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Arbeitnehmeranspruch auf Schlussformel unter Arbeitszeugnis

LAG München – Az.: 3 Sa 188/21 – Urteil vom 15.07.2021

Leitsätze:

1. Eine Arbeitnehmerin, deren Leistung und Verhalten im Endzeugnis mit „gut“ bewertet worden ist, hat keinen Anspruch auf Bescheinigung des Bedauerns über ihr Ausscheiden, schon gar nicht auf die Steigerung „wir bedauern sehr“.

2. Es besteht kein Anspruch darauf, dass (gute) Wünsche für die private Zukunft in die Schlussformel eines Endzeugnisses aufgenommen werden.

Ein Arbeitnehmer hat schon grundsätzlich keinen Anspruch auf Aufnahme einer persönlichen Schlussformel in ein Arbeitszeugnis.

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 04.02.2021 – 22 Ca 6565/20 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf eine bestimmte Schlussformel hat.

Arbeitnehmeranspruch auf Schlussformel unter Arbeitszeugnis
(Symbolfoto: stockfour/Shutterstock.com)

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 08.02.2016 als Assistant C. & L. Af. zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 3.100,00 € beschäftigt. Nachdem das Arbeitsverhältnis zunächst positiv verlief und die Klägerin im Herbst 2018 gebeten wurde, das Arbeitsverhältnis trotz Veränderungswunsches fortzusetzen, und die Arbeitszeit einvernehmlich von 20 auf 24 Wochenstunden erhöht wurde, kam es nach Auffassung der Klägerin im Verlauf des Jahres 2019 zu Problemen in der Kommunikation zwischen den Parteien. Insbesondere soll der Klägerin ein Projekt ohne Begründung entzogen worden sein. Auch soll ein Gespräch am 13.09.2019 derart eskaliert sein, dass sie mit den Worten nach Hause geschickt worden sei, sie brauche nicht mehr zu kommen. Dem Wunsch der Klägerin nach einem Aufhebungsvertrag kam die Beklagte nicht nach. Schließlich sprach die Klägerin im September 2019 eine Eigenkündigung zum 31.12.2019 aus. Am 14.11.2019 händigte ihre Vorgesetzte, Frau H., der Klägerin eine E-Mail aus, die auszugsweise wie folgt lautet:

„Es ist schade, dass wir uns so getrennt haben. …

Ich wünsche Dir dennoch alles erdenklich Gute für die berufliche und private Zukunft und bedanke mich aufrichtig für die Zusammenarbeit über die Jahre.

Hab Dich wohl und eine baldige Besserung.“

Bezüglich der Freistellung der Klägerin schrieb die Vorgesetzte am 14.11.2019 an die Klägerin wie folgt:

„… Die letzten Wochen haben gezeigt, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen uns leider nicht mehr möglich ist. Ich komme daher Deinem Wunsch nach, Dich vor Vertragsende von der Arbeit freizustellen.

Ich wünsche Dir alles Gute und verbleibe mit einem freundlichen Gruß.“

Ebenfalls am 14.11.2019 schrieben betreffend die „Freistellung im Rahmen der Kündigung durch die Arbeitnehmerin“ der Global Director Finance & IT und der Head of Global HR:

„… Die Freistellung erfolgt ab dem 14. November 2019.

Wir danken Ihnen für Ihre bisherige Mitarbeit.“

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Schlussformel bestehe. Die Schlussformel sei allgemein üblich. Das Weglassen der Schlussformel verstoße gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit. Die Beklagte habe sich durch ihre Aussagen in der Korrespondenz vom 14.11.2019 selbst gebunden.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin auf Basis des als Anlage B2 vorgelegten Zeugnisses ein qualifiziertes Endzeugnis zu erteilen, welches um die folgende Schlussformel ergänzt ist:

„Frau … verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch zum 31.12.2019, was wir sehr bedauern. Wir bedanken uns für die stets gute Zusammenarbeit und wünschen Frau … beruflich wie privat alles Gute und viel Erfolg.“

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen, und geltend gemacht, dass die Schlussformel kein notwendiger Bestandteil eines Zeugnisses sei. Die Erklärungen vom 14.11.2019 seien an die Klägerin, nicht aber an einen unbestimmten Empfängerkreis adressiert worden.

