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Arbeitsvertragsauflösung bei Schwangerschaft? Klausel im Arbeitsvertrag unwirksam -Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs 2 AGG

ArbG Berlin, Az.: 6 Ca 2270/17

Urteil vom 13.10.2017

I. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 29.07.2016 vereinbarten Bedingung zum 28.02.2017 beendet worden ist.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 4.627,00 Euro netto (viertausendsechshundertsiebenundzwanzig 00/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.05.2017 zu zahlen.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits haben zu 92 % die Beklagte und zu 8 % die Klägerin zu tragen.

V. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.074,12 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Arbeitsvertragsauflösung bei Schwangerschaft? Klausel im Arbeitsvertrag unwirksam -Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs 2 AGG
Symbolfoto: Elnur/Bigstock

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und die Zahlung einer Entschädigung.

Die Beklagte beschäftigte die im Jahre 1988 geborene Klägerin seit dem 1. August 2016 im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses gegen ein monatliche Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1542,32 Eur in der Tätigkeit einer Erzieherin. Die Klägerin nahm an einer berufsbegleitenden Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin teil.

Unter § 18 „ Sonstiges “ des Arbeitsvertrags lautet es unter Satz 2 wie folgt:

„ Für den Fall, dass der Arbeitnehmer das Ausbildungsziel nicht erreicht oder aus eigenem Verschulden mehr als zwei Monate mit der Ausbildungsmaßnahme aussetzt oder zwei aufeinander folgende Blockunterrichtstermine nicht wahrnimmt, endet der Vertrag, ohne dass es einer Kündigung bedarf mit Ablauf des Kalendermonats, der auf die zuletzt besuchte Fortbildungsveranstaltung folgt. “

Die Beklagte beschäftigt eine Vielzahl jüngere Erzieherinnen, darunter vier Mitarbeiterinnen mit einer § 18 entsprechenden Vertragsklausel, wobei zwei Mitarbeiterinnen in den Jahren 1987 bzw. 1988 geboren worden sind.

Die Klägerin unterrichtete die Beklagte am 5.September 2016 über ihre Schwangerschaft.

Mit Schreiben vom 9. Januar 2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, das ihr Arbeitsverhältnis zum 28. Februar 2017 enden würde. Zur Begründung verwies sie darauf, dass, wie ihr von der m. mitgeteilt worden sei, der 26.Januar 2017 ihr letzter Schulbesuchstag sein würde und sie wegen der mitgeteilten Schwangerschaft und des mit dem 23. Januar 2017 beginnenden Mutterschutzes die Ausbildung ab dem 27. Januar 2017 unterbreche. Entsprechend der in § 18 getroffenen arbeitsvertraglichen Regelungen ende das Arbeitsverhältnis wegen Eintritts der vereinbarten auflösenden Bedingung.

Mit ihrer am 20. Februar 2017 eingereichten, der Beklagten am 28. Februar 2017 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gewandt. Ferner hat sie gegenüber der Beklagten eine Entschädigung wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung in Höhe von 5 Monatsgehältern geltend gemacht. Mit ihrer am 24. April 2017 eingereichten, der Beklagten im Gütetermin vom 2.Mai 2017 übergebenen Klageerweiterung hat sie einen entsprechenden Klageantrag angekündigt. Einen zunächst angekündigten allgemeinen Feststellungsantrag hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht wegen Eintritts einer auflösenden Bedingung geendet habe. Die Klausel unter § 18 des Arbeitsvertrags sei intransparent, bei schwangerschaftsbedingten Ausbildungsunterbrechungen diskriminierend und zudem im Hinblick auf § 9 MuSchG unangemessen benachteiligend. Für die getroffene Regelung bestünde auch kein sachlicher Grund im Sinne des TzBfG. Im Übrigen schulde die Beklagte ihr eine Entschädigung. Da die Vertragsbeendigung ausweislich der Mitteilung der Beklagten wegen der Schwangerschaft habe eintreten sollen, läge eine unmittelbare Benachteiligung wegen ihres Geschlechts vor.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 29.07.2016 vereinbarten Bedingung zum 28.02.2017 bzw. zu einem späteren Zeitpunkt beendet worden ist.

