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Arbeitnehmerkündigung wegen Datenschutzverstößen – Auflösungsantrag des Arbeitgebers

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Az.: 4 Sa 130/14, Urteil vom 01.06.2016

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 04.02.2014 – 2 Ca 1455/13 – wird zurückgewiesen.

II. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird abgewiesen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung. Die Beklagte begehrt hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger war seit dem 01.04.1988 bei der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, zuletzt auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 01.07.1997, hinsichtlich dessen Inhalts im Einzelnen auf Bl. 11 bis 18 d. A. Bezug genommen wird, als Sonderbeauftragter für das Unfallgeschäft im Außendienst beschäftigt.

Die Arbeitsvergütung des Klägers setzte sich zusammen aus einem monatlichen Fixum und Provisionen. Bezüglich der Provisionen enthält der Arbeitsvertrag vom 01.07.1997 in Ziffer 4.5 u.a. die Regelung, dass der Kläger für die Vermittlung von Unfallversicherungen mit Beitragsrückgewähr (für alle Laufzeiten) eine Provision in Höhe von 20 Prozent der Neu- und Mehrprämie erhält.

Ab dem Jahr 2004 berechnete die Beklagte dem Kläger für die Vermittlung der im selben Jahr eingeführten Senioren-Unfallversicherung dessen Provision von 20 % nicht mehr aus dem vollen Nettojahresbeitrag, sondern infolge der Anwendung von Laufzeitfaktoren aus lediglich 70 % dieses Beitrages. Im Jahr 2006 führte die Beklagte das Produkt „Unfallversicherung gegen Einmalbetrag“ ein und berechnete die zwanzigprozentige Provision des Klägers lediglich aus 20 % des Netto-Einmalbeitrages. Der Kläger war mit diesen Berechnungen seiner Provision nicht einverstanden. Es kam daher in der Folgezeit zu mehreren Gesprächen zwischen den Parteien, die dazu führten, dass die Beklagte zunächst für den Zeitraum vom 01.01.2004 bis 31.12.2008 und letztlich auch für den Zeitraum bis einschließlich November 2011 Nachberechnungen der Provisionen des Klägers auf Basis einer zwanzigprozentigen Provision aus dem vollen Netto-Jahresbeitrag bzw. aus dem vollen Einmalbetrag vornahm und die sich hieraus zugunsten des Klägers ergebenden Differenzbeträge an ihn auszahlte.

Ab Dezember 2011 rechnete die Beklagte die Provisionen des Klägers für die Senioren-Unfallversicherung wiederum nur mit 70 % des Nettojahresbeitrages und für die Unfallversicherung gegen Einmalbetrag wiederum nur mit 20 % des Einmalbetrages ab.

Arbeitnehmerkündigung wegen Datenschutzverstößen - Auflösungsantrag des Arbeitgebers
Symbolfoto: Jakub Jirsak/Bigstock

Mit seiner am 28.06.2013 beim Arbeitsgericht eingereichten und mit Schriftsatz vom 16.10.2013 erweiterten Klage hat der Kläger die Beklagte auf Nachzahlung von Provisionen für den Abschluss von Senioren-Unfallversicherungen und Unfallversicherungen gegen Einmalbeitrag für den Zeitraum Dezember 2011 bis einschließlich Februar 2013 in Höhe von insgesamt 395.212,81 EUR brutto in Anspruch genommen und dabei im Wesentlichen geltend gemacht, ihm stehe bezüglich dieser Versicherungsprodukte vertragsgemäß eine Provision von 20 % aus dem Netto-Jahresbeitrag bzw. aus dem Einmalbeitrag zu. In diesem Verfahren (Arbeitsgericht Ludwigshafen, Az: 2 Ca 1212/13; nachfolgend LAG Rheinland-Pfalz, Az: 4 Sa 109/14) reichte der Kläger zur Begründung seiner Klageforderung über seinen Prozessbevollmächtigten u. a. die ihm seitens der Beklagten übermittelten Provisionsabrechnungen für die Monate Dezember 2011 bis Februar 2013 zu den Gerichtsakten. In diesen Provisionsabrechnungen waren nicht nur diejenigen Versicherungen enthalten, hinsichtlich derer die dem Kläger zustehenden Provisionen zwischen den Parteien im Streit war (Senioren-Unfallversicherungen und Unfallversicherungen gegen Einmalbetrag), sondern auch weitere vom Kläger vermittelte Versicherungen mit Produktnamen (auch Unfall- und Lebensversicherungsverträge) und namentlicher Benennung der versicherten Personen und Versicherungsnehmer nebst der jeweiligen Versicherungsschein-Nummer. Die zu den Gerichtsakten gereichten Abrechnungen waren vollständig lesbar, es waren keine Angaben geschwärzt.