Das Arbeitsgericht München hat die Klage durch Urteil vom 04.02.2021 – 22 Ca 6565/20 – abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Korrektur des zuletzt erteilten Arbeitszeugnisses dahingehend, dass dieses eine entsprechende Bedauerns-, Dankes- und Gute-Wünsche-Formel enthalte. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehe kein gesetzlicher Anspruch nach § 109 Abs. 1 GewO auf das Erteilen einer Schlussformel. Ein derartiger Anspruch sei dort nicht vorgesehen. § 109 Abs. 2 GewO enthalte lediglich einen Unterlassungsanspruch. Ein Anspruch auf die Schlussformel bestehe auch nicht ausnahmsweise nach § 241 Abs. 2 BGB. Aus der Üblichkeit von Schlussformeln begründe sich keine entsprechende Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Arbeitnehmerin. Es sei zweifelhaft, ob der Anspruch aus § 242 BGB zu begründen sei. Jedenfalls liege mit den Aussagen in der Korrespondenz vom 14.11.2019 kein widersprüchliches Verhalten der Beklagten vor. Der in den Mails und dem Schreiben vom 14.11.2019 enthaltene Dank sowie die guten Wünsche seien bewusst nur gegenüber der Klägerin geäußert worden. Es könne nicht gefolgert werden, dass diese auch an einen unbestimmten Personenkreis weitergegeben werden sollten. Darüber hinaus stellten diese Äußerungen erkennbar gängige Höflichkeitsformeln ohne Bezug zur Frage der Aufnahme einer Schlussformel in einem Zeugnis dar. Schließlich sei zweifelhaft, ob die E-Mails der Vorgesetzten der Klägerin der Beklagten zugerechnet werden könnten. Diese sei nicht berechtigt, ein Zeugnis zu unterschreiben. Ein Vertrauen der Klägerin in die Aufnahme der Schlussformel habe sich auch deshalb nicht begründen können, weil in keinem der auf Wusch der Klägerin geänderten Zeugnisse eine Schlussformel enthalten gewesen sei. Der Anspruch ergebe sich schließlich nicht aus dem Gebot der Zeugniswahrheit. Die Schlussformel stelle inhaltlich keine objektiv beweisbare Tatsache, sondern ein persönliches Empfinden dar. Das Weglassen der Schlussformel sei nicht geeignet, die Klägerin negativ zu kennzeichnen und einen der Wahrheit nicht entsprechenden Eindruck zu vermitteln.

Gegen dieses, ihrem Prozessbevollmächtigten am 16.02.2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.03.2021 Berufung beim Landesarbeitsgericht München eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.05.2021 am 17.05.2021 begründet.

