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Arbeitnehmer-Eigenkündigung- Freistellung von der Arbeit – Urlaubsabgeltung

LAG Schleswig-Holstein, Az.: 5 Sa 425/17, Urteil vom 15.02.2018

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 21.09.2017, Az.: 1 Ca 933 c/17, wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch um Urlaubsabgeltungsansprüche der Klägerin aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.

Arbeitnehmer-Eigenkündigung- Freistellung von der Arbeit – Urlaubsabgeltung
Symbolfoto: KarlyukAV/Bigstock

Die 58-jährige Klägerin war bei der Beklagten zu 1) bzw. deren Rechtsvorgängerin vom 01.06.2015 bis zum 31.05.2017 als examinierte Altenpflegerin zu einem Monatsgehalt von zuletzt 2.450,00 € brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 36,5 Stunden und einer 5-Tage-Woche beschäftigt. Arbeitsvertraglich stand der Klägerin ein Jahresurlaub von 28 Werktagen zu. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung der Klägerin vom 24.04.2017 zum 31.05.2017. Während eines mit der Klägerin geführten Telefonats erklärte der Beklagte zu 2) am 27.04.2017, dass die Klägerin nicht wiederzukommen brauche, sie, die Klägerin, sei auf dem kommenden Dienstplan nicht eingeteilt. Dies bestätigte die Beklage zu 1) der Klägerin nochmals mit Schreiben vom 02.05.2017, in welchem es u. a. heißt (Bl. 16 d. A.):

„… Wir werden Sie im Mai nicht planen. Stattdessen stellen wir Sie unter Anrechnung Ihrer Überstunden und Urlaubsansprüche unwiderruflich frei. Den sich ergebenden Saldo Ihres Arbeitszeitkontos werden wir anschließend mit Ihrem Maigehalt verrechnen. …“

Eine Auszahlung des Urlaubsentgeltes durch die Beklagte zu 1) erfolgte vor Beginn der Freistellung nicht.

Die Klägerin hat am 09.06.2017 beim Arbeitsgericht Zahlungsklage erhoben und unter anderem von der Beklagten Abgeltung für 24 Urlaubstage in Höhe von 2.713,92 € brutto beansprucht.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe ihr auf ihren Urlaubsanspruch 2016 lediglich 10 Tage Urlaub gewährt und zwar für folgende Zeiten:

30.05.2016 – 05.06.2016 5 Urlaubstage

12.12.2016 – 18.12.2016 5 Urlaubstage

Die Beklagte habe ihr unter Berufung auf betriebliche Gründe die Gewährung der restlichen 14 Urlaubstage für 2016 verweigert. Der Zeuge St., der Sohn der Beklagten zu 2), habe ihr stattdessen versprochen, dass sie den Resturlaub 2016 im nächsten Jahr nehmen könne. Ungeachtet dessen sei der Arbeitgeber verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Arbeitnehmer im jeweiligen Urlaubszeitraum seinen Urlaub auch ohne entsprechenden Urlaubsantrag in Anspruch nehme. Verletze der Arbeitgeber diese Pflicht, mache er sich schadensersatzpflichtig. Da die Klägerin unstreitig in 2017 keinen Urlaub genommen habe, sei der anteilige Urlaubanspruch 2017 von unstreitig 10 Tagen abzugelten. Eine Verrechnung dieser Urlaubstage mit der von der Beklagten ausgesprochenen Freistellungserklärung sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht möglich.