2. für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1., die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine angemessene Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 9078,60 Euro netto nicht unterschreiten sollte nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1., die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine angemessene Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 5447,16 Euro netto nicht unterschreiten sollte nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Klägerin habe die Bedingung selbst herbeigeführt, weil sie ihr mitgeteilt habe, die Ausbildung wegen der Entbindung und im Folgenden zu nehmender Elternzeit unterbrechen zu wollen. Hierin läge ein eigenbeeinflussbarer Bedingungseintritt. Die Klägerin wäre nicht gezwungen, nach der Geburt des Kindes länger als für die mutterschutzrechtlichen Fristen auszusetzen. Auch läge eine sachliche Rechtfertigung für die getroffene Regelung vor. Die im TzBfG genannten Sachgründe seien nicht abschließend und gäben nur Anhaltspunkte, ob für die vereinbarte Bedingung eine sachliche Rechtfertigung gegeben ist. Die von ihr verwendete auflösende Bedingung sei dem Umstand geschuldet, das sie eine nach der Wohnteilhabeverordnung senatsseitig vorgegebene Fachkraftquote einzuhalten habe. Seit 2011 würden keine Nichtfachkräfte mehr unbefristet eingestellt. Allein um Menschen wie der Klägerin die Möglichkeit zu einer berufsbegleitenden Ausbildung zu geben und in der Hoffnung bei deren erfolgreichem Abschluss eine neue Fachkraft binden zu können, würde sie mit Nichtfachkräften zeitlich unbefristete Arbeitsverträge abschließen. Im Übrigen sei die Klägerin nicht unangemessen benachteiligt worden. Die Vertragsbeendigung sei nicht ausdrücklich wegen der Schwangerschaft erfolgt. Entsprechendes ergäbe sich nicht aus ihrer Beendigungsmitteilung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig. Das gemäß der §§ 46 Abs.2 ArbGG, 256 Abs.1 ZPO für den Feststellungsantrag erforderliche Feststellungsinteresse folgt hier bereits aus den §§ 21, 17 Abs.1 Satz 1 TzBfG, wonach die Unwirksamkeit einer zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führenden Bedingung mit einer fristgebundenen Feststellungsklage geltend zu machen ist.

II. Die Klage ist auch begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht zum 28. Februar 2017 beendet worden. Die Beklagte hat der Klägerin eine Entschädigung zu zahlen, weil sie sie wegen ihres Geschlechts benachteiligt hat.

1. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht infolge der durch den Mutterschutz eingetretenen Unterbrechung ihrer Ausbildung gemäß § 18 Satz 2 des Arbeitsvertrags zum 28. Februar 2017 beendet worden.

1.1. Die unter § 18 des Arbeitsvertrags vereinbarte auflösende Bedingung gilt nicht bereits gemäß § 17 Satz 2 TzBfG in entsprechender Anwendung des § 7 KSchG als wirksam eingetreten. Die Klägerin hat die von der Beklagten eingewandte auflösende Bedingung innerhalb der gemäß § 21 TzBfG entsprechend anwendbaren Frist des § 17 Satz 1 TzBfG gerichtlich angegriffen.