Die Beklagte ist der Zahlungsklage u. a. mit dem Argument entgegengetreten, der Kläger habe sich mit Unterzeichnung eines Schreibens vom 06.08.2003, dem Provisionstabellen mit verminderten Provisionssätzen beigefügt gewesen seien, mit der Verringerung der Provisionssätze für die betreffenden Versicherungen einverstanden erklärt. Das betreffende Schreiben vom 06.08.2003 hat folgenden Inhalt:

„Krankheit 20.-24.06.

Sehr geehrter Herr A.,

die Krankmeldung 20.-24.06.03 liegt im Original vor. Der Ausgleich wurde in der Abrechnung Juli gebucht, Kopie anbei. Beachten Sie bitte, dass wir die Verrechnung gemäß Schreiben vom 01.04.03 vorgenommen haben.

Zusätzlich erhalten Sie anliegend zu diesem Schreiben den Nachtrag „Kompositversicherungen und Unfall“, den wir bereits mit letztem Schreiben angekündigt hatten. Bitte geben Sie uns eine Kopie mit Unterschrift wieder zurück.

Mit freundlichen Grüßen“

Das seitens der Beklagten unterzeichnete Schreiben enthält unterhalb des maschinenschriftlichen Textes den handschriftlichen, von einem Mitarbeiter der Beklagten unterzeichneten Vermerk: „Umsetzung auf die neuen Tabellen zum 01.04.2005“. Darunter befindet sich über dem Vermerk „Einverstanden, am“ eine Unterschrift, hinsichtlich derer zwischen den Parteien streitig ist, ob sie vom Kläger stammt. Außerdem existiert eine weitere Fassung bzw. Ausfertigung des Schreibens vom 06.08.2003, auf dem sich die seitens der Beklagten behauptete Unterschrift des Klägers innerhalb eines Stempels mit dem Titel „Einverstanden“, jedoch ebenfalls unter dem handschriftlichen Umsetzungsvermerk befindet. Wegen Form und Inhalt der betreffenden Schriftstücke wird ergänzend auf Bl. 919 und Bl. 928 d. A. Bezug genommen.

Nachdem die Beklagte geltend gemacht hatte, die Zahlungsklage sei in Höhe eines Teilbetrages von 86.105,31 EUR bereits aus anderen Gründen, d. h. etwa wegen bereits erfolgter Nachvergütung oder Stornierung einzelner Verträge unbegründet, hat der Kläger die Klage in Höhe dieses Betrages erstinstanzlich zurückgenommen und nur noch in Höhe von 309.107,50 EUR brutto weiterverfolgt. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 04.02.2014 (Az: 2 Ca 1212/13) stattgegeben. Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung (LAG Rheinland-Pfalz, 4 Sa 109/14) blieb erfolglos.

Mit Schreiben vom 23.07.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos sowie hilfsweise ordentlich zum 31.03.2014. Hiergegen richtet sich die vom Kläger am 29.07.2013 beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage.

Der Kläger hat beantragt: Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 23.07.2013 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, der Kläger habe durch die Weitergabe von Provisionsabrechnungen mit ungeschwärzten, nicht zur Begründung seiner streitigen Provisionsansprüche erforderlichen Angaben in schwerwiegender Weise gegen seine Verpflichtung zur Wahrung des Datengeheimnisses, auf welches er unter Ziffer 7.2 des Arbeitsvertrages und in einem Merkblatt ausdrücklich hingewiesen worden sei, sowie gegen gesetzliche Schutzvorschriften verstoßen. Da die betreffenden Angaben teilweise zur Begründung der Klage nicht erforderlich gewesen seien, sei auch deren Weitergabe in keiner Weise gerechtfertigt. Durch den nachlässigen Umgang mit höchst sensiblen Daten sei ein schwerwiegender Vertrauensverlust entstanden, der einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehe. Die fristlose Kündigung sei auch deshalb gerechtfertigt, weil gegen den Kläger der Verdacht eines versuchten Prozessbetruges bestehe. Dem Kläger müsse infolge einer Mitteilung vom 10.08.2012 sowie im Hinblick auf den Inhalt des Summenblatts der Außerdienstabrechnung für August 2012 bekannt gewesen sein, dass für das Produkt „Senioren-Unfallversicherung“ für den Zeitraum November 2011 bis Juni 2012 weitere 3.504,83 EUR nachgezahlt worden seien und damit ein Teil der Klageforderung von vornherein unbegründet gewesen sei. Des Weiteren habe der Kläger Provisionsansprüche in Höhe von 86.105,31 EUR geltend gemacht, die ihm bereits aus anderen Gründen, d. h. etwa wegen bereits erfolgter Nachvergütung oder Stornierung einzelner Verträge nicht mehr zugestanden hätten. Dies sei für den Kläger bereits bei Klageerhebung erkennbar gewesen.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 04.02.2014 (Bl. 697 bis 700 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 04.02.2014 stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 bis 11 dieses Urteils (= Bl. 700 bis 706 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 05.03.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.03.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 05.05.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 05.06.2014 begründet.

