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Arbeitsvertragsanfechtung wegen Falschangaben  bei Einstellungsverhandlungen

Ein ehemaliger Geschäftsführer soll bei den Einstellungsverhandlungen für seinen neuen Job als Angestellter gelogen haben. Der Arbeitgeber wollte ihn deswegen direkt wieder loswerden – per Anfechtung des Arbeitsvertrags und Kündigung. Doch das Landesarbeitsgericht machte ihm einen Strich durch die Rechnung.

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✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • In dem Fall ging es um die Anfechtung eines Arbeitsvertrags wegen Falschangaben bei den Einstellungsverhandlungen.
  • Der Kläger ist ein langjähriger Mitarbeiter der AWO, der seit 1995 dort beschäftigt ist.
  • Der Arbeitgeber hat behauptet, der Kläger habe bei seiner Einstellung falsche Angaben gemacht.
  • Eine zentrale Schwierigkeit bestand darin zu klären, ob und inwieweit die angeblichen Falschangaben für die Einstellung wesentlich waren.
  • Das Gericht entschied, dass die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund zurückgewiesen wird.
  • Die Entscheidung basiert darauf, dass die Beklagten keine ausreichenden Beweise für die Relevanz der Falschangaben vorbringen konnten.
  • Die Revision wurde nicht zugelassen, was die Entscheidung des Gerichts endgültig macht.
  • Eine der Auswirkungen ist, dass der Arbeitsvertrag weiterhin Bestand hat und die Anfechtung durch den Arbeitgeber abgelehnt wurde.
  • Das Urteil betont die Notwendigkeit einer klaren Beweislast, um einen Arbeitsvertrag erfolgreich anzufechten.
  • Für Arbeitnehmer bedeutet das Urteil, dass sie in Anfechtungsverfahren ihre Stellung stärken können, wenn der Arbeitgeber keine ausreichenden Beweise vorlegt.

Falschangaben bei Einstellung: Wann Arbeitgeber Vertrag anfechten kann

In der modernen Arbeitswelt ist der Arbeitsvertrag das zentrale rechtliche Instrument, das die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer regelt. Doch was passiert, wenn bei den Einstellungsverhandlungen falsche Angaben gemacht werden? Kann der Arbeitgeber den Vertrag in einem solchen Fall anfechten und sich vom Arbeitsverhältnis lösen?

Diese Frage ist von großer praktischer Relevanz, da sie nicht nur die Rechte und Pflichten beider Parteien, sondern auch die Stabilität von Arbeitsverhältnissen insgesamt betrifft. Im Folgenden werden wir uns daher näher mit den rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen einer Vertragsanfechtung wegen Falschangaben bei Einstellungsverhandlungen befassen. So können Sie sich ein fundiertes Bild zu diesem komplexen Thema machen.

Abschließend werden wir einen konkreten Gerichtsfall betrachten, der diese Problematik anschaulich veranschaulicht und zeigt, wie die Gerichte in der Praxis damit umgehen.

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✔ Der Fall vor dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern


Hier ist meine ausführliche Zusammenfassung des Urteils im journalistischen Stil für eine Zielgruppe ohne juristisches Vorwissen:

Falschangaben bei der Einstellung können Arbeitsvertrag gefährden

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte sich mit einem Fall zu beschäftigen, bei dem ein Arbeitnehmer bei den Einstellungsverhandlungen falsche Angaben gemacht haben soll. Der Arbeitgeber hatte den Arbeitsvertrag daraufhin wegen arglistiger Täuschung angefochten und zusätzlich fristlos und hilfsweise fristgerecht gekündigt.

Vorwurf: Falsche Aussagen über Abrechnungen gegenüber dem Landkreis

Der Kläger war seit 2014 als Geschäftsführer für eine gemeinnützige GmbH tätig. Im Januar und Februar 2021 kam es zu Gesprächen, bei denen es auch um fehlerhafte Abrechnungen gegenüber dem Landkreis ging. Der Geschäftsführer soll dabei fälschlicherweise behauptet haben, er habe die Abrechnungen geprüft und es liege kein Betrug vor.

Kurz darauf, am 19.02.2021, wurde der Kläger als Geschäftsführer abberufen und erhielt stattdessen einen neuen Arbeitsvertrag als Angestellter. Im Juli 2021 warf der Arbeitgeber ihm dann vor, bei den Einstellungsgesprächen im Januar und Februar getäuscht zu haben, indem er die Wahrheit über fehlerhafte und manipulierte Abrechnungen verschwiegen habe. Das Vertrauensverhältnis sei dadurch zerstört.

Anfechtung und Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Mit Schreiben vom 16.08.2021 focht die Arbeitgeberin den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an und kündigte zugleich fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31.03.2022. Der Arbeitnehmer wehrte sich dagegen mit einer Kündigungsschutzklage.

Gericht: Keine wirksame Anfechtung oder Kündigung

Das Landesarbeitsgericht stellte fest, dass weder die Anfechtung noch die Kündigungen das Arbeitsverhältnis beendet haben. Für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung hätte der Arbeitnehmer bewusst falsche Tatsachen vortäuschen müssen, die ursächlich für den Vertragsschluss waren.

Das Gericht sah zwar eine Täuschung darin, dass der Kläger behauptet haben soll, die Abrechnungen geprüft zu haben, obwohl er sie unstreitig nicht geprüft hatte. Es sei jedoch nicht erkennbar, dass die Arbeitgeberin den Vertrag nur deshalb geschlossen hat, weil sie von der Richtigkeit dieser Behauptung ausging. Schon vor Vertragsschluss seien ihr nämlich 5 Fälle fehlerhafter Abrechnungen bekannt gewesen.

Die Äußerung, es liege kein „Betrug“ vor, wertete das Gericht nicht als Tatsachenbehauptung, sondern nur als Meinungsäußerung. Zudem habe sich die Arbeitgeberin nicht durch Aussagen des Klägers über das tatsächliche Ausmaß der Unregelmäßigkeiten getäuscht gefühlt, sondern habe erst nach Vertragschluss weitere Kontrollen durchgeführt. Die Kausalität zwischen Täuschung und Vertragsschluss war damit nicht gegeben.

Auch für eine wirksame Kündigung sah das Gericht keinen Grund. Das vorgeworfene Verhalten des Klägers stamme aus seiner vorherigen Tätigkeit als Geschäftsführer und könne ihm im neuen Arbeitsverhältnis als normaler Angestellter nicht vorgehalten werden. Eine so schwere Pflichtverletzung aus der alten Funktion, dass sie eine Kündigung im neuen Arbeitsverhältnis rechtfertigen würde, liege nicht vor.

Zudem gelte für das Arbeitsverhältnis der volle Kündigungsschutz, obwohl es noch keine 6 Monate bestand. Denn die Parteien hatten vertraglich eine fiktive Betriebszugehörigkeit seit 1995 vereinbart und ausdrücklich den Ausschluss einer Probezeit geregelt. Damit war klar, dass der allgemeine Kündigungsschutz von Anfang an gelten sollte. Eine Kündigung hätte daher nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes sozial gerechtfertigt sein können, was hier nicht der Fall war.

Arbeitnehmer muss weiterbeschäftigt werden

Im Ergebnis stellte das Landesarbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis weder durch Anfechtung noch durch Kündigungen beendet wurde. Der Arbeitgeber muss den Kläger daher unverändert als Angestellten weiterbeschäftigen. Die Berufung der Arbeitgeberin wurde zurückgewiesen, eine Revision nicht zugelassen.

Das Urteil zeigt, dass falsche Angaben bei Einstellungsverhandlungen für Arbeitnehmer zwar riskant sein können – eine Anfechtung oder Kündigung deswegen ist aber nur unter engen Voraussetzungen möglich. Entscheidend ist, dass die Täuschung sich auf Tatsachen bezieht und ursächlich für den Vertragsschluss war. Zudem schützt eine vertraglich vereinbarte fiktive Betriebszugehörigkeit auch in der Anfangsphase vor leichtfertigen Kündigungen.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil verdeutlicht die hohen Hürden für eine wirksame Anfechtung oder Kündigung eines Arbeitsvertrags wegen falscher Angaben bei der Einstellung. Entscheidend sind der Tatsachencharakter und die Kausalität der Täuschung für den Vertragsschluss. Zudem zeigt sich die Schutzwirkung einer vereinbarten fiktiven Betriebszugehörigkeit, die den Kündigungsschutz vorverlagert. Arbeitgeber sollten daher vorvertragliche Äußerungen des Arbeitnehmers kritisch hinterfragen und Unklarheiten vor Vertragsschluss ausräumen, um spätere böse Überraschungen zu vermeiden.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen Falschangaben wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Unter welchen Bedingungen kann ein Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten?

Ein Arbeitgeber kann einen Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Arbeitgeber einen Irrtum erregt und ihn dadurch zum Abschluss des Arbeitsvertrags veranlasst. Diese Täuschung muss sich auf objektiv nachprüfbare Umstände beziehen, subjektive Werturteile genügen nicht.

Ein Beispiel für eine solche Täuschung ist das Vorlegen gefälschter Zeugnisse, die für die Einstellungsentscheidung des Arbeitgebers ausschlaggebend waren. Auch das Verschweigen von Tatsachen kann eine Täuschung darstellen, wenn der Arbeitnehmer zur Offenbarung dieser Tatsachen verpflichtet war. Diese Offenbarungspflicht besteht, wenn die verschwiegenen Umstände die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten unmöglich machen oder für den Arbeitsplatz von entscheidender Bedeutung sind.

Ein weiteres Beispiel ist die falsche Beantwortung zulässiger Fragen des Arbeitgebers während des Bewerbungsverfahrens. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, solche Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Information hat. Eine unzulässige Frage hingegen darf der Arbeitnehmer unwahr beantworten, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.

Die Anfechtung muss innerhalb einer Jahresfrist erfolgen, nachdem der Arbeitgeber die Täuschung entdeckt hat. Diese Frist ist in § 124 Abs. 1 BGB geregelt. Die Anfechtung führt zur rückwirkenden Aufhebung des Arbeitsvertrags, als ob dieser nie bestanden hätte.


Welche Folgen hat eine erfolgreiche Anfechtung für den Arbeitnehmer?