Wegen des weiteren, insbesondere streitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz sowie deren erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 21.09.2017 der Zahlungsklage nur teilweise stattgegeben und im Übrigen abgewiesen. Soweit in der Berufungsinstanz noch relevant, hat es ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 24 Tage in Höhe von insgesamt 2.713,92 brutto habe. Entgegen der Auffassung der Klägerin stünde ihr aufgrund der vereinbarten 5-Tage-Woche nur ein vertraglicher Jahresurlaub von 23 Arbeitstagen zu. Nach ihrem eigenen Vortrag habe die Klägerin in 2016 insgesamt 14 Tage Urlaub genommen. Es könne indessen sowohl dahingestellt bleiben, ob für 2016 noch ein Resturlaub von vier oder neun Urlaubstagen offen gewesen sei, als auch die strittige Frage, ob die Klägerin diesen Resturlaub aus betrieblichen Gründen in 2016 nicht habe nehmen können. Denn die Beklagte habe diese Urlaubsansprüche zusammen mit dem anteiligen Urlaub 2017 in Höhe von 10 Tagen jedenfalls durch Freistellung der Klägerin im Monat Mai 2017 erfüllt. Dieser Anrechnung stünde auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (v. 10.02.2015 – 9 AZR 455/13 – und 19.01.2016 -2 AZR 449/15 -) nicht entgegen. Im Gegensatz zum vorliegenden Rechtsstreit hätten den BAG-Verfahren Sachverhalte zugrunde gelegen, in denen der dortige Arbeitgeber fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt und die Arbeitnehmer zugleich unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen von der Arbeit freigestellt habe. Vorliegend habe die Klägerin indessen das Arbeitsverhältnis selbst ordentlich gekündigt. Die Freistellung durch die Beklagte sei auch nicht vorsorglich, sondern unbedingt und unwiderruflich erfolgt. Daher sei der Urlaubszweck, dem Arbeitnehmer einen Urlaub mit Erholungscharakter gewährleisten zu können, entgegen den dem Bundesarbeitsgericht zugrundeliegenden Sachverhalten nicht gefährdet gewesen. Es sei daher nicht ersichtlich, aus welchem Grunde für die Klägerin in dieser Konstellation zweifelhaft hätte sein können, dass die Beklagte zu 1) die vertragsgemäße Vergütung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzahlt.

Gegen das ihr am 18.10.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.11.2017 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – eingeschränkt – Berufung eingelegt und diese am 30.11.2017 begründet.

