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Arbeitnehmerdarlehensvertrag als Verbraucherdarlehensvertrag

LAG Rheinland-Pfalz, Az.: 1 Sa 97/15, Urteil vom 04.11.2016

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts KOBLENZ vom 11. Februar 2015 – 11 Ca 2130/14 – teilweise abgeändert und der Tenor zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.800,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten 330,00 EUR brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2013 zu zahlen.

3. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, dem Beklagten für die Monate September 2012 bis Mai 2013 Gehaltsabrechnungen auszustellen und auszuhändigen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 11 % und der Beklagte zu 89 %.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Arbeitnehmerdarlehensvertrag als Verbraucherdarlehensvertrag
Symbolfoto: TeroVesalainen/Bigstock

Die Parteien streiten über einen Darlehensrückzahlungsanspruch des Klägers und Kosten der außergerichtlichen Tätigkeit seiner Prozessbevollmächtigten sowie im Rahmen der Widerklage über Ansprüche des Beklagten auf Ausbildungsvergütung und Gehaltsabrechnungen gegen den Kläger.

Vom 01.09.2012 an war der Beklagte als Auszubildender zum Friseur im Betrieb des Klägers tätig. Die Vergütung belief sich auf 330,00 EUR brutto. Der Beklagte kündigte das Ausbildungsverhältnis am 23.05.2014 zum 20.06.2013 und am 22.06.2013 nochmals fristlos.

Es existiert ein auf den 23.05.2013 datiertes Dokument mit der Überschrift „Bestätigung“ mit folgendem Inhalt:

„Hiermit bestätige ich C. im [unkenntlich gemacht] 2013 von Herrn Z, K, dem Betrag

von 3.800,00 EUR

(in Worten: Dreitausendachthundert)

erhalten zu haben.

Die Rückzahlung erfolgt ab 01.07.2013 im monatlichen Raten von 100,00 EUR. Es ist eine Verzinsung von 6,99 % pro Jahr vereinbart.

C.“

Sodann folgt eine Unterschrift unter dem Namen “ C.“.

Mit Schreiben vom 08.07.2013 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Kündigung des Darlehens zum 31.10.2013.

Der Kläger zahlte an den Beklagten das monatliche Ausbildungsgehalt netto am 30.10.2012, 20.11.2012, 20.12.2012, 21.01.2013, 20.02.2013, 20.03.2013, 22.04.2013 und 21.05.2013. Die Zahlungen erfolgten durch Banküberweisungen mit dem Betreff „Lohn“.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, dass das Darlehen bar an den Beklagten in Teilbeträgen ausgezahlt worden sei, nämlich 2.000,00 EUR im Januar/Februar 2013 und in den Folgemonaten bis Mai 700,00 EUR, 300,00 EUR, 400,00 EUR und 400,00 EUR. Das Geld sei in bar übergeben worden. Eine Rückzahlung des Darlehens sei nicht erfolgt. Die oben wiedergegebene Urkunde sei vom Beklagten unterschreiben worden.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.800,00 EUR nebst Darlehenszinsen in Höhe von 6,99 % p. a. von dem 23.05.2013 an, sowie (weiterer) Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.11.2013 zu zahlen,

2. dem Kläger die Kosten der außergerichtlichen Tätigkeit der Rechtsanwälte Z (Koblenz) in Höhe von 402,81 EUR brutto zu erstatten, dies nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, dass er vom Kläger kein Darlehen, auch nicht in Tranchen, erhalten habe. Die „Bestätigung“ habe er nicht unterschrieben. Es sei entweder nicht seine Unterschrift auf dem Papier oder er habe einmal auf einem leeren Blatt Papier unterschrieben, das der Kläger dann mit dem Text vervollständigt haben könnte. Es sei auch lebensfremd, dass ein Arbeitgeber einem Auszubildenden mit einem Verdienst von 330,00 EUR brutto ein Darlehen in Höhe von 3.800,00 EUR gewähre.

Außerdem hat er die restliche Ausbildungsvergütung vom Kläger verlangt. Er habe nur die o. g. Zahlungen erhalten, sodass noch Ausbildungsvergütung für September 2012 und Juni 2013 ausstehe. Des Weiteren habe er keine Gehaltsabrechnungen bekommen.