Die Beklagte hat während des Verlaufs des erstinstanzlichen Verfahrens das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23.12.2013 erneut sowohl fristlos als auch hilfsweise ordentlich zum 30.09.2014 gekündigt. Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat mit rechtskräftigem Teilurteil vom 16.09.2014 im Verfahren 2 Ca 397/14 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 23.12.2013 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend, soweit das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung die Auffassung vertreten habe, der Verstoß des Klägers gegen die Verpflichtung zur Wahrung des Dienstgeheimnisses stelle keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar, so habe das Arbeitsgericht sowohl die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme eines wichtigen Grundes als auch die Intensität des Pflichtenverstoßes des Klägers verkannt. Zwar sei der Kläger zur Wahrung seiner Rechte berechtigt gewesen, Provisionsabrechnungen vorzulegen. Zur Untermauerung seines Standpunktes hätte es aber völlig ausgereicht, im Parallelverfahren lediglich die Versicherungsnummer, die Versicherungssumme sowie den Beitrag zu bezeichnen. Der Kläger habe sich aber nicht auf die Vorlage dessen beschränkt, was zur Verfolgung seiner angeblichen Ansprüche erforderlich gewesen sei, sondern habe darüber hinaus weitere personenbezogene Daten mitgeteilt und damit ganz schwerwiegend gegen seine arbeitsrechtliche Verpflichtung zur Wahrung des Dienstgeheimnisses verstoßen, indem er die Namen der Versicherungsnehmer und der versicherten Personen angegeben habe. Überdies habe sich der Kläger nicht darauf beschränkt, Angaben zu machen, die diejenigen Unfallversicherungsprodukte beträfen, über deren Provisionshöhe man sich streite, sondern habe darüber hinaus Angaben zu anderen Unfallversicherungsprodukten gemacht, die im Parallelverfahren überhaupt nicht im Streit stünden. Insbesondere aus den völlig überflüssigerweise mitgeteilten Daten über Kapitallebens- und Rentenversicherungen sowie über die Hausratsversicherungen ließen sich personenbezogen deutliche Rückschlüsse auf die finanzielle Leistungskraft des betroffenen Versicherungsnehmers ziehen. Ein solches Verfahren sei für einen erfahrenen Außendienstmitarbeiter in der Versicherungsbranche absolut inakzeptabel. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch insbesondere, dass der Kläger in einem Merkblatt in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen worden sei, welche Daten unter welchen Bedingungen weitergegeben werden dürften oder nicht. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts bedürfe es bei einem solch schwerwiegenden Verstoß, der vorsätzlich erfolgt sei, keiner vorherigen Abmahnung. Darüber hinaus bestehe gegen den Kläger – wie bereits erstinstanzlich vorgetragen – der Verdacht eines versuchten Prozessbetruges. So habe der Kläger auch Provisionen für das Produkt „Senioren-Unfallversicherung“ für den Zeitraum von November 2011 bis Juni 2012 im Parallelverfahren eingeklagt, obwohl sie – die Beklagte – bereits 3.504,83 EUR auf die Provisionen für diesen Versicherungstyp im genannten Zeitraum nachgezahlt gehabt habe. Überdies habe der Kläger Provisionen – und dies sei der schwerwiegendere Vorwurf – geltend gemacht für Verträge, von denen er gewusst habe, dass sie storniert worden seien. Die aus diesen Verträgen resultierende Nachforderung des Klägers habe ca. 86.000,00 EUR und damit ca. ¼ der Klageforderung ausgemacht. Für