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Arbeitsunfall – Haftungsprivileg – Parkplatz als Betriebsfläche

LG Mannheim, Az.: 5 O 316/13, Urteil vom 13.08.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist für die Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheitsleistung beträgt 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz aus übergegangenem Recht aufgrund eines Verkehrsunfalls.

Arbeitsunfall - Haftungsprivileg - Parkplatz als Betriebsfläche
Symbolfoto: Von Wichaiwish /Shutterstock.com

Der Mitarbeiter der Klägerin, der Zeuge F, befuhr am 20.04.2010 gegen 05:40 Uhr mit seinem Roller, amtliches Kennzeichen …, die „Hauptspur“ des Parkplatzes Hafenbahnstraße/Zum Herrenried in Mannheim. Der ihm entgegenkommende Beklagte Ziff. 1 wollte mit seinem Kraftfahrzeug Mercedes Benz mit dem amtlichen Kennzeichen: … nach links abbiegen und kollidierte dabei mit dem Roller des Zeugen F. Dieser wurde verletzt und war unfallbedingt arbeitsunfähig. Die Arbeitsunfähigkeit betraf den Zeitraum 20.04.2010 bis 17.10.2010, 13.10.2011 bis 30.10.2011, 29.11.2012 bis 30.11.2012 und darüber hinaus bis 21.12.2012.

Im Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit zahlte die Klägerin das Entgelt des Zeugen F fort nebst vermögenswirksamer Leistungen, Urlaubsentgelt und tarifvertraglicher Sonderzahlungen zzgl. der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung.

Die Klägerin ist der Auffassung, Schadensersatzansprüche des Zeugen F seien auf sie gemäß § 6 Abs. 1 EntgFG übergegangen. Hieraus resultiere der (erweiterte) Klageantrag Ziff. 1. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe es sich bei dem streitgegenständlichen Parkplatz nicht um einen firmeneigenen Parkplatz gehandelt. Der Parkplatz sei für jedermann, nicht bloß für Firmenmitarbeiter, zugänglich und werde auch regelmäßig von jedermann benutzt. Eine Einlasskontrolle finde erst unmittelbar am Eingang zum Werksgelände statt. Das Werksgelände sei durch einen massiven Zaun und ein Werkstor vom Parkplatz separiert. Der Parkplatz sei nicht umzäunt.

Zudem handele es sich im vorliegenden Fall nicht um eine betriebliche Tätigkeit der Unfallbeteiligten. Vielmehr sei die schädigende Handlung außerhalb der Arbeitszeit und außerhalb des mit einem Zaun abgetrennten Werksgeländes vorgenommen worden. Die betriebliche Sphäre der Klägerin beginne erst mit Durchschreiten des Werkstores, an dem eine entsprechende Einlasskontrolle stattfinde.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 15.809,22 € Schadensersatz nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit aus dem Verkehrsunfall vom 20.04.2010 des bei der Klägerin beschäftigten Antonio F zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche auf diese übergehenden materiellen Schäden zu ersetzen, welche ihr aus dem Verkehrsunfall vom 20.04.2010 des bei der Klägerin beschäftigten Antonio F künftig noch entstehen werden.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, der Parkplatz sei als Privatgelände ausgezeichnet. Die Mutter der Klägerin habe im Schreiben vom 07.05.2010 an das Polizeirevier Neckarstadt selbst von „unserem Parkplatz“ gesprochen. Es liege ein Arbeitsunfall vor, bei dem aufgrund der §§ 104, 105 SGB VII Schadensersatzansprüche ausgeschlossen seien. Der Unfall sei dem Werksgelände zuzurechnen, es handele sich um innerbetrieblichen Verkehr. Beide Unfallbeteiligte hätten als Arbeitskollegen den Parkplatz benutzt, um während der Arbeitszeit ihr eigenes Fahrzeug dort abzustellen. Vorsatz liege nicht vor, der Beklagte Ziff. 1 habe lediglich fahrlässig gehandelt. Nur vorsorglich werde auch die Höhe des geltend gemachten Schadens bestritten.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen  Bezug genommen.