Der geltend gemachte Anspruch folge aus dem Gebot der Zeugnisklarheit gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 GewO. Danach müsse das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein und zudem keine Formulierungen enthalten, die den Zweck hätten, eine andere als die aus der Wortwahl ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Inhaltlich „falsch“ sei ein Zeugnis auch dann, wenn es eine Ausdrucksweise enthalte, der entnommen werden müsse, der Arbeitgeber distanziere sich vom buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärungen und der Arbeitnehmer werde in Wahrheit anders, nämlich ungünstiger als im Zeugnis bescheinigt, beurteilt. Durch die Auslassung der Schlussformel erkenne der kundige Zeugnisleser, dass die Klägerin in Wahrheit anders beurteilt werde, als im Zeugnis bescheinigt werde. Es stelle sich ihm die Frage, „ob nicht wohl doch etwas vorgefallen“ sei. Zudem entwerte die fehlende Schlussformel den übrigen Zeugnisinhalt und die darin enthaltenen positiven Bewertungen. Darüber hinaus könne die Klägerin ihren Anspruch auf § 109 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GewO i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB stützen. Nach § 241 Abs. 2 BGB sei die Beklagte als Arbeitgeberin verpflichtet, bei ihren Handlungen auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Dies habe die Beklagte nicht getan. Denn enthalte das Arbeitszeugnis in einem Bereich wie der Schlussformulierung eine Lücke, die den Leistungserfolg wesentlich beeinträchtige, könne sich aus der Rücksichtnahmepflicht des § 241 Abs. 2 BGB eine Anspruchsgrundlage ergeben, diese Lücke entsprechend zu schließen, soweit dem nicht berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstünden. Durch die gänzlich fehlende Schlussformel werde das Zeugnis der Klägerin entwertet und dadurch ungerechtfertigt in ihr Persönlichkeitsrecht und ihre Berufsausübungsfreiheit eingegriffen. Die Klägerin werde unangemessen in ihrem beruflichen Fortkommen behindert. Hiermit gehe offensichtlich auch eine Kränkung der Klägerin einher, weil am Schluss der Zusammenarbeit noch nicht einmal der Respekt und die Wertschätzung entgegengebracht werde, die für das gute Gelingen eines Arbeitsverhältnisses erforderlich seien. Die Klägerin habe hierzu keinen Anlass gegeben, weil sie sich lediglich dazu entschieden habe, ihr Arbeitsverhältnis bei der Beklagten zu kündigen. Sachliche Gründe, warum eine Schlussformel gegenüber der Klägerin nicht ausgesprochen werden könne, seien beklagtenseits nicht vorgetragen und würden nach Kenntnis der Klägerin auch nicht bestehen. Die Beklagte stütze sich lediglich darauf, dass keine Verpflichtung zum Ausspruch einer Schlussformel bestünde. Darüber hinaus verhalte sich die Beklagte widersprüchlich, wenn sie der Klägerin in den zitierten Korrespondenzen die Wünsche zugestehe, sie jedoch grundlos nicht im Zeugnis aussprechen möchte. Gegenüber der Klägerin seien genau die Mitteilungen gemacht worden, die nun als Schlussformel begehrt würden. Es komme nicht darauf an, dass die Wünsche teilweise von der Vorgesetzten der Klägerin geäußert worden seien und keine Vertretungsbefugnis bestanden habe. Auch die Arbeitsleistung der Klägerin werde von der direkten Vorgesetzten beurteilt. Es sei auch üblich, dass das Zeugnis zumindest auch von der direkten Vorgesetzten unterschrieben werde. Außerdem sei der Dank gegenüber der Klägerin genau von den Personen ausgesprochen worden, die auch das Zeugnis der Klägerin unterschrieben hätten. Schließlich ergebe sich der Anspruch aus dem Grundsatz der Zeugniswahrheit. Die Beklagte habe gegenüber der Klägerin Bedauern, Dank und Gute-Wünsche ausgesprochen und damit Aussagen gemacht, die im Zeugnis durch die Schlussformel gerade nicht wiedergegeben werden würden. Ein objektiver Leser erwarte eine entsprechende Schlussformel im Arbeitszeugnis. Dies ergebe sich allein aus dem Gebot des Anstands und der Höflichkeit. Das Fehlen der Schlussformel werde extrem negativ bewertet.

Die Klägerin beantragt,

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 04.02.2021, Az.: 22 Ca 6565/20 wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Zug um Zug gegen Rückgabe des Zeugnisses vom 31.12.2019 auf Basis des als Anlage B2 vorgelegten Zeugnisses ein qualifiziertes Endzeugnis zu erteilen, welches um die folgende Formulierung in der Schlussformel ergänzt ist:

„(…), was wir sehr bedauern. Wir bedanken uns für die stets gute Zusammenarbeit und wünschen Frau … beruflich wie privat alles Gute und viel Erfolg.

Hilfsweise für den Fall, dass der Antrag zu Ziff. 2 abgewiesen wird, wird beantragt,

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Zug um Zug gegen Rückgabe des Zeug nisses vom 31.12.2019 auf Basis des als Anlage B2 vorgelegten Zeugnisses ein qualifiziertes Endzeugnis zu erteilen, welches um die folgende Formulierung in der Schlussformel ergänzt ist:

„Wir bedanken uns für die stets gute Zusammenarbeit und wünschen Frau … beruflich wie privat alles Gute und viel Erfolg.“

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, und wiederholt im Wesentlichen ihre erstinstanzlichen Gründe gegen einen Anspruch auf eine bzw. diese Schlussformel.

