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Arbeitnehmerversetzung wegen respektlosem Verhalten

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 5 Sa 110/16 – Urteil vom 03.11.2016

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 4. Februar 2016, Az. 5 Ca 616/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung.

Der 1957 geborene Kläger ist seit Oktober 1995 im Krankenhaus der Beklagten als Krankenpfleger beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – Besonderer Teil Krankenhäuser (TVöD BT-K). Der Kläger wird nach Entgeltgruppe 7a vergütet, sein monatlicher Gesamtbruttoverdienst beträgt einschließlich Zuschlägen und Zulagen € 3.412,12. Die Beklagte beschäftigt ca. 1.000 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat.

Arbeitnehmerversetzung wegen respektlosem Verhalten
(Symbolfoto: Monkey Business Images/Shutterstock.com)

Ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrags wurde der Kläger als Krankenpfleger eingestellt. Er wird seit 1997 in der zentralen Notaufnahme des Krankenhauses eingesetzt. Im Mai 1997 bestätigte ihm der Pflegedienstleiter schriftlich, dass sein Antrag auf eine dauerhafte Beschäftigung in der Notaufnahme eingegangen sei. Er werde ihn dort bis zum 31.12.1997 befristet einsetzen. Ob er ihn in diesem Bereich auf Dauer einsetzen könne, lasse sich noch nicht absehen. Mit Schreiben vom 21.11.1997 teilte der Pflegedienstleiter dem Kläger folgendes mit:

„Ihr Einsatz in der Medizinischen Aufnahme

Sehr geehrter Herr A.,

mit diesem Schreiben teile ich Ihnen mit, daß wir Ihre befristete Versetzung zur Medizinischen Aufnahme ab dem 01. Dezember 1997 in eine unbefristete Versetzung umwandeln.

Für die bisher geleistete Arbeit bedanke ich mich und verbleibe mit dem Wunsch auf eine weiterhin so gedeihvolle Zusammenarbeit …“

In einem Vorprozess zwischen den Parteien hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – mit Urteil vom 02.12.2010 (Az. 5 Ca 602/10) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch eine außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 04.10.2010 sein Ende gefunden hat. Es hat außerdem festgestellt, dass die Umsetzung des Klägers mit Schreiben vom 16.09.2010 auf die Station 72 unwirksam und die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger weiterhin in der Notaufnahme zu beschäftigen. Das Urteil ist rechtskräftig, nachdem die Beklagte ihre Berufung (Az. 6 Sa 88/11) zurückgenommen hat.

Mit schriftlicher Anordnung vom 12.11.2015 versetzte die Beklagte den Kläger, mit Zustimmung des Betriebsrats, erneut von der zentralen Notaufnahme auf die Station 72. Gegen diese Versetzung wendet sich der Kläger, der seither ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt ist, mit seiner am 17.11.2015 erhobenen Klage.

Die Beklagte stützt die Versetzung auf zwei Vorfälle, die sie wie folgt darstellt: Der Kläger soll am 04.11.2015 mit einem Rettungssanitäter des Deutschen Roten Kreuzes in der Notaufnahme in Streit geraten sein. Der Sanitäter soll einen Rolltisch beiseitegeschoben haben, um einen Rollstuhl, in dem er einen Patienten beförderte, in ein Behandlungszimmer manövrieren zu können. Der Kläger soll gegenüber dem Zeugen geäußert haben: „Wenn du den Tisch noch einmal angreifst, dann schlage ich dir eins auf die Fresse“. Der Kläger bestreitet den Vorfall.

