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Arbeitnehmer-Gratifikation – Zulässigkeit einer Rückzahlungsklausel

Landesarbeitsgericht Nürnberg – Az.: 3 Sa 321/02 – Urteil vom 28.05.2003

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 11.12.2001 — Az.: 9 Ca 5641/01 — in Ziffern 1. und 2. abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.045,17 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszins seit 06.06.2001 zu zahlen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rückzahlung der Jahresprämie 2000. Die Kläger war bei der Beklagten in der Zeit vom 10.01.2000 bis 30.04.2001 als Finanzbuchhalterin gegen ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von DM 4.000,– (EUR 2.045,17) beschäftigt. Mit Schreiben vom 28.11.2000 sagte die Beklagte der Klägerin als Anerkennung für die Leistung und als Ansporn für die anstehende schwierige Phase eine Jahresprämie für 2000 in Höhe von DM 4.000,– (EUR 2.045,17) zu. Als Voraussetzung für die Prämie wurde eine Betriebszugehörigkeit bis 30.06.2001 bestimmt. Die Auszahlung der Prämie erfolgte zu je 50 % mit der Abrechnung Dezember 2000 und Januar 2001.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 11.12.2001 die Klage abgewiesen und den Streitwert auf DM 4.000,– (EUR 2.045,17) festgesetzt. Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird Bezug genommen.

Mit der am 13.05.2002 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und am 17.02.2002 begründeten Berufung — die Berufungsbegründungsfrist war bis zu einem Monat nach Zustellung des Ersturteils verlängert worden — verfolgt die Klägerin ihr Verfahrensziel weiter. Wegen ihres Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 17.02.2003 verwiesen.

Die Klägerin beantragt:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 11.12.2001, Az.: 9 Ca 5641/01, wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.045,17 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 06.06.2001 zu zahlen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Beklagte beantragt:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 11.12.2001 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Hinsichtlich des Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf die Berufungsbeantwortung vom 06.03.2003 Bezug genommen.

Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Arbeitnehmer-Gratifikation - Zulässigkeit einer Rückzahlungsklausel
(Symbolfoto: Studio.G photography/Shutterstock.com)

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Klägerin steht die Prämie für das Jahr 2000 zu.

Der Anspruch auf Zahlung des vollen Gehalts für den Monat April 2001 ist nicht nach § 389 BGB erloschen. Die Beklagte konnte nicht mit einem Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der im Dezember 2000 und Januar 2001 ausgezahlten Prämie in Höhe von insgesamt DM 4.000,– (EUR 2.045,17) nach §§ 387 ff. BGB aufrechnen. Ihr stand ein derartiger Rückzahlungsanspruch nicht zu. Die im Schreiben vom 28.11.2000 vorgesehene Rückzahlungsklausel ist insoweit unwirksam (vgl. BAG vom 20.03.1974 — 5 AZR 327/73 — AR-Blattei ES 820 Nr. 62), als sie die Klägerin bis 30.06.2001 dadurch bindet, dass sie eine bezahlte Prämie zurückzahlen müsste, wenn sie bis zu diesem Tag aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Rückzahlungsklauseln im Zusammenhang mit der Zusage der Zahlung von Weihnachtsgratifikationen/Prämien grundsätzlich zulässig (BAG vom 28.01.1981 — 5 AZR 846/78 — AR-Blattei ES 1460 Nr. 17), wobei ihre Zulässigkeit im Einzelnen nach der Dauer der Betriebsbindung und der Höhe der Zahlung, gemessen an dem Monatsgehalt im Zeitpunkt der Auszahlung, zu beurteilen ist. Bei Gratifikationen (Prämien), die — wie vorliegend — ein Monatsgehalt betragen, ist nach der Anzahl der bis 31.03. des darauffolgenden Jahres zur Verfügung stehenden Kündigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers zu differenzieren. Hat der Arbeitnehmer bis 31.03. des folgenden Jahres mehrere Kündigungsmöglichkeiten (z. B. aufgrund einmonatiger Kündigungsfrist, §622 Abs. 2 BGB a.F.), so darf er den Betrieb erst nach dem 31.03. des Folgejahres zum nächstzulässigen Kündigungstermin verlassen, wenn er die Gratifikation (Prämie) behalten will (BAG vom 10.05.1962 — 5 AZR 353/61 und 5 AZR 452/61 — AR-Blattei ES 820 Nr. 12; BAG vom 09.06.1993 — 10 AZR 529/92 — AR-Blattei ES 820 Nr. 112). Die Rückzahlungsbindung kann deshalb auf den Zeitpunkt nach dem 31.03. des Folgejahres erstreckt werden, der die kürzeste nach dem 31.03. in Gang gesetzte Kündigungsfrist um einen Tag überschreitet. Hat der Arbeitnehmer also mehrere Kündigungsmöglichkeiten, so ist die zum 31.03. des nächsten Jahres die letzte, die er auslassen muss (Kasseler Handbuch/Lipke 2.3 Rdnr. 294). Nur ein vorheriges Ausscheiden begründet die Rückzahlungsverpflichtung. Nachdem die Klägerin vorliegend ihr Arbeitsverhältnis fristgerecht unter Einhaltung der für sie maßgeblichen Kündigungsfrist zum 30.04.2001 gekündigt hat, scheidet aufgrund der vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze über die Zulässigkeit von Rückzahlungsklauseln bei Gratifikationszahlungen eine Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung der Prämie aus.

Damit konnte die Frage unentschieden bleiben, ob die Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin bereits daran scheitert, dass die Prämie in zwei Teilbeträgen ausbezahlt wurde und sich damit die mit der Rückzahlungsklausel verbundene zulässige Bindungsdauer nicht nach der Höhe der Gesamtleistung, sondern nach der Höhe des zuletzt gewährten Teilbetrages richtet (vgl. LAG Hamm vom 25.04.2002, LAGE § 611 BGB Gratifikation Nr. 68 c).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Zulassung der Revision war im Hinblick auf die Entscheidung des LAG Hamm vom 14.08.1998, AP Nr. 208 zu § 611 BGB Gratifikation veranlasst (§72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG).

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