Die Klägerin trägt vor, das Arbeitsgericht habe in rechtsfehlerhafter Weise angenommen, dass der bestehende Resturlaub für 2016 und 2017 in zulässiger Art und Weise durch die Freistellungserklärung vom 02.05.2017 erfüllt worden sei. Zwar sei dem Arbeitsgericht insoweit zuzustimmen, als dass die dem Bundesarbeitsgericht zugrundeliegenden Sachverhalte aus den zitierten Entscheidungen vom 10.02.2015 (9 AZR 455/13) und vom 19.01.2016 (2 AZR 449/15) mit dem vorliegenden Rechtsstreit nicht vergleichbar seien, da vorliegend keine Ungewissheit hinsichtlich der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch arbeitnehmerseitige Kündigung zum 31.05.2017 bestanden habe. Das Arbeitsgericht habe aber die grundsätzlichen Erwägungen dieser beiden Entscheidungen verkannt. Sowohl der 9. Senat als auch der 2. Senat des BAG hätten in ihren beiden Entscheidungen darauf abgestellt, dass eine wirksame Urlaubsgewährung nur dann vorläge, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs auszahle oder dies vor Urlaubsantritt vorbehaltlos zusage. Dabei habe sich das Bundesarbeitsgericht nicht auf Fälle der arbeitgeberseitigen Kündigung beschränkt. Die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze würden auch im Falle einer ordentlichen Eigenkündigung des Arbeitnehmers gelten. Es komme nicht darauf an, dass der Arbeitnehmer in der Vergangenheit ggf. Vergütungsansprüche habe gerichtlich geltend machen müssen. Denn sowohl der Regelung in § 1 BUrlG als auch der Regelung in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie genüge es zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub nicht, dass der jeweilige Arbeitnehmer in der Zeit des Urlaubs nicht arbeiten müsse, sondern es müsse der jeweilige Arbeitnehmer für diese Ruhezeit auch das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten. Hieraus sei zu folgern, dass dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs ein Anspruch auf Vergütung sicher sein müsse. Dies sei nur in Fällen einer vorherigen Auszahlung vor Antritt des Urlaubs oder bei vorbehaltloser Zusage seitens des Arbeitgebers gewährleistet. Dies ergebe sich auch aus den Entscheidungsgründen des Bundesarbeitsgerichts vom 19.01.2016 – 2 AZR 449 -, Rn. 71. Da ausweislich der Freistellungserklärung der Beklagten vom 02.05.2017 weder eine vorbehaltlose Zusage hinsichtlich des ihr, der Klägerin, zustehenden Erholungsurlaubsentgelts seitens der Beklagten, noch eine Zahlung bis dahin erfolgt sei, sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts entscheidend, ob die Beklagte ihr 24 Urlaubstage, 19 Urlaubstage oder lediglich 10 Urlaubstage für das Kalenderjahr 2016 gewährt habe. Die Klägerin bleibt dabei, dass die Beklagten ihr zugesagt hätten, dass sie den Resturlaub 2016 auch noch im Jahr 2017 nehmen könne. Ungeachtet dessen hätten die Beklagten unter Beachtung der B.-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 12.06.2014 – C-118/13 – auch ohne einen entsprechenden Urlaubsantrag ihrerseits dafür Sorge tragen müssen, dass sie den Urlaub 2016 im laufenden Kalenderjahr oder dem Übertragungszeitraum in natura in Anspruch nimmt (BAG, EuGH-Vorlage v. 13.12.2016 – 9 AZR 541/15 (A) -, juris). Ihr stünde zumindest ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegenüber den Beklagten zu.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 21.09.2017, Az. 1 Ca 933 c/17, abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Urlaubsabgeltung für 24 Urlaubstage in Höhe von 2.713,92 € brutto zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Aus den vorgelegten Dienstplänen für Januar, April und Juni 2016 ergebe sich, dass die Klägerin im Kalenderjahr 2016 ihre gesamten Urlaubstage genommen habe. Die Klägerin habe selbst vorgetragen, dass sie bis zum 17.01.2016 den alten Urlaub aus dem Jahr 2015 in vollem Umfang genommen habe. Abzüglich des im Januar 2016 genommenen Resturlaubs 2015 (5 Urlaubstage) habe die Klägerin den Jahresurlaub 2016 in folgenden Zeiten genommen:

18.01.2016 – 22.01.2016 5 Tage

26.04.2016 – 29.04.2016 4 Tage

30.05.2016 – 10.06.2016 10 Tage

12.12.2016 – 16.12.2016 5 Tage

Insgesamt 24 Tage

Der Urlaubsanspruch 2016 sei mithin vollständig erfüllt. Ungeachtet dessen sei ein solcher aber auch mit Ablauf des 31.12.2016 verfallen bzw. spätestens durch die Freistellung erfüllt worden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt ihrer wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 15.02.2018 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. b; 66 Abs. 1 ArbGG; §§ 519, 520 ZPO.

In der Sache selbst hat die Berufung indessen keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Zahlung von Urlaubsabgeltung sowohl im Ergebnis als auch in der sorgfältigen Begründung zu Recht abgewiesen. Die hiergegen von der Klägerin mit der Berufung erhobenen Einwände rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Lediglich ergänzend und auf die Einwände der Klägerin in der Berufungsinstanz eingehend wird noch auf Folgendes hingewiesen:

I. Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 2.713,92 € brutto. Die Klägerin kann keine Urlaubsabgeltung für offene Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2016 beanspruchen (1.). Den anteiligen Urlaubsanspruch 2017 hat die Beklagte durch entsprechende Freistellung erfüllt (2.).

