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Arbeitsvertrag – sachgrundlose Befristung über 2 Jahre hinaus

LAG Berlin-Brandenburg, Az.: 19 Sa 136/16, Urteil vom 19.04.2016

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 15.12.2015 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 36 Ca 4909/15 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Arbeitsvertrag - sachgrundlose Befristung über 2 Jahre hinaus
Symbolfoto: wutzkoh/Bigstock

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung ihres Arbeitsverhältnisses und um Weiterbeschäftigung. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen der Wohnungswirtschaft. In ihrem Berliner Betrieb besteht kein Betriebsrat. Der am ….1953 geborene Kläger war bei der Beklagten als technischer Sachbearbeiter ab 18.05.2012 beschäftigt.

Die Beschäftigung erfolgte zunächst auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 16.10.2012 (Bl. 4 ff. d.A.), in dem es auszugsweise heißt:

§ 1 – Vertragsbeginn/Tätigkeitsbereich

(1) Herr W. wird ab 18.10.2012 befristet bis zum 30.04.2013 als „technischer Sachbearbeiter“ – entsprechend § 14 Abs. 2 Teilzeit– und Befristungsgesetz (TzBfG) vom 21.12.2000 in der jeweils gültigen Fassung – vollbeschäftigt.

(…)

§ 10 – Schlussbestimmungen

Unter Bezug auf § 14 Absatz 2, Satz 3 und 4 Teilzeit– und Befristungsgesetz kann § 4 des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung und –förderung in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Anwendung finden. (…)

§ 4 des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung und –förderung in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft für die Beschäftigten in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft vom 04.10.2005, abgeschlossen zwischen dem Arbeitgeberverband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e.V. einerseits und der ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Bundesverband, und der IG BAU, Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Bundesvorstand, andererseits (im Folgenden auch nur: Tarifvertrag), lautet:

§ 4

Befristung von Arbeitsverhältnissen

Befristete oder zweckbestimmte Arbeitsverhältnisse sind im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zulässig, wobei gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG die zulässige Dauer von ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnissen auf bis zu 48 Monate und die zulässige Zahl von der Verlängerung auf bis zu sechs ausgedehnt wird. Die Verlängerung eines in dieser Form befristeten Arbeitsverhältnisses über zwei Jahre bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.

Hinsichtlich des vollständigen Wortlauts dieses Tarifvertrags wird auf Bl. 48 f. d.A. Bezug genommen.

Unter dem Datum des 29.01.2013/25.02.2013 schlossen die Parteien einen neuen Dienstvertrag, der in § 1 Abs. 1 eine Befristung für den Zeitraum vom 01.05.2013 bis zum 30.04.2014 vorsieht (Bl. 7 f. d.A.) bei im Übrigen gleichen Arbeitsbedingungen, insbesondere ist § 10 Abs. 1 des Vertrages gleichlautend formuliert.

Unter dem Datum des 17.01.2014/23.01.2014 schlossen die Parteien einen weiteren Dienstvertrag, der in § 1 Abs. 1 eine Befristung für den Zeitraum vom 01.05.2014 bis zum 30.04.2015 vorsieht (Bl. 9 f. d.A.) bei im Übrigen gleichen Arbeitsbedingungen, § 10 Abs. 1 des Vertrages ist auch dieses Mal gleichlautend formuliert.

Unter dem 28.04.2014/07.05.2015 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag (Bl. 11 d.A.), mit dem sie vereinbarten, dass der Kläger ab dem 01.06.2014 eine monatliche Bruttovergütung von 3.255,– Euro – statt zuvor: 3.100,– Euro – erhalten solle.

Nachdem dem Kläger am 21.01.2015 mitgeteilt wurde, dass sein befristeter Arbeitsvertrag nicht noch einmal verlängert werden würde, hat er mit seiner am 02.04.2015 beim Arbeitsgericht Berlin eingereichten und der Beklagten am 10.04.2015 zugestellten Klage die Feststellung verfolgt, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der letzten Befristungsvereinbarung am 30.04.2015 ende sowie die Weiterbeschäftigung begehrt.