Er hat widerklagend beantragt,

1. den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 550,00 ER brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 330,00 EUR seit dem 01.10.2012 – hilfsweise seit dem 01.06.2013 – und aus 220,00 EUR seit dem 01.07.2013 zu zahlen,

2. den Kläger zu verurteilen, dem Beklagten für die Monate September 2012 bis einschließlich Juni 2013 Gehaltsabrechnungen auszustellen und auszuhändigen.

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Die Vergütung sei vollständig gezahlt und Lohnabrechnungen hierfür seien dem Beklagten ausgehändigt worden.

Mit Urteil vom 11.02.2015 hat das Arbeitsgericht Koblenz die Klage abgewiesen und der Widerklage überwiegend stattgegeben.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Auskehr eines Darlehensbetrages nicht nachgewiesen worden sei, weswegen ein Rückzahlungsanspruch nicht bestehe. Die „Bestätigung“ erfülle nicht die Anforderungen an eine Quittung, da weder Schuldgrund, noch Leistungszeit oder -ort aus ihr hervorgingen. Auch auf andere Weise seien die behaupteten Auszahlungen nicht hinreichend erwiesen.

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 06. März 2015 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 03. März 2015 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 06.05.2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.

Mit seiner Berufungsbegründung, auf die ergänzend Bezug genommen wird, macht der Kläger geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die „Bestätigung“ als Quittung zu qualifizieren. Die Urkunde weise alle Merkmale einer Quittung auf. Die Widerklageforderung sei unbegründet.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.02.2015, Az.: 11 Ca 2130/14 abzuändern und

1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.800,00 € nebst Darlehenszinsen in Höhe von 6,99 % per annum von dem 23.05.2013 an, sowie (weiterer) Verzugszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.11.2013 zu zahlen.

2. die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Mit seiner Berufungserwiderung gemäß Schriftsatz vom 11.06.2015 (Bl. 170 ff. d. A.) sowie mit weiterem Schriftsatz vom 15.08.2016 (Bl. 352 ff. d. A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird, verteidigt der Beklagte das angefochtene Urteil als zutreffend und macht sich die dortigen Ausführungen zu eigen. Er habe eine Blankounterschrift geleistet und der Text der „Bestätigung“ sei nachträglich eingefügt worden. Tatsächlich habe er niemals einen Darlehensbetrag erhalten.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen. Die Berufungskammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens. Auf das Gutachten vom 29. Juni 2016 (Bl. 256 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung des Klägers ist nur zum Teil zulässig.

Sie ist mangels ausreichender Begründung unzulässig, soweit sie sich auf die Verurteilung im Rahmen der Widerklage bezieht. Insoweit fehlt es an einer ausreichenden Berufungsbegründung.

Nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Eine Berufungsbegründung genügt diesen Anforderungen nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Dies bedingt eine argumentative Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung (vgl. etwa BAG 18. Mai 2011 – 4 AZR 552/09 – Rn. 14, juris).

Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung im Hinblick auf die Verurteilung zur Zahlung restlicher Ausbildungsvergütung und zur Erteilung von Gehaltsabrechnungen nicht. Hinsichtlich der Gehaltsabrechnungen enthält die Berufungsbegründung keinerlei Ausführungen. Hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung von Ausbildungsvergütung wird lediglich ausgeführt, die Widerklageforderung bestehe in Folge einer hilfsweise erklärten Aufrechnung nicht, ohne näher auszuführen, wann genau im laufenden Verfahren eine Hilfsaufrechnung erklärt worden sein soll, was tatsächlich auch nicht geschehen ist.

Im Übrigen, d.h. soweit der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 3.800,- EUR nebst Zinsen begehrt, ist die Berufung zulässig. Das Rechtsmittel ist an sich statthaft, die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und -insoweit in Anwendung der oben dargestellten Grundsätze auch inhaltlich ausreichend- begründet.

II.

Soweit zulässig hat die Berufung auch überwiegend Erfolg. Der Beklagte muss an den Kläger 3.800,- EUR zahlen. Der Zinsanspruch besteht allerdings nur in Höhe gesetzlicher Verzugszinsen.