Ein solcher Anspruch rechtfertige sich nicht aus § 109 GewO. Bereits aus dem Wortlaut des § 109 Abs. 1 und Abs. 2 GewO ergebe sich kein Anspruch auf eine Schlussformel. Entsprechendes folge auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 109 GewO. Eine Schlussformel wäre nichts Anderes als eine nochmals formelhaft wiederholte und bereits abgegebene Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. Der Gesetzgeber habe die gleichlautende Rechtsprechung des BAG zu der Vorgängerregelung in § 630 BGB gekannt und dennoch davon abgesehen, eine solche Verpflichtung ausdrücklich in § 109 GewO aufzunehmen. Auch ohne Schlussformel sei der Wahrheitsgrundsatz des § 109 Abs. 2 GewO erfüllt. Es müsse nicht alles, was wahr sei, auch im Zeugnis stehen. Eine unzulässige Auslassung liege nicht vor, da diese ohnehin nur den gesetzlich geschuldeten Zeugnisinhalt betreffen könne. Gegenstand der Wahrheitspflicht seien objektiv beweisbare Tatsachen, wo hingegen die Schlussformel ein persönliches Empfinden darstelle, das vom Arbeitnehmer weder erzwungen noch beansprucht werden könne. Vor dem Hintergrund der ihr zustehenden wirtschaftlichen Freiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG müsse die Beklagte weiterhin entscheiden dürfen, ob sie eine persönliche Empfindung auch gegenüber einem unbestimmten Personenkreis oder nur gegenüber dem (ehemaligen) Mitarbeiter äußere. Der Anwendungsbereich des § 241 Abs. 2 BGB sei nicht eröffnet, weil es im vorliegenden Fall um eine Nebenpflicht gehe. Soweit landesarbeitsgerichtliche Rechtsprechung eine Schlussformel zuspräche, würde ein Rechtsanspruch auf die Äußerung eines tatsächlich nicht vorhandenen Bedauerns über das Ausscheiden des Mitarbeiters ausgeschlossen werden. Diesem Ergebnis stünde die Wahrheitspflicht nicht entgegen. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Schlussformel lasse sich aus einem Arbeitszeugnis ohne Schlussformel nicht der Schluss ziehen, der Verfasser habe hiermit eine besondere Aussage treffen und seine Leistungs- und Verhaltensbeurteilung relativieren wollen. Schließlich liege kein widersprüchliches Verhalten durch die vorherige E-Mail-Korrespondenz bzw. durch das Freistellungsschreiben vor. Die Klägerin habe aufgrund der internen Erklärungen der Beklagten an sie nicht damit rechnen dürfen, dass die Beklagte die Äußerungen im Rahmen des Endzeugnisses auch gegenüber einem unbestimmten Empfängerkreis tätigen würde.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 17.05.2021 und der Beklagten vom 17.06.2021 sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Die nach § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO, und damit zulässig.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufnahme der mit Haupt- und Hilfsantrag beantragten Schlussformel.

1. Die Beklagte ist aus keinem Rechtsgrund verpflichtet, die mit dem Hauptantrag be gehrte Schlussformel, nach der die Beklagte u. a. das Ausscheiden der Klägerin sehr bedauert, in das als Anlage B2 vorgelegte Zeugnis aufzunehmen.