Am 05.11.2015 erteilte die zuständige Ärztin dem Kläger die Anweisung, einem Patienten, der in der Notaufnahme wartete, Blut zu entnehmen und ein EKG zu schreiben. Der Patient leidet unter paranoider Schizophrenie und war bereits des Öfteren im Krankenhaus der Beklagten in Behandlung. Aus Sicht der Ärztin befand sich der Patient in einer schwerst depressiven Phase. Der Kläger weigerte sich, der Anordnung nachzukommen, kehrte der Ärztin den Rücken zu und ging weg. Der Kläger behauptet, der Patient sei erfahrungsgemäß so aggressiv, dass er die ärztliche Anweisung aus Furcht um seine körperliche Unversehrtheit nicht befolgt habe.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 04.02.2016 Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, festzustellen, dass seine Versetzung ab 12.11.2015 von der Notaufnahme in die Station 72 unwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung des Rettungssanitäters als Zeugen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, ausschließlich in der Notaufnahme des Krankenhauses beschäftigt zu werden. Seine Versetzung auf die Station 72 entspreche billigem Ermessen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger den DRK-Rettungssanitäter am 04.11.2015 sinngemäß mit den Worten „ich schlag dir in die Fresse“ oder „ich schlag dir aufs Maul“ verbal attackiert habe. Dieses Verhalten sei nicht hinnehmbar. Am 05.11.2015 habe sich der Kläger unstreitig geweigert, eine Anweisung der behandelnden Ärztin zu befolgen. Selbst wenn sich der Kläger, wie zu seiner Entschuldigung vorgetragen, von dem Patienten bedroht gefühlt haben sollte, hätte er ggf. einen zweiten Krankenpfleger zu seiner Unterstützung hinzuzuziehen müssen. Er hätte die Anweisung jedoch nicht ignorieren, die Ärztin stehen lassen und sich abwenden dürfen. Das inakzeptable Verhalten des Klägers habe nicht nur den Betriebsablauf gestört, sondern auch zu einer negativen Außendarstellung ggü. den Patienten und dem DRK-Rettungsdienst geführt. Die betrieblichen Interessen der Beklagten, den Kläger zu versetzen, seien gewichtig. Mit dieser Maßnahme könne die Beklagte gleichartige Verfehlungen des Klägers verhindern. Demgegenüber habe der Kläger keinerlei Interessen vorgetragen, weshalb er ausschließlich in der Notaufnahme eingesetzt werden wolle. Im Gegenteil: Seinen Schriftsätzen sei zu entnehmen, dass er in der Notaufnahme öfters durch Patienten körperlich und verbal angegangen worden sei. Auf einer Normalstation seien die Stressfaktoren geringer. Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 04.02.2016 Bezug genommen.

Gegen das am 03.03.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 23.03.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 03.06.2016 verlängerten Begründungsfrist mit am 31.05.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Er macht geltend, er habe einen vertraglichen Anspruch auf Beschäftigung in der Notaufnahme, weil ihn die Beklagte mit Schreiben vom 21.11.1997 auf seinen Antrag auf Dauer dorthin versetzt habe. Die Beklagte könne die damals getroffene Vereinbarung nicht einseitig zu seinen Lasten ändern. Die Versetzung auf die Station 72 entspreche zudem nicht billigem Ermessen. Sie sei nicht durch die zwei Vorfälle gerechtfertigt, die die Beklagte zur Begründung der Maßnahme herangezogen habe. Das Arbeitsgericht habe die Zeugenaussage des DRK-Rettungssanitäters fehlerhaft gewürdigt. Die Aussage des Zeugen sei unwahr. Selbst wenn er sich am 04.11.2015 – wie vom Zeugen bei der erstinstanzlichen Vernehmung bekundet – geäußert haben sollte, reiche dies nicht aus, um seine Versetzung zu rechtfertigen. Er habe am 05.11.2015 berechtigte Gründe gehabt, die Blutentnahme und das Schreiben des EKGs zu verweigern, weil er um seine körperliche Unversehrtheit gefürchtet habe. Er habe aus Erfahrung gewusst, dass der Patient aggressiv sei und auch tätlich gegen die Mitarbeiter vorgehe. Auch seine Arbeitskollegen hätten sich schon geweigert, dem als aggressiv bekannten Patienten Blut zu entnehmen oder ein EKG zu schreiben. Problematisch sei auch, dass schon öfters Patienten als harmlos eingestuft worden seien, die dann ggü. dem Pflegepersonal aggressiv geworden seien. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hätte er keinen zweiten Krankenpfleger zu seiner Unterstützung hinzuziehen können, denn das Pflegepersonal habe so viel zu tun, dass sich nicht zwei Krankenpfleger um einen Patienten kümmern könnten. Es sei bereits mehrfach gebeten worden, entweder das Pflegepersonal zu erhöhen oder aber einen Sicherheitsdienst zu beauftragen. Dies habe die Beklagte immer abgelehnt. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts überwiege sein Interesse am Verbleib in der Notaufnahme. Auch wenn es dort immer wieder einmal zu Zwischenfällen kommen könne, übe er diese Tätigkeit seit 1997 sehr gerne aus. Aus seiner Sicht wiege die Versetzung schwerer als eine Abmahnung. Der Pflegedienstleiter versuche – wie der Vorprozess belege – bereits seit Jahren vergeblich, ihn nicht nur aus der Notaufnahme zu versetzen, sondern ihm auch zu kündigen. Die Versetzung führe auch zu erheblichen finanziellen Nachteilen, denn in der Notaufnahme habe er regelmäßig Nachtarbeit geleistet.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich, das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 04.02.2016, Az. 5 Ca 616/15, abzuändern und festzustellen, dass seine Versetzung ab 12.11.2015 von der Notaufnahme in die Station 72 unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die von der Beklagten ausgesprochene Versetzung wirksam ist. Die Beklagte war nicht aufgrund einer Vereinbarung aus dem Jahr 1997 gehindert, den Kläger in Ausübung ihres Direktionsrechts von der zentralen Notaufnahme auf die Station 72 des Krankenhauses zu versetzen. Die Versetzung hält auch der erforderlichen Ausübungskontrolle stand (§ 106 GewO). Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Abwägung der beiderseitigen Interessen ist nicht zu beanstanden. Der Betriebsrat hat der Versetzung nach § 99 Abs. 1 BetrVG zugestimmt.

