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Arbeitsvertragsanfechtung – Arglist des Täuschenden

ArbG Köln – Az.: 11 Ca 5960/17 – Urteil vom 07.02.2019

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1763,65 EUR brutto abzüglich 570,27 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2017 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 72 %und der Beklagte zu 28 %.

4. Streitwert: 1.225,40EUR

5. Gebührenstreitwert: 4.263,65 EUR

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch über Ansprüche auf Entgeltfortzahlung und Urlaubsabgeltung.

Der Kläger ist seit dem 01.03.2016 bei dem Beklagten beschäftigt. Wegen der Einzelheiten der arbeitsvertraglichen Regelungen, die sich auf eine Tätigkeit als Steuerfachangestellter bezieht, wird auf den zur Gerichtsakte gereichten Arbeitsvertrag vom 01.03.2016 (Bl. 11 d.A.) verwiesen. Der Kläger hatte sich auf die Stellenanzeige des Beklagten vom 20.02.2016 im Kölner Stadtanzeiger für einen Steuerfachangestellten zur selbstständigen Bearbeitung von Finanz-, Lohnbuchhaltung, Steuererklärungen und Jahresabschlüsse (Datev) beworben. Wegen des Bewerbungsschreibens wird auf das Schreiben des Klägers vom 23.02.2016 (Bl 97 d.A.) verwiesen. Dieses ist mit „Bewerbung als Steuerfachangestellter“ überschrieben und enthält unter anderem folgende Formulierungen:

„Sehr geehrter Herr …..,

auf der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung bin ich mit großem Interesse auf Ihre Stellenausschreibung gestoßen und möchte mich deshalb als Ihr neuer Steuerfachgestellter bewerben.

Steuerliche und buchhalterische Themen weckten schon immer mein besonderes Interesse, weshalb ich in meinem BWL-Studium die Schwerpunktfächer Steuern und Controlling belegt habe.

…“.

Dem Bewerbungsschreiben war ein Lebenslauf beigefügt, wegen dessen Inhalt auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie (Bl. 98 d.A.) verwiesen wird.

Mit Schreiben vom 13.07.2017 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 15.08.2017. Mit Schreiben vom 12.10.2017 focht der Beklagte seine zum Abschluss des Arbeitsvertrags führende Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung an. Wegen der Einzelheiten der Anfechtungserklärung wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie (Bl. 105 d.A.) verwiesen. Der Beklagte gab als Grund für die Anfechtung an, dass der Kläger bei seiner Bewerbung suggeriert habe, zur Führung der Berufsbezeichnung „Steuerfachangestellter“ befugt zu sein, obwohl er nicht über die entsprechende Abschlussprüfung verfüge.

Der Kläger war vom 04.07.2017 bis zum 15.08.2017 arbeitsunfähig krank. Für den Monat August 2017 rechnete der Beklagte lediglich 833,33 EUR brutto ab. Wegen der Abrechnung wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie (Bl. 19 d.A.) verwiesen. Zwischenzeitlich wurde der sich daraus ergebende Nettobetrag von 570,27 EUR an den Kläger ausgezahlt.

Der Kläger macht klageweise Entgeltfortzahlung bis zum 14.08.2017 geltend und errechnet diese mit 1.129,03 EUR brutto. Des Weiteren macht er Urlaubsabgeltung für acht Resturlaubstage geltend, da er bei einem Urlaubsanspruch von 20 Tagen im Jahr 2017 lediglich zwölf Tage genommen habe. Diese errechnet er mit einem Betrag von 666,64 EUR.

Der Kläger beantragt zuletzt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.763,65 EUR brutto abzüglich 570,27 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2017 zu zahlen.

Soweit er darüber hinaus ursprünglich einen Zeugnisberichtigungsantrag gestellt hat, hat er diesen Antrag im Kammertermin vom 07.02.2019 sowie den weitergehenden Zahlungsantrag im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte Nettozahlung zurückgenommen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, der Kläger habe im Jahr 2017 bereits 14,5 Tage erhalten. Wegen der im Einzelnen gewährten Urlaubstage wird auf Seite 5 des Schriftsatzes des Beklagten vom 21.03.2018 verwiesen.