1. Ein Zahlungsanspruch folgt allerdings nicht aus § 488Abs. 1 BGB. Unabhängig von der Frage, ob es überhaupt zur Auszahlung von Darlehnsvaluta kam, fehlt es jedenfalls an einem wirksamen Darlehnsvertrag.

a) Ausgehend vom Vortrag des Klägers handelte es sich vorliegend um einen sog. Verbraucherdarlehnsvertrag, der nach § 492 Abs. 1 Satz 1 BGB der Schriftform bedurfte, an der es fehlt. Der Vertrag ist damit nach § 125 Satz 1 BGB nichtig.

Gem. § 126 Abs. 2 BGB ist die gesetzliche Schriftform bei Verträgen nur gewahrt, wenn beide Vertragsparteien die Vertragsurkunde unterzeichnen oder wechselseitig unterschriebene, inhaltlich übereinstimmende Urkunden vorliegen. Auch einer der Ausnahmetatbestände des § 492 Abs. 1 Satz 2, 3 BGB liegt nicht vor.

b) Ein Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne des § 491 Abs. 1 BGB liegt vor. Nach dem Vortrag des Klägers hat dieser bei der behaupteten Hingabe des Darlehens als Unternehmer gemäß § 14 Abs. 1 gehandelt hat. Er hat bei Abschluss des Vertrages in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit gehandelt. Der Kläger betreibt einen Friseursalon und übt damit eine gewerbliche Tätigkeit aus. In Ausübung dieser Tätigkeit handelt er immer, wenn sein Handeln nach seinem objektiven Erscheinungsbild seinem Gewerbezweck zuzuordnen ist (MünchKommBGB, 7. Aufl. 2015 / Micklitz/Purnhagen, § 14 Rn. 18). Das Darlehen wurde dem Beklagten nach dem klägerischen Vortrag aus Anlass des zwischen ihnen bestehenden Ausbildungsverhältnisses gewährt.

Der Beklagte seinerseits war Verbraucher im Sinne des § 13 BGB, da sein Handeln nicht seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Ob eine solche Tätigkeit darin zu sehen ist, dass er den Darlehensvertrag aus Anlass des Ausbildungsverhältnisses abgeschlossen hat, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (MünchKommBGB, 7. Aufl. 2015 / Micklitz/Purnhagen, § 13 rn. 57 m. w. N.), kann vorliegend aber dahinstehen. Denn jedenfalls bei Abschluss eines Darlehensvertrages mit seinem Arbeitgeber ist auch der Arbeitnehmer grundsätzlich Verbraucher. Dies zeigt sich in der Vorschrift des § 491 Abs. 2 Nr. 4 BGB, die solche Darlehen teilweise aus dem Anwendungsbereich der §§ 491 ff. BGB herausnimmt. Dies wäre unnötig, wenn Arbeitnehmer in solchen Fällen generell nicht als Verbraucher anzusehen wären, da dann die §§ 491 ff. BGB, die sich allein auf Verbraucherdarlehensverträge beziehen, ohnehin nicht anwendbar wären.

c) Der vom Kläger vorgetragene Darlehensvertrag ist auch nicht nach § 491 Abs. 2 Nr. 4 BGB vom Anwendungsbereich des Verbraucherdarlehensrechts ausgenommen. Es wurden keine günstigeren als die marktüblichen effektiven Jahreszinsen vereinbart. Das Darlehen sollte mit 6,99 % p.a. verzinst werden. Dies liegt nicht unter den marktüblichen Bedingungen. Maßstäbe für die Marktüblichkeit sind die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten marktüblichen effektiven Jahreszinsen (BeckOK-BGB Stand 01.05.2015 / Cosima Möller, § 491 BGB Rn. 48). Dabei ist auf den Zeitpunkt der Darlehensgewährung abzustellen. Die Darlehensgewährung zog sich über fünf Monate im Zeitraum Januar bis Mai 2013 hin. Erst im Mai 2013 ist das Darlehen also endgültig gewährt worden. Damals betrug der marktübliche effektive Jahreszins weniger als 6,99%, nämlich 6,91% (Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank, https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Statistiken/Geld Und Kapital maerkte/Zinssaetze Renditen/S11BATRAT.pdf? blob=publicationFile).

2. Der Beklagte ist aber zur Zahlung von 3.800 EUR nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet.

a) Unter Berücksichtigung der Umstände des Falles und des Ergebnisses der Beweisaufnahme steht zur ausreichenden Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte vom Kläger 3.800,- EUR erhalten hat.