Mit Urteil vom 15.12.2015 (Bl. 111 ff. d.A.) hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die letzte Befristung zum 30.04.2015 sei nach § 14 Abs. 2 TzBfG ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes wirksam, auch wenn die dort in Satz 1 genannte Höchstbefristungsdauer von 24 Monaten überschritten sei. Denn in § 10 des letzten Arbeitsvertrages sei – in Übereinstimmung mit § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG – § 4 des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung und –förderung in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft wirksam in Bezug genommen worden. Die Bezugnahmeklausel in § 10 des Arbeitsvertrages, einer allgemeinen Geschäftsbedingung, mit der Bezugnahme auf das für die Branche der Beklagten geltende Tarifwerk erweise sich nicht als unklar, denn die geltenden und in Bezug genommenen Regeln des Tarifvertrags seien bestimmbar, dies genüge dem Transparenzgebot. Es sei auch nicht erkennbar, warum für einen Arbeitnehmer wie den Kläger eine solche Klausel überraschend sein solle, denn es sei seine Aufgabe gewesen, sich über die anzuwendenden tariflichen Bestimmungen bei der letztmaligen Verlängerung des Arbeitsvertrages selbst Klarheit zu verschaffen. Letztlich sei auch kein Widerspruch zwischen der lediglich auf § 14 Abs. 2 TzBfG Bezug nehmenden Regelung in § 1 Abs. 1 des Arbeitsvertrages und der Vereinbarung hinsichtlich der Anwendbarkeit von § 14 Abs. 2 S. 3 und 4 TzBfG in § 10 des Arbeitsvertrags ersichtlich. Die Sätze 3 und 4 von § 14 Abs. 2 TzBfG seien mit dessen Nennung bereits umfasst.

Die in § 4 des in Bezug genommenen Tarifvertrags bestimmte Höchstdauer einer sachgrundlosen Befristung von 48 Monaten und die Anzahl der möglichen Vertragsverlängerungen sei wirksam, da sie von der gesetzlichen Tariföffnungsklausel in § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG gedeckt sei. Die Verdoppelung der in § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG festgelegten Werte stelle die Konzeption des § 14 TzBfG nicht grundlegend in Frage und unterlaufe auch nicht die aus Art. 12 Abs. 1 GG resultierende Schutzpflicht, wie etwa auch die Regelung des § 14 Abs. 2a TzBfG zeige, wonach für neu gegründete Unternehmen sachgrundlose Befristungen bis zur Dauer von vier Jahren bei mehrfacher Verlängerungsmöglichkeit gestattet seien.

Der arbeitsvertraglichen Vereinbarung stehe auch nicht entgegen, dass die Zustimmung des Betriebsrats fehle. Es spreche nichts in § 4 des Tarifvertrags dafür, dass die Tarifvertragsparteien eine Anwendung des Tarifvertrags in betriebsratslosen Betrieben ausschließen wollten. Auch in betriebsratslosen Betrieben sei eine Anwendung der Befristungsregeln möglich und von den Tarifvertragsparteien offensichtlich nicht ausgeschlossen. Daraus folge, dass diese Befristung hier auch ohne eine Zustimmung eines Betriebsrats wirksam sei.

Auch der Zustimmung von 75 % der Arbeitnehmer als Voraussetzung für die Einführung verschlechternder Regelungen in betriebsratslosen Betrieben bedürfe es nicht. Dieses Quorum finde sich als Voraussetzungen bei anderen Reglungsbereichen des Tarifvertrages, nämlich in Zusammenhang mit Abweichungen vom Vergütungstarifvertrag (§ 1 des Tarifvertrags) oder in Zusammenhang mit der vom Manteltarifvertrag abweichenden Festlegung der wöchentlichen Arbeitszeit (§ 3 des Tarifvertrags). Das Quorum sei jedoch nicht anzuwenden bei den individualvertraglichen Regelungen, wie die hier in Rede stehende Befristung oder die in § 2 des Tarifvertrags geregelte Übernahme von Auszubildenden zeige. Da dieses Quorum in der hier maßgeblichen Reglung des § 4 des Tarifvertrags fehle, werde ersichtlich, dass das Quorum nicht generell anzuwenden sei, sondern nur im Zusammenhang mit der Ermöglichung von kollektiven Vereinbarungen in betriebsratslosen Betrieben.

Der Wirksamkeit der Befristung stehe schließlich auch nicht entgegen, dass die Parteien am 28.04./07.05.2014 einen Änderungsvertrag geschlossen hätten, der im Wesentlichen eine Erhöhung des Arbeitsentgelts zum 01.06.2014 enthalten habe. Denn eine Vereinbarung der Parteien über die Änderung der Arbeitsbedingungen während der Laufzeit eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages sei ohne weiteres zulässig und habe keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Befristung.