Eine erfolgreiche Anfechtung eines Arbeitsvertrags hat weitreichende Folgen für den Arbeitnehmer. Die Anfechtung führt dazu, dass der Arbeitsvertrag von Anfang an als nichtig betrachtet wird. Dies bedeutet, dass der Vertrag rechtlich so behandelt wird, als hätte er nie existiert.

  • Rechtliche Konsequenzen: Der Arbeitnehmer verliert seinen Arbeitsplatz sofort. Da der Vertrag als von Anfang an nichtig gilt, entfällt auch der Kündigungsschutz, der normalerweise bei einer Kündigung greifen würde. Der Arbeitnehmer kann sich daher nicht auf Kündigungsschutzregelungen berufen.
  • Finanzielle Auswirkungen: Der Arbeitnehmer muss damit rechnen, dass er bereits erhaltene Gehaltszahlungen zurückerstatten muss. Da der Vertrag als nichtig gilt, hat der Arbeitnehmer rechtlich gesehen keine Grundlage für die erhaltenen Zahlungen. Dies kann zu erheblichen finanziellen Belastungen führen, insbesondere wenn der Arbeitnehmer das Gehalt bereits ausgegeben hat.
  • Beispiel: Ein Arbeitnehmer gibt in seinem Lebenslauf an, über bestimmte Auslandserfahrungen zu verfügen, die er tatsächlich nicht hat. Aufgrund dieser Angabe wird er eingestellt. Später stellt der Arbeitgeber fest, dass diese Angaben falsch waren und ficht den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Der Vertrag wird rückwirkend als nichtig erklärt. Der Arbeitnehmer verliert seinen Job und muss das erhaltene Gehalt zurückzahlen.
  • Praktische Schwierigkeiten: Die Rückabwicklung eines bereits in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnisses kann komplex sein. Es müssen nicht nur Gehaltszahlungen zurückgefordert werden, sondern auch andere Leistungen wie Sozialversicherungsbeiträge und eventuell gezahlte Boni. Dies kann zu langwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen führen.
  • Schutz des Arbeitgebers: Der Arbeitgeber ist durch die Möglichkeit der Anfechtung in der Lage, sich gegen falsche Angaben im Bewerbungsverfahren zu schützen. Dies dient dem Schutz des Unternehmens vor unzuverlässigen oder unqualifizierten Mitarbeitern.
  • Rechtliche Grundlage: Die Anfechtung eines Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung ist in § 123 BGB geregelt. Diese Vorschrift ermöglicht es, Willenserklärungen, die durch Täuschung zustande gekommen sind, anzufechten.
  • Wichtiger Hinweis: Arbeitnehmer sollten stets wahrheitsgemäße Angaben im Bewerbungsverfahren machen, um die rechtlichen und finanziellen Risiken einer Anfechtung zu vermeiden. Arbeitgeber haben ein berechtigtes Interesse daran, die Qualifikationen und Erfahrungen ihrer Mitarbeiter zu überprüfen, um fundierte Personalentscheidungen treffen zu können.

Kann der Arbeitgeber auch nachträglich wegen Falschangaben kündigen?

Ein Arbeitgeber kann auch nachträglich wegen Falschangaben kündigen, wenn sich diese nach Vertragsabschluss herausstellen. Dabei ist zwischen einer fristlosen und einer fristgerechten Kündigung zu unterscheiden.

Eine fristlose Kündigung ist möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Ein solcher Grund kann beispielsweise eine erhebliche Täuschung über wesentliche Qualifikationen oder Vorstrafen sein, die für die Ausübung der Tätigkeit relevant sind. Die fristlose Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen erfolgen, nachdem der Arbeitgeber von den Falschangaben Kenntnis erlangt hat (§ 626 BGB).

Ein Beispiel hierfür wäre, wenn ein Arbeitnehmer in seinem Lebenslauf eine abgeschlossene Ausbildung angibt, die er tatsächlich nicht absolviert hat, und diese Qualifikation für die Ausübung der Tätigkeit entscheidend ist. In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis sofort beenden, da das Vertrauensverhältnis irreparabel beschädigt ist.

Eine fristgerechte Kündigung hingegen erfolgt unter Einhaltung der vertraglich oder gesetzlich festgelegten Kündigungsfristen. Diese Art der Kündigung kann ebenfalls auf Falschangaben gestützt werden, wenn diese das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachhaltig beeinträchtigen. Hierbei muss der Arbeitgeber jedoch die reguläre Kündigungsfrist einhalten, was bedeutet, dass der Arbeitnehmer bis zum Ablauf dieser Frist weiterbeschäftigt wird.

Ein Beispiel für eine fristgerechte Kündigung wäre, wenn ein Arbeitnehmer eine frühere Beschäftigung verschweigt, die für die aktuelle Tätigkeit nicht unmittelbar relevant ist, aber das Vertrauen des Arbeitgebers in die Ehrlichkeit des Arbeitnehmers erschüttert.

In beiden Fällen ist es wichtig, dass der Arbeitgeber die Kündigung gut begründet und gegebenenfalls nachweisen kann, dass die Falschangaben für die Entscheidung zur Einstellung wesentlich waren. Andernfalls könnte die Kündigung vor einem Arbeitsgericht angefochten und für unwirksam erklärt werden.


Was sollten Arbeitnehmer tun, wenn sie eine Anfechtung oder Kündigung erhalten?

Erhält ein Arbeitnehmer eine Anfechtung oder Kündigung, sind mehrere Schritte entscheidend, um seine Rechte zu wahren und mögliche Nachteile zu vermeiden.

Zunächst sollte der Arbeitnehmer umgehend rechtlichen Rat einholen. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann die Situation bewerten und die besten Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Dies ist besonders wichtig, da die rechtlichen Konsequenzen einer Anfechtung oder Kündigung erheblich sein können.

Bei einer Kündigung ist es essenziell, die dreiwöchige Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu beachten. Diese Frist beginnt mit dem Zugang der Kündigung. Wird die Frist versäumt, gilt die Kündigung als wirksam, selbst wenn sie objektiv ungerechtfertigt war (§ 4 KSchG). Eine Kündigungsschutzklage dient dazu, die Rechtmäßigkeit der Kündigung gerichtlich überprüfen zu lassen. Der Arbeitnehmer sollte daher schnell handeln und die Klage beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen.

Ein Beispiel verdeutlicht dies: Ein Arbeitnehmer erhält am 1. Juni eine Kündigung. Er muss bis spätestens 22. Juni eine Kündigungsschutzklage einreichen, um die Kündigung anzufechten. Versäumt er diese Frist, kann er die Kündigung nicht mehr gerichtlich überprüfen lassen, und sie wird wirksam.

Bei einer Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung oder Irrtums (§ 123 BGB) sollte der Arbeitnehmer ebenfalls sofort rechtlichen Rat suchen. Die Anfechtung führt zur rückwirkenden Aufhebung des Arbeitsvertrags, was bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis so behandelt wird, als hätte es nie bestanden. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf bereits geleistete Arbeit und erhaltenes Gehalt haben.

Ein weiteres Beispiel: Ein Arbeitnehmer hat bei der Einstellung falsche Angaben zu seiner Qualifikation gemacht. Der Arbeitgeber erfährt dies und ficht den Arbeitsvertrag an. Der Arbeitnehmer sollte sofort einen Anwalt konsultieren, um die Rechtmäßigkeit der Anfechtung zu prüfen und gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten.

Zusätzlich sollte der Arbeitnehmer alle relevanten Dokumente und Beweise sammeln, die seine Position stützen könnten. Dies umfasst Arbeitsverträge, Kündigungsschreiben, E-Mails und andere Korrespondenz. Diese Unterlagen sind wichtig, um im Falle eines Rechtsstreits gut vorbereitet zu sein.

Abschließend ist es ratsam, den Betriebsrat zu informieren, falls ein solcher im Unternehmen existiert. Der Betriebsrat kann Unterstützung bieten und gegebenenfalls Einspruch gegen die Kündigung einlegen, was die Verhandlungsposition des Arbeitnehmers stärken kann.


Welche Rolle spielt eine vertraglich vereinbarte fiktive Betriebszugehörigkeit bei der Kündigung?

Eine vertraglich vereinbarte fiktive Betriebszugehörigkeit kann erheblichen Einfluss auf den Kündigungsschutz eines Arbeitnehmers haben. Diese Vereinbarungen sind besonders relevant, wenn es darum geht, die Dauer der Betriebszugehörigkeit zu bestimmen, die wiederum maßgeblich für die Kündigungsfristen und den allgemeinen Kündigungsschutz ist.

Durch eine solche Vereinbarung kann eine frühere Beschäftigungszeit bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit angerechnet werden. Dies ist rechtlich zulässig und häufig in kooperativen oder konzernhaften Verbindungen rechtlich selbstständiger Unternehmen üblich. Eine Verpflichtung zur Anrechnung besteht jedoch nicht, es sei denn, sie wurde ausdrücklich vertraglich vereinbart.

Ein Beispiel verdeutlicht dies: Ein Arbeitnehmer hat zuvor fünf Jahre bei einem anderen Unternehmen desselben Konzerns gearbeitet. Durch eine vertragliche Vereinbarung wird diese Zeit auf die Betriebszugehörigkeit angerechnet, obwohl sie gesetzlich nicht berücksichtigt würde. Dadurch verlängert sich die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers im aktuellen Unternehmen um diese fünf Jahre.

Diese Anrechnung kann den Kündigungsschutz erheblich verbessern. Nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) hängt der Kündigungsschutz unter anderem von der Dauer der Betriebszugehörigkeit ab. Je länger die Betriebszugehörigkeit, desto strenger sind die Anforderungen an eine rechtmäßige Kündigung. Beispielsweise verlängern sich die Kündigungsfristen mit zunehmender Betriebszugehörigkeit, was dem Arbeitnehmer mehr Zeit gibt, sich auf eine Kündigung vorzubereiten oder rechtliche Schritte einzuleiten.

Ein weiteres Beispiel: Ein Arbeitnehmer, der durch vertragliche Vereinbarung eine Betriebszugehörigkeit von zehn Jahren erreicht, genießt einen besseren Kündigungsschutz als ein Arbeitnehmer mit nur zwei Jahren Betriebszugehörigkeit. Dies kann insbesondere bei betriebsbedingten Kündigungen oder bei der Sozialauswahl von Bedeutung sein, da Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit oft bevorzugt weiterbeschäftigt werden müssen.