Er ist der Ansicht, dass dem Kläger kein Entgeltfortzahlungsanspruch und Urlaubsabgeltungsanspruch zustehe, da der Arbeitsvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB angefochten worden sei und damit von Anfang an nichtig sei. Indem der Kläger sich auf eine Stelle beworben habe, die ausdrücklich für einen Steuerfachangestellten ausgeschrieben gewesen sei, habe er den Eindruck erweckt, eine entsprechende Ausbildung zu haben. Dies sei dem Beklagten erst aufgefallen, als er den Kläger nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgefordert habe, die Berechtigung für die Führung der Berufsbezeichnung vorzuweisen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass eine Täuschung nicht vorliege, da dem Beklagten der vollständige Lebenslauf vorgelegen habe und er zu keinem Zeitpunkt behauptet habe, Steuerfachangestellter zu sein. Er habe allerdings die Tätigkeiten eines Steuerfachangestellten bei dem Beklagten ausgeübt. Er rügt die Einhaltung der Anfechtungsfrist, da die Tatsache, dass er kein Steuerfachangestellter ist, dem Kläger bereits bei der Einstellung bekannt sein musste. Im Übrigen ist er der Ansicht, als Diplombetriebswirt mit den Schwerpunktfächern Steuern und Controlling für eine Stelle als Steuerfachangestellter sogar überqualifiziert zu sein. Sein verbliebener Urlaubsanspruch ergebe sich aus dem letzten Urlaubsantrag vom 03.04.2017.

Wegen der weiteren Einzelheiten des wechselseitigen Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

I. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 01.08.2017 bis 14.08.2017 aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG.

Dass der Kläger in diesem Zeitraum arbeitsunfähig krank war, ist zwischen den Parteien nicht streitig.

1. Zwischen den Parteien bestand in diesem Zeitraum auch ein Arbeitsverhältnis. Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag ist von dem Beklagten nicht wirksam gemäß § 123 Abs. 1 1. Variante BGB angefochten worden. Zwar liegt die erforderliche Anfechtungserklärung gemäß § 143 BGB vom 12.10.2017 vor. Es fehlt jedoch an einem Anfechtungsgrund. Der Beklagte ist nicht zum Abschluss des Arbeitsvertrages durch arglistige Täuschung des Klägers bestimmt worden.

Der Anfechtungstatbestand des § 123 Abs. 1 BGB setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass der Täuschende durch Vorspiegelung oder Verstellung von Tatsachen beim Erklärungsgegner einen Irrtum erweckt und ihn hierdurch zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst hat. Dabei muss sich der Täuschende auf objektiv nachprüfbare Tatsachen beziehen.

a. Der Kläger verfügt nicht über die Ausbildung als Steuerfachangestellter, weshalb es sich hierbei um eine objektive Tatsache handelt, über die grundsätzlich getäuscht werden kann.

b. Zu Gunsten des Beklagten soll auch unterstellt werden, dass durch die Bewerbung auf die Stelle als Steuerfachangestellter eine Täuschung des Klägers vorlag. Der Kammer bleibt unverständlich, weshalb ein Steuerberater, der einen besonderen Wert auf die Qualifikation als Steuerfachangestellter bei seinen Angestellten legt, bei einer Bewerbung und anschließenden Einstellung keinen Blick in den Lebenslauf des Bewerbers wirft, aus dem sich im vorliegenden Fall unmittelbar ergibt, dass der Kläger über keine 3-jährige Ausbildung zum Steuerfachangestellten verfügt. Auch kann die Kammer schwer nachvollziehen, dass, wenn es auf die Ausbildung als Steuerfachangestellter wesentlich für eine Tätigkeit ankommt, das Abschlusszeugnis selber mit den entsprechenden Noten keinerlei Bedeutung bei der Einstellung haben soll. Dennoch soll hier zugunsten des Beklagten unterstellt werden, dass er einem Irrtum erlegen war. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass eine Fahrlässigkeit des Getäuschten den Irrtum nicht ausschließt. Das ergibt sich daraus, dass das Gesetz für die Anfechtung nach § 123 Abs. 1 1. Variante BGB nur auf das Vorliegen einer Täuschung nicht auf deren Vermeidbarkeit, abstellt. Der täuschende Irrtum ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Getäuschte die wahre Sachlage nur aus Fahrlässigkeit oder grober Fahrlässigkeit nicht kannte (BGH NJW 1971, 1795, 1798; BGH NJW 1997, 1845, 1847).