Der Weiterbeschäftigungsantrag falle nicht zur Entscheidung an, da er bei interessengerechter Auslegung als uneigentlicher Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit der Feststellungsklage zu verstehen sei.

Gegen dieses dem Kläger am 22.12.2015 (Bl. 120 d.A.) zugestellte Urteil hat dieser am 20.01.2016 Berufung eingelegt, und diese am 17.02.2016 begründet. Er gehe nach wie vor davon aus, dass die gesetzlich zulässige Dauer der sachgrundlosen Befristung überschritten sei und dass § 4 des Tarifvertrags hier keine Anwendung finden könne. Denn nach dieser Vorschrift sei eine Befristung bis zu 48 Monaten nur unter der Voraussetzung möglich, dass der Betriebsrat dieser Form der Verlängerung zustimme. Das Zustimmungserfordernis des Betriebsrats bezwecke einen besonderen Schutz des Arbeitnehmers, der hier von der Beklagten nicht einfach aufgehoben werden könne.

Der Arbeitsvertrag verweise in § 1 ausdrücklich auf § 14 Abs. 2 TzBfG und damit nur auf eine zweijährige sachgrundlose Befristung. § 10 des Arbeitsvertrags – Schlussbestimmung – stelle eine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar, wenn über § 14 Abs. 2 S. 3 und 4 TzBfG ein Tarifvertrag vereinbart werde, der andere Voraussetzung enthalte, nämlich die Zustimmung des vorliegend gar nicht vorhandenen Betriebsrats. Die Bestimmung sei nicht klar und verständlich. Mit einer derartigen versteckten Vertragsklausel habe der Kläger nicht rechnen müssen. Der Kläger habe nicht damit rechnen können, dass nunmehr eine Befristung bis zu 48 Monaten zulässig sei.

Mit der Änderung des Vertrags vom 28.04./07.05.2014 sei eine wesentliche Änderung des Vertrags vereinbart worden, die Befristung sei deshalb unwirksam.

Der Kläger beantragt zuletzt, unter Abänderung des am 15.12.2015 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Berlin – 36 Ca 4909/15 –

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien Arbeitsverhältnis nicht aufgrund Befristungsvereinbarung vom 17.01.2014 zum 30.04.2015 geendet hat.

2. nach Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung gemäß des Klageantrags zu 1 die Beklagten zu verurteilen, den Kläger über den 30.04.2015 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Von einer unklaren oder überraschenden Klausel könne in Hinblick auf § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrages nicht die Rede sein, schon in dem ersten und dem zweiten Arbeitsvertrag habe sich die Verweisung auf § 4 des Tarifvertrages unter Bezug auf § 14 Abs. 2 S. 3 und 4 TzBfG befunden.

Die Zustimmung des Betriebsrats nach § 4 des Tarifvertrags könne nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung für die (letzte) Befristung angesehen werden. Es spreche in der Tat nichts im Tarifvertrag dafür, dass die Tarifvertragsparteien eine Anwendung des Tarifvertrags oder speziell des § 4 S. 1 des Tarifvertrags hätten ausschließen wollen, wenn kein Betriebsrat gebildet worden sei. Auch in betriebsratslosen Betrieben sei die Anwendung der Befristungsregelungen daher möglich. Wenn der Kläger in der Berufungsbegründung ausführe, die Beklagte könne den aus der Zustimmung des Betriebsrats resultierenden Schutz des Arbeitnehmer nicht aufheben, so verkenne er, dass dieser Schutz erst gar nicht in Kraft trete, da es eben keinen Betriebsrat gebe. Beispielsweise entfielen ja auch die betriebsverfassungsrechtlichen Mitwirkungsrechte, wenn es in einem Betrieb keinen Betriebsrat gebe.

Es entspreche im Übrigen dem Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass eine spätere Änderung der Arbeitsbedingungen die vorherige Befristung nicht unwirksam werden ließe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen.

1. Das Vorbringen der Parteien in ihren nach Abschluss der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2016 eingereichten Schriftsätzen vom 11.04.2016 und 12.04.2016 veranlasst nicht die Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 Abs. 2 oder 1 ZPO. Hierüber hat die Kammer im Rahmen einer gemeinsamen Telefonkonferenz am 15.04.2016 in allseitiger Kenntnis des Vorbringens aus diesen Schriftsätzen und im allseitigen Einvernehmen beraten und beschlossen (vgl. BAG 14. April 2015 – 1 AZR 223/14 – zit. nach juris).

