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Arbeitsrecht Arbeitszeiterfassung der Mitarbeiter

Der EuGH hat entschieden: die komplette Arbeitszeit der Mitarbeiter muss erfasst werden.

In einem Arbeitsverhältnis, welches zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geschlossen wird, gibt es gegenseitige Rechte und Pflichten. Während der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer Arbeit zu stellen und dafür das vereinbarte Arbeitsentgelt zu zahlen ist der Arbeitnehmer zur Leistung der Arbeit im Rahmen der vereinbarten Stundenanzahl verpflichtet. In der gängigen Praxis jedoch verwischt nur zu häufig die Grenze zwischen Privatleben und Arbeit des Arbeitnehmers, da das Arbeitsaufkommen nicht selten die zu leistenden Arbeitsstunden übersteigt. Damit jedoch die Arbeitszeit des Arbeitnehmers auch wirklich korrekt erfasst werden kann, ist die Dokumentation der Stunden des Arbeitnehmers ein wichtiges Instrument in einem Unternehmen. Sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer hat eine Arbeitszeiterfassung eine Nachweisfunktion.

Zum Schutz der Arbeitnehmer wurde von dem deutschen Gesetzgeber im Jahr 1994 das Arbeitszeitgesetz ins Leben gerufen, welches den Arbeitgebern einheitliche Regelungen für das gesamte Bundesgebiet vorgeben sollte. Obgleich das ArbZG uneingeschränkt für jeden Arbeitnehmer in der gesamten Bundesrepublik Deutschland Gültigkeit besitzt und durch das Gesetz auch die Faktoren

  • Höchstarbeitszeit
  • Ruhepausen
  • Überstundenregelungen

geregelt wurden, so hat das ArbZG auch Ausnahmen zugelassen.

Arbeitszeiterfassung
Neues Urteil zur Arbeitszeiterfassung: Was besagt das EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung und was ändert sich damit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer? Symbolfoto: vladek/Bigstock

Die Arbeitszeiterfassung ist ein sehr gutes Beispiel für diese Ausnahme, da sie für den Arbeitnehmer als Pflicht angesehen wurde. Auf der Grundlage des ArbZG wurden Arbeitgeber jedoch nicht zur minutiösen Erfassung der Arbeitszeit verpflichtet. Vielmehr war das Hauptziel dieses Gesetzes, dass eine Überschreitung der täglichen 8-Stunden-Arbeitszeit bzw. wöchentlichen 40-Stunden-Arbeitszeit vermieden wird.

Bislang war es in der Arbeitswelt so geregelt, dass es im Hinblick auf die Form zur Erfassung der Arbeitszeit des Arbeitnehmers keine Verpflichtung des Arbeitgebers gab. Den Unternehmen wurde ein großer Spielraum im Hinblick auf die Gestaltung eingeräumt, welcher von so manchem Arbeitgeber auch großzügig ausgenutzt wurde. Dies wurde als sogenannte Vertrauensarbeitszeit angesehen und war auch in vielen Branchen so üblich. Mit einer neuerlichen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs jedoch wird sich diese Praxis künftig ändern. Der Arbeitgeber ist nunmehr dazu verpflichtet, die Arbeitszeit des Mitarbeiters in einem Unternehmen zu erfassen.

Was besagt dieses Urteil des EuGH im Einzelnen

Als Kernpunkt der Entscheidung gilt der Umstand, dass das Recht auf die Arbeitszeitbegrenzung sowie auf die damit verbundenen Ruhezeiten des Arbeitnehmers in Europa ein unverzichtbares Grundrecht darstellt. Dieses Grundrecht kann jedoch, so die Ansicht des EuGH, nur dann umgesetzt werden, wenn der Arbeitgeber die Arbeitszeiten des Arbeitnehmers auch genau erfasst. Erfolg diese Maßnahme nicht bestünde die Gefahr, dass ein Verstoß gegen das europäische Arbeitsschutzgesetz begangen wird. Die fast schon logische Folge wäre, dass Arbeitnehmer Überstunden leisten würden und diese nicht anerkannt bzw. vergütet bekommen.

Die Entscheidung des EuGH umfasst nicht nur die Arbeitszeiten von fest angestellten Arbeitnehmern in einem Unternehmen, sondern vielmehr auch die Arbeitszeiten von Auszubildenden.

Vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH kann natürlich die Frage gestellt werden, ob diese Entscheidung ausreichend ist oder ob es für den deutschen Arbeitsmarkt auch ein entsprechend verfasstes deutsches Gesetz als Grundlage geschaffen werden muss. Bedingt durch den Umstand, dass die Rechtsgültigkeit des europäischen Grundrechts sich auf den gesamten europäischen Raum bezieht, ist eine Gültigkeit in Deutschland somit automatisch schon gegeben. Dementsprechend wird auch kein weitergehendes deutsches Gesetz als Grundlage für die Durchsetzung der Arbeitszeiterfassung nötig werden. Überdies kennt das deutsche Recht mit dem § 16 Absatz 2 des Arbeitszeitengesetzes bereits eine entsprechende gesetzliche Grundlage, die nunmehr nur noch auf der Basis des Urteils vom EuGH interpretiert werden muss. Die Entscheidung des EuGH basiert dabei auf einer Klage, die von spanischen Gewerkschaften angestrengt wurde. Durch diese Klage wurde jetzt für den gesamten europäischen Raum eine Basis für die Arbeitszeiterfassung geschaffen.

Durch die Entscheidung des EuGH wurden die Mitgliedsstaaten der EU in die Pflicht genommen, ein System zur Erfassung der geleisteten täglichen Arbeitszeit eines Mitarbeiters zu schaffen. Eine grundsätzliche Verpflichtung für diese Erfassung besteht jedoch nur für die Arbeitszeit ab 8 Stunden.