1.1.1. Die Klagefrist der §§ 21,17 Satz 1 TzBfG ist auch dann einzuhalten, wenn nicht die Wirksamkeit der Bedingung, sondern deren tatsächlicher Eintritt geklärt werden soll. Ob die auflösende Bedingung eingetreten ist, hängt idR von der Auslegung der einzelvertraglichen Bedingungsabrede ab. Wegen des fast untrennbaren Zusammenhangs der Wirksamkeit und des Eintritts der auflösenden Bedingung sind beide Fragen Gegenstand der Bedingungskontrollklage (siehe u.a. BAG, Urt.v.14.01.2015, – 7 AZR 880/13 – juris). Die dreiwöchige Klagefrist beginnt bei Bedingungskontrollklagen grundsätzlich mit dem Tag, an dem die auflösende Bedingung eingetreten ist. Allerdings endet der auflösend bedingte Arbeitsvertrag nach §§ 21,15 Abs.2 TzBfG frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Eintritt der Bedingung. Deshalb wird gemäß §§ 21, 17 Sätze 1 und 3, § 15 Abs.2 TzBfG die Klagefrist erst mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis sei aufgrund des Eintritts der Bedingung beendet, in Lauf gesetzt, wenn die Bedingung bereits vor Ablauf der Zweiwochenfrist eingetreten ist (siehe BAG, a.a.O.).

1.1.2. Die Klägerin hat die Klagefrist danach gewahrt. Die Beklagte hatte ihr mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis infolge Eintritts der auflösenden Bedingung zum 28. Februar 2017 enden würde. Die von der Klägerin am 20. Februar 2017 eingereichte Klage ist der Beklagten bereits am 28. Februar 2017 zugestellt worden.

1.2. Es erscheint im Weiteren schon zweifelhaft, ob die von der Beklagten angenommene auflösende Bedingung nach § 18 des Arbeitsvertrags überhaupt eingetreten ist. Insoweit spricht nach dem Wortlaut, wie auch dem von der Beklagten vorgetragenen Sinn und Zweck der Regelung – Gewinnung von Nachwuchsfachkräften – viel dafür, dass nur eine schuldhafte Unterbrechung der Ausbildung zu einer Beendigung des Arbeitsvertrags führen soll. Die mutterschutzbedingte Unterbrechung der Ausbildung würde danach schon nicht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen.

1.3. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Denn die von der Beklagten ausweislich ihrer schriftlichen Mitteilung vom 9. Januar 2017 angenommene auflösende Bedingung – Unterbrechung der Ausbildung infolge Eintritts der Klägerin in den Mutterschutz – erweist sich jedenfalls als unwirksam. Dahinstehen kann auch, ob die Regelung bereits wegen Verletzung des Transparenzgebotes (§ 307 Abs.1 Satz 1 und 2 BGB) unwirksam ist. Denn die Klägerin wird durch die Bedingung jedenfalls im Sinne des § 307 Abs.1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt.

1.3.1. Die Regelung unter § 18 des Arbeitsvertrags unterliegt der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff BGB. Es handelt sich insoweit um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs.1 BGB. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind danach für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Unstreitig hat die Beklagte die Klausel des § 18 bei einer Vielzahl von Arbeitsverträgen verwandt.

1.3.2. Soweit das Arbeitsverhältnis gemäß § 18 des Arbeitsvertrags bei jedweder Unterbrechung der Ausbildung endet, d.h. auch im Falle des Eintritts von Beschäftigungsverboten wie hier des Mutterschutzes würde dies die Klägerin unangemessen benachteiligen.

1.3.2.1. Nach § 307 Abs.1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen iSv. § 307 Abs.1 BGB ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (siehe u.a. BAG, Urt.v.10.05.2016, – 9 AZR 434/15 – juris).