2. Der Feststellungsantrag des Klägers nach § 17 TzBfG, § 7 KSchG ist unbegründet.

a. In der Berufungsverhandlung ist klägerseits klargestellt worden, dass an dem Nachsatz „sondern unbefristet fortbesteht“ nicht festgehalten werde, da keine allgemeine Feststellungsklage erhoben worden ist. Dieses hatte der Kläger – weder in der Klageschrift, noch später – auch nicht vorgebracht und auch nicht entsprechend begründet.

b. Die erfolgte Befristung, für die ein Sachgrund iSd. § 14 Abs. 1 TzBfG beklagtenseits nicht vorgetragen wird, ist nicht deshalb unwirksam, weil die Befristungsdauer insgesamt 2 Jahre überschritten hat (§ 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG). Es war nach § 14 Abs. 2 S. 3 iVm. § 4 des Tarifvertrags vielmehr rechtlich zulässig, die Befristungsdauer, wie hier erfolgt, auf ca. zweieinhalb Jahre insgesamt auszudehnen, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat.

aa. § 10 Abs. 1 des letzten Arbeitsvertrags, durch den § 4 des Tarifvertrages in Bezug genommen wird, ist als allgemeine Geschäftsbedingung wirksam.

Die Bestimmung ist für einen typischen Arbeitnehmer in der Situation des Klägers nicht überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB. Verweisungen in Arbeitsverträgen auf tarifvertragliche Regelungen der einschlägigen Branche – letzteres steht nicht im Streit – sind nicht unüblich, auch wenn sie nur Teilbereiche betreffen. Damit muss ein Arbeitnehmer rechnen. Die Verweisung in § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist auch nicht in Hinblick auf den Umstand überraschend oder widersprüchlich, dass in § 1 Abs. 1 des Vertrages § 14 Abs. 2 des TzBfG genannt ist. Denn § 14 Abs. 2 TzBfG umfasst in seinem Satz 3 und 4 eben auch die Inbezugnahme eines einschlägigen Tarifvertrages, auch bei Nichttarifgebundenen.

Die Unwirksamkeit des § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrages folgt auch nicht aus § 305 c Abs. 2 BGB. Dass danach § 4 des Tarifvertrags auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommen kann, wenn die dort geregelten Voraussetzungen vorliegen und die Befristungsdauer zwei Jahre übersteigt, ist als solches nicht mehrdeutig.

Weiterhin verstößt § 10 Abs. 1 des Arbeitsvertrags nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Verweisungsklausel ist nicht unklar oder missverständlich. Die in Bezug genommenen Regelungen sind vielmehr bestimmbar. Das ist zur Wahrung des Transparenzgebotes als ausreichend anzusehen (BAG 18. November 2009 – 4 AZR 493/08 – Rn.25, zit. nach juris).

bb. Die Regelung des § 4 des Tarifvertrags, die eine Ausweitung der Befristungsdauer auf maximal 4 Jahre bei sechsmaliger Verlängerungsmöglichkeit eröffnet, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Die Verdopplung der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festgelegten Werte ist weder nach der Systematik und dem Zweck des TzBfG noch aus verfassungs- oder unionsrechtlichen Gründen bedenklich. Durch eine vierjährige sachgrundlose Befristung bei sechsmaliger Verlängerungsmöglichkeit wird die Konzeption des § 14 TzBfG nicht in Frage gestellt, wonach Befristungen grundsätzlich nur mit Sachgrund zulässig sind und sachgrundlose Befristungen nur unter bestimmten Voraussetzungen vereinbart werden dürfen. Eine solche tarifliche Bestimmung führt auch nicht dazu, dass der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Schutzpflicht nicht mehr genügt wäre. Der dem Arbeitnehmer zu gewährende Mindestbestandsschutz wird dadurch nicht unterschritten. Die Festlegung dieser Höchstgrenzen für die Gesamtdauer und die Verlängerungsmöglichkeiten sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge ist geeignet, den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu verhindern. Dies zeigt auch die Regelung in § 14 Abs. 2a TzBfG, die für neu gegründete Unternehmen sachgrundlose Befristungen bis zur Dauer von vier Jahren bei mehrfacher Verlängerungsmöglichkeit gestattet (BAG 18. März 2015 – 7 AZR 272/13 – Rn. 31, zit. nach juris).

cc. Die sachgrundlose Befristung nach § 4 des Tarifvertrages über zwei Jahre hinaus ist nicht deshalb unwirksam, weil keine Zustimmung eines Betriebsrats in dem betriebsratslosen Betrieb der Beklagten in Berlin vorliegt.

