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Arbeitnehmerentlassung aus Quarantäne wegen Corona-Infektion

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 1 Sa 223/21 – Urteil vom 26.11.2021

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 06.05.2021 – Az. 1 Ca 1130/20 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs Vergütungsansprüche für den Zeitraum 29.08.2020 bis zum 30.10.2020 zustehen.

Der Kläger war bei der Beklagten, einem Unternehmen des Dachdeckerhandwerks, vom 25.05.2020 bis zum 30.10.2020 als Werker bei einer Bruttomonatsarbeitsvergütung von 2.300,- EUR beschäftigt. Auf einer Urlaubsreise in den Kosovo infizierte sich der Kläger mit dem Corona-Virus, was nach Rückkehr zur Anordnung einer Quarantäne durch das zuständige Gesundheitsamt am 19.08.2020 führte. Die Quarantäne endete am 28.08.2020.

Mit Schreiben vom 02.09.2020 (Bl. 8 d.A.) bescheinigte das zuständige Gesundheitsamt dem Kläger, dass die häusliche Quarantäne mit Ablauf des 26.08.2020 habe beendet werden können.

Das zuständige Gesundheitsamt teilte auf Anfrage der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 25.01.2021 (Bl. 59 f. d.A.) mit, dass im Schreiben vom 02.09.2020 aufgrund eines Tippfehlers als Beendigungsdatum der Quarantäne irrtümlich der 26.08. und nicht der 28.08.2020 aufgeführt sei und teilte zum Geschehensablauf auszugsweise Folgendes mit:

„Herr wurde erstmals am 15.08.2020 positiv auf das Coronavirus SARS-CoV 2 getestet. Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass Herr bereits am 12.08.2020 für das Coronavirus typische Symptome in Form von Fieber aufzeigte. Im August 2020 war seitens des Robert-Koch-Institutes die Empfehlung herausgegeben worden, dass sich positiv getestete Personen 14 Tage ab Symptombeginn absondern sollen. Dieser Empfehlung schlossen wir uns mit der Verfügung vom 19.08.2020 entsprechend an.

Demnach wurde Herrn eine Quarantäne angeordnet bis einschließlich 26.08.2020. Allerdings wurde ebenfalls in der Verfügung darauf hingewiesen, dass die Quarantäne nur bei mind. 48-stündiger Symptomfreiheit und im Einvernehmen des ärztlichen Personals unter Beteiligung der Amtsleitung des Gesundheitsamtes endet.

Am 26.08.2020 war die Voraussetzung der 48-stündigen Symptomfreiheit noch nicht gegeben, weshalb die Quarantäne durch unser ärztliches Personal um zwei Tage verlängert werden musste. Zudem wurde am o.g. Tag ein erneuter Abstrich durchgeführt, so dass ohnehin ein Abwarten des Ergebnisses erforderlich war.

Am 28.08.2020 wurde durch unser ärztliches Personal erneut Kontakt mit Herrn aufgenommen. Zunächst einmal wurde festgestellt, dass Herr 48 Stunden symptomfrei war. Der Abstrich ergab zwar weiterhin ein positives Ergebnis; allerdings mit einem hohen Ct-Wert von über 30. Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zufolge ist ab einem Ct-Wert von über 30 aus einer Probe kein Virus mehr anzüchtbar, sodass die Person nicht mehr infektiös, also ansteckend ist.

Von Herrn ging demnach keine Gefahr mehr für Leib und Leben andere aus, sodass die Entlassung aus der Quarantäne mit Ablauf des 28.08.2020 gerechtfertigt war.“

Der im genannten Schreiben angesprochene CT-Wert ist ein Indikator für die Viruslast einer infizierten Person. Ein hoher CT-Wert bedeutet, dass eine Person eine niedrige Viruslast hat. Ein niedriger CT-Wert sagt aus, dass eine Person eine hohe Viruslast aufweist. Nach den Verlautbarungen des Robert-Koch-Instituts gilt ein CT-Wert von größer 30 als Richtwert dafür, dass ein Infizierter nicht ansteckend ist (vgl. etwa RKI, „COVID-19: Entlassungskriterien aus der Isolierung – Orientierungshilfe für Ärztinnen und Ärzte“, abrufbar unter www.rki.de).