Die Kammer stützt sich zunächst auf die „Bestätigung“ mit Datum vom 23.05.2013.

Es kann dahinstehen, ob es sich bei der „Bestätigung“ um eine Quittung im Sinne des § 368 Satz 1 BGB handelt. Auch eine nicht ordnungsgemäß erteilte Quittung kann Beweis über den Empfang der in ihr bezeichneten Leistung erbringen (BGH 28.09.1987 –II ZR 35/87-, NJW-RR 1988,881).

Eine Erklärung mit dem Inhalt der „Bestätigung“ wird nicht abgegeben, wenn der Erklärende nicht auch die in einer solchen Bestätigung genannte Leistung erhalten hat.

Bei der „Bestätigung“ handelt sich um eine Privaturkunde. Steht bei einer solchen die Echtheit der Namensunterschrift fest, so hat nach § 440 Abs. 2 ZPO die über der Unterschrift stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich, § 440 Abs. 2 ZPO. Ist der Text über der Unterschrift von dem Aussteller weder geschrieben noch verfasst, erstreckt sich diese Vermutung darauf, dass der Urkundeninhalt dem Willen des Unterzeichners entspricht. Die Vermutung gilt auch bei Blankounterschriften und selbst bei Blankettmissbräuchen durch vereinbarungswidrige Verwendung von Unterschriften (BGH 12.03.2015 –V ZR 86/14- NJW-RR 2015, 819, Rz. 17). § 440 Abs. 2 ZPO enthält eine Beweislastanordnung in Form einer widerleglichen gesetzlichen Vermutung. Gegen die Vermutung ist nach § 292 Abs. 2 ZPO (nur) der Beweis des Gegenteils zulässig. Bei einem behaupteten Blankettmissbrauch hat der Aussteller allerdings die nicht vereinbarungsgemäße Ausfüllung des Blanketts zu beweisen (BGH aaO.).

Nach dem Ergebnis des sorgfältig und ausführlich begründeten, in sich widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Sachverständigengutachtens, welches sich auf eine Vielzahl durchgeführter Untersuchungen stützt und auch von den Parteien nicht in Frage gestellt wurde, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Beklagte die auf der „Bestätigung“ befindliche Unterschrift eigenhändig geschrieben hat, mithin von der Echtheit der Unterschrift. Wenn auch nach eigenem Vortrag des Klägers der über der Unterschrift stehende Text nicht vom Beklagten verfasst wurde, erstreckt sich die Vermutung in Anwendung der o.g. Grundsätze auch darauf, dass der Urkundeninhalt dem Willen des Beklagten entsprach. Der Beklagte seinerseits hat diese Vermutung nicht widerlegt, insbesondere kein Beweisangebot für seine Behauptung, der Kläger habe den Text über der Unterschrift abredewidrig hinzugefügt bzw. hinzufügen lassen, unterbreitet. Ein Beweis des Gegenteils bzw. des Blankettmissbrauchs liegt damit nicht vor. Diese Beweiskraft der Urkunde entfällt auch nicht nach § 419 ZPO. Zwar weist die Urkunde vor der Jahresangabe „2013“ in der ersten Zeile eine Streichung auf. Diese wirkt sich aber auf den eigentlichen Inhalt nicht aus und befindet sich an einer Stelle der Urkunde, die eine sinnverfälschende Streichung ausschließt. Im Übrigen hat der Beklagte keine Abrede bezüglich der Verwendung eines eventuellen Blanketts dargelegt, sondern darauf verwiesen, dem Beklagten schlicht Unterschriften überlassen zu haben.

Auch sonstige Gesichtspunkte führen nicht zum Entfall der Vermutungswirkung. Soweit der Beklagte geltend macht, es sei unwahrscheinlich, dass eine solche Urkunde an dem Tag, an welchem das Ausbildungsverhältnis gekündigt worden sei, errichtet werde, stellt dies kein gegen die Echtheit sprechendes Indiz dar. Im Gegenteil ist es durchaus nachvollziehbar, dass dann, wenn das Ausbildungsverhältnis beendet wird, die Überlassung eines „Darlehnsbetrags“ und die Modalitäten der Rückzahlung schriftlich festgehalten werden.

