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Arbeitnehmerhaftung wegen Pfandbonmanipulation

LAG Rheinland-Pfalz, Az.: 9 Sa 357/11, Urteil vom 27.04.2012

Haftung des Arbeitnehmers wegen Pfandbonmanipulation

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 14.04.2011, Az.: 6 Ca 350/10, wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das gesamte Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 8.125,- EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.05.2010 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Arbeitnehmerhaftung wegen Pfandbonmanipulation
Symbolfoto: Christian Horz/Bigstock

Die Beklagte ist bei der Klägerin seit dem 01.07.2008 als Kassenkraft beschäftigt. Sie wurde in einem Getränkemarkt der Fa. G. eingesetzt. Der Beklagten oblag hierbei u.a. die Abwicklung von Leergutrücknahmen. Soweit solche von den Kunden nicht über entsprechende Rücknahmeautomaten erfolgen, wird zur Rücknahme an einer Bon-Kasse ein Leergutbon erstellt. Die ausgedruckten Bons werden sodann mittels eines Scanners in einer Registrierkasse erfasst und der jeweilige Pfandbetrag an den betreffenden Kunden ausgezahlt oder mit einem Neueinkauf verrechnet.

Im Zeitraum von Januar 2009 bis Januar 2010 erstellte die Beklagte an der Pfandkasse manuell Pfandbons, ohne dass dem Leergutrücknahmen zu Grunde lagen.

Die ausgedruckten Bons speiste die Beklagte dann mittels des Scanners in die Registrierkasse ein und entnahm der Kasse den eingescannten Betrag unbefugt.

Vor Aufnahme der Kassiertätigkeiten ist es erforderlich, dass die jeweilige Kassiererin sich an der Kasse mittels eines jeder Kassiererin zugeordneten, eigenen Barcodes an der Kasse an- bzw. abmeldet. Jeder Kassiererin ist insoweit eine eigene Bedienernummer zugeordnet. Bei Verlassen der Kasse, etwa bei Rauchpausen oder Toilettengängen ist es üblich, dass die jeweilige Kassiererin sich nicht abmeldet, sondern an der Kasse angemeldet bleibt. Ist eine Kassiererin unter ihrer Bedienernummer im Kassensystem angemeldet, kann unter der gleichen Nummer keine weitere Anmeldung im Kassensystem erfolgen.

Bei Pfandrückgaben fallen mit Ausnahme der Rückgabe von Bierfässern aufgrund der Pfandbetragsgestaltung nicht glatte Euro-Beträge an, sondern ungerade Beträge. Lediglich Bierfässer haben einen Pfandwert in Höhe von je 50,– €.

Die Kassiervorgänge bei manuellen Pfandrückgaben werden vom Kassensystem elektronisch erfasst. Die Firma G. nahm hinsichtlich der Bedienernummer der Beklagten anhand dieser elektronischen Erfassung eine Auswertung für den Zeitraum 02.01.2009 bis 21.01.2010 vor. Unter der Bedienernummer der Beklagten wurden in diesem Zeitraum zahlreiche Pfandrückgaben über glatte Euro-Beträge über 25,–, 40,–, 50,–, 100,–, 150,– und 200,– € registriert. Hierbei finden sich in großer Zahl auch mehrere derartiger Buchungsvorgänge an einem Tag. Die Summe derartiger Buchungen im genannten Zeitraum beläuft sich auf 29.845,– €.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Liste der Buchungen gemäß Bl. 3 ff. d. A. Bezug genommen.

Die Beklagte räumt ein, Pfandbonmanipulationen vorgenommen und Geld für sich vereinnahmt zu haben. Sie beziffert den von ihr entnommenen Betrag auf ca. 3.000,– € bis 5.000,– €. Gegen die Beklagte erging ein zwischenzeitlich rechtskräftiger Strafbefehl des Amtsgerichts B-Stadt (Bl. 59 ff. d. A.). Dieser ging von 102 Tattagen und einem von der Beklagten vereinnahmten Gesamtbetrag in Höhe von 21.720,– € aus. Die Klägerin macht im vorliegenden Verfahren gegen die Beklagte einen Schadenersatzanspruch in Gesamthöhe von 29.845,– € geltend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 14.04.2011, Az.: 6 Ca 350/10 (Bl. 137 ff. d. A.).