Das Angebot des Klägers, wieder zu arbeiten, lehnte die Beklagte mit E-Mail vom 28.08.2020 (Bl. 63 d.A.) ab und verwies darauf, dass bei zweimaligem positiven Corona-Testergebnis das Ansteckungsrisiko für das Unternehmen und die dort beschäftigten Mitarbeiter zu groß sei. Die Beklagte verlangte in dieser E-Mail die Vorlage eines negativen Testergebnisses. Der Kläger legte in der Folge die Bescheinigung des Gesundheitsamtes vom 02.09.2020 vor sowie ein ärztliches Attest vom 25.09.2020, in dem der Hausarzt bescheinigte, dass der Kläger keinerlei grippalen Symptome aufweise und arbeitsfähig sei. Hinsichtlich des Ablaufs des Mail-Verkehrs wird auf Seiten 16 ff. der Berufungsbegründung (Bl. 182 ff. d.A). Bezug genommen.

Mit gewerkschaftlichen Schreiben vom 30.10. und 09.11.2020 (Bl. 10 ff. d.A.) machte der Kläger die streitgegenständlichen Vergütungsansprüche geltend. Die auf deren Zahlung gerichtete Klage wurde der Beklagten am 28.12.2020 zugestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts und des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 6. Mai 2021, Az.1 Ca 130/20 (Bl. 125 ff. d.A.).

Soweit für das Berufungsverfahren von Interesse hat das Arbeitsgericht mit dem genannten Urteil die Beklagte verurteilt, an den Kläger zu zahlen

– 109,52 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.09.2020 (Annahmeverzugslohn 31.08.2020)

– 2.300 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.10.2020 (Annahmeverzugslohn September 2020)

– -2.300 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.11.2020 (Annahmeverzugslohn Oktober 2020).

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht -zusammengefasst- ausgeführt:

Nach Angebot der Arbeitsleistung ab dem 29.08.2020 und die Ablehnung derselben durch die Beklagte bereits am 28.08.2020 sei diese in Annahmeverzug geraten. Sie trage die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Kläger tatsächlich noch ansteckend gewesen sei. Der Kläger habe insoweit alle notwendigen Mitwirkungshandlungen erbracht, aus denen die Beklagte ersehen könne, dass der Kläger nach damaligem und heutigem Stand der Wissenschaft nach Entlassung aus der Quarantäne nicht mehr ansteckend gewesen sei. Hierfür spreche die Tatsache der Entlassung aus der Quarantäne selbst sowie der im Test vom 27.08.2020 ausgewiesene CT-Wert von über 30. Ein einfaches Bestreiten dieser Informationen durch die Beklagte reiche nicht aus, ebenso wenig das Bestreiten der Aussagekraft des CT-Werts für die Infektiosität des Klägers. Die Beklagte hätte vielmehr substantiiert, z.B. durch Darlegung anderslautender wissenschaftlicher Erkenntnisse darlegen und ggfs. beweisen müssen, dass auch Personen mit einem CT-Wert von größer 30 ein erhöhtes Ansteckungsrisiko für andere Personen aufweisen.

Unerheblich sei, dass die Beklagte ohne Verschulden nicht beurteilen habe können, ob vom Kläger auch nach dem 27.08.2020 noch ein Ansteckungsrisiko ausgegangen sei. Es käme allein darauf an, ob der Kläger objektiv nicht mehr ansteckend gewesen sei oder nicht.

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 26.05.2021 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 23.06.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 27.07.2021 bis zum 26.08.2021 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 26.08.2021, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet.