1. Entgegen der Ansicht der Berufung ist der ausschließliche Einsatz des Klägers in der zentralen Notaufnahme nicht vertraglich festgelegt worden.

Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 10.08.1995 haben die Parteien vereinbart, dass der Kläger als Krankenpfleger im „Städt. Krankenhaus“ eingestellt wird. Der Arbeitsvertrag enthält keine das Direktionsrecht beschränkende Festlegung auf eine bestimmte Station des Krankenhauses.

Die Arbeitspflicht des Klägers hat sich nicht dadurch auf die zentrale Notaufnahme konkretisiert, dass er seit Mai 1997 dort tätig gewesen ist. Allein die lange Verweildauer auf dieser Station des Krankenhauses lässt keinen Rückschluss darauf zu, die Parteien hätten – in Abänderung ihres Arbeitsvertrags – nicht mehr das gesamte Krankenhaus, sondern nur noch die Notaufnahme zum vertraglich vereinbarten Arbeitsort bestimmt. Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass der Arbeitgeber von diesem Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will (vgl. BAG 28.08.2013 – 10 AZR 569/12 – Rn. 33 mwN).

Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen. Entgegen der Ansicht der Berufung lässt sich dem Schreiben des Pflegedienstleiters vom 21.11.1997 nicht entnehmen, dass die Beklagte den Kläger nur noch in der Notaufnahme einsetzen kann. Der Pflegedienstleiter hat dem Kläger bestätigt, dass er seine befristete Versetzung zur Notaufnahme ab dem 01.12.1997 in eine „unbefristete Versetzung umwandelt“. Dieses Schreiben sagt nichts darüber aus, dass die Beklagte den Kläger künftig nicht mehr auf eine andere Station versetzen könnte. Ein verständiger Erklärungsempfänger durfte die im Schreiben vom 01.12.1997 erfolgte „unbefristete“ Versetzung in die Notaufnahme nicht über ihren Wortlaut hinaus dahin verstehen, dass die Beklagte damit für alle Zeiten auf ihr Recht verzichtet, den Kläger – sobald sie es für erforderlich halten sollte – auch auf einer anderen Station des Krankenhauses einzusetzen. Der Kläger konnte nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte von ihrem Direktionsrecht in Zukunft nicht erneut Gebrauch macht, zumal er sich in § 6 Abs. 2 des Arbeitsvertrags ausdrücklich verpflichtet hat, „jede ihm übertragene Arbeit im Krankenpflegebereich zu leisten“.