Zusammengefasst spielt die vertraglich vereinbarte fiktive Betriebszugehörigkeit eine wichtige Rolle beim Kündigungsschutz, indem sie die Dauer der Betriebszugehörigkeit verlängert und somit die Kündigungsfristen und den allgemeinen Schutz vor unberechtigten Kündigungen verbessert. Arbeitnehmer sollten sich dieser Möglichkeit bewusst sein und gegebenenfalls auf solche Vereinbarungen bestehen, um ihre Position im Falle einer Kündigung zu stärken.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 123 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) – Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung: Dieser Paragraph legt fest, dass ein Vertrag angefochten werden kann, wenn eine Partei durch arglistige Täuschung zum Vertragsabschluss bewegt wurde. Im Kontext des Arbeitsvertrages bedeutet dies, dass der Arbeitgeber den Vertrag anfechten kann, wenn der Arbeitnehmer wesentliche Tatsachen verschwiegen oder falsche Angaben gemacht hat.
  • § 142 BGB – Wirkungen der Anfechtung: Dieser Paragraph besagt, dass ein angefochtener Vertrag als von Anfang an nichtig angesehen wird. Für den Arbeitnehmer bedeutet dies, dass der Arbeitsvertrag rückwirkend unwirksam wird, was finanzielle und rechtliche Konsequenzen haben kann.
  • § 626 BGB – Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund: Ein wichtiger Grund, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt, liegt vor, wenn dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Falschangaben des Arbeitnehmers können einen solchen Grund darstellen.
  • Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Das Gesetz schützt Arbeitnehmer vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen. Bei der Anfechtung oder Kündigung wegen Falschangaben prüfen Gerichte, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt und verhältnismäßig ist.
  • § 2 KSchG – Wartezeit und Anwendungsbereich: Der Kündigungsschutz gilt erst nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit. Vor Ablauf dieser Frist ist der Kündigungsschutz eingeschränkt, was für die Anfechtbarkeit des Arbeitsvertrags relevant sein kann.
  • Betriebsvereinbarung nach § 77 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz): Regelt die Rechte und Pflichten von Arbeitgeber und Betriebsrat. Eine Betriebsvereinbarung über Kurzarbeit kann Auswirkungen auf die Argumentation zur Anfechtung des Arbeitsvertrags haben, wenn etwaige Regelungen verletzt wurden.
  • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Schützt Arbeitnehmer vor Diskriminierung. Wenn ein Arbeitnehmer z.B. nachweist, dass eine Anfechtung oder Kündigung diskriminierend motiviert ist, kann dies Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Anfechtung haben.
  • § 15 AGG – Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche: Bei einer ungerechtfertigten oder diskriminierenden Anfechtung oder Kündigung hat der Arbeitnehmer möglicherweise Anspruch auf Entschädigung und Schadensersatz.


⇓ Das vorliegende Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern – Az.: 2 Sa 74/22 – Urteil vom 10.01.2023

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund – Kammern Neubrandenburg – vom 08.04.2022 zum Aktenzeichen 11 Ca 180/21 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Der im September 1968 geborene, verheiratete, einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war ab dem 01.08.1995 bei der Arbeiterwohlfahrt – Kreisverband M./St. e.V. beschäftigt, deren Einrichtungen zum 01.01.2004 in die AWO-M.-St. gGmbH (im Folgenden: AWO … gGmbH) überführt wurden. Gemäß Arbeitsvertrag vom 12.01.2004 war der Kläger hier als Diplom-Sozialpädagoge/Leiter TESA tätig. Er übernahm am 01.01.2014 die Geschäftsführung der Beklagten.

Ab dem 16.03.2020 erfolgten im Rahmen der Auswirkungen der Corona-Pandemie u.a. Schließungen von Schulen, Kindertagesstätten und Einrichtungen der Arbeitsmarktintegration. Damit waren die Tätigkeitsfelder der Beklagten betroffen. Der Kläger schloss für den Betrieb der Beklagten am 27.04.2020 mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit und beantragte u.a. in der Eingliederungshilfe und in der Arbeitsintegration die Absenkung auf „0“ Stunden, wobei als Ausnahmetatbestand formuliert wurde, dass sich diese Regelung nicht auf Mitarbeiter der Abteilungen Eingliederungshilfe und Arbeitsintegration bezieht, die zur Aufrechterhaltung von Betreuungstätigkeiten weiterhin tätig sein können.

Am 20.01.2021 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Kläger, Herrn R. T., Vorsitzender AWO … gGmbH, Herrn M. M., Geschäftsführer AWO … gGmbH, Frau H. H., Personalleiterin der AWO … gGmbH sowie der Beklagten. Welche Aussagen der Kläger während dieses Gespräches tätigte, ist zwischen den Parteien streitig.

In der Gremiensitzung am 03.02.2021, an der die jeweiligen Gesellschafter und ihre Vertreter teilnahmen, also für den Mitgesellschafter der Beklagten die AWO … gGmbH und deren Geschäftsführer M. sowie die Vorstände des AWO Kreisverbandes M.-S. e.V., kam es zu Aussagen des Klägers, deren Inhalt zwischen den Parteien ebenfalls streitig ist. Nachdem der Kläger die Sitzung verlassen hatte, wurde unter den übrigen Beteiligten entschieden, dass nach einer Möglichkeit der Zusammenarbeit im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses mit dem Kläger gesucht werden solle. Die Beklagte hat einen Protokollauszug als Anlage B 6 (Bl. 173 ff d.A.) eingereicht.

Der Niederschrift über die Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 05.02.2021 (Anlage K 7, Bl. 106 d.A.) ist folgender Beschluss zu entnehmen:

„ 1.

Die Bestellung von Herrn J. M. zum Geschäftsführer wird mit sofortiger Wirkung gem. § 38 Abs. 1 GmbHG widerrufen.

2.

Der Dienstvertrag von Herrn J. M. wird mit sofortiger Wirkung/mit Wirkung zum 09.02.2021 gekündigt, hilfsweise mit ordentlicher Wirkung zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

3.

Zum besonderen Vertreter der Gesellschaft wird Herr M. M., der Geschäftsführer des Gesellschafters AWO M.-S. gGmbH bestellt, der die vorgenannten Beschlüsse Herrn A. mitzuteilen und das schriftliche Kündigungsschreiben gemäß Punkt 2 zu unterzeichnen hat.

Er ist ebenfalls als Vertreter der Gesellschaft berechtigt, einen etwaigen Aufhebungsvertrag mit Herrn J. M. abzuschließen, über die Beendigung des Dienstverhältnisses zu verhandeln und unter Berücksichtigung der Nebenabrede vom 27.12.2013 (zum Arbeitsvertrag vom 12.01.2004), wonach durch die Tätigkeit des Herrn M. ab dem 01.01.2014 als Geschäftsführer der AWO V. M. S. gGmbH der Arbeitsvertrag mit der AWO M.-S. gGmbH nicht aufgehoben wird und nach Beendigung des Geschäftsführerverhältnisses wieder auflebt, die Eingliederung in das bisherige Arbeitsverhältnis zu organisieren.

Wegen des bei der AWO M.-S. gGmbH ausgegliederten Tätigkeitsfeldes (in die hiesige Gesellschaft) des Herrn M. kann auch eine Überführung des Arbeitsverhältnisses in die AWO V. M. S. gGmbH erfolgen.“

Mit Schreiben vom 08.02.2021 wurde der Kläger als Geschäftsführer der Beklagten abberufen bzw. sein Geschäftsführerdienstverhältnis wurde gekündigt. Das Arbeitsverhältnis zur AWO … gGmbH wurde durch Aufhebungsvertrag vom 19.02.2021 zum 19.02.2021 beendet. Gemäß Arbeitsvertrag vom 19.02.2021 (Anlage K 1, Bl. 14 ff d.A.) wurde der Kläger ab dem 20.02.2021 bei der Beklagten als Einrichtungsleiter/Supervisor/Fachberater mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zu einer monatlichen Bruttovergütung von 4.460,00 € plus Zulage in Höhe von 240,00 € eingestellt. Die unter 3. im Arbeitsvertrag enthaltene Regelung lautet:

„3. Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses/Betriebszugehörigkeit

(1) Das Arbeitsverhältnis beginnt am 20.02.2021 und ist unbefristet.

(2) Dieser Vereinbarung wird eine Betriebszugehörigkeit seit dem 01.08.1995 zu Grunde gelegt.

(3) Eine Probezeit existiert nicht.“

Mit Schreiben vom 09.07.2021 (Anlage B 1, Bl. 66, 67 d.A.) wurde dem Kläger seitens der Beklagten vorgehalten, dass Abrechnungen gegenüber dem Landkreis/Jugendamt in seiner Verantwortung manipuliert und erheblich zu hohe Beträge in Rechnung gestellt worden seien, von einer Überzahlung in Höhe von 116.000,00 € ausgegangen werde. Zudem habe er in dem Gespräch am 20.01.2021 mitgeteilt, dass sämtliche Abrechnungen des Zeitraumes April 2020 – Dezember 2020 gegenüber dem Landkreis von ihm geprüft und als stimmig qualifiziert worden seien. Er habe darüber hinaus am 03.02.2021 in der Gremiensitzung erklärt, dass zwar Kurzarbeitergeld zu Unrecht beantragt wurde, jedoch der Landkreis nicht betrogen worden sei. Es sei davon auszugehen, dass er in vorgenannten Gesprächen ihre Entscheidungsträger bezüglich der Unregelmäßigkeiten und Manipulationen bei der Abrechnung nicht erbrachter Leistungen gegenüber dem Landkreis getäuscht und angelogen habe. Es wurde dem Kläger Gelegenheit gewährt, sich spätestens bis zum 15.07.2021 schriftlich zu den Vorwürfen zu äußern. Der Kläger antwortete mit anwaltlichem Schreiben vom 14.07.2021 (Anlage B 2, Bl. 69, 70 d.A.), in welchem er die Behauptung, die Abrechnungen gegenüber dem Landkreis/Jugendamt und Sozialamt seien in seiner Verantwortung manipuliert und erheblich zu hohe Beträge in Rechnung gestellt worden, energisch zurückwies und u.a. einwandte, dass der Betriebsrat durch die Beklagte bereits am 16.02.2021 über den nunmehr behaupteten Sachverhalt in Kenntnis gesetzt worden sei.