den Fall, dass die streitbefangene Kündigung gleichwohl als sozialwidrig erachtet werde, begehre sie – die Beklagte – die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Neben den Gründen, die bereits für die Rechtfertigung der Kündigung vorgetragen worden seien, berufe sie sich auf einen weiteren Sachverhalt, der den Tatbestand des § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG erfülle. Der Kläger trage nämlich bewusst und vorsätzlich falsch vor, indem er behaupte, das Schreiben vom 06.08.2003, welches die Vereinbarung geänderter Provisionssätze beinhalte und damit der Begründetheit seiner Zahlungsklage entgegenstehe, nicht unterzeichnet zu haben. Im letzten Quartal des Kalenderjahres 2003 habe sie – die Beklagte – bundesweit auf ein neues Bezahlsystem umgestellt. Aus diesem Grund habe in den Anstellungsverträgen der von dieser Umstellung betroffenen Außendienstmitarbeiter eine entsprechende Vertragsänderung vorgenommen werden müssen. Zu diesem Zweck sei das Schreiben vom 06.08.2003 verfasst und an den Kläger versandt worden. In der Folgezeit sei nicht überprüft worden, ob der Kläger das betreffende Schreiben in unterschriebener Form zurückgesandt habe. Erst im Januar 2005 sei der Teamleiter der Vertriebsverwaltung von zwei Mitarbeitern darauf hingewiesen worden, dass der Kläger die Umstellung auf das neue Provisionssystem noch nicht mit seiner Unterschrift bestätigt habe. Deshalb habe am 24.03.2005 ein Gespräch mit dem Kläger stattgefunden, in welchem dieser mitgeteilt habe, er habe das betreffende Scheiben nie erhalten. Der Kläger habe es an diesem Tag auch abgelehnt, das Schreiben zu unterzeichnen und sich diesbezüglich eine Bedenkzeit erbeten. Daraufhin habe einer ihrer Mitarbeiter zunächst den handschriftlichen Umsetzungsvermerk und später den Vermerk „Einverstanden, am“ auf das Schreiben gesetzt. Der Kläger habe das Schreiben mit nach Hause genommen und am 29.03.2005 vom Faxgerät der zu seinem Betreuungsgebiet gehörenden Volksbank K. unterzeichnet zurückgesandt, wie sich aus der Faxkennung des betreffenden Telefaxes ergebe. Nachdem der Kläger daraufhin um Überlassung des Originalschreibens gebeten worden sei, habe er mitgeteilt, er könne dieses nicht mehr auffinden. Daraufhin seien von dem noch in der Personalakte befindlichen Schreiben vom 06.08.2003 zwei weitere Kopien mit dem Stempel „Einverstanden“ versehen und an den Kläger versandt worden. Am 10.06.2005 habe sie auch dieses Schreiben, unterzeichnet vom Kläger, zurückerhalten. Sowohl das vom Kläger versandte Telefax als auch das am 10.06.2005 zurückerhaltene Schreiben seien in der archivierten Personalakte des Klägers nicht mehr vorhanden. Fest stehe jedoch, dass der Kläger die betreffende Erklärung unterzeichnet habe. Dies folge u. a. auch daraus, dass der Kläger im Parallelverfahren in der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht auf Vorhalt der Vorsitzenden ausdrücklich die Echtheit seiner Unterschrift auf dem Telefax vom 29.03.2005 bestätigt habe. Es stehe somit fest, dass der Kläger wider besseres Wissen bestritten habe, sein Einverständnis zu einer Umstellung der Provisionsabrechnung ab dem 01.04.2005 erklärt zu haben. Durch dieses wahrheitswidrige Leugnen seiner Unterzeichnung habe er eine Kausalkette in Gang gesetzt, die im Ergebnis dazu geführt habe, dass ihm Provisionen gezahlt worden seien, die ihm nach der Vertragslage nicht zugestanden hätten. Dies rechtfertige eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte beantragt,