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte mit dem genannten Schriftsatz vom 26.08.2021, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 167 ff. d.A.), im Wesentlichen geltend:

Da der Kläger die Beklagte nach Entlassung aus der Quarantäne bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses über eine eventuell noch bestehende Infektionsgefahr im Unklaren gelassen habe, sei sie nicht verpflichtet gewesen, ihn zu beschäftigen. Insbesondere im Hinblick auf die ihr gegenüber den weiteren Mitarbeitern obliegende Fürsorgepflicht sei sie berechtigt und verpflichtet gewesen, vom Kläger die Vorlage einer einer ärztlichen oder gesundheitsamtlichen Bescheinigung zu verlangen, die einen negativen Corona-Test oder eine nicht mehr von dem Kläger ausgehende Infektionsgefahr bestätige. Obwohl auch in der Folgezeit positive Testergebnisse vorlagen, habe der Kläger ausweislich der vorgelegten Mails trotz mehrfacher Aufforderung und auch des Hinweises darauf, dass das ärztliche Attest der Allgemeinpraxis E.E. vom 29.09.2020 nicht ausreichend sei, kein entsprechendes Testergebnis oder eine ärztliche Bescheinigung dahingehend, dass er nicht mehr ansteckend sei, beigebracht. Der Kläger habe damit gerade nicht die notwendigen Mitwirkungshandlungen erbracht. Deshalb sei es der Beklagten unzumutbar gewesen, den Kläger zu beschäftigen.

Der Kläger habe die von der Beklagten dargelegten Indizien, aus denen auf eine Leistungsunfähigkeit geschlossen werden könne, nicht hinreichend erschüttert und insbesondere außergerichtlich weder mitgeteilt, dass bei dem positiven Testergebnis vom 26.08.2020 ein angeblich unkritischer CT-Wert von über 30 festgestellt worden sei, noch eine entsprechende Bescheinigung vorgelegt. Über die angeblich nicht mehr bestehende Infektionsgefahr habe sie erst durch die im Laufe des vorliegenden Verfahrens vorgelegten Unterlagen erfahren. Dass zum damaligen Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Beschäftigung des Klägers nicht vorgelegen hätten, könne von Rechts wegen nicht nachträglich in annahmeverzugsbegründender Weise dadurch geheilt werden, dass der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 02.02.2021 entsprechende Unterlagen vorgelegt hat. Auch habe es das Arbeitsgericht unterlassen, der Behauptung der Beklagten, bis heute gäbe es keine gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis dafür, dass bei einem CT-Wert von über 30 keine Ansteckungsgefahr mehr bestehe, durch Erhebung des angebotenen Beweises (sachverständiges Zeugnis des Prof. Dr. F. F.) nachzugehen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 06.05.2021, Az. 1 Ca 1130/20 teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil mit seiner Berufungserwiderung vom 17,09.2021, auf die Bezug genommen wird (Bl, 200 ff. d.A.), als zutreffend.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist an sich statthaft nach § 64 Abs. 1 und 2 c) ArbGG. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO.

II.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass dem Kläger im Zeitraum 29.08.2020 bis 30.10.2021 Vergütungsansprüche unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zustehen, § 611a Abs. 2, § 615 Satz 1 BGB.

1.

Zwischen den Parteien bestand im fraglichen Zeitraum ein Arbeitsverhältnis.

Es kann offenbleiben, wann genau der Kläger seine Arbeitsleistung zumindest wörtlich angeboten hat und ob ein solches nur wörtliche Angebot ausreichend war.

Nach dem Wortlaut des § 295 BGB genügt ein wörtliches Angebot, wenn der Gläubiger zuvor erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde (ErfK/Preis, 22. Aufl., § 615 BGB Rz. 20). Die entsprechende Mail der Beklagten vom 28.08.2020, aus der sich ergibt, dass die Beklagte nicht bereit war, die Arbeitsleistung des Klägers entgegenzunehmen, stellt aber offensichtlich eine Reaktion auf ein zuvor seitens des Klägers erklärtes wörtliches Angebot dar.

Ein Angebot der Arbeitsleistung ist aber insgesamt entbehrlich, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die Leistung anzunehmen, beharrt

(BAG 16.04.2013 -9 AZR 554/11-, Rz. 17, juris). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Aus der Mail der Beklagten vom 28.08.2020 ergibt sich, dass die Beklagte sich ernsthaft und endgültig weigerte, die Arbeitsleistung des Klägers ohne Vorlage eines negativen Testergebnisses entgegenzunehmen.

