Übersicht:
- Geschäftsführers Rechte: Arbeitnehmerstatus und Kündigung im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Kündigungsschutzregelungen gelten für Geschäftsführer?
- Wie wird der Arbeitnehmerstatus eines Geschäftsführers festgestellt?
- Was sind die Voraussetzungen für eine wirksame fristlose Kündigung eines Geschäftsführers?
- Welche Rechtsfolgen hat eine unwirksame Kündigung für den Geschäftsführer?
- Welche Bedeutung hat die Weisungsgebundenheit für die rechtliche Stellung des Geschäftsführers?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Arbeitsgericht Bonn
- Datum: 16.04.2024
- Aktenzeichen: 1 Ca 1122/23
- Verfahrensart: Kündigungsschutzverfahren
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Geschäftsführer, der gegen die Wirksamkeit von drei Kündigungen klagt, den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses und die Zahlung von Annahmeverzugslohn geltend macht. Er argumentiert, dass die Kündigungen formale Fehler aufweisen und die ihm vorgeworfenen Handlungen im Interesse des Beklagten erfolgten.
- Beklagter: Arbeitgeber, Verband mit dem Zweck der Unterstützung und Vertretung von Menschen mit Behinderungen, der die Kündigungen ausspricht und behauptet, der Kläger habe eigenmächtig gehandelt und sein Vertrauen durch unautorisierte Zahlungen missbraucht.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger wurde mehrmals gekündigt: am 27.06.2023 ordentlich, am 20.07.2023 und 26.10.2023 jeweils außerordentlich, fristlos. Der Kläger hält die Kündigungen für unwirksam und verlangt sein Gehalt für die Monate August bis Dezember 2023 unter Anrechnung erhaltenen Arbeitslosengeldes.
- Kern des Rechtsstreits: Ob die ausgesprochenen Kündigungen formal und inhaltlich wirksam sind und ob ein Arbeitsverhältnis fortbesteht.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Kündigungen vom 27.06.2023, 20.07.2023 und 26.10.2023 sind unwirksam. Das Arbeitsverhältnis des Klägers besteht fort.
- Begründung: Die Kündigungen sind aus mehreren Gründen unwirksam: Formale Fehler, wie die fehlerhafte Bezeichnung des Kündigenden, sowie fehlende und unschlüssige Darlegung der Kündigungsgründe, insbesondere die langfristige Fristüberschreitung und unklare Tatsachengrundlagen, insbesondere die Begründung der Mitgliedschaft im Karnevalsverein und die angebliche Schädigung des Arbeitgebers durch Abbuchung von Vereinsbeiträgen.
- Folgen: Das Arbeitsverhältnis des Klägers bleibt bestehen, und die Kündigungen haben kein rechtliches Gewicht. Die Kostenentscheidung wurde vorbehalten, und der Streitwert auf 70.000 EUR festgesetzt. Das Urteil schafft Klarheit über die Anforderungen an die Wirksamkeit von Kündigungen in vergleichbaren Fällen.
Geschäftsführers Rechte: Arbeitnehmerstatus und Kündigung im Fokus
Die Rolle des Geschäftsführers ist komplex und rechtlich vielschichtig. Während viele ihn als Führungskraft wahrnehmen, kann ein Geschäftsführer unter bestimmten Umständen auch den Status eines Arbeitnehmers haben. Dies wirft spezifische arbeitsrechtliche Fragen auf, insbesondere wenn es um Kündigungen oder den Kündigungsschutz geht.
Der rechtliche Status eines Geschäftsführers unterscheidet sich grundlegend von anderen Angestellten. Seine Rechtsstellung ist hybrid – er ist gleichzeitig Organ der Gesellschaft und potenziell Arbeitnehmer. Dies beeinflusst maßgeblich seine Rechte und Pflichten, vor allem im Kontext von Kündigungen, sei es eine ordentliche oder eine fristlose Kündigung. Die Abgrenzung seiner Stellung ist entscheidend für arbeitsrechtliche Fragestellungen.
Der Fall vor Gericht
Gericht erklärt Kündigungen eines Verbandsgeschäftsführers für unwirksam

Das Arbeitsgericht Bonn hat die Kündigungen eines Verbandsgeschäftsführers durch seinen Arbeitgeber für rechtsunwirksam erklärt. Der seit Januar 2021 als Geschäftsführer tätige Kläger war durch drei Kündigungen im Juni, Juli und Oktober 2023 von seinem Arbeitgeber, einem gemeinnützigen Verband für Menschen mit Behinderung, von seinen Aufgaben entbunden worden.