2. Die Beklagte war befugt, den Kläger ab 12.11.2015 von der Notaufnahme auf die Station 72 zu versetzen. Grundlage und Maßstab für die von der Beklagten angeordnete Versetzung des Klägers ist das arbeitgeberseitige Direktionsrecht (§ 106 Satz 1 GewO). Die Beklagte hat bei dessen Ausübung billiges Ermessen (§ 315 Abs. 3 BGB) gewahrt. Hiervon ist das Arbeitsgericht im Ergebnis und der Begründung seiner Entscheidung zutreffend ausgegangen.

a) Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen – wie hier – nicht durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Gesetz festgelegt sind. Fehlt es an einer solchen Festlegung ergibt sich der Umfang der arbeitgeberseitigen Weisungsrechte aus § 106 GewO. Die Weisung des Arbeitgebers unterliegt dann einer Ausübungskontrolle gemäß § 106 Satz 1 GewO iVm. § 315 Abs. 3 BGB. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen (st. Rspr., zuletzt zB BAG 10.12.2014 – 10 AZR 63/14 – Rn. 30,31 mwN).

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Ermessensausübung der Beklagten, wie das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat, nicht zu beanstanden.

aa) Die Beklagte hat ein berechtigtes Interesse, den Kläger nicht mehr in der Notaufnahme des Krankenhauses einzusetzen. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht auch für die Berufungskammer fest, dass der Kläger am 04.11.2015 einen DRK-Rettungssanitäter – aus nichtigem Anlass – sinngemäß mit den Worten „ich schlag dir in die Fresse“ oder „ich schlag dir aufs Maul“ verbal attackiert hat. Ein solches Verhalten ist inakzeptabel.

Die gegen die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts in der Berufungsbegründung gerichteten Angriffe des Klägers geben keine Veranlassung, von den tatsächlichen Feststellungen des Arbeitsgerichts abzuweichen. Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts ist nicht zu beanstanden. Der Zeuge hat ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 04.02.2016 bei seiner Vernehmung vor dem Arbeitsgericht bekundet, dass er am 04.11.2015 einen Patienten, der in einem Rollstuhl saß, in die Notaufnahme gebracht habe. Auf Weisung eines Kollegen des Klägers habe er den Patienten in den Behandlungsraum 7 fahren wollen. Dort habe er einen Rolltisch zur Seite geschoben, der im Weg gestanden habe. Der Kläger habe mit der Bemerkung reagiert: „Wenn du den Tisch noch einmal anfasst, schlage ich dir aufs Maul“. Auf den Vorhalt, dass er in seiner E-Mail an den Pflegedienstleiter geschrieben habe, der Kläger habe geäußert: „Ich schlage dir eine in die Fresse“, erklärte der Zeuge, dass er sich an den genauen Wortlaut nicht mehr erinnern könne. Auf Nachfrage des Klägers erklärte er, dass er ihn nicht gefragt habe, ob er den Tisch beiseiteschieben dürfe.

Wie bereits das Arbeitsgericht vollkommen zutreffend ausgeführt hat, ist es gleichgültig, ob der Kläger gegenüber dem Zeugen die Worte benutzt hat „dann schlag ich dir in die Fresse“ oder „dann schlag ich dir aufs Maul“. Die Abweichung im Ausdruck ist belanglos. Hieraus können insbesondere keine Rückschlüsse darauf gezogen werden, dass der Zeuge unwahre Angaben gemacht haben könnte. Soweit die Berufung vorbringt, dass sich der Vorfall nicht im Raum 7 abgespielt haben könne, spricht auch dies nicht gegen den Zeugen. Ob sich der Vorfall im Raum 7 oder 8 der zentralen Notaufnahme ereignet hat, ist unerheblich. Es handelt sich um bloße Nebensächlichkeiten, die keinen Anlass geben, an der Richtigkeit der Zeugenaussage im Kern zu zweifeln.

