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Arbeitsvertragskündigung – Zurückweisung mangels Vollmachtsvorlage nach § 174 BGB

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 5 Sa 311/19 -Urteil vom 13.02.2020

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 4. Juni 2019, Az. 8 Ca 261/19, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch außerordentliche Kündigung beendet worden ist.

Der 1972 geborene Kläger (ledig, kinderlos) wurde von der beklagten Bundesrepublik Deutschland im Geschäftsbereich der Bundespolizeiakademie ab dem 15.09.2017 als Fachlehrer eingestellt. Zur Bundespolizeiakademie mit Sitz in C-Stadt gehören im Bundesgebiet mehrere Aus- und Fortbildungszentrum; der Kläger wurde in der Ausbildungsstätte in Z. eingesetzt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag haben die Parteien ua. die Geltung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) vereinbart. Der Kläger ist in Entgeltgruppe 13 TVöD eingruppiert; sein Monatsgehalt beträgt € 4.196,02 brutto.

Mit Schreiben vom 07.01.2019 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich aus wichtigem Grund. Dem Kläger wird vorgeworfen, sich während des Unterrichts wiederholt sexistisch und beleidigend gegenüber Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärtern geäußert zu haben. Das Kündigungsschreiben wurde nicht dem Kläger, sondern seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten zugestellt, der vorträgt, er habe vorprozessual über keine Empfangsvollmacht verfügt. Das Kündigungsschreiben wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10.01.2019 mit dem unterhalb des Anschriftenfeldes in Fettdruck angebrachten Vermerk „Vorab per Telefax!“ mit Telefax und am 14.01.2019 im Original per Briefpost zugestellt. Das Kündigungsschreiben trägt den Briefkopf der Bundespolizeiakademie, es wurde nicht vom Präsidenten persönlich, sondern „im Auftrag“ mit dem Namen „T.“ unterzeichnet. Frau T. ist Regierungsdirektorin und seit September 2017 Leiterin des Dezernats 3 der Bundespolizeiakademie.

Mit Verfügung vom 08.02.2017, die im Intranet eingestellt ist, hat der Präsident der Bundespolizeiakademie die Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion wie folgt festgelegt:

„Betreff: Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion

Hier: Regelung für den Bereich der Bundespolizeiakademie

Bezug: Geschäftsordnung für die Bundespolizei

Im Vorgriff auf die Regelungen einer die Geschäftsordnung der Bundespolizei ergänzenden Geschäftsordnung der Bundespolizeiakademie treffe ich zur Ausübung der Arbeitgeberfunktion ab sofort folgende Festlegung:

Für Tarifbeschäftigte ist die Präsidentin oder der Präsident der Bundespolizeiakademie die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber. Über die allgemeine Vertretung durch die Ständige Vertreterin oder den Ständigen Vertreter hinaus wird die Präsidentin oder der Präsident in dieser Funktion wie folgt vertreten:

In den Bereichen

– Bundespolizeiakademie (C-Stadt, sowie Diensthundeschulen …)

– Hochschule Bund – Fachbereich Bundespolizei

– Bundespolizeisportschule … und Bundespolizeitrainingszentrum …

für die Beschäftigten aller Entgeltgruppen bis einschließlich E13 (soweit dem gehobenen Dienst entsprechend) durch die Leiterin oder den Leiter der Zentral- und Grundsatzabteilung sowie die Leiterin oder den Leiter des Dezernats 3.

Die Entscheidungs- und Zeichnungsbefugnis ist entsprechend der beigefügten Anlage auf die jeweiligen Funktionsinhaber übertragen.

Die Leiterin oder der Leiter der Zentral- und Grundsatzabteilung sowie die Leiterin oder der Leiter des Dezernats 3 vertreten die Präsidentin oder den Präsidenten als Arbeitgeberin oder Arbeitgeber für die Tarifbeschäftigte ab Entgeltgruppe 9b auch in den

– Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentren und der

– Bundespolizeisportschule …

Für Tarifbeschäftigte bis zur Entgeltgruppe 9a der Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentren und der Bundespolizeisportschule … ist die Arbeitgeberfunktion auf die Leiterin oder den Leiter der Dienststelle bzw. den Abwesenheitsvertreter/-in delegiert. „

Die der Verfügung beigefügte Anlage lautet auszugsweise:

„Anlage – Festlegung der Entscheidungs- und Zeichnungsbefugnis

Wahrnehmung der Arbeitgeberbefugnis im Bereich der BPOLAK (soweit von C-Stadt aus bearbeitet)