Streit um Mitgliedsbeiträge und Weisungsgebundenheit
Der Verband warf seinem Geschäftsführer vor, eigenmächtig Mitgliedsbeiträge für einen Karnevalsverein und einen Richterverein über die Verbandskasse abgerechnet zu haben. Zudem wurde ihm zur Last gelegt, einen Schaden am Dienstwagen nicht der Versicherung gemeldet zu haben. Der Geschäftsführer widersprach diesen Vorwürfen und betonte, die Mitgliedschaft im Karnevalsverein sei im Interesse des Verbands erfolgt und vom Vorstand mitgetragen worden. Den Versicherungsfall habe nicht er, sondern sein Stellvertreter bearbeitet.
Gericht bestätigt Arbeitnehmerstatus
Das Arbeitsgericht stellte zunächst fest, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht. Der Geschäftsführer sei trotz seiner Führungsposition weisungsgebunden an den Bundesvorstand. Dies ergebe sich sowohl aus dem Dienstvertrag als auch aus der tatsächlichen Durchführung des Arbeitsverhältnisses. Die vom Verband vorgetragene Personalverantwortung des Geschäftsführers wurde vom Gericht als nicht nachgewiesen angesehen.
Kündigungen mangels wichtigen Grundes unwirksam
Die außerordentlichen Kündigungen vom Juli und Oktober 2023 scheiterten nach Ansicht des Gerichts bereits daran, dass der Verband die Kündigungsvorwürfe nicht ausreichend belegen konnte. Zudem wurde die zweiwöchige Kündigungsfrist nicht eingehalten. Die Ordentliche Kündigung vom Juni 2023 war ebenfalls unwirksam, da der Verband keinerlei Gründe für die soziale Rechtfertigung der Kündigung dargelegt hatte.
Arbeitsrechtliche Konsequenzen
Das Gericht stellte per Teilurteil fest, dass das Arbeitsverhältnis durch keine der ausgesprochenen Kündigungen beendet wurde. Der Geschäftsführer bleibt damit weiterhin im Amt. Über die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Annahmeverzugslohn wurde noch nicht entschieden. Das Verfahren wird in diesem Punkt fortgesetzt.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass formale Fehler bei der Kündigungserklärung zur Unwirksamkeit führen können, insbesondere wenn die korrekte Bezeichnung des Arbeitgebers fehlt oder Vollmachten nicht ordnungsgemäß vorgelegt werden. Mehrfache Kündigungsversuche mit unterschiedlichen Begründungen schwächen die Position des Arbeitgebers. Das Gericht bestätigt den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, wenn keine rechtlich tragfähigen Kündigungsgründe vorliegen und formale Anforderungen nicht eingehalten werden.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie eine Kündigung erhalten, sollten Sie genau auf die formalen Details achten – besonders darauf, ob der Arbeitgeber korrekt bezeichnet ist und ob bei einer Kündigung durch einen Bevollmächtigten eine Original-Vollmacht vorliegt. Sie können eine Kündigung nach § 174 BGB zurückweisen, wenn keine ordnungsgemäße Vollmacht beigefügt ist. Auch bei mehreren aufeinanderfolgenden Kündigungen mit verschiedenen Begründungen haben Sie gute Chancen, sich erfolgreich zu wehren. Beachten Sie die dreiwöchige Klagefrist ab Zugang jeder einzelnen Kündigung, um Ihre Rechte zu wahren.
Benötigen Sie Hilfe?
Kündigung erhalten? Wir helfen Ihnen, Ihre Rechte zu wahren.
Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist oft ein einschneidendes Erlebnis, das viele Fragen und Unsicherheiten aufwirft. Gerade die formellen Anforderungen an eine Kündigung sind komplex und können schnell übersehen werden. Fehlt beispielsweise die korrekte Bezeichnung des Arbeitgebers oder die Original-Vollmacht des Bevollmächtigten, kann dies die gesamte Kündigung unwirksam machen.
Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Kündigung genauestens zu prüfen und Ihre Rechte als Arbeitnehmer durchzusetzen. Dabei beraten wir Sie umfassend zu den rechtlichen Möglichkeiten und helfen Ihnen, die für Sie beste Strategie zu entwickeln – sei es die Rückweisung der Kündigung, die Verhandlung einer Abfindung oder die Klage vor dem Arbeitsgericht.
Sprechen Sie uns an, um Ihre individuelle Situation zu besprechen und gemeinsam die nächsten Schritte zu planen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Kündigungsschutzregelungen gelten für Geschäftsführer?
Grundsätzliche Rechtslage
GmbH-Geschäftsführer genießen als Organmitglieder der Gesellschaft grundsätzlich keinen gesetzlichen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Dies liegt daran, dass sie nicht als Arbeitnehmer im klassischen Sinne gelten, sondern eine besondere Organstellung innehaben.
Ausnahmen vom fehlenden Kündigungsschutz
In bestimmten Fällen können Geschäftsführer dennoch Kündigungsschutz genießen:
Vertraglicher Kündigungsschutz: Die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes kann im Geschäftsführeranstellungsvertrag ausdrücklich vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung muss jedoch eindeutig formuliert sein und darf nicht gegen zwingende gesellschaftsrechtliche Vorschriften verstoßen.
Arbeitnehmerähnliche Stellung: Wenn der Geschäftsführer in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zur Gesellschaft steht und weisungsgebunden arbeitet, kann er ausnahmsweise als Arbeitnehmer eingestuft werden. Dies ist der Fall, wenn die Gesellschaft über das übliche gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht hinaus auch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen erteilen kann.
Besondere Konstellationen
Doppelfunktion: Wenn Sie neben Ihrer Geschäftsführertätigkeit noch eine separate Position als Arbeitnehmer im Unternehmen innehaben, können Sie für diese Position Kündigungsschutz genießen. Ein Beispiel wäre die gleichzeitige Tätigkeit als Werksleiter neben der Geschäftsführerposition.
Nach Abberufung: Wenn Sie als Geschäftsführer bereits abberufen wurden, kann sich die Situation bezüglich des Kündigungsschutzes ändern. Der Anstellungsvertrag endet nicht automatisch mit der Abberufung, sondern muss separat gekündigt werden.
Kündigungsfristen
Ohne besondere vertragliche Vereinbarungen gelten für Geschäftsführer die gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 621 BGB. Diese sind in der Regel kürzer als die üblichen arbeitsrechtlichen Kündigungsfristen. Es ist daher ratsam, im Geschäftsführervertrag längere Kündigungsfristen zu vereinbaren.
Wie wird der Arbeitnehmerstatus eines Geschäftsführers festgestellt?
Der Arbeitnehmerstatus eines GmbH-Geschäftsführers wird anhand mehrerer spezifischer Kriterien bestimmt, wobei grundsätzlich ein Geschäftsführer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht als Arbeitnehmer gilt.
Persönliche Abhängigkeit als Hauptkriterium
Die Einstufung als Arbeitnehmer kommt nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht und setzt eine besonders ausgeprägte persönliche Abhängigkeit voraus. Diese liegt vor, wenn Sie als Geschäftsführer:
- nicht selbstverantwortlich über Zeit und Ort Ihrer Arbeitsleistung entscheiden können
- erheblichen Beschränkungen durch den Gesellschafts- bzw. Anstellungsvertrag unterliegen
- in die betrieblichen Abläufe eingegliedert sind
- umfangreichen Weisungen unterliegen
Kapitalbeteiligung als Ausschlusskriterium
Wenn Sie als Geschäftsführer über Geschäftsanteile verfügen, ist dies für die Beurteilung des Arbeitnehmerstatus entscheidend. Eine Arbeitnehmereigenschaft ist ausgeschlossen, wenn Sie:
- über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile verfügen
- eine Sperrminorität besitzen
- maßgeblichen Einfluss auf Gesellschafterentscheidungen haben können
Vertragliche Ausgestaltung
Die Bezeichnung im Anstellungsvertrag ist nicht ausschlaggebend für den Arbeitnehmerstatus. Entscheidend ist die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses. Wenn Sie beispielsweise als „leitender Angestellter“ bezeichnet werden oder sozialversicherungspflichtig sind, kann dies ein Indiz für einen Arbeitnehmerstatus sein.