Der deutsche Gesetzgeber steht derzeitig somit in der Pflicht, den § 16 des Arbeitszeitengesetzes zu modifizieren, um auch diejenigen Arbeitsleistungen zu erfassen, welche die 8 Stunden täglich nicht erreichen. Mit der Entscheidung des EuGH wurde für Arbeitnehmer somit ein Grundrecht geschaffen, auf welches sich zukünftige Klagen berufen können.

Welche Form muss die Arbeitszeiterfassung haben?

Korrekte Erfassung der Arbeitszeit
Der EuGH fordert in seinem aktuellen Urteil von 2019 die genaue Erfassung der Arbeitszeit. Problematisch gilt das Urteil bei sogenannter „Vertrauensarbeitszeit“ – Symbolfoto: Vladiczech/Bigstock

Im Hinblick auf die Form der Arbeitszeiterfassung wurde von dem EuGH keine Vorgabe erteilt. Vielmehr hat der Europäische Gerichtshof lediglich die Verpflichtung für die Mitgliedsstaaten betont, ein entsprechendes System für die Erfassung zu schaffen. Bezüglich der Form wurde den Mitgliedsstaaten jedoch ein großer Spielraum eingeräumt.

Der EuGH sprach jedoch Empfehlungen im Hinblick auf die Form eines derartigen Systems aus, welches die Kriterien

  • Besonderheiten des Tätigkeitsfeldes
  • Unternehmenseigenheiten im Hinblick auf die Größe

umfassen sollte. Der deutsche Gesetzgeber steht also dementsprechend derzeitig in der Pflicht, ein derartiges System auszuarbeiten. Insbesondere für die geringfügig Beschäftigten oder Teilzeitarbeiter könnte dies sehr viele weitreichende Folgen mit sich bringen. Aber auch für die Unternehmen wird dies nicht unerhebliche Folgen haben. Gerade diejenigen Unternehmen, die bereits ein Zeiterfassungssystem nutzen, sollten dieses System jetzt für jeden Mitarbeiter anwenden und nicht ausschließlich für diejenigen Arbeitskräfte, welche 8 Stunden täglich Arbeit in dem Unternehmen verrichten.

Betriebsräte können jetzt schon aktiv werden

Mit dem Urteil des EuGH ist eine Pflicht für Unternehmen eingetreten, sodass Betriebsräte die betriebliche Umsetzung dieser Pflicht sofort einfordern können. Als Grundlage kann hierbei der § 80 des BetrVG dienen.

In der gängigen Praxis hat sich gezeigt, dass gewisse Unternehmen sich mit einer sofortigen Umsetzung von wichtigen Urteilen erst einmal schwer tun und Übergangsregelungen vorschlagen. Betriebsräte sollten sich dabei jedoch auf gar keinen fall auf das sogenannte Modell der Vertrauensarbeitszeiten einlassen. Durch dieses System werden den sogenannten grauen Überstunden sowie den damit verbundenen Eingriffen in das Grundrecht auf Ruhezeiten wieder Hof und Tür geöffnet.

Für Arbeitnehmer, die bereits in einem Modell mit der sogenannten Vertrauensarbeitszeit in einem Unternehmen tätig sind, hat das Urteil des EuGH ebenfalls Folgen.

Das Urteil des EuGH stützt sich auf die Kriterien eines

  • gesunden
  • sicheren
  • würdigen

Arbeitsplatzes gemäß des Artikels 31 Absatz 1 der EU-Grundrechtscharta. Dementsprechend handelt es sich um ein sogenanntes unverzichtbares Recht, auf welches kein Arbeitnehmer von sich aus verzichten kann.

Selbst dann, wenn zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber eine entsprechende Vereinbarung auf einen Verzicht der Arbeitszeiterfassung getroffen wird, gilt das Urteil des EuGH bindend. Ein derartiger Verzicht ist per se unwirksam. Dementsprechend kann auch kein Arbeitgeber von seinem Arbeitnehmer verlangen, dass ein derartiger Verzicht unterzeichnet wird.

Nicht selten nutzen Arbeitgeber ihre vermeintliche Vormachtstellung gegenüber dem Arbeitnehmer aus, damit gewisse Dinge auf die ganz schnelle und einfache Art geregelt werden können. Ein Arbeitnehmer ist mit seiner Existenz förmlich von dem Arbeitsplatz abhängig, sodass dem Arbeitgeber eine gute Angriffsfläche für Drohungen gegeben wird. Wenn Sie als Arbeitnehmer hiervon betroffen sind sollten Sie jedoch nicht vorschnell handeln, sondern vielmehr erst einmal eine ausgiebige anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen. Kein Arbeitgeber in Deutschland steht über dem Gesetz und dank des Urteils von dem EuGH wurden die Rechte der Arbeitnehmer im Hinblick auf die Arbeitszeit grundlegend gestärkt. Nicht jeder Arbeitnehmer kann jedoch gegen seinen Arbeitgeber sein Recht auch wirklich durchsetzen. An dieser Stelle stehen wir Ihnen sehr gern mit unserem Team aus fachkompetenten und engagierten Rechtsanwälten gern zur Seite. Wir übernehmen auf Wunsch die Korrespondenz mit Ihrem Arbeitgeber und sorgen dafür, dass Ihnen Ihr zustehendes Grundrecht in Ihrem Arbeitsverhältnis auch wirklich eingeräumt wird. Sie müssen uns dafür einfach nur kontaktieren und Ihren Fall schildern. Wir werden dann eine ausführliche Prüfung des Sachverhalts vornehmen und Ihnen helfen.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

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