§ 4 des Tarifvertrags ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht so auszulegen, dass er in betriebsratslosen Betrieben gleichsam nicht zur Anwendung kommen soll. Die Tarifvertragsparteien wussten als professionell tätige Verbände ohne Zweifel, dass es auch betriebsratslose Betriebe geben kann, sie hatten dies sogar aktuell vor Augen, wie die insoweit differenzierenden Regelungen in den § 1 Nr. 1 Abs. 4 und § 3 Abs. 1 des Tarifvertrags zeigen. Würde man die über zwei Jahre hinausgehende Befristung in betriebsratslosen Betrieben mangels Zustimmung eines Betriebsrats nicht für möglich halten, dann liefe dies praktisch auf eine Nichtanwendbarkeit des § 4 des Tarifvertrags in betriebsratslosen Betrieben hinaus. Regeln aber die Tarifvertragsparteien wie in § 4 des Tarifvertrags etwas positiv, hier die erweiterte Befristungsmöglichkeit, und sollte diese Regelung jedoch in bestimmten Konstellationen nicht zur Anwendung kommen, dann bedürfte es für die Nichtanwendbarkeit entsprechender Anhaltspunkte in dem Tarifvertrag, die hier allerdings nicht vorliegen. Insofern hält die Kammer auch die Anregung, eine Tarifauskunft einzuholen, nicht für weiterführend. Denn der Wille der Tarifvertragsparteien, den Tarifvertrag anzuwenden, ergibt sich schon aus dem Tarifvertrag selbst, ein entgegenstehender Wille findet keinen Anhaltspunkt im Tarifvertrag.

Dies deckt sich im Übrigen auch mit dem Verständnis, das im Arbeitsrecht allgemein mit dem Fehlen eines Betriebsrats im Betrieb verbunden ist. Man käme etwa vernünftigerweise auch nicht auf die Idee, dass eine Kündigung in einem betriebsratslosen Betrieb nicht möglich sein sollte, weil kein Betriebsrat in dem Betrieb gebildet worden ist, der gem. § 102 BetrVG angehört werden könnte (vgl. APS/Koch BetrVG § 102 Rn. 43), auch wenn die Anhörung eine Schutzfunktion zu Gunsten der Arbeitnehmer entfalten mag. Eine Versetzung oder eine Eingruppierung wird auch nicht deshalb schon als unwirksam angesehen, weil in einem betriebsratslosen Betrieb ein Betriebsrat nicht beteiligt werden kann. Auch ist eine Kündigung nicht schon deshalb unwirksam, weil es in einem Betrieb keinen Betriebsrat gibt, der einen Widerspruch gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 KSchG erheben könnte (vgl. KR-Griebeling, 10. Aufl., § 1 KSchG Rn. 199, 710).

dd. Die Befristung erweist sich auch nicht vor dem Hintergrund als unwirksam, dass mit Änderungsvertrag vom 28.04./07.05.2014 die Vergütung des Klägers ab 01.06.2014 erhöht worden ist. Vereinbaren die Parteien während der Dauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages unter Beibehaltung der Vertragslaufzeit eine Änderung der Arbeitsbedingungen, unterliegt diese Vereinbarung nicht der Befristungskontrolle, weil die Vereinbarung keine neue Befristungsabrede enthält (BAG 19. Oktober 2005 – 7 AZR 31/05 – Rn. 15 f., zit. nach juris; BAG 23. August 2006 – 7 AZR 12/06 – Rn. 11, zit. nach juris). Anhaltspunkte für Rechtsmissbrauch oder Umgehung insoweit sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

3. Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers fällt nicht zur Entscheidung an. Dessen Auslegung als uneigentlicher Hilfsantrag durch das Arbeitsgericht, gegen den sich die Parteien nicht wenden, wird auch von dem Berufungsgericht für zutreffend gehalten.

III. Die Kosten der erfolglosen Berufung hat der Kläger zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

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