Mit Schreiben vom 09.08.2021 (Anlage B 3, Bl. 71 d.A.) informierte die Beklagte ihren Betriebsrat über die Absicht, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich zum 31.03.2022 zu kündigen.

Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 11.08.2021 (Anlage B 4, Bl. 72 d.A.) mit der Begründung, zur Einstellung des Klägers seien dem Betriebsrat keinerlei Vorbehalte mitgeteilt worden und während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses habe es keine Veranlassung zur Beanstandung gegeben. Die Einstellung des Klägers sei in Kenntnis des Sachverhaltes erfolgt, der nunmehr zur Begründung der Kündigung herangezogen werde. Dass falsche Abrechnungen gegenüber dem Landkreis erfolgten, sei spätestens am 16.02.2021 bekannt gewesen. Der beabsichtigten ordentlichen Kündigung widersprach der Betriebsrat mit Schreiben vom 16.08.2021 (Anlage K 13, Bl. 118 d.A.) mit derselben Begründung.

Durch Schreiben vom 16.08.2021 (Anlage K 2, Bl. 18 d.A.) – dem Kläger am 17.08.2021 zugegangen – hat die Beklagte den Arbeitsvertrag vom 19.02.2021 wegen arglistiger Täuschung angefochten sowie das Arbeitsverhältnis vorsorglich außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31.03.2022 gekündigt.

Mit der vorab per Fax am 01.09.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Anfechtung des Arbeitsvertrages und die ausgesprochenen Kündigungen gewandt. Er hat die Anfechtung mangels Anfechtungsgrundes als unwirksam erachtet, die außerordentliche Kündigung mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes und Fehlen der im Übrigen für eine außerordentliche Kündigung erforderlichen Voraussetzungen als rechtswidrig bewertet, die ordentliche Kündigung als sozial ungerechtfertigt für rechtsunwirksam erachtet.

Der Kläger hat eine arglistige Täuschung geleugnet und vorgetragen, es habe im Vorfeld des Abschlusses des Arbeitsvertrages mit der Beklagten keinerlei Gespräche gegeben, welche Gelegenheit zu einer arglistigen Täuschung geboten hätten. Der Kläger hat mit Nichtwissen bestritten, dass für eine künftige Zusammenarbeit auf Ebene eines Anstellungsverhältnisses maßgeblich gewesen sei, dass er in den zurückliegenden Wochen Aufklärungsbemühungen unternommen hätte, um Falschabrechnungen von Kurzarbeit aufzuklären, dass entscheidend gewesen sei, dass sein Verhalten auf Transparenz ausgerichtet, insbesondere kein anderes Fehlverhalten verdeckt gewesen sei und keine anderen falschen Aussagen zum Verschleiern von anderen Sachverhalten im Raum gestanden hätten. Ihm gegenüber seien derartige Punkte nicht kommuniziert worden. Es habe aus seiner Sicht auch keinen Anlass dazu gegeben.

Der Kläger hat bestritten, am 20.01.2021 und/oder am 03.02.2021 anlässlich der Gespräche gesagt zu haben, „der Landkreis ist aber nicht betrogen worden“. Er trägt vor, er habe lediglich ausgeführt, dass seines Wissens entsprechend der beiden Rundschreiben des Landkreises Nr. 05/2020 und Nr. 08/2020 (Anlage K 9, Bl. 108 ff d.A.) sowie Anlage K 10 (Bl. 112 ff d.A.) abgerechnet worden sei. Bei dem Gespräch am 20.01.2021 habe er deshalb auch die Einrichtungsleiterin für den Bereich Eingliederungshilfe, Frau S., dabeihaben wollen. Sie sei nach circa 2 Stunden dazugekommen, vor dem Hintergrund, dass die Abrechnungen gegenüber dem Landkreis generell nicht von ihm, sondern von den Einrichtungsleitern erstellt und verschickt werden. Er habe diese Abrechnungen gar nicht zu Gesicht bekommen. Falsch sei zudem die Behauptung, er habe im Gespräch am 20.01.2021 erklärt, er habe auch die in den zurückliegenden Monaten gegenüber dem Landkreis für die erbrachten Dienstleistungen erstellten Abrechnungen geprüft. Da er weder behauptet habe, geprüft zu haben, noch tatsächlich geprüft habe, habe er auch nicht mitgeteilt, die Abrechnungen gegenüber dem Landkreis seien stimmig.

Der Kläger hat bestritten, dass sich nach dem 20.02.2021 in belastbarer Form herausgestellt habe, dass etwaige Aussagen und Zusicherungen seinerseits in den Sitzungen vom 03.02.2021 und 20.01.2021 inhaltlich falsch gewesen seien, dass spätere Recherchen hervorgebracht hätten, dass gegenüber dem Landkreis in erheblicher Größenordnung durch die Beibringung fehlerhafter Monatsabrechnungen für den Zeitraum April – Juli 2020 betrogen worden sei. Es seien ihm weder Unregelmäßigkeiten noch Manipulationen bei den Abrechnungen bekannt gewesen. Er habe etwaige falsche Abrechnungen gegenüber dem Landkreis auch nicht zu verantworten. Eine strafrechtliche Relevanz sei für ihn nicht ersichtlich. Unabhängig davon, ob ihm ein Vorwurf bezüglich fehlerhafter Abrechnungen gegenüber dem Landkreis gemacht werden könne, seien auf einen solchen Sachverhalt weder eine Anfechtung noch der Ausspruch von Kündigungen zu stützen, weil spätestens seit dem 16.02.2021 bekannt gewesen sei, dass gegenüber dem Landkreis gegebenenfalls fehlerhaft abgerechnet wurde. Die Geschäftsführerin der Beklagten sei am 17.02.2021 durch den Geschäftsführer der AWO … gGmbH darüber informiert worden, dass seit dem 16.02.2021 bekannt sei, dass die Abrechnungen gegenüber dem Landkreis nicht korrekt seien. Dennoch sei sein Arbeitsvertrag am 19.02.2021 abgeschlossen worden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der ausgesprochenen ordentlichen Kündigung fehle die soziale Rechtfertigung. Diese sei erforderlich, weil aufgrund der Vereinbarung im Arbeitsvertrag, dass eine Betriebszugehörigkeit ab dem 01.08.1995 gelte, das Kündigungsschutzgesetz gemäß § 1 KSchG zur Anwendung gelange. Mit dieser Vereinbarung und der Regelung, dass keine Probezeit bestehe, hätten die Parteien klar zum Ausdruck gebracht, dass das Arbeitsverhältnis direkt dem Kündigungsschutzgesetz unterstellt sein solle. Es sei insoweit nicht nur lediglich um die Geltung von Kündigungsfristen gegangen.

Der Kläger hat geltend gemacht, er sei zwar mit Schreiben vom 09.07.2021 formal angehört worden, jedoch habe die Geschäftsführerin der Beklagten bereits am 17.06.2021 berichtet, dass die Gesellschafterversammlung am 09.06.2021 die Entscheidung getroffen habe, seinen Arbeitsvertrag anzufechten und zu kündigen.

Der Kläger ist davon ausgegangen, dass die Beteiligung des Betriebsrates mangels seiner vollständigen Information nicht ordnungsgemäß verlaufen sei, indem die Beklagte dem Betriebsrat gegenüber auf einen falschen Zeitpunkt zum Vorliegen von Erkenntnissen abgestellt und nicht wahrheitsgemäß mitgeteilt habe, dass die Erkenntnisse bereits vor Abschluss des Arbeitsvertrages vorhanden gewesen seien.

Zur Interessenabwägung hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Beklagte habe den Arbeitsvertrag in Kenntnis der Sachlage geschlossen, soweit ihm Umstände aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer vorgeworfen würden, seien diese nicht geeignet, einen Kündigungsgrund für das Arbeitsverhältnis der Parteien bilden zu können. Eine Kündigung könne vielmehr nur darauf gestützt werden, dass er im Arbeitsverhältnis fehlerhaft gehandelt habe. Dies sei nicht der Fall.

Im Übrigen hat der Kläger dargestellt, die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Kündigungsentschluss in der Gesellschafterversammlung am 09.06.2021 getroffen worden sei, der Zugang der Kündigung am 17.08.2021 jedoch mehr als zwei Monate später liege, der Sachverhalt, auf den die Kündigung gestützt werde, zudem bereits am 16.02.2021 bekannt gewesen sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Anfechtung des Arbeitsvertrages vom 16.08.2021 durch die Beklagte unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 19.02.2021 besteht,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die fristlose und außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 16.08.2021 nicht aufgelöst ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die vorsorglich ausgesprochene ordentliche und fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 16.08.2021 nicht aufgelöst ist, sondern zu unveränderten Bedingungen auch über den Ablauf des 31.03.2022 hinaus fortbesteht,

4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Einrich-tungsleiter/Supervisor/Fachberater weiterzubeschäftigen,

hilfsweise hat der Kläger beantragt,

5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Urlaubsabgeltung in Höhe von 6.550,55 EUR brutto zuzüglich Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung und Zuschuss zur freiwilligen Pflegeversicherung in Höhe von 641,37 EUR, nebst Zinsen auf den Gesamtbetrag von 7.191,92 EUR in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.08.2021 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis infolge der Anfechtung für beendet erachtet, weil der Kläger in unmittelbarer Vorbereitung des Vertragsabschlusses arglistig getäuscht habe.

Sie hat behauptet, nach der Entscheidung der Gesellschafterversammlung, den Kläger als Geschäftsführer abzuberufen, habe die Überlegung im Raum gestanden, da seine Expertise im Bereich der Eingliederungshilfe nicht unbeachtlich sei und die Entscheidungsträger auf Gesellschafterebene willens gewesen seien, die Aufklärungsbemühungen und die Wiedergutmachung des Klägers in den zurückliegenden Wochen zu honorieren, den Kläger auf anderer Ebene im Unternehmen weiter zu beschäftigen. Diese Option sei dem Kläger auch verdeutlicht worden. Für eine zukünftige Zusammenarbeit auf Ebene eines Anstellungsverhältnisses sei maßgeblich gewesen, dass der Kläger einerseits in den zurückliegenden Wochen Aufklärungsbemühungen unternommen hatte, um die Falschabrechnungen von Kurzarbeitergeld aufzuklären und dass andererseits sein Verhalten auf Transparenz ausgerichtet gewesen sei, insbesondere kein anderes Fehlverhalten verdeckt wurde oder keine anderen falschen Aussagen zum Verschleiern von anderen Sachverhalten im Raum gestanden hätten. Der Kläger habe in dem Gespräch am 20.01.2021 ausgeführt, dass er auch die in den zurückliegenden Monaten gegenüber dem Landkreis für die erbrachten Dienstleistungen erstellten Abrechnungen geprüft habe und diese stimmig seien. In der Sitzung am 03.02.2021 habe der Kläger bekräftigt, dass zwar beim Kurzarbeitergeld etwas – wohl aus Unwissenheit – zu Unrecht beantragt worden sei, dass der Landkreis jedoch nicht betrogen worden sei. Vor dem Hintergrund dieser Aussagen hätten die handelnden Personen anlässlich ihrer Sitzung am 03.02.2021 entschieden, dass nach einer Möglichkeit der Zusammenarbeit im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses gesucht werden solle.

