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Arbeitsvertragsbefristung wegen Krankheitsvertretung – Rückkehr des erkrankten Arbeitnehmers

ArbG Erfurt – Az.: 6 Ca 1834/21 – Urteil vom 17.05.2022

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf 2.159,00 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit eines befristeten Arbeitsvertrages und damit einhergehend um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin ist am 18.05.2000 geboren, ledig und besitzt keine Unterhaltspflichten. Der Arbeitsvertrag vom 30.06.2021 enthält unter § 1 folgende Regelung:

„(1) Die Beschäftigte wird ab 1. August 2021 als teilzeitbeschäftigte Erzieherin mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden eingestellt, und zwar wegen Vorliegen eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 1 des Teilzeit– und Befristungsgesetzes (TzBfG) vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S 1966) in der jeweils geltenden Fassung als Vertretungskraft für die im Krankenstand befindliche Beschäftigte Frau J..“

(vgl. Auszug des Arbeitsvertrages; Bl. 5 der Akte)

Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD); das Bruttomonatsgehalt betrug 2.159,00 €.

Infolge der Bekanntgabe ihrer Schwangerschaft wurde die Klägerin am 03.08.2021 nach einer Gefährdungsbeurteilung entsprechend § 1 der MuSchArbV freigestellt.

Mit Schreiben vom 21.10.2021 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die von ihr vertretene Beschäftigte, Frau J., am 25.10.2021 ihre Arbeit wieder aufnehmen werde und die auflösende Bedingung des befristeten Arbeitsverhältnisses damit eintritt. Gleichzeitig wurde der Klägerin mitgeteilt, dass 2 Wochen nach Zugang des Schreibens das Arbeitsverhältnis endet. Das Schreiben ging der Klägerin am 23.10.2021 zu. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses soll damit zum 06.11.2021 eintreten.

Die Klägerin hat darauf verwiesen, dass bereits in einem Telefonat zur Einladung zum Vorstellungsgespräch am 16.06.2021 nachmittags gegen 16:10 Uhr von einer Mitarbeiterin, nämlich der klägerseits benannten Zeugin B., mitgeteilt wurde, dass die zu vertretende Kollegin J. an einer Krebserkrankung leide und vermutlich ihre Tätigkeit nicht mehr aufnehmen werde. Dies sei auch der Grund für die Einstellung der Klägerin. Im Übrigen sei eine unbefristete Einstellung geplant.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 17.05.2022 darauf hingewiesen, dass Frau B. nicht Beschäftigte der Beklagten, sondern der Verwaltungsgemeinschaft sei. Der Klägervertreter hat diesbezüglich darauf hingewiesen, dass sämtliche Gespräche, im Hinblick auf die geplante Einstellung, von Frau B. geleitet wurden.

Die Klägerin hat unter Berücksichtigung dieses Umstandes darauf hingewiesen, dass die Beklagte bereits bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages davon ausgegangen sei, dass eine Rückkehr von Frau J. aus der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr abzusehen war. Dies stünde dem vereinbarten Befristungsgrunde per se entgegen und führe gem. § 16 TzBfG zum Bestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.

Die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau J., war bereits seit August 2020 arbeitsunfähig erkrankt. Der somit schon seit längerer Zeit bestehende Personalbedarf sollte – so die Beklagte – mit der befristeten Einstellung der Klägerin ausgeglichen werden. Die letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Klägerin wies einen Zeitraum bis zum 22.10.2021 aus (vgl. Bl. 36 der Akte). Ab dem 23.10.2021 hat Frau J. wieder Arbeitsentgelt bezogen. Ab dem 25.10.2021 hat sie Urlaub in Anspruch genommen.

Mit Schreiben vom 08.11.2021 hat sie ihr bestehendes Arbeitsverhältnis zum 30.11.2021 wegen Renteneintritt gekündigt.

Die Klägerin vermutet nach eigenen Recherchen (insbesondere ein Gespräch mit Frau J. persönlich), dass es „Absprachen“ zwischen der Beklagten und ihrer Mitarbeiterin gegeben hat. Insbesondere wurde die Inanspruchnahme des Resturlaubs seitens der Beklagten initiiert und – die Klägerin vermutet dies ebenfalls – der Ausspruch der Eigenkündigung von Frau J..