1. das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen;

2. hilfsweise,

das Arbeitsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 KSchG zum 31.03.2014 aufzulösen.

Der Kläger beantragt, die Berufung unter Abweisung des Auflösungsantrages zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und macht im Wesentlichen geltend, die Tatsache, dass er die Provisionsabrechnungen ohne Schwärzung seinem Prozessbevollmächtigten sowie dem Arbeitsgericht vorgelegt habe, vermöge den Ausspruch einer Kündigung nicht zu rechtfertigen. Das Arbeitsgericht habe diesbezüglich zutreffend festgestellt, dass es gerechtfertigt gewesen sei, dass er seinem Rechtsanwalt die Provisionsabrechnungen zur Prüfung übergeben habe. Dies habe auch gegenüber dem Gericht so erfolgen müssen. Denn nur so sei eine Prüfung möglich gewesen, ob ihm noch ein Provisionsanspruch zustehe. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang insbesondere auch, dass sowohl sein Prozessbevollmächtigter als auch das Gericht einer Schweigepflicht unterlägen und es daher ausgeschlossen sei, dass etwaige Daten an unberechtigte Personen zur Kenntnis gelangen könnten. Der Vorwurf des versuchten Prozessbetruges entbehre einer Grundlage. Er – der Kläger – habe bereits im Parallelverfahren vorgetragen, dass die Nachzahlung der Beklagten in Höhe von 3.504,83 EUR bei der Bezifferung der Klageforderung berücksichtigt worden sei. Die nunmehr seitens der Beklagten aufgestellte Behauptung, er habe Provisionen für Verträge geltend gemacht, von denen er gewusst habe, dass sie storniert worden seien, sei abwegig und falsch. Der Auflösungsantrag der Beklagten sei unbegründet und daher zurückzuweisen. Es lägen keine Gründe vor, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten ließen. Das von der Beklagten vorgelegte Schreiben vom 06.08.2003 habe er weder unterzeichnet, noch an die Beklagte – auch nicht von einem Faxgerät der Volksbank K. – zurückgesandt. Zu beachten sei auch, dass die streitbefangene Kündigung gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612 a BGB verstoße und daher bereits aus diesem Grund unwirksam sei. Die Kündigung sei von der Absicht der Beklagten getragen gewesen, ihn für die am 28.06.2013 erhobene Provisionsklage zu sanktionieren. Nach Zustellung der Klageschrift sei bei der Beklagten der Entschluss gefasst worden, das Arbeitsverhältnis deshalb zu kündigen, weil er seine Provisionsansprüche nunmehr klageweise durchzusetzen versuche.

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die von ihnen in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schrift-sätze Bezug genommen.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin F., durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage der Richterin am Arbeitsgericht Ludwigshafen H., sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 01.07.2015 (dort Seite 3 f. = Bl. 1041 f. d. A.), auf die schriftliche Zeugenaussage der Richterin am Arbeitsgericht Ludwigshafen H. (Bl. 1113 d. A.) sowie auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. H. vom 13.09.2015 verwiesen.

Der Akteninhalt des Verfahrens 2 Ca 1212/12 (ArbG Ludwigshafen) bzw. 4 Sa 109/14 (LAG Rheinl.-Pf.) war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

I.

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

II.

1. Die Kündigungsschutzklage ist insgesamt begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die streitbefangene außerordentliche Kündigung noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung aufgelöst worden.

a) Soweit sich die Kündigungsschutzklage gegen die fristlose Kündigung vom 23.07.2013 gerichtet hat, so folgt die Begründetheit der Klage bereits aus der Rechtskraft des Teilurteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 16.09.2014 (Az: 2 Ca 397/14), mit welchem festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.12.2013 aufgelöst worden ist. Infolge dieser Feststellung ist es der Beklagten verwehrt, sich auf die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 23.07.2013 zu berufen.

Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aus Anlass einer bestimmten Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin aufgelöst worden ist. Die begehrte Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Kündigung. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb fest, dass jedenfalls im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zwischen den streitenden Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Dies schließt gemäß § 322 ZPO im Verhältnis der Parteien zueinander eine hiervon abweichende gerichtliche Feststellung in einem späteren Verfahren aus (BAG v. 22.11.2012 – 2 AZR 732/11 – AP Nr. 241 zu § 626 BGB, m.w.N.).

Demnach steht vorliegend aufgrund des rechtskräftigen Teil-Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 16.09.2014 fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien jedenfalls noch am 23.12.2013 bestanden hat. Die Beklagte kann daher nicht mehr geltend machen, das Arbeitsverhältnis sei bereits durch die streitbefangene fristlose Kündigung vom 23.07.2013 aufgelöst worden.

b) Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.07.2013 zum 31..03.2014 aufgelöst worden.

Dabei kann offen bleiben, ob sich die Kündigung bereits wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot (§ 612 a BGB) als unwirksam erweist, was im Hinblick auf den nahen zeitlichen Zusammenhang zwischen der der Beklagten am 12.07.2013 zugestellten Zahlungsklage und der mit Schreiben vom 23.07.2013 ausgesprochenen Kündigung indiziert sein könnte und ob sich der Kläger infolge eines in erster Instanz unterbliebenen Hinweises nach § 6 Satz 2 KSchG erstmals in zweiter Instanz auf diesen Unwirksamkeitsgrund berufen kann. Die Kündigung erweist sich nämlich jedenfalls als sozial ungerechtfertigt und daher als rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG).

Verhaltensbedingte Gründe i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG, die eine ordentliche Kündigung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.

aa) Der Umstand, dass der Kläger im Zusammenhang mit der gerichtlichen Geltendmachung von Provisionsansprüchen sowohl seinem Prozessbevollmächtigten als auch dem Gericht Provisionsabrechnungen vorgelegt hat, die eine Vielzahl auch solcher personenbezogener Daten enthalten, welche für die Berechnung seiner Klageforderung ohne Belang waren, vermag den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung nicht zu rechtfertigen.