Auch der Vorfall vom 05.11.2015 rechtfertigt die Entscheidung der Beklagten, den Kläger nicht mehr in der Notaufnahme einzusetzen. Der Kläger bestreitet nicht, dass er sich der ärztlichen Anordnung, einem Patienten Blut abzunehmen und ein EKG zu schreiben, widersetzte. Allein die Weigerung, der ärztlichen Anordnung nachzukommen, stellt eine erhebliche Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Der Kläger kann, wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, die Arbeitsverweigerung nicht mit der bloßen Behauptung rechtfertigen, er habe um seine körperliche Unversehrtheit gefürchtet. Er hätte die zuständige Ärztin mit dem – aus seiner Sicht potentiell gewalttätigen Patienten – nicht einfach stehen lassen und weggehen dürfen. Die allgemein gehaltenen Ausführungen der Berufung zur Arbeitsbelastung des Pflegepersonals sowie zum Fehlen eines Sicherheitsdienstes sind nicht geeignet, den Kläger zu entlasten.

Die Berufungskammer ist mit dem Arbeitsgericht davon überzeugt, dass die Beklagte gewichtige Interessen hatte, den Kläger vom Dienst in der zentralen Notaufnahme zu entbinden. Sein respektloses Verhalten im Umgang mit der Ärztin, dem DRK-Rettungssanitäter und – nicht zuletzt – den Patienten, die die Vorfälle miterleben mussten, führte zu Störungen im Betriebsablauf und zu einem Ansehensverlust in der Öffentlichkeit. Da in der zentralen Notaufnahme zweifellos viele Stressfaktoren zusammenkommen, lässt sich das ungehörige Verhalten des Klägers vielleicht erklären, wenn auch nicht entschuldigen. Die Reaktion der Beklagten mit einer Versetzung auf eine Normalstation ist deshalb auch angemessen.

bb) Überwiegende Interessen des Klägers stehen den Interessen der Beklagten nicht entgegen. Wie bereits oben (unter II 1) ausgeführt, durfte der Kläger nicht darauf vertrauen, von der Beklagten für alle Zeiten in der zentralen Notaufnahme eingesetzt zu werden. Die Arbeit auf der Station 72, einer Normalstation des Krankenhauses, ist ihm ohne weiteres zumutbar. Finanzielle Einbußen hat der Kläger, entgegen der Berufung, nicht zu befürchten. Die Personalleiterin der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer auf Befragen klargestellt, dass die Station 72 im Schichtbetrieb 24 Stunden am Tag und 7 Tage pro Woche besetzt ist. Auch auf dieser Station wird nach einem Dienstplan gearbeitet, der Wechselschichten vorsieht, bei denen das Pflegepersonal ua. zu Nachtschichten herangezogen wird. Der Kläger kann daher weiterhin die im TVöD BT-K geregelten Nachtarbeitszuschläge, Wechselschichtzulagen oder den Zusatzurlaub für Nachtarbeitsstunden erwirtschaften.

Darüber hinausgehende Umstände oder schutzwürdige Belange hat der Kläger auch zweitinstanzlich nicht aufgezeigt. Insbesondere war die Beklagte, entgegen der Ansicht der Berufung, nicht verpflichtet, den Kläger vor der Versetzung auf eine andere Station zunächst abzumahnen. Die Abmahnung ist ggü. der Kündigung milderes Mittel. Das verdeutlicht § 314 Abs. 2 BGB. Eine Versetzung setzt keine vorherige Abmahnung, die auch als Kündigungsandrohung bezeichnet werden kann, voraus, selbst wenn das Bedürfnis für die Maßnahme auf einem eigenen Verhalten des Arbeitnehmers beruht. Auch wenn das der Kläger so empfindet, ist die Versetzung kein Mittel seiner „Bestrafung“, sondern dient dazu, weitere Störungen im Arbeitsablauf der Notaufnahme durch Missachtung von ärztlichen Anweisungen und eine Schädigung des Ansehens des Krankenhauses bei den Patienten und dem Personal von Rettungsdiensten zu verhindern. Schließlich führt der Einsatz des Klägers auf einer Normalstation auch zu einer Reduzierung der Konflikt- und Stressfaktoren, denen er im Notaufnahmebereich ausgesetzt war.

3. Die Versetzung ist nicht nach § 99 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat den Betriebsrat am 11.11.2015 über die beabsichtigte Versetzung unterrichtet. Dass die Unterrichtung nicht ausreichend gewesen sein soll, wird vom Kläger nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Betriebsrat hat der Versetzung des Klägers ausdrücklich zugestimmt.

III.

Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

 

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