2.

Der Eintritt des Annahmeverzugs scheiterte auch nicht nach § 297 BGB an einem Unvermögen des Klägers zur Leistungserbringung.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im fraglich Zeitraum infolge der Infektion aus gesundheitlichen Gründen gehindert war, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, bestehen nicht. Schon die Entlassung aus der Quarantäne bedingte eine zuvor bestehende Symptomlosigkeit.

3.

Der Eintritt des Annahmeverzugs scheitert vorliegend auch nicht daran, dass der Beklagten die Annahme der Arbeitsleistung unzumutbar gewesen wäre.

Der Annahmeverzug des Arbeitgebers setzt voraus, dass er die Annahme der Dienste des Arbeitnehmers ohne einen vom Recht anerkannten Grund verweigert hat. Er ist berechtigt, die Arbeitsleistung abzulehnen, wenn ihm die Weiterbeschäftigung unter Berücksichtigung der dem Arbeitnehmer zuzurechnenden Umstände nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist (BAG 26.10.1956 – GS 1/56 –, Rn. 21; 29.10.1987 – 2 AZR 144/87 –, Rn. 17; 16.04.2014 -739/11-, Rn. 17, juris).

Auf einen vom Recht anerkannten Grund, der zur Verweigerung der Annahme der Leistung berechtigen würde, kann sich die Beklagte nicht berufen.

a)

Die Rechtsordnung regelte für den hier fraglichen Zeitraum die Abwehr der durch eine infizierte Person für Andere ausgehenden Gefahren in Rheinland-Pfalz dergestalt, dass die jeweils zuständigen Kreisverwaltungen (§ 2 Landesverordnung zur Durchführung des Infektionsschutzgesetzes) gestützt auf § 16 Abs. 1, § 28 Abs. 1, § 30 Abs. 1 IFSG in der ab dem 27.06.2020 geltenden Fassung die notwendigen Maßnahmen zur Abwehr der Gefahr zu treffen hatte. EineLandesverordnung zur Absonderung von mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten oder krankheitsverdächtigen Personen existierte für den hier fraglichen Zeitraum noch nicht. Die hier zuständige Kreisbehörde -Gesundheitsamt- war damit als hierfür fachlich kompetente Behörde berufen, die Gefahrenlage für andere Menschen durch die Infektion des Klägers und die Beendigung dieser Gefahrenlage zu beurteilen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Gefahrenbeurteilung im vorliegenden Fall fehlerhaft erfolgte, bestehen nicht. Ausweislich des Schreibens der Kreisverwaltung vom 25.01.2021 erfolgte die Beendigung der Quarantäne in Anwendung der hierfür vom Robert-Koch-Institut (RKI) erlassenen Empfehlungen. Diesen kommt fachlich besonderes Gewicht zu, da das RKI nach § 4 IFSG die von der Rechtsordnung vorgesehene Institution ist, die auf wissenschaftlicher Grundlage und Analyse dazu berufen ist, entsprechende Empfehlungen auszusprechen (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 IFSG). Nach diesen Empfehlungen war aber die Entscheidung über eine Beendigung der Quarantäne nicht rein von einem negativen Testergebnis abhängig, sondern knüpfte an eine bestimmte zeitliche Dauer der Absonderung, eine bestehende Symptomfreiheit und an den CT-Wert des Tests als Parameter für die Viruslast an.

Auch nachdem in Rheinland-Pfalz die Voraussetzungen der Beendigung einer Absonderung durch eine Landesverordnung zur Absonderung von mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten oder krankheitsverdächtigen Personen (AbsonderungsVO) geregelt wurde (erstmalig durch die AbsonderungsVO vom 8.12.2020), endete eine Absonderung nicht erst bei Vorliegen eines negativen Testergebnisses. Vielmehr ging der Verordnungsgeber davon aus, dass eine gefährdende Infektiosität jedenfalls nach Ablauf bestimmter Zeiträume nach Feststellung der Infektion endet (§ 2 der AbsonderungsVO vom 8.12.2020). Dieses Regelungsmodell gilt bis heute (§ 2 AbsonderungsVO vom 17.9.2021).