Weisungsgebundenheit im Detail
Die Weisungsgebundenheit wird anhand konkreter Faktoren beurteilt:
- Vorgaben zur Arbeitszeit und Anwesenheit
- Einbindung in betriebliche Arbeitsabläufe
- Umfang der Zustimmungsvorbehalte
- Detaillierte Vorgaben zur Aufgabenerfüllung
- Kontrolle der Arbeitsausführung durch die Gesellschafter
Ein Arbeitnehmerstatus kann sich auch aus europarechtlichen Vorgaben ergeben. Der Europäische Gerichtshof legt einen weiteren Arbeitnehmerbegriff zugrunde und hat in der Danosa-Entscheidung die Arbeitnehmereigenschaft eines Fremdgeschäftsführers bejaht.
Was sind die Voraussetzungen für eine wirksame fristlose Kündigung eines Geschäftsführers?
Eine wirksame fristlose Kündigung eines Geschäftsführers erfordert das Vorliegen eines wichtigen Grundes gemäß § 626 Abs. 1 BGB. Dieser liegt vor, wenn Tatsachen gegeben sind, die es der GmbH unzumutbar machen, das Vertragsverhältnis bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist fortzusetzen.
Wichtige Gründe für eine fristlose Kündigung
Als wichtige Gründe können unter anderem gelten:
- Strafbare Handlungen wie Betrug oder Untreue zulasten der GmbH
- Wiederholte Missachtung von Weisungen der Gesellschafterversammlung
- Einsatz von Arbeitskräften der GmbH für private Zwecke
- Schuldhafte Insolvenzverschleppung
- Gravierende Verstöße gegen Compliance-Vorschriften
Stellen Sie sich vor, Sie sind Gesellschafter einer GmbH und Ihr Geschäftsführer begeht Untreue zu Lasten des Unternehmens. In einem solchen Fall wäre es Ihnen nicht zuzumuten, die reguläre Kündigungsfrist abzuwarten.
Formelle Anforderungen
Die fristlose Kündigung muss schriftlich erfolgen und sollte dem Geschäftsführer persönlich zugestellt werden. Obwohl eine Begründung für die Wirksamkeit nicht zwingend erforderlich ist, empfiehlt es sich aus Beweisgründen, die Kündigungsgründe schriftlich darzulegen.
Frist zur Kündigungserklärung
Wenn Sie als Unternehmen von einem wichtigen Grund Kenntnis erlangen, müssen Sie die fristlose Kündigung innerhalb von zwei Wochen aussprechen (§ 626 Abs. 2 BGB). Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem das zuständige Organ (in der Regel die Gesellschafterversammlung) von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erfährt.
Verhältnismäßigkeit und Einzelfallprüfung
Vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung sollten Sie als Unternehmen prüfen, ob nicht mildere Mittel ausreichen, um auf das Fehlverhalten des Geschäftsführers zu reagieren. In manchen Fällen kann eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung angemessener sein.
Die Rechtsprechung betont, dass stets eine umfassende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich ist. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:
- Schwere des Pflichtverstoßes
- Dauer und Häufigkeit des Fehlverhaltens
- Verschuldensgrad des Geschäftsführers
- Bisheriges Verhalten und Leistungen
- Wirtschaftliche Folgen für das Unternehmen
Wenn Sie als Geschäftsführer mit einer fristlosen Kündigung konfrontiert werden, sollten Sie umgehend prüfen lassen, ob die genannten Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind. Oft lohnt es sich, die Wirksamkeit der Kündigung gerichtlich überprüfen zu lassen, da die Anforderungen an eine wirksame fristlose Kündigung hoch sind.
Welche Rechtsfolgen hat eine unwirksame Kündigung für den Geschäftsführer?
Eine unwirksame Kündigung führt dazu, dass das Dienstverhältnis des Geschäftsführers unverändert fortbesteht. Dies hat weitreichende praktische und rechtliche Konsequenzen.
Fortbestand des Dienstverhältnisses
Stellen Sie sich vor, Sie sind Geschäftsführer und erhalten eine unwirksame Kündigung. In diesem Fall bleiben Ihre vertraglichen Ansprüche vollständig erhalten. Die GmbH muss Ihnen weiterhin die vereinbarte Vergütung zahlen, einschließlich variabler Vergütungsbestandteile und Tantiemen.