a) Nach der Rechtsprechung des BAG (vgl. Urteil vom 11.12.2012 – 9 AZR 227/11 – Rn. 11 ff.), der sich die überwiegende Meinung in der Literatur angeschlossen hat (siehe etwa ErfK/Müller-Glöge, 21. Aufl., § 109 GewO Rn. 46; Francke in MünchHdbAR, Bd. 2 Individualarbeitsrecht II, 4. Aufl. 2018, § 138 Rn. 46; Wiebauer in Landmann/Rohmer, GewO, 85. EL September 2020, § 109 Rn. 117 m. w. Nachw.; Becker in Däubler/Hjort/Schuber/Wolmerath, Arbeitsrecht, 4 Aufl. 2017, § 109 GewO Rn. 28; Tillmanns in BeckOK Arbeitsrecht, 60. Edition, Stand: 01.06.2021, § 109 GewO Rn. 34; Linck in Schaub, ArbRHdb., 18. Aufl. 2019, § 147 Rn. 27; resignierend Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 22. Aufl. 2018, Seite 109 Rn. 397: „Aber nach dieser Rechtsprechung des BAG hat sich das Thema des Rechtsanspruchs wohl erledigt!“), hat ein Arbeitnehmer schon grundsätzlich keinen Anspruch auf Aufnahme einer persönlichen Schlussformel in ein Arbeitszeugnis. Folglich wäre die Beklagte nicht verpflichtet, der Klägerin ihr Bedauern über deren Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis als Teil der Schlussformel zu bescheinigen.

b) Es kann offenbleiben, ob dieser Rechtsprechung zu folgen ist. Denn jedenfalls hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine Bescheinigung eines Bedauerns bei nur einer guten Verhaltens- und Leistungsbewertung.

Die Bedauernsformel ist bei einer nur guten Bewertung, wie sie hier mit dem als Anlage B2 erteilten Zeugnis vorliegt, nach § 109 Abs. 1 und 2 GewO nicht üblich. Nach Schleßmann (Das Arbeitszeugnis, 22. Aufl. 2018, Seite 110 Rn. 398) rechtfertigt eine gute Beurteilung lediglich eine Dank- und Wünsche-Formel mit dem Inhalt „Wir danken für die geleistete Arbeit und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute“ (so auch Hoffmann in BeckOK GewO, 54. Edition, Stand: 01.06.2021, § 109 Rn. 163; Wiebauer in Landmann/Rohmer, a.a.O., Rn. 116; LAG Hessen, Urteil vom 17.06.1999 – 14Sa 1157 – a. E.; Umkehrschluss aus LAG Köln, Urteil vom 11.12.2013 – 11 Sa 511/13 – unter II. 2. der Gründe für das sehr gute Zeugnis). Auch nach Auffassung des LAG Düsseldorf, auf das sich die Klägerin stützt, ist das Bedauern in eine Schlussformel bei lediglich leicht überdurchschnittlichen Zeugnissen nicht aufzunehmen (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2021 – 3 Sa 800/20 – Rn. 39). Ohne den Bedauernsausdruck wirkt das Zeugnis weder in sich widersprüchlich noch steht die Auslassung im Widerspruch zur Bewertung von Leistung und Verhalten im Übrigen, wenn dem guten Mitarbeiter, der damit keine Spitzenkraft war, nicht bescheinigt wird, dass man sein Ausscheiden bedauert. Die Äußerung einer solchen Empfehlung wäre überobligatorisch und kann daher rechtlich nicht von dem Arbeitgeber verlangt werden (so zutreffend LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2021 – 3 Sa 800/20 – Rn. 39).

Darüber hinaus begehrt die Klägerin nicht lediglich eine Bescheinigung darüber, dass die Beklagte ihr Ausscheiden bedauere, sondern sogar in der gesteigerten Form des „sehr bedauern“. Eine Schlussformel darf jedoch nicht im Widerspruch zum sonstigen Zeugnisinhalt stehen und diesen nicht relativieren (vgl. BAG, Urteil vom 20.02.2001 – 9 AZR 44/00 – unter B. I. 2. b) (2) und (3) der Gründe). Dies wäre bei der gesteigerten Bedauernsformel bei einer nur guten Bewertung aber der Fall. Schließlich ist die Steigerungsform („sehr bedauern“) auch deshalb abzulehnen, weil die Werthaltigkeit der Tätigkeit im Zeugnisinhalt selbst ausgedrückt wird (vgl. LAG Köln, Urteil vom 11.12.2013 – 11 Sa 511/13 – unter II. 2. der Gründe; Schleßmann, a.a.O., Seite 111 Rn. 401).