Die Beklagte hat damit durch ihre Forderung eines negativen Testergebnisses als Voraussetzung für die Annahme der Arbeitsleistung des Klägers eine Voraussetzung aufgestellt, die nicht in Einklang mit der Gefahrbewertung durch die hierzu berufenen Stellen steht. Sie kann sie sich nicht auf einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund berufen.

b)

Hinzu kommt, dass die Rechtsordnung die Verarbeitung von Gesundheitsdaten grundsätzlich untersagt, Art. 9 Abs. DSGVO. Zur Verarbeitung gehört auch die Erhebung solcher Daten, Art. 4 Nr. 2 DSGVO. Bei den durch einen Corona-Test gewonnenen Daten handelt es sich um Gesundheitsdaten. Eine gesetzliche Grundlage hierfür bestand nicht und die Erhebung dieser Daten ist auch durch keinen der in Art. 9 Abs. 2 DSGVO genannten Grund gerechtfertigt. Auch in dieser Hinsicht ist die von der Beklagten erhobene Forderung nicht durch einen rechtlich anerkannten Grund gedeckt.

c)

Eine Unzumutbarkeit der Annahme der Arbeitsleistung folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte aufgrund der ihr obliegenden Fürsorgepflicht für Leben und Gesundheit anderer Arbeitnehmer, § 618 Abs. 1 BGB, verpflichtet gewesen wäre, die Beschäftigung des Klägers abzulehnen. Wenn die hierfür zuständigen staatlichen Stellen gestützt auf die vom hierzu berufenen RKI ausgesprochenen Empfehlungen zu der Einschätzung gelangen, dass im Interesse der Vermeidung einer Weiterverbreitung der Infektion keine weiteren Maßnahmen mehr erforderlich sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung jedenfalls dann auch keine weitergehende Verpflichtung des Arbeitgebers zu Maßnahmen nach § 618 Abs. 1 BGB, wenn es sich wie vorliegend um einen Betrieb des Dachdeckerhandwerks handelt, bei dem nicht ersichtlich ist, dass die Einhaltung allgemeiner Schutzmaßnahmen (Abstand, Maske, Hygieneregeln) nach der Art der erbrachten Leistungen nicht möglich ist.

Der Beklagten war damit die Annahme der Arbeitsleistung des Klägers nicht unzumutbar

d)

Offen bleiben kann, ob die Beklagte im Interesse der Aufrechterhaltung des Betriebsablaufs (vgl. dazu etwa Adjan/Lettmeier, „Der vorsichtige Arbeitgeber“: Einseitige Freistellung als Schutzmaßnahme in der Pandemie, NZA 2021, 161, 164) berechtigt war, den Kläger einseitig freizustellen. Rechtsfolge einer solchen Freistellung ist der Fortbestand des Vergütungsanspruchs nach § 611a Abs. 2, § 615 Satz 1 BGB (Adjan/Lettmeier, aaO.).

3.

Somit bestehen Vergütungsansprüche des Klägers nach § 611a Abs. 2, § 615 Satz 1 BGB für einen Arbeitstag im August 2020 sowie für die Monate September und Oktober 2020 in der vom Arbeitsgericht zutreffend ermittelten Höhe. Die Forderungen wurden durch Schreiben der den Kläger vertretenden Gewerkschaft vom 30.10. und 09.11.2020 sowie durch am 28.12.2020 erfolgte Zustellung der Klage rechtzeitig schriftlich im Sinne von § 54 Abs. 1, 2 RTV Dachdeckerhandwerk geltend gemacht. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 3 288 Abs. 1 BGB. Die Fälligkeit der Vergütungsansprüche trat nach § 25 Nr. 2 RTV Dachdeckerhandwerk a 15. des jeweiligen Folgemonats ein.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Ein Revisionszulassungsgrund nach § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.

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