1.3.2.2. Die unangemessene Benachteiligung würde hier bereits daraus folgen, dass es für die von der Beklagten angenommene auflösende Bedingung am gemäß der §§ 21, 14 Abs.1 TzBfG erforderlichen sachlichen Grund fehlt. Die auflösende Bedingung – Unterbrechung der Ausbildung infolge Eintritts in den Mutterschutz – kann insbesondere keinen in der Person der Klägerin liegenden Grund im Sinne des § 14 Abs.1 Ziffer 6 TzBfG darstellen. Dies folgt schon aus den §§ 7 Abs.1, 1, 2 Abs.1 Ziffer 2 AGG, wonach Beschäftigte hinsichtlich der Entlassungsbedingungen nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden dürfen. Im Übrigen würde § 18 Satz 2 des Arbeitsvertrags auch das Kündigungsverbot des § 9 MuSchG umgehen. Schließlich dürfte auch die bloße Unterbrechung der Ausbildung aus welchem Grund auch immer, keine in der Person des Arbeitnehmers liegende Auflösung des Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertigen. Als in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe kommen allein solche Ursachen aus der individuellen Sphäre des Arbeitnehmers in Betracht, die so maßgebend sind, dass sie den Abschluss eines Arbeitsvertrags auf Zeit aus sich heraus bedingen (siehe KR-Lipke, Rz 242 zu § 14 TzBfG m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Die Beschäftigung in der Tätigkeit einer Erzieherin bzw. eines Erziehers kann auch weiter durchgeführt werden, wenn die Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin unterbrochen bzw. gar abgebrochen worden ist.

2. Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 15 Abs.2 Satz 1 AGG eine Entschädigung in der vom Gericht festgesetzten Höhe beanspruchen. Die Beklagte hat die Klägerin in Bezug auf die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses wegen ihres Geschlechts benachteiligt.

2.1. Die Klägerin hat ihren Entschädigungsanspruch innerhalb der zweimonatigen Frist des § 15 Abs.4 Satz 1 AGG schriftlich gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Die Geltendmachung erfolgte mit der Klage, die der Beklagten am 28. Februar 2017 zugestellt worden ist.

2.2. Die Klägerin hat ihren Anspruch auch innerhalb der dreimonatigen Frist des § 61 b Abs.1 ArbGG gerichtlich geltend gemacht. Sie hat ihre Klage mit am 25. April bei Gericht eingegangenem Schriftsatz um die Entschädigung erweitert.

2.3. Die Beklagte hat der Klägerin nach §§ 15 Abs.1, 2 AGG eine angemessene Entschädigung zu zahlen, weil sie aufgrund der mit Schreiben vom 9. Januar 2017 mitgeteilten Gründe der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen hat.

2.3.1. Die Klägerin fällt gemäß § 6 Abs.1 Ziffer 1 AGG unter den persönlichen Anwendungsbereich des AGG. Sie ist als Arbeitnehmerin der Beklagten Beschäftigte im Sinne des Gesetzes.

2.3.2. Die Beklagte hat gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen.

2.3.2.1. Nach § 2 Ziffer 2 AGG sind Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unzulässig in Bezug auf Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen.

2.3.2.2. Die Beklagte hat gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen. Der Klägerin ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf die schwangerschaftsbedingten Unterbrechung der Ausbildung mitgeteilt worden. Die Klägerin hat damit eine unmittelbare Benachteiligung wegen ihres Geschlechts erfahren. Denn eine solche unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt gemäß § 3 Abs.1 Satz 2 AGG in Bezug auf § 2 Abs.2 Nr.2 bis 4 AGG bereits dann vor, wenn eine Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft ungünstiger behandelt worden ist.

2.3.2.2.1. Der Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Behandlung und dem Merkmal „Schwangerschaft/Geschlecht“ ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Schwangerschaft anknüpft oder durch diese motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund – die Schwangerschaft – das ausschließliche Motiv für das Handeln ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat. Die Schwangerschaft muss mithin nicht – gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens – handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; eine bloße Mitursächlichkeit genügt (siehe BAG, a.a.O.)