Zwar hat der Kläger mit der Weitergabe dieser Daten gegen seine arbeitsvertragliche Pflicht zur Wahrung des Datengeheimnisses, auf die er in Ziffer 7.2 des Arbeitsvertrages hingewiesen worden war, verletzt. Sein Verhalten war insoweit auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Wahrung berechtigter Interessen gerechtfertigt, da keinerlei Notwendigkeit bestand, auch solche personenbezogenen Daten über seinen Prozessbevollmächtigten dem Gericht zuzuleiten, welche für seine Provisionsansprüche ohne jegliche Bedeutung waren, die jedoch zugleich auch Rückschlüsse auf die persönlichen Verhältnisse von Versicherungsnehmern und Versicherten zulassen.

Die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten, wie sie hier in Rede steht, kann grundsätzlich einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund darstellen. Für eine solche Kündigung gilt jedoch das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch für die Zukunft belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde auch zukünftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine vorausgegangene einschlägige Abmahnung voraus. Diese dient der Objektivierung der negativen Prognose. Außerdem ist die Abmahnung als milderes Mittel in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einer Kündigung vorzuziehen, wenn durch ihren Ausspruch das Ziel – ordnungsgemäße Vertragserfüllung – erreicht werden kann (BAG v. 23.06.2009 – 2 AZR 283/08 – AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung, m.w.N.). Eine Abmahnung ist jedoch dann entbehrlich, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG v. 10.02.1999 – 2 ABR 31/98 – AP Nr. 42 zu § 15 KSchG 1969, m.w.N.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass es für die Wirksamkeit der streitbefangenen ordentlichen Kündigung der vorherigen Erteilung einer einschlägigen Abmahnung bedurft hätte. Das Fehlverhalten des Klägers stellt keineswegs eine solch schwere Pflichtverletzung dar, deren Rechtswidrigkeit ohne weiteres erkennbar war und bei der eine Hinnahme des Verhaltens durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen war. Zum einen handelte es sich um eine vertragliche Nebenpflicht. Das Arbeitsverhältnis als Austauschverhältnis war nicht beeinträchtigt. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger durch sein Verhalten – wie von der Beklagten behauptet – eine Ordnungswidrigkeit oder sogar (was allerdings fern liegt) eine Straftat begangen hat. Die strafrechtliche bzw. ordnungswidrigkeitsrechtliche Beurteilung ist kündigungsrechtlich nicht ausschlaggebend (BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 418/01 – EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 1, m.w.N.). Der Annahme einer schwerwiegenden Pflichtverletzung, die ohne vorherige einschlägige Abmahnung den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung rechtfertigen könnte, steht insbesondere entgegen, dass der Kläger die betreffenden Daten nur an solche Personen bzw. Stellen weitergegeben hat, die diesbezüglich ihrerseits zur Geheimhaltung verpflichtet sind. Sowohl der Rechtsanwalt des Klägers nach § 43 a Abs. 2 BRAO als auch das Gericht nach § 37 Abs. 1 BeamtStG sind zur Verschwiegenheit hinsichtlich aller ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet. Der Kläger konnte berechtigterweise davon ausgehen, dass die von ihm weitergegebenen Daten nicht Dritten in irgendeiner Weise zugänglich gemacht werden. Den Versicherungsnehmern der Beklagten ist, ebenso wie ihr selbst, durch das Verhalten des Klägers keinerlei Schaden entstanden. Die Beziehungen zwischen der Beklagten und ihren Kunden ist in keiner Weise beeinträchtigt worden.

bb) Die Beklagte kann zur Stützung der Kündigung auch nicht mit Erfolg geltend machen, gegen den Kläger bestehe der Verdacht eines versuchten Prozessbetruges.

Es ist allgemein anerkannt, dass der Verdacht, der Arbeitnehmer könne eine strafbare Handlung oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen haben, geeignet sein kann, den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung zu rechtfertigen. Entscheidend ist, dass es gerade der Verdacht ist, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstört oder zu einer unerträglichen Belastung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. Der Verdacht muss objektiv durch Tatsachen begründet sein, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Der Verdacht muss darüber hinaus dringend sein, d. h. es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der gekündigte Arbeitnehmer die Straftat oder die Pflichtverletzung begangen hat. Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen haben. Er ist insbesondere verpflichtet, den verdächtigen Arbeitnehmer anzuhören, um ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Im Streitfall besteht gegen den Kläger nicht der dringende Verdacht, einen Prozessbetrug zum Nachteil der Beklagten versucht zu haben. Diesbezüglich fehlt es der notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit.