Dies führt nach Rechtsauffassung der Klägerin dazu, dass der Befristungsgrund aufgrund der Aktivitäten der Beklagten zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Mitarbeiterin J. nicht in Wegfall geraten sein kann.

Insbesondere der Ausspruch der Eigenkündigung sei für die Klägerin nicht nachvollziehbar. Aufgrund des Eintritts der Rentenbezugsberechtigung wäre das Arbeitsverhältnis nach § 33 TVöD automatisch beendet worden.

Die Klägerin beantragt: Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht aufgrund des Wegfalls des sachlichen Grundes aus dem Arbeitsvertrag vom 30.06.2021 beendet ist, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über den 06.11.2021 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist insbesondere darauf, dass bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages von einer Rückkehr der erkrankten Mitarbeiterin Frau J. ausgegangen worden sei. Auch die zuvor bestehende längerfristige Erkrankung habe dieser Prognose nicht entgegengestanden.

In Bezug auf die Vorgänge zur Rückkehr der Mitarbeiterin Frau J. und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verweist die Beklagte darauf, dass das Arbeitsverhältnis mit der Mitarbeiterin Frau J. ordnungsgemäß abzuwickeln gewesen sei. Dazu habe nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeitsphase auch die Inanspruchnahme des Resturlaubes gehört. Das Arbeitsverhältnis habe nicht auf Grund der Rentenbezugsberechtigung der Klägerin per se geendet. Aus diesem Grund ist die Eigenkündigung der Mitarbeiterin Frau J. nachvollziehbar.

Im Übrigen wird verwiesen auf die gegenseitigen Schriftsätze der Parteien und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig aber nicht begründet und daher abzuweisen.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete gemäß § 15 Abs. 2 TzBfG und der Zweckbefristung wegen Wegfalls des Sachgrundes nach schriftlicher Unterrichtung der Klägerin am 06.11.2021. Die Befristung ist zunächst gemäß § 14 Absatz 3 TzBfG wegen Vertretung eines anderen Arbeitnehmers rechtmäßig und ordnungsgemäß vereinbart und ist grundsätzlich für die Vertretung eines arbeitsunfähig erkrankten Mitarbeiters möglich.

Das Bundesarbeitsgericht hat in mehreren Fällen entschieden, dass die „Arbeitsunfähigkeits-Vertretung“ rechtlich möglich ist und eine solche nur in „Extrem-Fällen“ rechtsunwirksam sein kann.

Bezug genommen wird dabei insbesondere auf die Urteile des Bundesarbeitsgerichtes vom 21.02.2001 – 7 AZR 200/00 – und auf das Urteil vom 23.01.2002 – 7 AZR 440/00.

Die Leitsätze des Bundesarbeitsgerichts lauten wie folgt:  „Die Einstellung eines Arbeitnehmers zur Vertretung eines zeitweilig ausfallenden Arbeitnehmers ist ein sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsvertrages mit der Vertretungskraft. Sofern nicht besondere Umstände vorliegen, kann der Arbeitgeber in Fällen der Krankheitsvertretung davon ausgehen, dass die zu vertretende Stammkraft zurückkehren wird.“

„Der Sachgrund der Krankheitsvertretung ist gegeben, wenn der Arbeitgeber bei Abschluss des Vertrages davon ausgehen durfte, dass der vertretene Mitarbeiter an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird.

Der Arbeitgeber kann regelmäßig, auch bei wiederholten Befristungen nach verlängerter Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, von der Rückkehr des Erkrankten ausgehen. Nur dann, wenn er weiß, dass der Vertretene nicht auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird oder aufgrund besonderer Umstände daran erhebliche Zweifel hat, kann die Befristung des Arbeitsvertrages sachlich nicht gerechtfertigt sein.“ (vgl. BAG a.a.O.)

Das Gericht geht – entgegen der Auffassung der Klägerin – davon aus, dass bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages seitens der Beklagten keine Kenntnis dahingehend vorlag, dass die zu vertretende Mitarbeiterin Frau J. an den Arbeitsplatz zurückkehren würde.