2.3.2.2.2. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut ihres Schreibens vom 9. Januar 2017 hat sich die Beklagte darauf berufen, dass die Klägerin laut Mitteilung der m. wegen der mitgeteilten Schwangerschaft und des mit dem 23. Januar 2017 beginnenden Mutterschutzes die Ausbildung ab dem 27. Januar 2017 unterbreche. Entsprechend der in § 18 getroffenen arbeitsvertraglichen Regelungen ende das Arbeitsverhältnis zum 28. Februar 2017 wegen Eintritts der vereinbarten auflösenden Bedingung. Die Beklagte hat sich danach hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich auf die ihr mitgeteilte schwangerschaftsbedingte Unterbrechung der Ausbildung berufen. Die Beklagte hat die Klägerin damit bei einer Maßnahme der Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses aus einem in § 1 AGG genannten Grund, d.h. hier wegen ihres Geschlechts benachteiligt.

2.3.2.3. Der Klägerin ist wegen des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbotes eine Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern zuzusprechen.

2.3.2.3.1. Ungeachtet dessen, das vorliegend nicht die Unwirksamkeit einer Kündigung wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot festgestellt worden ist, sperrt § 2 Abs. 4 AGG selbst bei einer Kündigung weitergehende Ansprüche auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass erklärte Kündigungen oft Bezüge zu den Anknüpfungsmerkmalen des AGG aufweisen. Im Normalfall wird eine ungerechtfertigte Belastung durch die Überprüfung der Kündigung anhand der Bestimmungen des allgemeinen und des besonderen Kündigungsschutzes ausgeräumt. Eine merkmalsbezogene Belastung im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung führt jedenfalls dann zu einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG, wenn die Belastung – wie bei einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung – über das Normalmaß hinausgeht (siehe zum Vorstehenden BAG, Urteil vom 12. Dezember 2013, – 8 AZR 838/12 –, juris).

2.3.2.3.2. Eine Entschädigung in Höhe von 3 Bruttomonatsgehältern ist hier angemessen.

2.3.2.3.2.1. Bei der Festsetzung der angemessenen Entschädigung sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zu diesen zählen etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalles. Ferner ist auch der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, sodass die Höhe auch danach zu bemessen wäre, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass die Entschädigung geeignet sein muss, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zu haben und dass sie in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss (BAG, Urteil vom 23. August 2012 – 8 AZR 285/11 –, Rn. 38, juris).

2.3.2.3.2.2. Das Verhalten der Beklagten lässt nur den Rückschluss zu, dass sie sich unter Berufung auf § 18 des Arbeitsvertrags ihren geschlechtsspezifischen Verpflichtungen aus dem Mutterschutzgesetz entziehen wollte. Die Beklagte hat selbst eingeräumt, weitere jüngere Erzieherinnen aufgrund von Arbeitsverträgen zu beschäftigen, die die streitgegenständlichen Klausel enthalten. Angesichts dessen und der nicht auszuschließenden Wiederholungsgefahr – die Beklagte wird zur Deckung ihres Personalbedarfs auch künftig junge Frauen einstellen – bedurfte es einer deutlichen Sanktion. Im Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte der Klägerin den Schutz des Mutterschutzgesetzes im vollen Bewusstsein der Schwangerschaft und ihrer dadurch vermittelten besonderen Schutzbedürftigkeit entzogen hat. Dies wiegt umso schwerer, als sich werdende Mütter in der Regel in einer besonderen Belastungssituation befinden, in der ihnen durch die Gewährung des besonderen Mutterschutzes die Angst um die wirtschaftliche Existenzgrundlage genommen werden soll.

3. Der von der Klägerin erhobene Zinsanspruch ist gemäß der §§ 288 Abs.1, 286 Abs.1 Satz 2 BGB begründet.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs.2 ArbGG, 92 Abs.1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 61 Abs.1 ArbGG, 42 Abs.2 GKG, 3 ZPO. Der Klägerin waren für den zurückgenommenen allgemeinen Feststellungsantrag nicht gemäß § 269 Abs.3 Satz 2 ZPO die Kosten aufzuerlegen. Der allgemeine Feststellungsantrag hat neben dem punktuellen Feststellungsantrag keinen eigenen wirtschaftlichen Wert.

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