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 21.720,– € nebst gesetzlicher Verzugszinsen seit dem 08.05.2010 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht -zusammengefasst- ausgeführt: Der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Schadenersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 246 StGB in Höhe von 21.720,– € zu. Nachdem feststehe, dass sich dann, wenn eine Kassiererin unter ihrer Bedienernummer im Kassensystem angemeldet habe, keine weitere Anmeldung unter dieser Bedienernummer erfolgen könne, sei es unerheblich, dass in einem Schrank im Kassenhäuschen kopierte Barcodes vorhanden gewesen sein sollen. Ein Zugriff durch einen Dritten wäre aufgrund der zuvor erfolgten Anmeldung unter der Bedienernummer der Beklagten an der Kasse der Beklagten selbst nicht möglich gewesen. Rein theoretisch wäre hierzu nur die Zeit in Betracht zu ziehen, in der die Beklagte die Toilette aufgesucht oder eine kurze Kaffeepause eingelegt habe. Zwar sei in solchen Zeiten das Kassenhäuschen nicht abgeschlossen gewesen, jedoch könne nicht allen Ernstes davon ausgegangen werden, dass gerade in dieser Zeit ein Kunde oder ein anderer Mitarbeiter die Gelegenheit genutzt habe, um sowohl einen falschen Bon zu erstellen, dann in der Registrierkasse zu scannen und das jeweilige Geld zu entnehmen. Es sei davon auszugehen, dass im Getränkemarkt zumindest eine Kasse immer besetzt gewesen sei. Der dort tätigen Mitarbeiterin wäre es sicherlich aufgefallen, wenn ein Fremder oder ein anderer Mitarbeiter sich an dieser Kasse zu schaffen gemacht hätte. Zudem seien die Pausenzeiten gegenüber den übrigen Beschäftigungszeiten als gering anzusehen, so dass es als unrealistisch erscheine, dass in diesem Zeitraum gerade der überwiegende Teil der Unterschlagungen stattgefunden habe solle. Ein Schaden sei jedoch nur in Höhe von 21.720,– € entstanden. Dies sei seitens der Staatsanwaltschaft ermittelt worden.

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 27.05. und der Klägerin am 26.05.2011 zugestellt worden. Die Beklagte hat hiergegen mit Schriftsatz vom 24.06.2011, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Die Klägerin hat am 19.07.2011 Berufung eingelegt und diese innerhalb der mit Beschluss vom 20.07.2011 bis zum 26.08.2011 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 25.08.2011, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, begründet.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiteren Schadenersatzes in Höhe von 8.125,– € nebst Zinsen.

Die Beklagte macht zur Begründung ihrer Berufung und in Erwiderung auf die Berufung der Klägerin nach Maßgabe ihres Berufungsbegründungsschriftsatzes sowie der weiteren Schriftsätze vom 07.10.2011 und 18.01.2012, auf die jeweils ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 161 ff., 214 ff., 231 f. d. A.), im Wesentlichen geltend:

Die Verursachung eines Schadens in der von der Klägerin geltend gemachten oder auch nur in der vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Höhe durch die Beklagte habe die Klägerin nicht darlegen und beweisen können. Sie – die Beklagte – habe den entsprechenden Strafbefehl ohne Anerkenntnis der Richtigkeit und Präjudiz nur deshalb akzeptiert, um zu einer schnellen Erledigung des Strafverfahrens im Interesse der Vermeidung der ansonsten im Strafverfahren anfallenden Kosten und der persönlichen Belastung zu gelangen. Die Klägerin habe alle Umstände zu beweisen, die ihren Anspruch begründen. Dies sei ihr nicht gelungen. Der Verweis auf die Bedienernummer der Beklagten reiche hierzu nicht, da sich im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens herausgestellt habe, dass offensichtlich auch andere Mitarbeiter Manipulationen bezüglich Leergutbons vorgenommen hätten. Für jeden anderen Mitarbeiter sei der Zugriff auf die von der Beklagten geführten Kasse bei kurzen Pausen möglich gewesen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum an den einzelnen Tagen gerade die entsprechenden Beträge ohne Pfandrückgabe geblieben sein sollten. Aufgrund der Nichtabmeldung im Kassensystem bei kurzzeitigen Abwesenheiten habe jeder andere Mitarbeiter, ggf. sogar Dritte Zugang zur Kasse gehabt. Zwar sei es richtig, dass im Getränkemarkt auch in etwa 3 bis 4 Mitarbeiter der Fa. G. tätig gewesen seien und weitere Mitarbeiter einer Fremdfirma zum Sortieren der Flaschen. Auch diese hätten auf die Kasse zugreifen können. In der Zeit von 10.30 Uhr bis 12.30 Uhr sei zudem eine Mitarbeiterin mindestens für 10 Minuten nicht im Kassenhäuschen gewesen, da in diesem Zeitraum der tägliche Geldtransport abzuwickeln gewesen sei. Auch der Kauf bzw. die Pfandrückgabe durch Gaststätten habe zu einer Abwesenheit aus dem Kassenhäuschen geführt. Auch andere Mitarbeiter hätten -wie sich dies aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft ergebe- unter ihrer Bedienernummer Manipulationen vorgenommen. Offensichtlich sei zu Lasten der Bedienernummer der Beklagten diese über ihren eigenen Tatbeitrag hinaus auch von derartigen anderen Kollegen benutzt worden. Insgesamt sei das Tätigwerden der Beklagten in allen Einzelfällen nicht nachgewiesen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 14.04.2011 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie beantragt ferner, das genannte Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 8.125,– € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.05.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Zur Begründung ihrer Berufung und in Erwiderung auf die Berufung der Beklagten macht die Klägerin nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 25.08. und 20.12.2011, auf die wegen der Einzelheiten ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 197 ff., 227 ff. d. A.), zusammengefasst geltend:

Angesichts der räumlichen Situation im Getränkemarkt hätte eine Pfandbonmanipulation mit anschließender Geldentnahme durch andere Kassiererinnen einige Minuten gedauert und wäre sofort aufgefallen. Die diesbezügliche pauschale Behauptung der Beklagten stelle sich als reine Schutzbehauptung dar. Tatsächlich hätte keiner der anderen Mitarbeiterinnen jemals im fraglichen Zeitraum Leergutbons gefälscht. Es sei auch mehr als unglaubwürdig, wenn die Beklagte geltend mache, sie habe den Strafbefehl nur deshalb akzeptiert, um diese Angelegenheit hinter sich zu lassen. Dies sei angesichts der Diskrepanz des dem Strafbefehl zu Grunde gelegten Schadens und des Schadensbetrags, den die Beklagte nach eigener Einlassung lediglich verursacht haben wolle, nicht nachvollziehbar. Den runden Pfandbeträgen über 25,–, 40,–, 50,–, 150,– und 200,– € könnten aufgrund der nicht runden Pfandbeträge keine Leergutrücknahmen gegenüber gestanden haben.

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Die Berufungskammer hat die dem Strafbefehl des Amtsgerichts B-Stadt, Az.: 4105 JS 5354/10 zu Grunde liegenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten zu Informationszwecken beigezogen.

Entscheidungsgründe

I.

Beide Berufungen sind zulässig. Das Rechtsmittel ist jeweils an sich statthaft. Beide Berufungen wurden auch form- und fristgerecht eingelegt sowie -auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entsprechend- begründet.