Spätere Recherchen hätten hervorgebracht, dass gegenüber dem Landkreis durch die Beibringung fehlerhafter Monatsabrechnungen für den Zeitraum April – Juli 2020 in erheblicher Größenordnung betrogen worden sei. So habe sich herausgestellt, dass gegenüber dem Landkreis Monatsrechnungen ausgereicht worden seien, welche Arbeitstätigkeiten beinhalteten, die tatsächlich nicht erbracht worden seien. Der Kläger habe damit die Gremienvertreter über die ihm bekannten Unregelmäßigkeiten und Manipulationen bei der Abrechnung von nicht erbrachten Leistungen gegenüber dem Landkreis bewusst hinters Licht geführt. Dieser Umstand, dass der Kläger nicht nur im Rahmen der Kurzarbeit Entwicklungen zu vertreten gehabt habe, sondern auch falsche Abrechnungen gegenüber dem Landkreis zu verantworten habe, hätte eine Weiterbeschäftigung als Angestellter unmöglich gemacht. Der Kläger habe nicht nur über wesentliche Umstände getäuscht, sondern sogar seine Aufklärungsverpflichtung nicht beachtet. Die Falschabrechnung gegenüber dem Landkreis sei strafrechtlich relevant. Ein strafrechtlich relevantes Verhalten lasse die für die Position des Klägers erforderliche Vertrauenswürdigkeit entfallen.

Der Kläger habe im Rahmen der Anbahnungsphase für den Abschluss eines Anstellungsvertrages die Gesellschaftervertretung angelogen. Dieses bewusste Lügen, welches in den Monaten Januar und Februar 2021 erfolgt sei, habe auch noch zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 17.08.2021 entscheidungserhebliche Bedeutung gehabt. Das Vertrauensverhältnis sei grundlegend und endgültig zerstört. Der Kläger habe in der wesentlichen Frage, ob er nämlich Kenntnis davon gehabt bzw. daran mitgewirkt habe, dass im Zeitraum April 2020 – Dezember 2020 falsche Abrechnungen gegenüber dem Landkreis getätigt worden seien, insbesondere Abrechnungen für nicht erbrachte Tätigkeiten erstellt wurden, gelogen. Das Fehlverhalten des Klägers, also das bewusste Lügen im Rahmen der falschen Beantwortung von Nachfragen, stelle eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar. Hinzu komme, dass der Kläger selbst im Rahmen der Anhörung nicht bereit und in der Lage gewesen sei, sein Fehlverhalten einzuräumen, er sich vielmehr darauf versteift habe, zu behaupten, dass Falschabrechnungen gegenüber dem Landkreis nicht vorlägen. Das Vertrauen sei endgültig zerstört und lasse eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zu.

Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe die Einrichtungsleiterin S., welche die Abrechnungen gegenüber dem Landkreis vorgenommen habe, angewiesen, so viel wie möglich abzurechnen. Sofern der Kläger keine Abrechnungen persönlich unterschrieben habe, komme es hierauf nicht an. In jedem Fall habe ihm als Geschäftsführer eine gesteigerte Sorgfaltspflicht und Fürsorgepflicht, was die Erstellung der Rechnungen und Rechnungslegung gegenüber Dritten anbelange, oblegen. Er habe durch entsprechende Kontrollmaßnahmen sicherstellen müssen, dass keine Fehlentwicklungen auftreten. Trotz der besonderen Situation habe sich der Kläger nicht veranlasst gesehen, Kontrollmaßnahmen durchzuführen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, entgegen der klägerischen Auffassung bedürfe die ordentliche Kündigung nicht der sozialen Rechtfertigung, weil das Kündigungsschutzgesetz mangels Ablaufs der Wartezeit gemäß § 1 KSchG keine Anwendung finde. Die arbeitsvertragliche Regelung zur Betriebszugehörigkeit beziehe sich allein auf die Geltung von Kündigungsfristen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder infolge erfolgreicher Anfechtung nichtig ist, noch durch Kündigung beendet wurde und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Zur Begründung hat es angeführt, der Kläger habe zwar getäuscht, indem er am 20.01.2021 wahrheitswidrig erklärt habe, er hätte die streitgegenständlichen Abrechnungen geprüft, diese seien in Ordnung gewesen, obgleich er eine Prüfung der Abrechnungen unstreitig nicht vorgenommen habe. Hingegen sei in der von der Beklagten behaupteten klägerischen Aussage vom 03.02.2021, der Landkreis sei nicht betrogen worden, bereits keine relevante Täuschungshandlung erkennbar, da nicht festgestellt werden könne und auch nicht substantiiert dargelegt sei, dass eine solche etwaige Aussage des Klägers, so sie denn eine Tatsachenbehauptung und kein Werturteil sein sollte, falsch gewesen wäre. Insoweit sei die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen eines Betruges nicht feststellbar. Dem Kläger fehle der für einen Betrug erforderliche Vorsatz, weil er unstreitig die Abrechnungen nicht geprüft und damit keine Kenntnis von den Abrechnungen gehabt habe. Eine etwaige Anweisung des Klägers, so viel wie möglich abzurechnen, stelle ebenfalls kein strafrechtlich relevantes Verhalten dar.

Soweit allerdings eine Täuschungshandlung vorliege, fehle es an der notwendigen Kausalität zwischen dieser und der Abgabe der Willenserklärung der Beklagten zum Abschluss des Arbeitsvertrages vom 19.02.2021. Die Beklagte stütze die Anfechtung vielmehr nicht auf die etwaige Falschbehauptung, die Abrechnungen geprüft zu haben, sondern darauf, dass der Kläger Kenntnis davon gehabt bzw. daran mitgewirkt habe, dass im Zeitraum April 2020 – Dezember 2020 falsche Abrechnungen getätigt worden seien. Eine Kenntnis des Klägers von bewusst unrichtigen Abrechnungen sei durch die Beklagte jedoch nicht substantiiert dargelegt worden. Es lasse sich damit ein Anfechtungsgrund nicht feststellen. Da die Beklagte die außerordentliche und ordentliche Kündigung auf einen mit dem vermeintlichen Anfechtungsgrund identischen Sachverhalt stütze, seien sowohl die außerordentliche wie auch die ordentliche Kündigung mangels ausreichender Kündigungsgründe unwirksam. Insoweit bedürfe die ordentliche Kündigung der sozialen Rechtfertigung, weil das Kündigungsschutzgesetz anwendbar sei, denn in der Vereinbarung der Parteien zur Betriebszugehörigkeit ohne Geltung einer Probezeit sei nach Sinn und Zweck der Wille erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger bereits mit Abschluss des Arbeitsvertrages den vollen Kündigungsschutz genießen solle. Hierfür spreche die klare Formulierung über die Anrechnung der Betriebszugehörigkeitszeiten ebenso wie der ausdrückliche Ausschluss einer Probezeit. Die Festlegung der Betriebszugehörigkeit ab dem 01.08.1995 habe sowohl für die Berechnung etwaiger Kündigungsfristen als auch für die Frage der Wartezeit im Sinne von § 1 KSchG Bedeutung.

Gegen das ihr am 12.04.2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 11.05.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 13.06.2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Hierzu führt die Beklagte aus, es liege entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht nur in der Behauptung des Klägers, die Abrechnungen gegenüber dem Landkreis geprüft zu haben, obgleich unstreitig eine Prüfung nicht erfolgt sei, eine Täuschungshandlung, sondern der Kläger habe am 02.03.2021 zudem wahrheitswidrig erklärt, dass der Landkreis nicht betrogen worden sei. Hierin liege eine aktive Täuschungshandlung, die das Arbeitsgericht unzutreffend gewürdigt habe. Diese Aussage des Klägers stelle kein Werturteil, sondern eine Tatsachenbehauptung dar, weil sie inhaltlich überprüfbar sei. Tatsächlich habe die Mitarbeiterin S. falsche und manipulierte Abrechnungen für den Zeitraum April – Juli 2020 erstellt, welche vom Landkreis bezahlt worden seien. Sie – die Beklagte – habe nicht auf einen durch den Kläger begangenen „Betrug“ abgestellt, sondern es sei vielmehr vorgetragen worden, welche Mitarbeiterin welche Arbeitsweise an den Tag gelegt habe und welche konkreten Manipulationshandlungen begangen worden seien. Auch „Aussagen ins Blaue hinein“ gingen zu Lasten des Klägers. Die erforderliche Kausalität zwischen Täuschungshandlung des Klägers und Abgabe der Willenserklärung zum Arbeitsvertrag sei gegeben. Wäre für sie erkennbar gewesen, dass im Verhältnis zum Landkreis fehlerhafte Abrechnungen – im Verantwortungsbereich des Klägers, dem seinerzeit als Geschäftsführer in jedem Falle Aufsichts- und Kontrollpflichten oblegen hätten – erstellt worden seien, die auf einer bewussten Manipulation von Abrechnungsunterlagen beruhten, wäre der Arbeitsvertrag mit ihm nicht geschlossen worden. Die Annahme des Gerichts, sie – die Beklagte – habe jedenfalls von der partiellen Unrichtigkeit der Abrechnungen bereits zum Abschluss des Arbeitsvertrages Kenntnis gehabt, sei in dieser Form unrichtig. Zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung am 19.02.2021 habe sie nicht mit hinreichender und endgültiger Sicherheit gewusst, dass Abrechnungen manipuliert seien und in welchem Umfang dies geschehen war. Der tatsächliche Umfang der Falschabrechnungen sei erst in der Aufbereitungsphase bis zum Zeitpunkt Mai/Juni 2021 ermittelt worden. Der im Nachhinein festgestellte Umfang, das Ausmaß und die Größenordnung der Falschabrechnungen seien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 19.02.2021 nicht im Ansatz erkennbar gewesen. Am 16.02.2021 sei lediglich von 5 bekannten/vermuteten systematisch aufgearbeiteten Verstößen ausgegangen worden. Erst nach dem 16.02.2021 sei das gesamte Ausmaß manipulierter Abrechnungen festgestellt worden.