1. Entgegen der Behauptung der Klägerin haben die Beklagten den kompletten Urlaubsanspruch der Klägerin aus dem Kalenderjahr 2016 erfüllt. Ein diesbezüglicher Abgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BurlG i. V. m. § 11 Abs. 1 BurlG, § 611 Abs. 1 BGB und dem Arbeitsvertrag für 14, neun oder vier offene Urlaubstage 2016 besteht gemäß § 362 Abs. 1 BGB nicht mehr.

a) Eine Urlaubsgewährung liegt nur dann vor, wenn der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine Freistellungserklärung zu dem Zweck, Erholungsurlaub zu gewähren, abgibt. Dabei muss die Freistellungserklärung hinreichend deutlich erkennen lassen, dass eine Befreiung von der Arbeitspflicht zur Erfüllung des gesetzlichen oder tariflichen Anspruchs auf Urlaub erteilt wird. Sonst handelt es sich nicht um Urlaubsgewährung. Es sind nämlich auch vielfältige sonstige Gründe denkbar, in denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von der Arbeit freistellt. Beruft sich der Arbeitgeber auf die Erfüllung seiner urlaubsrechtlichen Freistellungsverpflichtung, so muss er im Streitfall im Einzelnen darlegen und ggf. beweisen, dass er gegenüber dem Arbeitnehmer eine entsprechende Freistellungserklärung abgegeben hat und diese Erklärung dem Arbeitnehmer zugegangen ist (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19.10.2016 – 4 Sa 188/15 -, Rn. 37, juris).

b) Gemessen an diesen Voraussetzungen haben die Beklagten substantiiert dargelegt und durch Vorlage der entsprechenden Dienstpläne auch unter Beweis gestellt, dass sie der Klägerin auf deren Urlaubsanspruch 2016 im Kalenderjahr 2016 insgesamt 24 Urlaubstage gewährt haben. Die von den Beklagten genannten 24 Urlaubstage sind für die Klägerin in den Dienstplänen von Januar, April, Juni und Dezember 2016 mit einem „U“ für Urlaub ausgewiesen. Diesem substantiierten Vortrag der Beklagten ist die Klägerin ihrerseits nicht substantiiert entgegengetreten. Ein substantiiertes Bestreiten wäre aber gerade im Hinblick darauf zu erwarten gewesen, dass auch die unstreitigen Urlaubstage in gleicher Weise in den Dienstplänen eingetragen waren. Zudem handelt es sich bei den streitigen Urlaubstagen vom 18.01. bis 22.01.2016 und 06.06. bis 10.06.2016 jeweils um Anschlusszeiten an unstreitige Urlaubswochen. Ausweislich des Dienstplanes von April 2016 war die Klägerin für den Zeitraum vom 18.04. bis 29.04.2016 mit Urlaub eingeplant, war indessen von Anfang April bis einschließlich 25.04.2016 arbeitsunfähig krank, sodass die Beklagten von den zehn Urlaubstagen auch nur vier in Ansatz gebracht haben. Der Vortrag der Beklagten ist mithin in sich schlüssig und durch Vorlage der Dienstpläne auch belegt.

2. Die Klägerin kann aber auch nicht von den Beklagten die Abgeltung des unstreitig gemäß § 5 Abs. 1 c) BurlG entstandenen Teilurlaubsanspruchs von zehn Tage für das Kalenderjahr 2017 gemäß § 7 Abs. 4 BurlG i. V. m. § 11 Abs. 1 BurlG, § 611 Abs. 1 BGB und dem Arbeitsvertrag beanspruchen. Auch diesen Urlaubsanspruch haben die Beklagten durch entsprechende Freistellung für den gesamten Mai 2017 erfüllt.