II.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Auf die Berufung der Klägerin war das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abzuändern und die Beklagte zur Zahlung weiteren Schadensersatzes in Höhe von 8.125,–€ nebst Verzugszinsen zu verurteilen. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in Gesamthöhe von 29.845,– € zu.

1. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ergibt sich dem Grunde nach aus § 246 StGB i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB, ferner aus § 280 Abs. 1 i. V. m. § 249 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat unstreitig Pfandbons, denen keine Leergutrückgaben gegenüberstanden, erstellt, diese eingelöst und die entsprechenden Geldbeträge für sich vereinnahmt. Neben der durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts B-Stadt, Az.: 4105 Js 354/10 festgestellten Unterschlagung liegt hierin eine schuldhafte Verletzung von arbeitsvertraglichen Nebenpflichten i. S. d. § 280 Abs. 1 BGB.

Ungeachtet dessen, dass die Pflichtverletzungen gegen das Vermögen der Fa. G. richteten, ist der Klägerin hierdurch ein Schaden entstanden. Sie haftet ihrerseits gegenüber der Fa. G. aufgrund der mit dieser bestehenden vertraglichen Beziehungen, die sie zur ordnungsgemäßen Führung der Kassen und zur Wahrung der Vermögensinteressen ihrer Auftraggeberin im Zusammenhang mit der ihr übertragenen Kassiertätigkeit verpflichtet, nach § 280 Abs. 1 BGB, wobei sie nach § 278 BGB für das Verschulden der Beklagten als ihrer Erfüllungsgehilfin einzustehen hat. Die Fa. G. hat ausweislich der Rechnung vom 08.06.2010 auch Schadensersatzansprüche gegenüber der Klägerin geltend gemacht. Die Klägerin hat unbestritten vorgetragen, dass sie mit der Fa. G. eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen hat und den Rechnungsbetrag in monatlichen Raten begleicht.

Auch die Belastung mit einer Verbindlichkeit ist ein zu ersetzender Schaden, der nicht nur einen Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit begründet, sondern unter den Voraussetzungen des § 250 BGB in einen Geldanspruch übergeht (Palandt BGB, 71. Auflage § 249 Rz. 4). Die in § 250 BGB an sich geforderte Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist entbehrlich, wenn der Schädiger die Leistung von Schadenersatz oder Naturalrestitution ernsthaft und endgültig verweigert (Palandt, a.a.O., § 250 Rz. 2). Diese Voraussetzung ist erfüllt, da die Beklagte ausweislich des vorliegenden Verfahrens jegliche Schadensersatzpflicht in Abrede stellt.

2. Die Beklagte hat in den sich aus der Auflistung als Anlage zur Klageschrift (Bl. 3 ff. d. A.) ergebenden Fällen Leergutbons gefertigt, denen keine Pfandrückgaben gegenüberstanden und die jeweiligen Pfandbeträge für sich vereinnahmt.

a) Die Berufungskammer verkennt nicht, dass für die sogenannte haftungsbegründende Kausalität nicht die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO gelten, sondern diese den strengeren Beweisregeln des § 286 ZPO unterworfen ist (BAG 29.01.1981 – 3 AZR 888/78 – Juris). Ferner geht die Berufungskammer davon aus, dass die verschiedenen, sich aus der genannten Aufstellung ergebenden Pfandboneinlösungen und die damit korrespondierenden Geldbeträge nicht nur Rechnungsposten eines an sich feststehenden Gesamtschadens sind, dessen Höhe in Anwendung des § 287 ZPO vom Gericht festgestellt werden könnte, da die Klägerin eine Tatbegehung an sich, wenn auch nur im Umfang von ca. 3.000,– bis 5.000,– € eingeräumt hat. Es handelt sich vielmehr jeweils um eigenständige Pflichtverletzungen und Schadensverursachungen (vgl. auch dazu BAG, a.a.O.).