Es bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen versucht hat, das Gericht zu einer das Vermögen der Beklagten schädigenden Entscheidung zu veranlassen. Alleine der Umstand, dass der Kläger zunächst eine überhöhte und zum Teil unbegründete Provisionsforderung gegen die Beklagte gerichtlich geltend gemacht hat, reicht diesbezüglich nicht aus. Was die von der Beklagten behauptete Zuvielforderung von 3.504,83 EUR betrifft, so ergibt sich diese – unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beklagten (Schriftsatz vom 18.10.2013, dort Seite 10 = Bl. 187 d. A.) – bereits aus dem vom Kläger selbst bei Erhebung seiner Zahlungsklage als Anlage K 18 zu den Akten gereichten Summenblatt der Außendienstabrechnung für den Monat August 2012, wo dieser Betrag gesondert ausgewiesen ist. Es kann somit bereits von daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger Tatsachen, welche die Höhe des vom ihm geltend gemachten Anspruchs betrafen, unterdrücken wollte. Entsprechendes gilt im Hinblick auf den aus vielen Einzelpositionen zusammengesetzten Betrag von 86.105,31 EUR, um den der Kläger seine Zahlungsklage bereits erstinstanzlich reduziert hat, nachdem die Beklagte geltend gemacht hatte, die Klage sei insoweit auch infolge anderer Umstände (Stornierungen, Nachvergütungen etc.) unbegründet. Es bestehen nämlich auch diesbezüglich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei der Berechnung seiner Klageforderung vorsätzlich oder zumindest mit bedingtem Vorsatz falsche Tatsachen vorgetragen oder solche Tatsachen verschwiegen bzw. unterdrückt hat, die der Begründetheit einzelner Provisionsansprüche entgegenstanden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der vom Kläger geltend gemachte Nachvergütungsanspruch aus insgesamt 441 Einzelpositionen zusammensetzte, die der Kläger aus umfangreichen Provisionsabrechnungen herausfilterte, und sich Stornierungen sowie Nachvergütungen ebenfalls nur aus (weiteren) Schriftstücken, Abrechnungen u. ä. ergeben konnten. Den Kläger trifft daher lediglich der Vorwurf, bei der Berechnung seines Nachvergütungsanspruchs, der letztlich überwiegend, nämlich in Höhe von 309.107,50 EUR begründet war, nicht die notwendige Sorgfalt beachtet zu haben. Ein vorsätzlich falscher Sachvortrag oder ein vorsätzliches wahrheitswidriges Bestreiten gegnerischen Vorbringens sind nicht ersichtlich. Für die Annahme eines versuchten Prozessbetruges fehlt es somit an ausreichenden Anhaltspunkten. Demzufolge besteht gegen den Kläger auch kein diesbezüglicher dringender Verdacht.

2. Der Auflösungsantrag der Beklagten ist unbegründet.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG setzt die Begründetheit eines Auflösungsantrages des Arbeitgebers voraus, dass Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Unter Beachtung der primären Zielsetzung des Kündigungsschutzgesetzes, den Arbeitnehmer im Interesse eines wirksamen Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses vor einem Verlust des Arbeitsplatzes durch sozialwidrige Kündigungen zu bewahren, sind an den Auflösungsantrag des Arbeitgebers strenge Anforderungen zu stellen (BVerfG v. 22.10.2004 – 1 BvR 1944/01 – AP Nr. 49 zu § 9 KSchG 1969). Als Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten lassen, kommen nur Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitgeber, die Wertung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, seiner Leistungen oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben etwa als Vorgesetzter, und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen (KR/Spilger, 11. Auflage, § 9 KSchG, Rz. 66, m.N.a.d.R.).

Soweit sich die Beklagte zur Begründung ihres Auflösungsantrages (auch) auf die von ihr vorgebrachten Kündigungsgründe beruft, so vermögen diese die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht zu rechtfertigen. Dies gilt hinsichtlich der Weitergabe personenbezogener Daten durch den Kläger bereits deshalb, weil es – wie bereits ausgeführt – in Ermangelung einer vor Kündigungsausspruch erteilten einschlägigen Abmahnung an einer negativen Prognose fehlt, d. h. dass nicht davon auszugehen ist, der Kläger werde seine vertragliche Pflichten zukünftig in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Da dies die Beklagte derzeit somit nicht befürchten muss, steht das Fehlverhalten einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit der Parteien nicht entgegen. Auf den Verdacht eines versuchten Prozessbetruges kann die Beklagte den Auflösungsantrag deshalb nicht stützen, weil sich dieser Verdacht – wie ebenfalls bereits ausgeführt – als unbegründet erweist.