Finanzielle Ansprüche
Bei einer unwirksamen Kündigung entstehen folgende Zahlungsansprüche:
- Annahmeverzugslohn: Die GmbH muss die vollständige Vergütung rückwirkend ab dem Zeitpunkt der vermeintlichen Beendigung nachzahlen
- Variable Vergütungsbestandteile: Auch Ansprüche auf Boni, Tantiemen oder andere Zusatzleistungen bleiben bestehen
- Versorgungszusagen: Bereits erdiente Versorgungsansprüche bleiben unberührt
Praktische Auswirkungen
Eine unwirksame Kündigung kann die GmbH finanziell erheblich belasten. Wenn Sie als Geschäftsführer weiterbeschäftigt werden müssen, entstehen möglicherweise organisatorische Schwierigkeiten, besonders wenn bereits ein Nachfolger eingestellt wurde.
Handlungsmöglichkeiten
In einer solchen Situation können Sie eine Feststellungsklage beim zuständigen Landgericht einreichen. Dabei ist zu beachten: Der Rechtsweg führt nicht zu den Arbeitsgerichten, sondern zur ordentlichen Gerichtsbarkeit, da Geschäftsführer nicht dem Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsgerichtsgesetzes unterfallen.
Die GmbH hat die Möglichkeit, die Kündigung unter Einhaltung der formellen Voraussetzungen zu wiederholen. Bei einer außerordentlichen Kündigung muss sie jedoch beachten, dass für denselben Kündigungsgrund die Zwei-Wochen-Frist bereits abgelaufen sein könnte.
Welche Bedeutung hat die Weisungsgebundenheit für die rechtliche Stellung des Geschäftsführers?
Die Weisungsgebundenheit des GmbH-Geschäftsführers ist von grundlegender Bedeutung für seine rechtliche Stellung. Grundsätzlich steht die gesamte Geschäftsführung unter dem Regelungsvorbehalt der Gesellschafter nach § 37 Abs. 1 GmbHG.
Gesellschaftsrechtliche Weisungsgebundenheit
Als Geschäftsführer sind Sie verpflichtet, rechtmäßige Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen und umzusetzen. Diese Weisungen werden durch Beschluss mit einfacher Mehrheit gefasst. Wenn Sie als Geschäftsführer eine rechtmäßige Weisung befolgen, können Sie für negative Konsequenzen grundsätzlich nicht haftbar gemacht werden.
Abgrenzung zum Arbeitnehmerstatus
Die normale gesellschaftsrechtliche Weisungsgebundenheit macht Sie als Geschäftsführer noch nicht zum Arbeitnehmer. Ein Arbeitnehmerstatus kommt nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht. Dies wäre der Fall, wenn:
- Die Gesellschaft eine über das gesellschaftsrechtliche Weisungsrecht hinausgehende Weisungsbefugnis hat
- Sie konkreten Vorgaben zu Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort Ihrer Tätigkeit unterliegen
Praktische Auswirkungen
Die Einordnung hat weitreichende Konsequenzen für Ihren rechtlichen Status:
Als normaler weisungsgebundener Geschäftsführer:
- Haben Sie keinen allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG
- Gilt für Sie ein freier Dienstvertrag statt eines Arbeitsvertrags
Bei außergewöhnlich starker Weisungsgebundenheit können Sie ausnahmsweise als Arbeitnehmer eingestuft werden, wenn Sie beispielsweise:
- Feste Arbeitszeiten von 7:00 bis 18:00 Uhr einhalten müssen
- Genaue Vorgaben haben, welche Aufgaben Sie vormittags und nachmittags erledigen müssen
Grenzen der Weisungsgebundenheit
Als Geschäftsführer sind Sie nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, rechtswidrige Weisungen nicht zu befolgen. Dies gilt besonders bei Weisungen, die gegen:
- Steuerrecht
- Kartellrecht
- Kapitalerhaltungsrecht verstoßen würden
Ihre Vertretungsmacht im Außenverhältnis kann durch Weisungen nicht beschränkt werden, wie § 37 Abs. 2 GmbHG festlegt.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Arbeitnehmerstatus
Eine rechtliche Einstufung einer Person als Arbeitnehmer, die bestimmte Schutzrechte nach dem Arbeitsrecht genießt. Zentrale Merkmale sind die persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber. Dies ist besonders bei Geschäftsführern relevant, da sie trotz Führungsposition Arbeitnehmer sein können. Die Einordnung richtet sich nach § 611a BGB. Beispiel: Ein Geschäftsführer, der vom Vorstand Weisungen erhält und diesem gegenüber rechenschaftspflichtig ist, kann Arbeitnehmerstatus haben.