b) Ausgehend von den unstreitigen, unter Einschluss der von der Beklagten nach § 138 Abs. 2 ZPO nicht ausreichend bestrittenen Tatsachen, liegen bei einer Gesamtschau Indizien vor, die in einer vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietenden Weise ergeben, dass die Klägerin in den sich aus der genannten Aufstellung ergebenden Fällen Pfandbons erstellt und zu ihren Gunsten eingelöst hat.

aa) Unstreitig ist zunächst, dass dann, wenn eine Kassiererin unter ihrer Bedienernummer im Kassensystem angemeldet ist, eine weitere Anmeldung unter der selben Bedienernummer nicht mehr möglich ist. Dies bedeutet, dass die Anmeldung einer anderen Kassenkraft bzw. eines sonstigen Dritten unter der Bedienernummer der Beklagten mittels einer Kopie des Barcodes der Beklagten zum Zwecke der Manipulation nur möglich gewesen sein könnte zu Zeiten, in denen die Beklagte nicht gearbeitet hat. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Kassiererinnen sich bei kurzzeitigen Unterbrechungen ihres Arbeitseinsatzes an einem Tag, etwa während eines Toilettengangs oder bei kurzzeitigen Pausen nicht im Kassiersystem abmeldeten. Die Klägerin ihrerseits hat nicht bestritten, dass sie an den Tagen, welche Gegenstand der Aufstellung als Anlage zur Klageschrift (Bl. 3 ff. d. A.) sind, gearbeitet zu haben. Da sie damit während des Arbeitstages auch bei Pausen durchgängig im Kassiersystem angemeldet war, scheidet die Möglichkeit eines anderweitigen Geschehensablaufs dahingehend, dass sich gleichzeitig ein anderer Mitarbeiter mittels einer im Tresor befindlichen Kopie des zur Anmeldung erforderlichen Barcodes an einer anderen Kasse angemeldet hat, aus.

bb) Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass unter ihrer Kassierernummer andere Mitarbeiter bzw. sonstige Dritte während kurzzeitiger Abwesenheiten von der Kasse die Taten hätten begehen können, weil -wie ausgeführt- während derartiger Zeiten, die Anmeldung im Kassensystem aufrechterhalten blieb, die Kassenhäuschen auch nicht abgeschlossen wurden, führt auch dies nicht zu vernünftigen Zweifeln daran, dass die Klägerin selbst die Manipulationen vorgenommen hat.

Für einen potentiellen Täter, der von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte, hätte ein hohes Entdeckungsrisiko bestanden. Bei Einsatz eines solchen Täters an der Kasse K 2 hätte dieser zunächst an die Kasse K 1 gehen müssen, um dort an der Leergutkasse einen gefälschten Leergutbon zu erzeugen und diesen über die Kasse K 1 eingeben und das Geld entnehmen müssen. Bei Einsatz eines potentiellen Täters an der Kasse K 1 hätte zunächst dieses Kassenhäuschen verlassen werden müssen, um sodann in das von der Beklagten besetzte Kassenhäuschen der Kasse K 2 zu gehen und dort den Leergutbon über die Kasse K 2 einzulösen. Unstreitig waren stets auch mehrere Mitarbeiter, so auch solche der Fa. G. im Getränkemarkt anwesend. Für einen potentiellen Täter wäre bei dieser Vorgehensweise zudem nicht absehbar gewesen, wann die Klägerin wieder erscheinen würde und wie viel Zeit genau zur Durchführung einer solchen Tat zur Verfügung stehen würde. Für einen potenziellen Täter wäre nämlich nicht absehbar gewesen, ob die Klägerin lediglich einen kurzen Toilettengang oder aber eine etwas längere Pause macht.

