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Arbeitnehmeranspruch auf jährliche Sonderzahlung

ArbG Düsseldorf – Az.: 2 Ca 7355/16 – Urteil vom 09.03.2017

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.053,57 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2016 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Streitwert: 3.053,57 EUR.

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen arbeitsvertraglichen Anspruch.

Die Beklagte ist eine Service- und Vertriebsgesellschaft für Bürokommunikationssysteme und -Lösungen.

Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit dem 1.6.2000 beschäftigt.

Der noch zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossene Arbeitsvertrag, auf den im Übrigen Bezug genommen wird (Bl. 20 ff. d.A.), lautet auszugsweise:

„4. Geltende Tarifverträge allgemein

Für das Arbeitsverhältnis gelten

a) die Tarifverträge für den H..

b) die zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen.

Arbeitnehmeranspruch auf jährliche Sonderzahlung
(Symbolfoto: Von Freedom Life/Shutterstock.com)

5. Jahresleistung

Die Gewährung einer Jahresleistung/Sonderzahlung erfolgt auf der Basis eines Tarifgehaltes (z.Zt. DM 3.594,00 brutto). Der Anspruch beträgt für 2000 07/12 des Tarifgehalts.

Als Auszahlungszeitpunkt gilt nach dem Tarifvertrag der November des Jahres.

Der tarifliche Anspruch in Höhe von z.Z. DM 525,00 wird auf Basis des jeweils gültigen Tarifvertrages gewährt.

Der Anspruch auf eine freiwillige Sonderzahlung besteht nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit von sechs Monaten.

( … )“

Ferner enthalten die Absätze 5 und 6 der Ziffer 5 des Arbeitsvertrags eine Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich der „freiwilligen Sonderzahlung“ unter bestimmten Voraussetzungen.

In den letzten Jahren wurde dem Kläger stets eine Jahressonderzahlung in Höhe von insgesamt einer Monatsvergütung gezahlt.

Für das Jahr 2016 zahlte die Beklagte lediglich die tariflich vorgesehene Sonderzahlung in Höhe von 268,43 EUR brutto.

Mit seiner am 27.12.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 4.1.2017 zugestellten Klage begehrt er die Zahlung eines Monatsgehalts abzüglich des bereits gezahlten Betrags.

Der Kläger ist der Auffassung, die vertragliche Regelung sei durch die Formulierung „freiwillige Sonderzahlung“ intransparent und führe daher zu einem Anspruch für den Kläger. Jedenfalls bestehe ein Anspruch aus betrieblicher Übung.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.053,57 brutto EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte geht von einem wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt aus. Eine betriebliche Übung bestehe nicht.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Sitzungsniederschriften vom 23.11.2017 und 9.3.2017 sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die von ihm begehrte Sonderzahlung in unstreitiger Höhe. Entgegen der Einschätzung der Parteien stellt sich das Problem der Angemessenheits- und Transparenzkontrolle (§§ 305c Abs. 2, 307 Abs. 1 S. 2 BGB) im vorliegenden Fall nicht.

Denn die vertragliche Regelung ist nicht unklar, sondern lässt vielmehr gem. §§ 133, 145 BGB nur ein Auslegungsergebnis zu. Dieses wiederum vermittelt dem Kläger den streitgegenständlichen Anspruch. In Ziffer 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist klar geregelt, dass ein Anspruch auf die Jahresleistung besteht. Denn dort ist sehr deutlich formuliert, dass die Zahlung „erfolgt“. Die Indikativformulierung deutet auf einen unbedingten Anspruch hin, der weder von einem Vorbehalt der Beklagten noch von irgendeiner anderen Willensentäußerung abhängig ist (BAG, Urt. v. 7.6.2011 – 1 AZR 807/09, AP Nr. 55 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung). Auch ist hinsichtlich des ersten Beschäftigungsjahres von einem „Anspruch“ in Höhe von 7/12 des Tarifgehalts die Rede. Hieraus ergibt sich auch ein Anspruch für die Folgejahre. Höchst ungewöhnlich und offensichtlich nicht gewollt wäre es jedenfalls, nur im ersten Jahr der Betriebszugehörigkeit einen einklagbaren Anspruch zu vereinbaren, danach aber nicht mehr. Insofern vermittelt bereits Ziffer 5 Abs. 1 einen vertraglichen Anspruch auf ein Monatsgehalt Sonderzahlung.

Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält Ziffer 5 Abs. 4 des Arbeitsvertrags keinen – nicht einmal einen intransparenten – Freiwilligkeitsvorbehalt. Dass dort von einer freiwilligen Zahlung die Rede ist, lässt nicht den Schluss auf einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Kontext. Denn die Formulierung in Ziffer 5 Abs. 4 steht in Zusammenhang mit Ziffer 5 Abs. 3. In diesem Absatz wird der tarifliche Anspruch auf die (geringere) Sonderzahlung ohne zwingende Notwendigkeit thematisiert. Ziffer 5 Abs. 4 bezieht sich sodann auch auf diese tarifliche Sonderzahlung und grenzt den vertraglichen Anspruch hiervon ab. Hierdurch wird deutlich, dass der Begriff der „Freiwilligkeit“ im vorliegenden Fall keinen „Vorbehalt“ bezeichnet, sondern nur als Abgrenzung zum tariflichen Anspruch fungiert (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall BAG, Urt. v. 7.6.2011 – 1 AZR 807/09, AP Nr. 55 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung). „Freiwillig“ ist folglich hier synonym zu verstehen mit „übertariflich“. Der Begriff der Freiwilligkeit zielt also nur darauf ab, dem Arbeitnehmer zu verdeutlichen, dass man sich in dieser Höhe der Sonderzahlung über den Tarifvertrag hinaus und damit „freiwillig“ verpflichte. Abgesehen von den seltenen Fällen des Kontrahierungszwangs ist allerdings jede (arbeits-)vertragliche Verpflichtung eine freiwillige. Stets entsteht die vertragliche Bindung durch einen freiwilligen Entschluss, nach dem Motto: „Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte“ (Goethe, Faust I, Szene 3).

Die Hinweise der Beklagten auf verschiedene Regelungen im anwendbaren Tarifvertrag vermögen an diesem Befund nichts zu ändern. Dass nach § 12 Nr. 6.1. des Manteltarifvertrags Sonderleistungen des Arbeitgebers den tariflichen Anspruch erfüllen sollen, weist lediglich darauf hin, dass nach dem tariflichen Willen nicht beide Ansprüche nebeneinander stehen sollen, wovon man nach der vertraglichen Formulierung und unter Anwendung von § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG allerdings durchaus ausgehen könnte. Dieses Problem stellt sich allerdings nicht, da sich auch der Kläger den tariflichen Anspruch auf den vertraglichen Anspruch anrechnen lässt.

Da schon nach herkömmlicher Auslegung ein Anspruch besteht, kommt es auf eine Inhalts- und Transparenzkontrolle nicht mehr an. Vor diesem Hintergrund sei an dieser Stelle nur darauf hingewiesen, dass das BAG selbst bei Formulierungen, in denen viel eher von einem „Vorbehalt“ auszugehen gewesen wäre, zur Annahme eines Anspruchs gelangt ist (vgl. z.B. BAG, Urt. v. 17.4.2013 – 10 AZR 281/12, NZA 2013, 787).

Der Klage war daher stattzugeben.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.

Die Kosten des Rechtsstreits waren gem. § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO der Beklagten aufzuerlegen. Der gem. § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzende Streitwert folgt gem. § 3 ZPO aus der Höhe der Klageforderung.

 

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