflegebedürftigen.

Als nahe Angehörige gelten

  • Ehepartner bzw. Lebenspartner
  • Partner in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft
  • Eltern
  • Kinder
  • Großeltern
  • Pflege- bzw. Adoptivkinder
  • Schwiegereltern bzw. Schwiegerkinder
  • Geschwister

Damit die Pflegezeit in Anspruch genommen werden kann, muss zwingend die Pflegebedürftigkeit der betroffenen Person festgestellt werden. Der medizinische Dienst von den Krankenversicherungen, kurz MDK, gibt diesbezüglich ein Gutachten in Auftrag. Im Zweifel kann jedoch auch eine sogenannte vorläufige Pflegebescheinigung eines Arztes oder Krankenhauses ausgestellt werden.

Die Arbeitgeberinformation

Damit die Pflegezeit in Anspruch genommen werden kann, muss zunächst der Arbeitgeber über die entsprechende Arbeitsverhinderung informiert werden. Diese Information sollte unverzüglich weitergegeben werden. Obgleich im Grunde genommen ein Telefonanruf schon ausreichend ist empfiehlt es sich, diese Information auf dem schriftlichen Weg zu transportieren. Eine E-Mail ist hierbei ebenso geeignet wie ein Fax oder der postalische Weg. Als Faustregel gilt die 10-Tages-Frist, wobei für die Familienpflegezeit drei Monate vorab angesetzt werden. Der Arbeitgeber ist berechtigt, einen entsprechenden Nachweis im Hinblick auf die Pflegebedürftigkeit zu verlangen. Der Arbeitnehmer ist jedoch nicht verpflichtet, die persönlichen Daten der pflegebedürftigen Person bei dem Arbeitgeber vorzulegen. Gleichermaßen verhält es sich mit dem Grad der Verwandtschaft, welcher zwischen der pflegebedürftigen Person und dem pflegenden Arbeitnehmer besteht.

Auch wenn der Gesetzgeber bereits einige sehr gute Grundlagen für die Pflege geschaffen hat gibt es in der gängigen Praxis nicht selten große Probleme zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. Der Spagat zwischen den beruflichen und privaten Verpflichtungen ist oftmals nur schwerlich zu meistern, zumal einige Arbeitgeber keinerlei Verständnis zeigen. Nicht selten wird sogar versucht, den Arbeitnehmer durch verbale Androhungen von Kündigungen oder sonstigen negativen Maßnahmen massiv unter Druck zu setzen. Dies jedoch ist in keinster Weise rechtmäßig und wenn Sie als Arbeitnehmer hiervon betroffen sind stehen wir Ihnen sehr gern mit unserer juristischen Fachkompetenz als starker und zuverlässiger Partner zur Seite.

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