Hinzu kommt, dass nach eigenem Sachvortrag der Beklagten und nach dem Ermittlungsbericht Bl. 509 ff. d. beigezogenen Akten im Strafverfahren andere Mitarbeiter unter Verwendung ihrer eigenen Bediennummern Pfandbons erstellt und Geld unterschlagen haben sollen, was nicht dafür spricht, dass sie sich für eventuell eigene Taten der Bediennummer der Beklagten bedienen mussten oder dies angesichts des bestehenden höheren Entdeckungsrisikos zur Tatbegehung sinnvoll erschiene.

cc) Die Beklagte hat schließlich die einzelnen Vorfälle nicht i. S. d. § 138 Abs. 2 ZPO mit zu erwartendem und zumindest teilweise möglichen Gegenvortrag bestritten.

Sie hat im vorliegenden Verfahren den von ihr verursachten Schaden mit 3.000,– bis maximal 5.000,– € angegeben, ohne allerdings auch nur annähernd darzulegen oder plausibel zu machen, von welchen Tatsachen sie hierbei ausgeht. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass es sich um einen Zeitraum von gut einem Jahr mit einer Vielzahl von Vorfällen handelt, ist nicht nachvollziehbar, dass sich die Beklagte nicht näher zu den Tatvorwürfen äußern können soll. Die vorliegende Klage mit der Aufstellung der Klägerin ist der Beklagten am 28.05.2010, also nicht einmal 5 Monate nach den letzten Ereignissen zugestellt worden. Allein im Zeitraum Dezember 2009 bis Januar 2010 fallen 47 Vorgänge mit Pfandeinlösungen von zumeist jeweils 100,– €, größtenteils mit mehreren Pfandeinlösungen pro Tag. Dass die Klägerin an keinen dieser Vorfälle mehr eine Erinnerung haben will, ist nicht nachvollziehbar.

dd) Ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankäme, ist auch darauf hinzuweisen, dass die Beklagte den Strafbefehl, der von einer Schädigung in Höhe von 21.720,– € ausgeht, akzeptiert hat. Angesichts der Diskrepanz zwischen der Schadenshöhe, die die Beklagte selbst angibt (3.000,– bis 5.000,– €) und dem Schaden, der dem Strafbefehl zu Grunde gelegt wurde, ist dies nur schwer nachvollziehbar.

3. Die Beklagte ist auch zum Ersatz des Schadens in geltend gemachter Höhe verpflichtet.

a) Die Klägerin hat -ohne dass die Beklagte dem substantiiert entgegengetreten wäre- dargelegt, dass mit Ausnahme von Bierfässern bei Pfandrückgaben keine glatten Eurobeträge anfallen können. Die Klägerin ihrerseits hat nicht, erst recht nicht substantiiert behauptet, dass den einzelnen Buchungen die Rücknahme mehrerer Bierfässer und dies zum Teil mehrmals am Tag zu Grunde gelegen haben. Pfandbetragsentnahmen, die sich über jeweils 25,– € verhalten, können schon rechnerisch nicht mit einer Rückgabe von Bierfässern erklärt werden.

b) Die Annahmen hinsichtlich der Tattage, die seitens des Amtsgerichts dem Strafbefehl zu Grunde gelegt wurden, stehen der von der Klägerin geltend gemachten Schadenshöhe nicht entgegen. Aus den Akten des Strafverfahrens ist nicht ersichtlich, welche Erwägungen zu dem dort angenommenen Schaden geführt haben. Jedenfalls lassen sich den Akten des Strafverfahrens keine Anhaltspunkte entnehmen, die gegen eine Berücksichtigung der weiteren Tattage sprechen. Wie ausgeführt können insbesondere die Pfandeinlösungen über 25,– € nicht durch Rückgabe von Bierfässern bedingt sein.

4. Auf eine Haftungserleichterung nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung kann sich die Beklagte nicht berufen. Sie hat jeweils vorsätzlich gehandelt.

5. Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Zahlungsverzugs nach vorausgegangener Mahnung vom 20.04.2010 mit Fristsetzung zum 07.05.2010.

III.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits nach §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO zu tragen. Ein Grund, der nach den gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen würde, besteht nicht.

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