Arbeitsvertragsbefristung wegen Krankheitsvertretung - Rückkehr des erkrankten Arbeitnehmers
(Symbolfoto: Romeo Pj/Shutterstock.com)

Auch der Hinweis der Klägerin auf die vermeintliche Aussage der Mitarbeiterin der Verwaltungsgemeinschaft, Frau B., ändert daran nichts. Einerseits hat die Beklagtenvertreterin zu Recht darauf hingewiesen, dass Frau B. keine Beschäftigte der Beklagten ist, sondern der Verwaltungsgemeinschaft. Auch wenn Frau B. nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin die Einstellungsphase für die Beklagte geleitet hat, ist davon auszugehen, dass Frau B. keine rechtsverbindlichen Aussagen für die Beklagte geben konnte.

Darüber hinaus ist auch festzustellen, dass von einer positiven Kenntnis oder erheblichen Zweifeln der Verantwortlichen der Beklagten im Hinblick auf die Rückkehr der Mitarbeiterin Frau J. nicht festgestellt werden kann. Die Klägerin selbst hat vorgetragen, dass Frau B. in diesem Telefonat lediglich mitgeteilt hat, dass Frau J. ihre Tätigkeit vermutlich nicht mehr aufnehmen würde und es deshalb letztendlich zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis der Klägerin kommen würde. Dies ist mit einer positiven Kenntnis oder mit einer hohen Wahrscheinlichkeit der nicht erfolgenden Rückkehr der Mitarbeiterin nicht gleichzusetzen.

Da dementsprechend die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtmäßig gewesen ist, kann die Rechtsfolge von § 16 TzBfG im Hinblick auf den Bestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses wegen unwirksamer Befristung nicht eintreten.

Der Sachgrund der ursprünglichen Befristung des Arbeitsvertrages ist auch nicht durch die Geschehnisse im Oktober und November 2021 weiterhin bestandskräftig.

Die Klägerin vermutet ein gemeinsames Zusammenwirken zwischen der Beklagten und Frau J. im Hinblick auf die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit, Rückkehr von Frau J. ins Arbeitsverhältnis, Inanspruchnahme des Resturlaubes und Eigenkündigung von Frau J..

Selbst wenn die Beklagte auf Frau J. in Bezug auf diese Tatsachenfeststellungen eingewirkt haben sollte, ändert dies am Wegfall des Sachgrundes originär nichts.

Ausschlaggebend sind die seitens des Gerichts zu beachtenden Fakten. Diese stellen sich wie folgt dar:

Die Arbeitsunfähigkeit von Frau J. endete am 21.10.2021. Damit ist der Sachgrund der Befristung, nämlich die Vertretung für die Dauer der Erkrankung von Frau J., in Wegfall geraten. Frau J. nahm daraufhin ihren Resturlaub und beende das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung vom 08.11.2021 zum 30.11.2021 wegen ihres Renteneintritts.

Zwangsläufig mussten für diese Abwicklung des Arbeitsverhältnisses Gespräche zwischen den Verantwortlichen der Beklagten und Frau J. stattfinden. Der Nicht- Nachvollziehbarkeit der Kündigung von Frau J. für die Klägerin, ist die Beklagte mit Hinweis auf die Regelung des § 33 TVöD entgegengetreten. Gemäß dieser Vorschrift endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Beschäftigte das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersgrenze vollendet hat. Gemäß § 235 Abs. 1 Satz 2 SGB VI wird die Regelaltersgrenze frühestens mit Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht. Nach den Berechnungen der Beklagten würde das Arbeitsverhältnis nach dieser tarifvertraglichen Vorschrift von Frau J. zum 31.03.2023 beendet.

Für eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses war entsprechend eine Kündigung oder Vereinbarung notwendig.

Als unterlegene Partei des Rechtsstreites hat die Klägerin gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 91 ZPO die Kosten zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Aufgrund der kurzzeitigen Beschäftigungsphasen der Klägerklägerin hält das Gericht die Streitwertfestsetzung mit einem Bruttomonatsgehalt für gerechtfertigt.

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