Die streitgegenständliche Kündigung sei als Tatkündigung, hilfsweise als Verdachtskündigung formuliert. Hätte das Arbeitsgericht die hilfsweise ausgesprochene Verdachtskündigung ordnungsgemäß geprüft, hätte es zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass aufgrund der Verdachtslage und des Vertrauensverlustes die verhaltensbedingte Kündigung, jedenfalls in ordentlicher Form, das Arbeitsverhältnis beendet habe. Entgegen der gerichtlichen Ausführungen zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ergebe sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung nicht, dass dieses ohne Ablauf der gesetzlich erforderlichen Wartezeit zur Geltung kommen solle. Der Kontext des Ausschlusses der Probezeit und die Betriebszugehörigkeit seit 1995 verdeutlichten vielmehr, dass es allein um die Länge der Kündigungsfristen gehe.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund/Kammern Neubrandenburg vom 08.04.2022, Az. 11 Ca 180/21, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung abzuweisen.

Der Kläger bestreitet weiterhin Erklärungen seinerseits gegenüber dem Landkreis, für erbrachte Dienstleistungen erstellte Abrechnungen überprüft zu haben, dass diese stimmig seien und der Landkreis nicht betrogen worden sei. Er trägt vor, er habe derartige Erklärungen bereits deshalb nicht abgegeben, weil er die Abrechnungen nicht geprüft habe. Es sei auch nicht seine Aufgabe gewesen, diese Abrechnungen zu prüfen. Die Abrechnungen seien vielmehr von den Einrichtungsleitern erstellt und direkt an den Landkreis gesendet worden, ohne dass er als Geschäftsführer in irgendeiner Form involviert gewesen sei. Der Geschäftsführer der AWO … gGmbH habe am 17.02.2021 der jetzigen Geschäftsführerin der Beklagten per E-Mail mitgeteilt, dass die Bestätigung, dass selbst die Abrechnung gegenüber dem Landkreis nicht korrekt gewesen sei, vorliege. Der Kläger bestreitet den von der Beklagten behaupteten Umfang von Falschabrechnungen, dass angebliche Falschabrechnungen gegenüber dem Landkreis bis zum 19.02.2021 nicht im Ansatz erkennbar gewesen seien, der Sachverhalt nach dem 19.02.2021 systematisch aufgearbeitet worden sei und die Geschäftsführerin der Beklagten dem zuständigen Dezernenten des Jugendamtes am 10.05.2021 in einem dienstlichen Gespräch mitgeteilt habe, in welchen Größenordnungen gegenüber dem Jugendamt und dem Sozialamt fehlerhaft abgerechnet worden sei.

Insbesondere weist der Kläger nochmals darauf hin, dass das ihm vorgeworfene angebliche Fehlverhalten aus seiner Geschäftsführertätigkeit herrühre und keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweise. Selbst wenn die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zuträfen, seien diese somit grundsätzlich nicht geeignet, eine Kündigung des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrages begründen zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften, die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht entschieden, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder infolge Anfechtung nichtig noch durch die ausgesprochene Kündigung außerordentlich oder ordentlich beendet worden ist. Dem Kläger steht daher ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung gegen die Beklagte zu.

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, 2c ArbGG statthaft und form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

1.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht infolge Anfechtung durch die Beklagte wegen arglistiger Täuschung beendet worden.

Die Anfechtung ist nicht bereits durch die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, ausgeschlossen, vielmehr bestehen beide möglichen Gestaltungsrechte nebeneinander (vgl. BAG, Urteil vom 20.03.2014 – 2 AZR 1071/12 – Rn. 26, juris).

Die Beklagte war nicht nach § 123 Abs. 1 BGB zur Anfechtung berechtigt, weil, selbst wenn man die von der Beklagten dem Kläger zugesprochenen Erklärungen als tatsächlich abgegeben unterstellt, die Voraussetzungen der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht erfüllt sind.

Eine arglistige Täuschung im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn hierdurch zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst hat. Dabei muss sich die Täuschung auf objektiv nachprüfbare Tatsachen beziehen. Die Äußerung subjektiver Werturteile genügt nicht (BAG, Urteil vom 11.07.2012 – 2 AZR 41/11 – Rn. 22, juris; BAG, Urteil vom 12.05.2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 41, juris). Das subjektive Merkmal „Arglist“ im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen. Fahrlässigkeit – auch grobe Fahrlässigkeit – genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Anfechtende (BAG, Urteil vom 20.03.2014 – 2 AZR 1071/12 – Rn. 31, juris; BAG, Urteil vom 11.07.2012 – 2 AZR 41/11 – Rn. 22, juris; BAG, Urteil vom 12.05.2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 43, juris).

Zwischen der Täuschung und der abgegebenen Willenserklärung muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Die Kausalität ist gegeben, wenn der Getäuschte die Willenserklärung ohne die Täuschung entweder gar nicht oder nicht mit diesem Inhalt oder nicht zu diesem Zeitpunkt abgegeben hätte (BGH, Urteil vom 23.10.2014 – III ZR 82/13 – Rn. 12, juris; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.05.2020 – 5 Sa 217/19 – Rn. 40, juris). Die Darlegungs- und Beweislast für die eine vorsätzliche Täuschung begründenden Umstände sowie deren Ursächlichkeit für die angefochtene Willenserklärung trägt der Anfechtende (BAG, Urteil vom 15.05.1997 – 2 AZR 43/96 – Rn. 19, juris; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.11.2019 – 2 Sa 164/19 – Rn. 32, juris).

Dabei stellt allerdings nicht jede falsche Angabe des Arbeitnehmers bei den Einstellungsverhandlungen bereits eine arglistige Täuschung im Sinne des § 123 BGB dar. Wird der Arbeitnehmer nach dem Vorliegen einer bestimmten Tatsache befragt, so ist er zu deren wahrheitsgemäßer Beantwortung verpflichtet, falls die gestellte Frage zulässig ist. Ein Fragerecht des Arbeitgebers bei den Einstellungsverhandlungen ist insoweit anzuerkennen, als der Arbeitgeber ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Frage im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis hat (BAG, Urteil vom 16.12.2004 – 2 AZR 148/04 – Rn. 25, juris). Der Falschbeantwortung einer zulässig gestellten Frage steht das Verschweigen von Umständen gleich, die der Arbeitnehmer ungefragt zu offenbaren hatte, weil diese dem Arbeitnehmer die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht unmöglich machen oder sonst für den in Betracht kommenden Arbeitsplatz von ausschlaggebender Bedeutung sind. Die Täuschung muss sich auch insoweit auf objektiv nachprüfbare Tatsachen beziehen, subjektive Werturteile genügen nicht (BAG, Urteil vom 28.02.1991 – 2 AZR 357/90 – Rn. 33, juris).

Eine nach vorgenannten Grundsätzen für den Vertragsschluss am 19.02.2021 maßgebliche kausale Täuschungshandlung des Klägers, die auf Arglist beruht, ist nicht feststellbar.

Der Beklagtenvortrag zu klägerischen Erklärungen über geprüfte Abrechnungen ist unterschiedlich. Zunächst hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe erklärt, er habe die Abrechnungen gegenüber dem Landkreis der letzten Monate überprüft. Insoweit dürfte von Bedeutung sein, dass unzutreffende Abrechnungen nach dem Vorbringen der Beklagten für den Zeitraum April 2020 – Juli 2020 vorliegen sollen. Dass der Kläger Abrechnungen gerade aus diesem Zeitraum geprüft hat, hat er nach dem Beklagtenvorbringen in dieser Deutlichkeit jedoch nicht erklärt. Allerdings würde eine Prüfung aller Abrechnungen aus dem Zeitraum April 2020 – Dezember 2020 auch diesen Zeitabschnitt umfassen. Bei der Behauptung, Abrechnungen geprüft zu haben, handelt es sich um eine objektiv nachprüfbare Tatsache und insoweit ist unstreitig, dass eine Prüfung der Abrechnungen aus dem streitbefangenen Zeitraum durch den Kläger nicht erfolgt ist. Insoweit läge, falls der Kläger tatsächlich behauptet haben sollte, die Abrechnungen aus dem Zeitraum April 2020 – Dezember 2020 sämtlichst geprüft zu haben, tatsächlich eine Täuschung über objektiv nachprüfbare Tatsachen vor.

Soweit der Kläger behauptet haben soll, die Abrechnungen seien stimmig, kann dahinstehen, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder lediglich um eine Wertung handelt. Es ist bereits nicht erkennbar, auf welcher Grundlage diese Äußerung beruhen soll und dass sie unzutreffend ist. Es fehlt ein Bezugspunkt. Soweit der Kläger erklärt haben soll, er habe Abrechnungen geprüft und diese seien stimmig, ist zwar eine Prüfung durch den Kläger nicht erfolgt, dass es an einer „Stimmigkeit“ fehlt, kann jedoch nicht festgestellt werden. Dabei ist bereits nicht ersichtlich, worauf sie sich beziehen soll. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass die Abrechnungen bereits aus sich heraus „unstimmig“ gewesen sind, weil die in ihnen enthaltenen Angaben bereits eine fehlerhafte Abrechnung belegen. Insoweit mag die behauptete Äußerung des Klägers, die Abrechnungen seien stimmig, auch ohne dass er sie geprüft hat, zutreffen. Da der Landkreis aufgrund dieser Abrechnungen Auszahlungen vorgenommen hat, dürften die Abrechnungen plausibel gewesen sein. Dass die Abrechnungen auch nach Hinzuziehung weiterer Unterlagen und eines danach durchgeführten Abgleichs stimmig seien, hat der Kläger selbst nach dem Beklagtenvorbringen nicht kundgetan. Jedenfalls hat die Beklagte nicht dargetan, dass die Abrechnungen – unabhängig von der Frage, ob überhaupt eine Prüfung durch den Kläger stattfand – stimmig waren oder nicht und insoweit auch ohne Prüfung durch den Kläger eine falsche Bewertung/Tatsachenbehauptung und somit eine Täuschung überhaupt vorliegen kann.

Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass der Kläger erklärt habe, der Landkreis sei nicht betrogen worden, handelt es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung. Die Frage, ob ein Betrug vorliegt, stellt eine Wertung dar. Ob der Straftatbestand des Betruges erfüllt ist oder nicht, kann letztlich allein durch ein Strafgericht festgestellt werden. Allein dieses entscheidet über die Erfüllung der objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Betrugstatbestandes. Soweit außerhalb der Strafgerichtsbarkeit jemand seine Auffassung äußert, eine bestimmte Verhaltensweise bilde einen Betrug, kann dies lediglich eine Äußerung einer Rechtsauffassung und damit eine Wertung sein. Insoweit kann der Beklagten mit ihrem Berufungsvorbringen, es handele sich bei dieser Äußerung um eine Tatsachenbehauptung, nicht gefolgt werden.

Als zur Täuschung geeignet verbleibt nach dem Beklagtenvortrag damit allein die von ihr behauptete Erklärung des Klägers, er habe die gegenüber dem Landkreis getätigten Abrechnungen der letzten Monate bzw. für den Zeitraum April 2020 – Dezember 2020 geprüft. Sollte der Kläger diese Aussage tatsächlich getätigt haben, hätte er falsche Tatsachen vorgespiegelt und dadurch einen Irrtum über die Tatsache, dass eine Prüfung dieser Abrechnungen stattgefunden hat, beim Erklärungsempfänger erzeugt. Es kann jedoch – wie das Arbeitsgericht bereits angenommen hat – nicht festgestellt werden, dass dieser Irrtum kausal für den Abschluss des Arbeitsvertrages am 19.02.2021 war. Die Beklagte trägt vor, dass sie nach den klägerischen Erklärungen davon ausgegangen sei, dass keinerlei fehlerhafte Abrechnungen gegenüber dem Landkreis getätigt wurden. Sodann hat sie noch vor Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Kläger 5 Fälle bekannter/vermuteter unzutreffender Abrechnungen ermittelt. Damit wusste die Beklagte bereits nach ihren eigenen Erklärungen noch vor Vertragsschluss, dass fehlerhafte Abrechnungen gegenüber dem Landkreis erfolgt waren und befand sich somit hierüber nicht (mehr) in einem Irrtum. Sie kann deshalb nicht durch einen derartigen Irrtum zum Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Kläger veranlasst worden sein. Dass sie zu diesem Zeitpunkt davon ausging, dass diese 5 Fälle das gesamte Ausmaß fehlerhafter Abrechnungen bildet, hat die Beklagte nicht vorgetragen auch nicht aufgrund welcher Tatsachen sie eine Schlussfolgerung auf das Gesamtmaß gezogen hätte. Die Beklagte hat vielmehr mit dem Berufungsvorbringen ausdrücklich klargestellt, dass entscheidend für den Abschluss des Arbeitsvertrages aus ihrer Sicht gewesen sei, dass sie sich über das Ausmaß der tatsächlich vorliegenden falschen Abrechnungen geirrt habe. So trägt sie vor, zwar habe sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages mit dem Kläger am 19.02.2021 Kenntnis von lediglich 5 bekannten/vermuteten systematisch aufgearbeiteten Verstößen gehabt, erst nach dem 16.02.2021 habe sich jedoch das gesamte Ausmaß manipulierter Abrechnungen gezeigt. Danach war für die Beklagte ein Irrtum über das Ausmaß fehlerhafter Abrechnungen für den Vertragsschluss maßgebend. Zu diesem Ausmaß fehlerhafter Abrechnungen hat der Kläger jedoch auch nach dem Beklagtenvorbringen keinerlei Erklärung getätigt und keinen Irrtum erzeugt. Der Kläger hat keine Aussage darüber getroffen, ob über 5 Verstöße hinausgehend eine weitere Anzahl von Verstößen vorliegt oder nicht. Der Kläger hat damit an einem möglichen Irrtum der Beklagten über das Ausmaß fehlerhafter Abrechnungen, darüber, dass nicht mehr als 5 Verstöße vorliegen, nicht mitgewirkt. Zudem erscheint es fraglich, dass überhaupt von einem derartigen Irrtum der Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausgegangen werden kann und die Beklagte bei Kenntnis des Ausmaßes des Vorliegens der fehlerhaften Abrechnungen den Arbeitsvertrag mit dem Kläger nicht geschlossen hätte. Ein Irrtum zum Ausmaß fehlerhafter Abrechnungen könnte nur angenommen werden, wenn die Beklagte davon ausgegangen ist und davon ausgehen durfte, dass die 5 bekannten/vermuteten Fälle die einzigen seien. Die Beklagte selbst hat allerdings nicht vorgetragen, dass sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages am 19.02.2021 davon ausging, dass es sich bei den 5 bekannten/vermuteten Verstößen um das gesamte Ausmaß fehlerhafter Abrechnungen handelte. Die Beklagte wusste, inwieweit sie diesbezügliche Überprüfungen der Abrechnungen vorgenommen hatte, ob die Prüfungen abgeschlossen waren oder nicht. Sie hat sich veranlasst gesehen, weitere Recherchen durchzuführen und innerhalb dieser Recherchen weitere von ihr behauptete Verfehlungen aufgedeckt. Dennoch hat sie, in dem Wissen, dass eine vollumfängliche Prüfung möglicher fehlerhafter Abrechnungen noch nicht stattgefunden hatte, den Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Kläger nicht etwa ausgesetzt bzw. verschoben, sondern den Vertrag geschlossen. Wenn das Ausmaß der fehlerhaften Abrechnungen für den Vertragsschluss maßgeblich gewesen sein sollte, hätte es jedoch nahegelegen, mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages abzuwarten, bis eine vollständige Überprüfung stattgefunden hat. Indem die Beklagte dies unterließ, hat sie kundgetan, dass es ihr im Grunde für den Abschluss des Arbeitsvertrages gleichgültig war, in welchem Ausmaß fehlerhafte Abrechnungen vorlagen.

Der Niederschrift der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 05.02.2021 ist vielmehr zu entnehmen, dass der Kläger als Geschäftsführer der Beklagten abberufen und sein diesbezügliches Dienstverhältnis aufgehoben werden sollte, aufgrund der Abrede, dass sein Arbeitsverhältnis zur AWO … gGmbH mit der Berufung zum Geschäftsführer am 01.01.2014 nicht beendet worden ist, sondern nach Beendigung des Geschäftsführerverhältnisses wieder auflebt, eine Eingliederung in das bisherige Arbeitsverhältnis organisiert werden bzw. wegen der Ausgliederung des entsprechenden Tätigkeitsfeldes eine Überführung des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte geschehen sollte. Danach war für die Gesellschafterversammlung wesentlich, dass eine Regelung für das mit Abberufung des Klägers aus der Geschäftsführerposition wiederaufgelebte Arbeitsverhältnis mit der AWO … GmbH gefunden wird. Dass irgendwelche Erklärungen des Klägers für die Gesellschafterversammlung ausschlaggebend waren, ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu begründen, ist nicht angeführt, so dass eine dementsprechende Willensbildung in der Gesellschafterversammlung keine Bestätigung gefunden hat.

Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung scheitert folglich bereits daran, dass nach dem Beklagtenvorbringen zwar eine Täuschung über Tatsachen durch den Kläger vorliegt, jedoch nicht festgestellt werden kann, dass hierdurch ein Irrtum erregt wurde, welcher die Beklagte zur Abgabe der Erklärung zum Abschluss eines Arbeitsvertrages mit dem Kläger veranlasst hat. Es kann deshalb dahinstehen, ob dem Kläger Arglist vorgehalten werden könnte.

2.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht aufgrund außerordentlicher Kündigung vom 16.08.2021, zugegangen am 17.08.2021, beendet worden.

Die ausgesprochene außerordentliche bzw. ordentliche Kündigung ist nicht bereits deshalb wirksam, weil der Kläger es versäumt hätte, die gesetzlich vorgeschriebene Klagefrist einzuhalten (§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4, 7 KSchG). Mit der vorab per Fax am 01.09.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wegen der ihm am 17.08.2021 zugegangenen Kündigung hat der Kläger die dreiwöchige Klagefrist gewahrt.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Ob eine Verletzung arbeitsvertraglicher (Neben-) Pflichten vorliegt, richtet sich nach der objektiven Rechtslage. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 29.06.2017 – 2 AZR 47/16 – Rn. 17 m.w.N., juris).

Vorliegend fehlt es bereits an dem danach erforderlichen wichtigen Grund, so dass dahinstehen kann, ob die gemäß § 626 Abs. 2 geforderte Zwei-Wochen-Frist angesichts des Umstandes, dass nach dem Beklagtenvortrag ihre Geschäftsführerin am 10.05.2021 in einem Gespräch die Größenordnung fehlerhafter Abrechnungen mitgeteilt haben soll, eingehalten ist und die Beteiligung des Betriebsrats ordnungsgemäß erfolgte.

Die Beklagte wirft dem Kläger keinerlei Pflichtwidrigkeit innerhalb des zu ihr unter dem 19.02.2021 begründeten Arbeitsverhältnisses vor. Sie bezieht sich vielmehr allein auf ein Verhalten, welches der Kläger während seiner Funktion als Geschäftsführer an den Tag gelegt haben soll. Dass sich dieses sozusagen vorvertragliche Verhalten des Klägers derart auf das begründete Arbeitsverhältnis auswirkt, dass dessen Fortsetzung der Beklagten auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar geworden ist, lässt sich jedoch nicht feststellen.