c. Jedenfalls fehlt es aber an einer Arglist des Klägers. Für eine Arglist des Täuschenden ist dessen Vorsatz erforderlich. Der Vorsatz muss sich auf die Erregung eines Irrtums und die Abgabe einer irrtumsbedingten Willenserklärung richten. Der Handelnde muss also wissen oder es für möglich halten, dass auf Grund seiner unrichtigen Tatsachenbehauptung der Erklärende eine falsche Vorstellung von der Wirklichkeit erhält und deswegen eine Erklärung abgibt, die er bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht oder nicht mit diesem Inhalt abgegeben hätte (Erman/Arnold 15. Auflage § 123 BGB Rdn 28 nach Juris). Wenn diese subjektiven Elemente nicht unmittelbar zu beweisen sind, muss „auf das Wissen und Wollen des Anfechtungsgegners … aus den objektiv feststellbaren Umständen des jeweiligen Falls geschlossen werden.“ (Moritz in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 123 BGB, Rn. 68).Ein solcher Vorsatz ist dem Handeln des Klägers nicht zu entnehmen. Er hat sich zwar auf die Stelle als Steuerfachangestellter beworben. Er hat auch in seinem Bewerbungsschreiben angegeben, dass er sich auf diese Stelle als Steuerfachangestellter bewirbt und gerne der neue Steuerfachangestellte des Beklagten sein will. Aus dem Zusammenhang des Bewerbungsschreibens und dem beigefügten Lebenslauf ergeben sich aber andere Qualifikationen des Klägers und insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass er über eine entsprechende Berufsausbildung verfügt. Er hat einen durchgängigen Lebenslauf eingereicht, in dem keine Lücken vorhanden sind, die eine solche Ausbildung ermöglichen würden, noch hat er ein Zeugnis eingereicht, das einen entsprechenden Abschluss ausweist. Vielmehr weist er in seinem Bewerbungsschreiben ausdrücklich darauf hin, dass sein Interesse an steuerlichen und buchhalterischen Themen im BWL-Studium geweckt wurde. Der Kläger macht damit sowohl in seinem Bewerbungsschreiben als auch in seinem Lebenslauf zutreffende Angaben zu seinen bisherigen Tätigkeiten und behauptet an keiner Stelle, jemals als Steuerfachangestellter beschäftigt worden zu sein oder eine entsprechende Ausbildung absolviert zu haben. Dass der Kläger allein auf Grund der Tatsache, dass er sich um die Stelle als Steuerfachangestellter beworben hat, den Eindruck vermitteln wollte, eine entsprechende Ausbildung absolviert zu haben und insbesondere den Vorsatz gehabt hat, dass der Beklagte auf Grund dieser Tatsache der falschen Vorstellung erlegen ist, dass er über die Ausbildung verfügt und ihn deshalb einstellt, ist nach Auffassung der Kammer dem Verhalten des Klägers nicht zu entnehmen. Das ergibt sich nicht zuletzt aus den bereits angeführten Gründen, weshalb die Kammer bereits Zweifel an der Täuschung des Beklagten hat. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger es für möglich halten konnte, dass der Beklagte ihn einstellen würde, ohne seinen Lebenslauf näher zu betrachten oder gar seine Ausbildungszeugnisse zu sichten. Insbesondere ergibt sich das nicht daraus, dass der Kläger davon ausgehen musste, dass er für die ausgeschriebene Stelle in keinem Fall in Betracht kommt. Dem Lebenslauf des Klägers sind Tätigkeiten bei einer Steuerberatungsgesellschaft mit Aufgabenbereichen zu entnehmen, in denen auch ein Steuerfachangestellter tätig ist. Er hat ein Studium absolviert, bei dem er den Studienschwerpunkt Steuerlehre gewählt hat. Vor diesem Hintergrund konnte er nicht davon ausgehen, dass er für die Tätigkeit, die vom Beklagten ausgeschrieben worden ist, ungeeignet ist, obwohl er den entsprechenden Ausbildungsabschluss nicht hat. Dem Verhalten des Klägers ist damit die erforderliche Täuschungsabsicht gerade nicht zu entnehmen.

II. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG für 5,5 Tage. Dem Kläger stehen für das Jahr 2017 insgesamt 20 Urlaubstage arbeitsvertraglich zu. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Kläger hat hiervon 14,5 Tage genommen. Der Beklagte hat insoweit die einzelnen Urlaubstage konkret vorgetragen. Soweit sich der Kläger lediglich auf den Urlaubsantrag bezieht, ist er dem Vortrag des Beklagten damit nicht hinreichend konkret entgegengetreten. Er hat hier nicht konkret vorgetragen, wie sich sein Resturlaubsanspruch errechnet. Damit ist der Urlaub im Umfang von 14,5 Tagen durch Erfüllung erloschen, so dass lediglich 5,5 Tage abzugelten sind. Diese errechnen sich bei einem Bruttomonatsverdienst von 2.500,00 EUR und damit einem Quartalsverdienst von 7.500,00 EUR und 65 Arbeitstagen mit einem Betrag von 115,38 EUR pro Tag und damit insgesamt 634,62 EUR.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 2 Ziffer 1, 288 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 247 BGB. Danach ist die Geldschuld mit einem Verzugszinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten nach § 288 Abs. 2 BGB kann der Kläger nicht beanspruchen, da bezüglich des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmers nicht gilt (Palandt, § 288 BGB, Rdn 9).

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 ZPO. Dem Kläger waren die Kosten aufzuerlegen, soweit er unterlegen war und die Klage hinsichtlich des Zeugnisantrags und der zwischenzeitlichen Erfüllung zurückgenommen hat gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der Streitwert war gemäß § 61 ArbGG im Urteil festzusetzen und entspricht dem bezifferten Zahlungsantrag.

 

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