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin rechtfertigt sich die begehrte Bescheinigung des Bedauerns in der Stufe des „sehr bedauern“ auch nicht aus den hier vorliegenden besonderen Umständen, wobei es offenbleiben kann, ob sich die Rechtsgrundlage aus § 109 Abs. 1, Abs. 2 GewO i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB oder i. V. m. § 242 BGB ergibt. Denn nach der vorgelegten E-Mail und den Schreiben vom 14.11.2019 bedauert die Beklagte das Ausscheiden der Klägerin nicht. In der E-Mail vom 14.11.2019 findet die Vorgesetzte „Es ist schade, dass wir uns so getrennt haben.“, nicht aber, dass man sich überhaupt getrennt hat. Ein Bedauern findet in den zwei Schreiben vom 14.11.2019 schon keine Erwähnung. Die Klägerin führt zur Begründung ihres Begehrens, die Beklagte müsse ihr Ausscheiden in der Schlussformel sehr bedauern, auch keine konkreten Zitate aus der vorgelegten Korrespondenz an.

2. Die Beklagte ist zudem nicht verpflichtet, die Schlussformel gemäß dem Hilfsantrag, mit dem der Beklagten aufgegeben werden soll, der Klägerin u. a. „beruflich wie privat alles Gute und viel Erfolg“ zu wünschen, in das Zeugnis aufzunehmen.

a) Nach § 109 Abs. 2 Satz 1 GewO muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird der Arbeitgeber hierdurch nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer persönliche Empfindungen wie gute Wünsche für die Zukunft schriftlich zu bescheinigen. Denn das Zeugnis richte sich nicht in erster Linie an den Arbeitnehmer persönlich, sondern diene dem Arbeitnehmer vor allem als Bewerbungsunterlage und insoweit Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern als Grundlage für die Personalauswahl. Ob der Arbeitgeber seine Empfindungen in einem primär an einen unbekannten Dritten gerichteten Zeugnis zum Ausdruck bringe, sei zuvorderst eine Frage des persönlichen Stils (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2012 – 9 AZR 227/11 – Rn. 19).

b) Jedenfalls hinsichtlich der Wünsche für die private Zukunft des Arbeitnehmers schließt sich die Kammer dieser Rechtsprechung an. Das Zeugnis dient dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers. Wünsche des Arbeitgebers in der Schlussformel erstrecken sich deshalb nur auf die berufliche Zukunft oder allgemein auf die Zukunft des Arbeitnehmers (vgl. LAG Köln, Urteil vom 11.12.2013 – 11 Sa 511/13 – unter II.2. der Gründe). Private Zukunftswünsche sind im Arbeitszeugnis, das Dritten zur Entscheidungsgrundlage anlässlich einer Bewerbung vorgelegt wird, deshalb fehl am Platz (vgl. Schleßmann, a.a.O., Seite 111 Rn. 400 und 401). Vor allem in größeren Betriebseinheiten ist es auch wenig überzeugend, dass Aussteller eines Zeugnisses derartige persönliche Empfindungen für die Gesamtheit des Unternehmens gegenüber einem Arbeitnehmer zum Ausdruck bringen (vgl. Francke in MünchHdbAR, a.a.O., Rn. 46).

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt der Anspruch auf gute Wünsche für die private Zukunft in der Schlussformel nicht aus § 241 Abs. 2 BGB i. V. m. § 109 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GewO.

Nach § 241 Abs. 2 BGB ist die Beklagte als Arbeitgeberin verpflichtet, bei ihren Handlungen auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen. Das Interesse der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Zeugniserteilung besteht darin, dass ihnen eine in sich widerspruchsfreie und dem beruflichen Fortkommen förderliche Bescheinigung von Tätigkeit, Führung und Leistung im bisherigen Arbeitsverhältnis als eine wesentliche Unterlage für Bewerbungen und damit zur Förderung des beruflichen Fortkommens verschafft wird. Enthält das Arbeitszeugnis in einem Bereich eine Lücke, die diesen Leistungserfolg wesentlich beeinträchtigt, kann sich aus der Rücksichtnahmepflicht des § 241 Abs. 2 BGB eine Anspruchsgrundlage ergeben, diese Lücke entsprechend zu schließen, soweit dem nicht berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2021 – 3 Sa 800/20 – Rn. 48).