Soweit der Kläger tatsächlich wahrheitswidrig die Aussage getätigt haben sollte, er habe die gegenüber dem Landkreis vorgelegten Abrechnungen geprüft, ist nicht nachvollziehbar, inwieweit sich diese gegebenenfalls unzutreffende Tatsachenbehauptung auf das neu gegründete Arbeitsverhältnis auswirken soll. Insoweit käme allein ein Verstoß des Klägers gegen ihm obliegende vorvertragliche Aufklärungspflichten in Betracht. Gegen welche ihm im Hinblick auf das neu begründete Arbeitsverhältnis insoweit obliegende Aufklärungspflicht des Klägers mit der angeblichen Erklärung verstoßen haben sollte, ist jedoch nicht nachvollziehbar. Dass diese außerhalb des neu gegründeten Arbeitsverhältnisses gegebenenfalls getätigte Aussage geeignet sein kann, das Vertrauensverhältnis der Parteien derart zu stören, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden ist, hat die Beklagte ebenfalls nicht dargetan. Gleiches gilt für die seitens der Beklagten behaupteten Äußerungen zu den Wertungen der „Stimmigkeit“ der Abrechnungen und, dass gegenüber dem Landkreis nicht „betrogen“ worden sei. Insoweit ist bereits nicht feststellbar, dass der Kläger diese Werturteile wider besseren Wissens getätigt hat und diese daher überhaupt geeignet sein können, sich auf das Vertrauensverhältnis auszuwirken. Im Übrigen war der Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages am 19.02.2021 bekannt, dass diese Bewertungen des Klägers zumindest in 5 bekannten/vermuteten Fällen unzutreffend waren. Sie hat das Vertrauensverhältnis trotz dieses Umstandes jedoch nicht als derart beeinträchtigt angesehen, dass es sie davon abgehalten hätte, den Arbeitsvertrag mit dem Kläger zu schließen. Soweit sich die Beklagte darauf bezieht, ihr sei das Ausmaß der fehlerhaften Abrechnungen gegenüber dem Landkreis nicht bekannt gewesen, stellt sie nicht dar, dass der Kläger eine dementsprechende Kenntnis hatte und sie pflichtwidrig über diese Kenntnis nicht aufgeklärt hat und auf diese Art und Weise das Vertrauensverhältnis beeinträchtigt wurde. Es lässt sich damit kein Verhalten des Klägers feststellen, welches Auswirkungen auf das für das neu begründete Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauensverhältnis haben könnte.

Hat sich ein Arbeitnehmer außerdienstlich strafbar gemacht, kann dies zwar an seiner Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit Zweifel begründen, die Beklagte stellt jedoch ausdrücklich klar, dass sie nicht von irgendeiner Straftat des Klägers ausgeht.

Dass der Kläger in seiner Funktion als Geschäftsführer Pflichtwidrigkeiten begannen hätte, die sich auf das nunmehrige Arbeitsverhältnis auswirken könnten, hat die Beklagte nicht belegt. Soweit sie dem Kläger vorwirft, es seien innerhalb seines Verantwortungsbereiches gegenüber dem Landkreis fehlerhafte Abrechnungen erstellt worden, ist es unstreitig geblieben, dass diese Abrechnungen von den Einrichtungsleitern erstellt und direkt an den Landkreis übergeben werden, ohne dass der Kläger als Geschäftsführer involviert war. Die Erstellung der Abrechnungen war somit keine Aufgabe des Klägers. Dass der Kläger die Abrechnungen zu überprüfen hatte, ihm in seiner Funktion als Geschäftsführer die Pflicht zur Prüfung der Abrechnungen oblag, hat die Beklagte ebenfalls nicht substantiiert dargestellt. Sie hat nicht vorgetragen, auf welche Art und Weise dem Kläger eine derartige Verpflichtung aufgetragen worden sein könnte. Eine solche ergibt sich auch nicht zwangsläufig aufgrund seiner Funktion als Geschäftsführer. Als solcher ist er nicht per se verpflichtet, jegliche Abrechnung in persona zu überprüfen.

Es kann auch im Übrigen keine durch den Kläger während seiner Geschäftsführertätigkeit begangene Pflichtwidrigkeit festgestellt werden, welche noch irgendwelche Auswirkungen auf das neu begründete Arbeitsverhältnis haben könnte. Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger habe an unzutreffenden Abrechnungen gegenüber dem Landkreis mitgewirkt, hat die Beklagte derartige Mitwirkungshandlungen nicht im Einzelnen benannt und solche sind auch nicht ersichtlich. Soweit der Kläger gegenüber einer Mitarbeiterin geäußert haben sollte, so viel wie möglich abzurechnen, stellt dies keine Aufforderung dar, unzutreffende Abrechnungen zu erstellen. Wenn die Beklagte dem Kläger vorwirft, er habe pflichtwidrig entsprechende Kontrollmaßnahmen unterlassen, lässt sich nicht feststellen, inwieweit sich eine derartige Pflichtwidrigkeit im neu begründeten Arbeitsverhältnis auswirken soll. Insoweit ist nicht einmal dargetan, dass bzw. inwieweit dem Kläger im Arbeitsverhältnis Kontrollpflichten obliegen.

Dass die außerordentliche Kündigung unter dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung begründet sein kann, erschließt sich nicht. Eine im Arbeitsverhältnis begründete Verdachtslage nimmt die Beklagte nicht für sich in Anspruch. Soweit sie sich auf eine Verdachtslage aus der Geschäftsführertätigkeit des Klägers bezieht, verkennt sie, dass zwar möglicherweise der dringende Verdacht einer Pflichtverletzung aus dem Geschäftsführerdienstvertrag geeignet sein kann, das Geschäftsführerverhältnis zu beenden, inwieweit sich eine derartige Verdachtslage jedoch auf das neu begründete Arbeitsverhältnis auswirken könnte, hat die Beklagte – abgesehen von der erforderlichen Dringlichkeit eines bestehenden Verdachtes – nicht dargetan.

Die außerordentliche Kündigung ist damit nicht rechtswirksam.

3.

Das Arbeitsverhältnis ist auch nicht aufgrund der Kündigung vom 16.08.2021 ordentlich zum 31.03.2022 beendet worden, denn dieser Kündigung mangelt es an der erforderlichen sozialen Rechtfertigung.

Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ist eine Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist ab dem 20.02.2021 begründet worden. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 16.08.2021 am 17.08.2021 bestand es folglich noch keine sechs Monate. Dennoch bedarf die Kündigung der sozialen Rechtfertigung, weil die Parteien die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes bereits vor Ablauf der sechs monatigen Frist vereinbart haben.

§ 1 Abs. 1 KSchG ist einseitig zwingendes Recht. Vereinbarungen zum Nachteil des Arbeitnehmers sind unwirksam. Abweichende Regelungen zu Gunsten des Arbeitnehmers, etwa einzelvertragliche oder kollektivrechtliche Vereinbarungen über den Ausschluss oder die Verkürzung der Wartezeit (BAG, Urteil vom 20.06.2013 – 2 AZR 790/11 – Rn. 14, juris) oder über die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber, sind dagegen zulässig. Einzelvertragliche Vereinbarungen dieser Art müssen nicht ausdrücklich getroffen werden. Sie können sich auch aus konkludentem Verhalten ergeben (BAG, Urteil vom 20.02.2014 – 2 AZR 859/11 – Rn. 44, juris; BAG, Urteil vom 18.02.1988 – 2 AZR 590/87 – Rn. 37, juris).

Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass die Klausel unter § 1.3 des Arbeitsvertrages „eine Probezeit existiert nicht“ für sich genommen lediglich zum Ausdruck bringt, dass keine Probezeit vereinbart wird. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut. Bestehen im Hinblick auf die Verkürzung oder den Ausschluss der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG keine weiteren Anhaltspunkte, so kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, der allgemeine Kündigungsschutz habe auch während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG zur Anwendung gelangen sollen (vgl. LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.06.2019 – 15 Sa 4/19 – Rn. 31, juris). Vorliegend ergibt sich jedoch aus dem eindeutigen Wortlaut der Regelung unter § 3.2 des Arbeitsvertrages, dass für das Vertragsverhältnis eine Betriebszugehörigkeit seit dem 01.08.1995 zu Grunde zu legen ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, dass die unter § 3 des Arbeitsvertrages getroffene Regelung zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes führt. Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut unter Abs. 2 „dieser Vereinbarung wird eine Betriebszugehörigkeit seit dem 01.08.1995 zu Grunde gelegt“. Damit haben die Parteien bestimmt, dass sich die Anerkennung der Betriebszugehörigkeit auf das gesamte Arbeitsverhältnis bezieht und nicht lediglich Bedeutung für eine Kündigungsfrist haben soll. Der Wortlaut ist insoweit eindeutig und wird durch die Regelung zur Probezeit – wie das Arbeitsgericht festgestellt hat – gestützt. Verzichten die Arbeitsvertragsparteien nämlich ausdrücklich auf die Vereinbarung einer Probezeit, weil der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auch aufgrund einer früheren Beschäftigung bekannt ist, so kann darin eine stillschweigende Übereinstimmung liegen, dass der Arbeitnehmer auch in den ersten 6 Monaten nur aus solchen Gründen gekündigt werden darf, die im Sinne von § 1 KSchG anzuerkennen sind (LAG Köln, Beschluss vom 15.12.2006 – 9 Ta 467/06 – Rn. 16, juris).

Ein dementsprechender Wille der Beklagten ist zudem in der Niederschrift über die Gesellschafterversammlung vom 05.02.2021 zum Ausdruck gebracht, dass nämlich das ursprünglich mit der AWO … gGmbH begründete Arbeitsverhältnis auch auf die Beklagte überführt werden kann. „Überführung“ setzt dabei im Gegensatz zur Neubegründung, einen Fortbestand des vorherigen Arbeitsverhältnisses voraus. Indem die Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung zum Ausdruck gebracht haben, dass das Arbeitsverhältnis „überführt“ werden soll, haben sie ausgedrückt, dass der Kläger seinen in diesem Arbeitsverhältnis erworbenen Besitzstand behalten soll. Damit ist insbesondere im Hinblick auf den Ablauf der erforderlichen Wartezeit die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes gegeben.

Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Derartige Gründe liegen, wie zur außerordentlichen Kündigung dargestellt, nicht vor. Es mangelt der Kündigung vom 16.08.2021 folglich an der erforderlichen sozialen Rechtfertigung, was zur Folge hat, dass die Kündigung rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat.

4.

Da das Arbeitsverhältnis der Parteien weder aufgrund Anfechtung noch durch Kündigung beendet worden ist, steht dem Kläger ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Vertragsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu (BAG Großer Senat, Beschluss vom 27.02.1985 – GS 1/84 – juris).

III.

Die Beklagte hat als unterlegene Partei nicht nur die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, sondern gemäß § 97 Abs. 1 ZPO ebenfalls die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) bestehen nicht.

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