Außerordentliche Kündigung
Eine fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund nach § 626 BGB. Sie muss innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der Kündigungsgründe erfolgen und erfordert Tatsachen, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen. Beispiel: Schwerwiegende Pflichtverletzungen wie Diebstahl oder Betrug. Die Hürden sind sehr hoch und die Gründe müssen gerichtsfest nachweisbar sein.
Ordentliche Kündigung
Eine reguläre Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der vereinbarten oder gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 BGB. Sie erfordert bei Arbeitnehmern eine soziale Rechtfertigung gemäß Kündigungsschutzgesetz durch personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe. Der Arbeitgeber muss die Gründe konkret darlegen und beweisen können. Beispiel: Langfristige Erkrankung oder häufige Unpünktlichkeit.
Annahmeverzugslohn
Ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 615 BGB, wenn der Arbeitgeber die angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt. Der Arbeitnehmer behält seinen Lohnanspruch, auch wenn er nicht arbeitet. Dies gilt besonders bei unwirksamen Kündigungen. Der Arbeitgeber kommt in Annahmeverzug, wenn er die Arbeitsleistung unberechtigt ablehnt. Beispiel: Ein zu Unrecht gekündigter Mitarbeiter bietet seine Arbeit an, wird aber nicht beschäftigt.
Weisungsgebundenheit
Die rechtliche und tatsächliche Unterordnung eines Arbeitnehmers unter die Direktionsrechte des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO. Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Die Weisungsgebundenheit ist ein Hauptmerkmal des Arbeitnehmerstatus. Bei Geschäftsführern ist der Grad der Weisungsgebundenheit oft entscheidend für ihre rechtliche Einordnung.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 174 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Dieser Paragraph regelt die Erklärungsmacht, also wer berechtigt ist, rechtserhebliche Erklärungen im Namen einer Partei abzugeben. Im vorliegenden Fall wies der Kläger die Kündigungserklärungen zurück, da keine gültige Vollmacht vorgelegt wurde. Dadurch wird die Wirksamkeit der Kündigungen infrage gestellt, da sie möglicherweise von einer nicht vertretungsberechtigten Person ausgesprochen wurden.
- § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Dieser Paragraph behandelt die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Eine außerordentliche Kündigung muss sozial gerechtfertigt sein und einen erheblichen Vertrauensbruch seitens des Arbeitnehmers darstellen. Im vorliegenden Fall wurden dem Kläger mehrere fristlose Kündigungen wegen angeblicher Untreue und Schädigung des Arbeitgebers ausgesprochen, die auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden.
- Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Das KSchG bietet Arbeitnehmern Schutz vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen, insbesondere nach einer Betriebszugehörigkeit von mehr als sechs Monaten. Es stellt sicher, dass Kündigungen nur aus verhaltensbedingten, betriebsbedingten oder personenbedingten Gründen erfolgen. Der Kläger könnte sich hierauf berufen, um die Unwirksamkeit der Kündigungen zu behaupten und seinen Verbleib im Arbeitsverhältnis zu sichern.
- § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Dieser Paragraph definiert das Arbeitsverhältnis als Dienstvertrag, bei dem der Arbeitnehmer zur Leistung von Diensten und der Arbeitgeber zur Zahlung von Vergütung verpflichtet ist. Im vorliegenden Fall besteht ein bestehendes Arbeitsverhältnis, das durch die Kündigungen zu beenden versucht wird. Die rechtlichen Grundlagen dieses Vertragsverhältnisses sind entscheidend für die Bewertung der Kündigungen.
- Vereinsrecht gemäß Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 21–79: Diese Vorschriften regeln die Gründung, Organisation und Vertretung von Vereinen. Da die Kündigungen angeblich im Namen eines nicht existierenden Vereins („C eV“) ausgesprochen wurden, ist die Prüfung der ordnungsgemäßen Vertretung und der Satzungsmäßigkeit des Vereins von zentraler Bedeutung. Unsachgemäße Vereinsvertretung könnte die Kündigungen als unwirksam erscheinen lassen.
Das vorliegende Urteil
ArbG Bonn – Az.: 1 Ca 1122/23 – Teilurteil vom 16.04.2024
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