a) Dies gilt auch unter Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der Urlaubsgewährung nach Ausspruch einer streitigen Arbeitgeberkündigung. Auch im Falle einer rechtshängigen ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vorsorglich Urlaub für den Fall gewähren, dass die fristlose oder ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst (BAG, Urt. v. 14.08.2007 – 9 AZR 934/06 -, Rn. 14 f. mwN, juris). Eine wirksame Urlaubsgewährung liegt darin aber nur dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt (BAG, Urt. v. 10.02.2015 – 9 AZR 455/13 -, Rn. 18, juris). Der Urlaubsanspruch ist nicht allein auf die Freistellung von der Arbeitsleistung gerichtet. Nach § 1 BUrlG hat vielmehr jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Die Vorschrift entspricht der Regelung in Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie und ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs ein Anspruch auf Vergütung sicher sein muss. Dieser Sinn und Zweck folgt letztlich auch der gesetzlichen Fälligkeitsregelung des § 11 Abs. 2 BUrlG. Nach dieser Vorschrift ist das Urlaubsentgelt vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen. Damit ist das Urlaubsentgelt bereits mit dem Urlaubsantritt fällig, während die reguläre Vergütung nach der erbrachten Arbeitsleistung fällig wird, § 614 BGB. Im Falle einer streitigen fristlosen oder ordentlichen Kündigung genügt es für eine wirksame Urlaubsgewährung indessen nicht, wenn dem Arbeitnehmer zu irgendeinem möglicherweise sehr viel späteren Zeitpunkt nach der rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage ein Anspruch auf Urlaubsvergütung zuerkannt wird. Der Arbeitnehmer ist in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt, wenn er bei Urlaubsantritt nicht weiß, ob ihm Urlaubsentgelt gezahlt wird (BAG, Urt. v. 19.01.2016 – 2 AZR 449/15 -, Rn. 70, juris; BAG, Urt. v. 10.02.2015 – 9 AZR 455/13 -, Rn. 21 ff., juris).

b) Unter Beachtung dieser Grundsätze haben die Beklagten der Klägerin mit der unwiderruflichen Freistellungserklärung rechtswirksam den Teil-Urlaub 2016 gewährt.

aa) Zwar haben die Beklagten vorliegend entgegen der gesetzlichen Regelung unstreitig das Urlaubsentgelt nicht bereits vor Urlaubsantritt, d. h. Ende April 2017, an die Klägerin ausgezahlt, indessen führt dies nicht zu einer Unwirksamkeit der Urlaubsgewährung. Die Vorleistungspflicht des Arbeitgebers im Hinblick auf die Zahlung des Urlaubsentgelts soll gewährleisten, dass der mit der Urlaubsgewährung verfolgte Erholungszweck nicht durch eine unsichere finanzielle Absicherung konterkariert wird. Indessen ist § 11 Abs. 2 BUrlG nur eine von § 614 BGB abweichende Fälligkeitsregelung. Sie enthält keine Wirksamkeitsvoraussetzung mit der Folge, dass eine Urlaubserteilung ohne vorherige Auszahlung des Urlaubsentgelts unwirksam wäre (ErfK/Gallner, 18. Aufl., § 11 BUrlG, Rn. 27).

bb) Zudem ist die oben genannte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Urlaubsgewährung infolge einer streitigen Arbeitgeberkündigung auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Es gab kein Kündigungsschutzverfahren. Es war bereits zum Zeitpunkt der Freistellung zwischen den Parteien unstreitig, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Eigenkündigung der Klägerin am 31.05.2017 enden würde. Die Beklagten stellten die Klägerin nach Ausspruch ihrer Eigenkündigung für die Dauer der Kündigungsfrist unter Anrechnung des Urlaubsanspruchs unwiderruflich von der Arbeit frei. Eine Unsicherheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses während des Laufs der Kündigungsfrist bzw. des Freistellungszeitraums und damit auch des Anspruchs auf Urlaubsentgelt bestand für die Klägerin im Gegensatz zu den Sachverhalten, über die das Bundesarbeitsgericht 2015 (9 AZR 455/13) und 2016 (2 AZR 449/15) zu entscheiden hatte, nicht. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Klägerin keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen hat und auch sonst nicht ersichtlich ist, dass die Beklagten der Klägerin das ihr zustehende Mai-Gehalt 2016 und damit die Urlaubsvergütung vorenthalten wollten. Insbesondere hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass sich die Beklagten mit den laufenden Gehaltszahlungen stets oder oft in Verzug befanden, sodass zu erwarten gewesen wäre, dass sie das Mai-Gehalt 2016 erst langfristig hätte einklagen müssen.