Danach sind gute Wünsche für die private Zukunft aufgrund der Rücksichtnahmepflicht nicht in die Schlussformel aufzunehmen. Die private Lebensführung und -gestaltung sowie Lebenserfolg sind weder Gegenstand des bisherigen noch des neuen Arbeitsverhältnisses. Wünsche für die private Zukunft berühren den Bereich der Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers nicht. Kommen sie in einer Schlussformel nicht zum Ausdruck, wird der Respekt und die Wertschätzung der seitens des Arbeitnehmers erbrachten Arbeitsleistung im bisherigen Arbeitsverhältnis nicht geschmälert. Demgegenüber dürften persönlichkeitsrechtliche (Art. 2 Abs. 1 GG) und die Berufsfreiheit betreffende (Art. 12 Abs. 1 GG) Gründe dagegensprechen, den Arbeitgeber durch die Gute-Wünsche-Formel für die private Zukunft des Arbeitnehmers in ein persönliches Näheverhältnis mit dem Arbeitnehmer zu rücken, das eventuell nicht besteht und zudem in größeren Betrieben wenig überzeugt. Schließlich bestehen rechtsdogmatisch Bedenken gegen diese Anspruchsgrundlage, als darüber Formulierungen als zwingend postuliert werden, die sich bei der Abfassung eines Zeugnisses gemäß § 109 GewO nicht begründen ließen.

d) Zudem begründet sich eine Schlussformel mit guten Wünschen für die private Zukunft nicht aus einem widersprüchlichen Verhalten der Beklagten, § 242 BGB. Insoweit wird auf die zutreffenden Erwägungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen, § 69 Abs. 2 ArbGG, und ergänzend wie folgt ausgeführt:

Diese Anspruchsgrundlage scheitert bereits daran, dass sich die Beklagte nicht widersprüchlich verhalten hat. Mit dem Schreiben der Beklagten vom 14.11.2019 (Anl. K10 = Bl. 77 d. A.) wird der Klägerin für die bisherige Mitarbeit gedankt, nicht aber für die private Zukunft alles Gute gewünscht.

Soweit sich die Klägerin auf die E-Mail und das Schreiben ihrer Vorgesetzten vom 14.11.2019 bezieht, mit dem der Klägerin „alles erdenklich Gute für die berufliche und private Zukunft“ bzw. „alles Gute“ gewünscht wird (vgl. Anl. K6 und K11 = Bl. 58 und 78 d. A.), übersieht sie, dass die Vorgesetzte nicht berechtigt ist, das Zeugnis zu zeichnen und insoweit für die Beklagte zu handeln. Dies ist den gesetzlichen Vertretern der Beklagten oder den von ihr hierzu bevollmächtigten Personen vorbehalten (vgl. ErfK/Müller-Glöge, 21. Aufl. 2021, § 109 GewO, Rn. 3). Hierzu gehörte die Vorgesetzte der Klägerin unstreitig nicht. Eine Selbstbindung der Beklagten konnte aufgrund der ausgesprochenen Wünsche der Vorgesetzten für die persönliche Zukunft der Klägerin deshalb nicht begründet werden.

Im Übrigen besteht kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin darauf, dass in persönlichen Schreiben geäußerte Wünsche für ihre private Zukunft Inhalt eines Zeugnisses, das sich vor allem an Dritte richtet, wird.

e) Schließlich ist aus dem Grundsatz der Zeugniswahrheit kein Anspruch auf eine Schlussformel mit guten Wünschen für die private Zukunft abzuleiten. Die Wahrheitspflicht wird durch die seitens der Klägerin verlangte zusätzliche Formulierung von guten Wünschen für die private Zukunft nicht berührt. Wahr oder unwahr können nur Tatsachen sein, nicht Höflichkeitsformeln wie gute Wünsche (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2021 – 3 Sa 800/20 – Rn. 55).

III.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung, § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Es bestand kein Grund, die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen, § 72 Abs. 2 ArbGG. Das hiesige Urteil weicht nicht von der Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 12.01.2021 – 3 Sa 800/20 – ab, da das LAG Düsseldorf den konkreten Inhalt der Schlussformel nicht zum Inhalt seiner Entscheidung gemacht hat.

 

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