Ebenso wenig führt die geringe Ausbildungsvergütung zu einer anderen Bewertung. Ausbildungsverhältnisse werden auch aus Sicht des Ausbilders oft in der Erwartung der nachfolgenden Übernahme in ein Arbeitsverhältnis mit dann höherem Verdienst geschlossen.

b) Ein Rechtsgrund für die erlangte Leistung besteht nicht.

Ein wirksamer Darlehnsvertrag besteht wie ausgeführt aufgrund Formnichtigkeit nicht.

Ein Rechtsgrund folgt auch nicht aus einer möglichen Betrachtung der „Bestätigung“ als Schuldanerkenntnis. Weder ein abstraktes (= konstitutives), noch ein deklaratorisches (= kausales) Schuldanerkenntnis liegt hier vor.

Ein abstraktes Schuldanerkenntnis liegt vor, wenn die Parteien einen neuen, vom ursprünglichen Schuldverhältnis und dessen wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen gelösten, Schuldgrund schaffen wollen (BGH Urteil vom 14.10.1998 – XII ZR 66/97 – NJW 1999, 574 zum Schuldversprechen, für das aber wegen der strukturellen Gleichheit beider Rechtsinstitute die gleichen Beurteilungsmaßstäbe wie für das abstrakte Schuldanerkenntnis gelten, vgl. MünchKommBGB, 6. Aufl. 2013, / Habersack, § 781 BGB Rn. 2). Dazu ist die Erklärung nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Die Auslegung ergibt hier, dass kein abstraktes Schuldanerkenntnis gewollt war. Dies folgt aus den angegebenen Rückzahlungsmodalitäten, wonach monatliche Raten von 100,00 EUR und eine Verzinsung von 6,99% pro Jahr vereinbart waren. Wäre eine selbständige Regelung gewollt gewesen, hätten an diesem Punkt Vereinbarungen folgen müssen, was bei Eintritt eines Ratenverzugs geschehen und wie es sich mit der Verzinsungspflicht bei Gesamtfälligstellung des Darlehns verhalten soll. Nur dann wäre das Geschäft wirklich abstrakt; denn es ist nicht anzunehmen, dass etwa bei der Gesamtfälligstellung die dann fällige Summe aus dem Darlehensvertrag und daneben noch weitere Ratenzahlungen aus dem Schuldanerkenntnis verlangt werden können sollte. Die Vereinbarung geht vielmehr dahin, zu fixieren und unstreitig zu stellen, was einst mündlich abgemacht worden war. Dies gilt umso mehr, als an diesem Tag auch das Ausbildungsverhältnis durch den Beklagten gekündigt worden war. Hier bot sich anhand der Umstände eine schriftliche Fixierung der Verhältnisse an.

Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis setzt ein bereits bestehendes Schuldverhältnis, das geregelt werden soll, voraus (Palandt 74. Aufl. 2015 /Sprau, § 781 BGB Rn. 2). Daraus folgt seine Nichtigkeit, wenn das zugrundeliegende Schuldverhältnis seinerseits nichtig ist (BGH Urteil vom 29.09.1987 – VI ZR 300/86 – NJW 1988, 1782). Der behauptete Darlehensvertrag ist jedenfalls nichtig (s. o.), was die Nichtigkeit eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses zur Folge hat.

3. Ein Zinsanspruch besteht nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Er folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB. Der Beklagte fand sich durch das Rückzahlungsbegehren, das in der Kündigung des Darlehensvertrages vom 08.07.2013 zum 31.10.2013 geltend gemacht wurde, ab dem 01.11.2013 in Verzug. Das Schreiben enthielt eine Mahnung. Eine solche liegt immer vor, wenn der Schuldner aufgefordert wird, die geschuldete Leistung zu erbringen. Dies war die Rückzahlung der 3.800,00 EUR, wozu er im Kündigungsschreiben unter Fristsetzung aufgefordert wurde.

4. Ein darüber hinausgehender Zinsanspruch besteht nicht. An einem im Rahmen eines Darlehnsvertrags vereinbarten höheren Zinssatz fehlt es infolge der Formnichtigkeit. Aus § 818 Abs. 1 BGB folgt kein höherer Zinssatz. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass der Beklagte Nutzungen aus dem überlassenen Betrag, etwa durch ersparte Zinsen für ein sonst notwendiges Bankdarlehn, gezogen hat.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Ein Revisionszulassungsgrund besteht nicht.

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