Es lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung die Akte der Staatsanwaltschaft Mannheim, Az. 501 Js 16968/10.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz aufgrund des Verkehrsunfalls vom 20.04.2010 auf dem Parkplatz Hafenbahnstraße/Zum Herrenried in Mannheim zu. Zu Recht wenden die Beklagten das sogenannte Haftungsprivileg von § 105 Abs. 1 SGB VII ein. Nach dieser Bestimmung sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten des selben Betriebs verursachen, diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach den gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1-4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Dass der Verkehrsunfall von dem Beklagten Ziff. 1 vorsätzlich verursacht worden wäre, ist von keiner Partei vorgetragen worden. Ferner hat sich der Verkehrsunfall, insofern entgegen den Ausführungen der Klägerin, nicht auf einem versicherten Weg im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1-4 SGB VII ereignet, sondern auf einem Betriebsweg im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII. Es handelt sich um einen Arbeitsunfall.

Bei dem streitgegenständlichen Parkplatz Hafenbahnstraße/Zum Herrenried handelt es sich um betriebseigenes Gelände. Der Parkplatz dient ausschließlich den Mitarbeitern der Klägerin bzw. der D AG. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Lichtbild 3 aus der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Mannheim (dort Seite 16). Auf diesem Schild ist (schwer aber doch eindeutig) zu lesen:

„Privatparkplatz

für Mitarbeiter der D AG …“

Aus dem Schreiben der D AG vom 07.05.2010 an das Polizeirevier Neckarstadt (ABl. 19 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte) folgt, dass auch die Mutter der Klägerin von „unserem Parkplatz“ spricht. Dass der Parkplatz nicht umzäunt ist und keine Einlasskontrolle stattfindet, ist, entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin, im vorliegenden Rechtsstreit unerheblich. Der Parkplatz diente nach den nicht bestrittenen Ausführungen der Beklagten sowohl dem Zeugen F als auch dem Beklagten Ziff. 1 dazu, ihr eigenes Fahrzeug während der Arbeitszeit dort abzustellen. Das genügt, um die Betriebsbezogenheit und damit die betriebliche Tätigkeit der Unfallbeteiligten zu begründen. Dass ein Werkstor nicht durchschritten werden muss, um diesen Parkplatz zu erreichen, ist nicht erheblich. Der BGH führt hierzu aus:

„Hierfür ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung, dass im Streitfall der Unfallort außerhalb des firmeneigenen Betriebsgeländes gelegen ist. Ort der Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB VII ist nicht der Sitz des Unternehmens, sondern der Ort, an dem die versicherte Tätigkeit tatsächlich verrichtet wird.“ (BGH, Urteil vom 25.10.2005, VI ZR 334/04 in VersR 2006, 221 ff.).

Auch im dortigen Fall hatten sich die Unfallbeteiligten zum Unfallzeitpunkt noch im Gefahrbereich ihrer gemeinsamen Arbeitsstätte bewegt. Der BGH führt weiter aus:

„Der von ihnen benutzte Parkplatz gehört zwar zum Betriebsgelände des Hotels und nicht zu dem ihres Arbeitgebers, doch handelte es sich bei dem Hotel um die Arbeitsstätte der Unfallbeteiligten. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts stellten die Reinigungskräfte ihre Fahrzeuge auf dem Personalparkplatz ab, um sich von dort aus unmittelbar in das Hotel zu ihrer Arbeit zu begeben… Die Beteiligten unterlagen deshalb nicht lediglich dem allgemeinen Wegerisiko, sondern es bestand eine betriebseigentümliche Gefahrensphäre, solange sich die Arbeitskolleginnen nach Beendigung ihrer Arbeit auf dem Betriebsparkplatz aufhielten, um die Heimfahrt anzutreten.“

Nach diesen Grundsätzen kann die Klage nicht erfolgreich sein. Sie ist deshalb mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Klagantrag Ziff. 1:  15.809,22 €;

Klagantrag Ziff. 2:  Differenz zu 20.000,00 €

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