Die Beklagte kann ihr Auflösungsbegehren letztlich auch nicht mit Erfolg auf die Behauptung stützen, der Kläger habe im Rechtsstreit über seine Provisionsansprüche wahrheitswidrig bestritten, das Schreiben vom 06.08.2003, welches u. a. auch die ihm zustehenden Provisionssätze betreffen soll, über dem Vermerk „Einverstanden, am“ unterzeichnet zu haben. Zwar können unzutreffende Tatsachenbehauptungen im Rahmen eines Rechtsstreits grundsätzlich geeignet sein, die gerichtliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Der Beklagten ist es jedoch nicht gelungen, den Beweis für den behaupteten wahrheitswidrigen Vortrag des Klägers zu führen.

Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 13.09.2015 nachvollziehbar dargelegt, dass aufgrund des Umstandes, dass von den fraglichen Urkunden nur noch Faxkopien minderer Qualität zur Verfügung stehen, eine Beurteilung der Frage, ob die darauf befindlichen Unterschriften vom Kläger stammen, nicht möglich ist. Die Beklagte konnte nach Überzeugung des Berufungsgerichts auch nicht beweisen, dass der Kläger in der Güteverhandlung über seine Provisionsansprüche vom 20.08.2013 eingeräumt hat, die Unterschrift auf dem betreffenden Schreiben geleistet zu haben. Die Richterin am Arbeitsgericht H. hat in ihrer schriftlichen Zeugenaussage bekundet, sie könne sich nicht mehr daran erinnern, ob der Kläger seinerzeit eingestanden habe, dass es sich um seine Unterschrift handele. Allerdings hat die Zeugin F. bei ihrer Vernehmung erklärt, der Kläger habe in der betreffenden Güteverhandlung gesagt, es handele sich zwar um seine Unterschrift, er habe jedoch niemals einen Nachtrag unterzeichnet. Aber auch aus dieser Aussage – ihre Richtigkeit unterstellt – ergibt sich nicht, dass der Kläger eingestanden hat, das betreffende Schreiben unterschrieben zu haben. Die Erklärung „das ist meine Unterschrift“ ist nämlich nicht gleichbedeutend mit einer Erklärung des Inhalts, die betreffende Unterschrift auch tatsächlich selbst geleistet zu haben. Dies gilt vorliegend insbesondere im Hinblick darauf, dass der auf dem Schreiben vom 06.08.2003 befindliche Schriftzug mit unstreitig vom Kläger stammenden Unterschriften – z. B. auf dem Arbeitsvertrag vom 01.07.1997 – zumindest auf den ersten Blick identisch zu sein scheint. Von daher kann eine Erklärung des Klägers, wonach es sich um seine Unterschrift handele, nicht zwingend dahingehend verstanden werden, er habe die betreffende Unterschrift tatsächlich selbst geleistet. Dies auch vor dem Hintergrund der zutreffenden Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 13.09.2015, wonach nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich bei dem von der Beklagten vorgelegten Nicht-Original um eine Collage handelt, d. h. dass es sich zwar um die Unterschrift des Klägers handelt, diese jedoch nicht von ihm selbst auf das Schriftstück gesetzt wurde.

Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe das Schreiben vom 06.08.2003 unterschrieben, ergeben sich auch daraus, dass die Beklagte unstreitig dessen Provisionsansprüche bis einschließlich 30.11.2011 auf Basis der im Arbeitsvertrag enthaltenen Provisionsvereinbarung nachberechnet und erfüllt hat. Dieses Verhalten wäre nur schwerlich nachvollziehbar, falls sich der Kläger – wie von der Beklagten behauptet – bereits mit Wirkung zum 01.04.2005 schriftlich mit einer Verringerung seiner Provisionssätze einverstanden erklärt hat. Die Beklagte konnte auch im Berufungsverfahren bezüglich dieser Widersprüchlichkeit keine nachvollziehbare Erklärung abgeben. Überdies heißt es in einer internen Mitteilung der Beklagten vom 08.05.2012 (Bl. 1024 d. A.) wörtlich: „Seit 1997 wurden keine Vertragsnachträge von Herrn A. unterzeichnet“. Auch dies spricht gegen eine Unterzeichnung des Schreibens vom 06.08.2003 durch den Kläger.

Der Auflösungsantrag der Beklagten unterliegt daher der Abweisung, wobei offen bleiben kann, ob der Begründetheit dieses Antrages bereits eine Unwirksamkeit der streitbefangenen Kündigung wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB entgegensteht.

III.

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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