Aus der Freistellungserklärung vom 02.05.2017 selbst folgt zudem, dass die Beklagten beabsichtigten, das Mai-Gehalt abzurechnen und damit an die Klägerin auch das Urlaubsentgelt zu zahlen. Dem erklärten Abrechnungs- und Zahlungswillen steht auch nicht die Einschränkung entgegen, einen etwaigen Saldo des Arbeitszeitkontos mit dem Mai-Gehalt verrechnen zu wollen. Insbesondere hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass eine solche Saldo-Verrechnung mit Minusstunden aus dem Arbeitskonto dazu geführt hätte, dass auch die Urlaubsvergütung für zehn Tage nicht mehr ausgezahlt worden wäre. Der Klägerin standen für 2017 zwei Wochen Urlaub zu (= 10 Arbeitstage/Urlaubstage). Ausgehend von einer Arbeitszeit von rund vier Wochen im Mai 2016 wäre die Zahlung des Urlaubsentgelts nur dann unsicher gewesen, wenn das Arbeitszeitkonto der Klägerin mehr als 73 Minusstunden (= zwei Wochen) aufgewiesen hätte. Dies trägt die Klägerin aber nicht im Ansatz vor.

cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt aus Rn. 71 des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 19.01.2016 (2 AZR 449/15) nicht, dass es für die Wirksamkeit der Urlaubsgewährung auch im Falle einer ordentlichen Eigenkündigung des Arbeitnehmers und gleichzeitiger unwiderruflicher Freistellung durch den Arbeitgeber für die Dauer der Kündigungsfrist unter Anrechnung des Urlaubs ebenfalls der Vorauszahlung des Urlaubsentgelts oder der ausdrücklichen entsprechenden Zahlungszusage bedarf. In dieser Randnummer hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, dass die aufgestellten Grundsätze in der Entscheidung vom 10.02.2015 (9 AZR 455/13), welcher der Sachverhalt einer nach fristloser Kündigung des Arbeitgebers erfolgten Freistellung des Arbeitnehmers für die Dauer der Kündigungsfrist einer zugleich erklärten ordentlichen Kündigung zugrunde gelegen habe, darüber hinaus Geltung beanspruche. Der letzte Halbsatz ist nicht kryptisch, sondern bezieht sich auf den unterschiedlichen Sachverhalt, der der Entscheidung vom 19.01.2016 (2 AZR 449/15) zugrunde lag. Der Sachverhalt der letztgenannten Entscheidung betraf nicht die Freistellung während der Dauer der Kündigungsfrist, sondern aufgrund der Dauer des letztlich erfolgreichen Kündigungsschutzverfahrens und der daraus resultierenden Fortdauer des Arbeitsverhältnisses und der anwachsenden Urlaubsansprüche einen über die Dauer der Kündigungsfrist weit hinausgehenden Freistellungszeitraum, der mit den Urlaubsansprüchen verrechnet werden sollte, für den Urlaub gewährt werden sollte. Hierauf bezog sich der letzte Satz in der Rn. 71 des Urteils vom 19.01.2016 (2 AZR 449/15). Wenn der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer fristlosen Kündigung bereits in einem Umfang Urlaubsansprüche hat, die durch Freistellung innerhalb der ordentlichen Kündigungsfrist nicht erfüllt werden könnten, oder während der Dauer des erfolgreich geführten Kündigungsrechtsstreits solche Urlaubsansprüche erwirbt, bedarf es ebenfalls einer Vorauszahlung des Urlaubsentgelts oder einer verbindlichen Zahlungszusage. Ein solcher Fall liegt hier unstreitig indessen nicht vor.

II. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

Ein gesetzlich begründeter Anlass zur Zulassung der Revision lag nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.

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