Aufgabenfelder

P

stV

LZGA

LDez 3

SBL 35

Arbeitsverhältnisse

Kündigung durch Arbeitgeber

x

x

x

x

…“

Im Organisationsplan (Stab) vom 01.02.2019 ist – soweit hier von Interesse – grafisch dargestellt, dass dem Präsidenten und seinem ständigen Vertreter mehrere Stabsbereiche unterstellt sind. Zum Stabsbereich 3 (Verwaltung) gehören folgende Sachbereiche:

 

31 Justiziariat

32 Grundsatz/ Organisation

33 Haushalt

34 Liegenschaft und Gebäudemanagement

35 Personal

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wies sowohl die Kündigung, zugestellt per Telefax, mit Schreiben vom 11.01.2019 als auch die (aus seiner Sicht) weitere Kündigung, zugestellt per Briefpost, mit Schreiben vom 18.01.2019 gem. § 174 BGB zurück. Mit seiner am 28.01.2019 erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung(en).

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnisdurch die schriftliche außerordentliche Kündigung vom 07.01.2019, zugegangen am 10.01.2019, nicht aufgelöst worden ist,

2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die schriftliche außerordentliche Kündigung vom 07.01.2019, zugegangen am 14.01.2019, nicht aufgelöst worden ist,

3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihm ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt,

4. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den (berichtigten) Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 04.06.2019 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit dem vorbezeichneten Urteil beiden Kündigungsschutzanträgen stattgegeben und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht – zusammengefasst – ausgeführt, die streitgegenständlichen Kündigungen vom 07.01.2019 seien rechtsunwirksam. Dies folge bereits aus § 174 BGB. Der Kläger habe die Kündigungen unverzüglich mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen. Der Kläger sei durch die Verfügung des C. vom 08.02.2017 nicht iSv. § 174 Satz 2 BGB von der Bevollmächtigung der Regierungsdirektorin T. in Kenntnis gesetzt worden. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 04.06.2019 Bezug genommen.

Gegen das am 05.08.2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 23.08.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 23.09.2019 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie macht geltend, Regierungsdirektorin T. sei als Leiterin des Dezernats 3 befugt gewesen, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu kündigen. Sie habe den C. wirksam vertreten. Die Vorlage einer Vollmachtsurkunde sei nicht erforderlich gewesen, denn Regierungsdirektorin T. sei als Leiterin des Dezernats 3 auf eine Position berufen, mit der üblicherweise ein Kündigungsrecht verbunden sei. Sie sei von ihrer Stellung mindestens mit einem Personalleiter in der Privatwirtschaft vergleichbar. Durch Verfügung vom 08.02.2017 habe der Präsident der Bundespolizeiakademie die Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion ausdrücklich geregelt. Diese Verfügung sei im Intranet veröffentlicht und für alle Mitarbeiter auffindbar und nachlesbar. Der Kläger hätte sich ohne weiteres von der Verfügung des Präsidenten Kenntnis verschaffen können. Ihm sei möglich gewesen, die Funktion, mit der das Kündigungsrecht verbunden sei, der Person des jeweiligen Stelleninhabers zuzuordnen. Regierungsdirektorin T. sei die Funktion als Dezernatsleiterin „Recht und Verwaltung“, inklusive „Personal“ übertragen worden. Dies sei auch hinreichend bekannt gemacht worden, denn Regierungsdirektorin T. übe innerhalb der Bundespolizeiakademie ab ihrer Bestellung im September 2017 ihre Funktion in aller Öffentlichkeit aus.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 04.06.2019, Az. 8 Ca 261/19, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

II.In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.01.2019 beendet worden.

1. Die Kündigungsschutzklage ist zulässig. Allerdings erfasst der Wortlaut der Klageanträge zu 1) und 2) nicht nur eine von der Beklagten am 07.01.2019 erklärte Kündigung. Damit wollte der Kläger erkennbar dem Umstand Rechnung tragen, dass die Beklagte seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten das inhaltsgleiche Kündigungsschreiben vom 07.01.2019 auf zwei Wegen übermittelt hat. Das Kündigungsschreiben wurde – so ausdrücklich – „Vorab per Telefax!“ am 10.01.2019 und mit der Briefpost am 14.01.2019 zugestellt. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte mit den beiden inhaltsgleichen Kündigungsschreiben vom 07.01.2019 zwei rechtlich selbständige Kündigungen erklären wollte, liegen nicht vor. Im Gegenteil: Die Beklagte hat mit dem in Fettdruck hervorgehobenen Vermerk „Vorab per Telefax!“, den sie unterhalb des Anschriftenfeldes angebracht hat, deutlich gemacht, dass sie lediglich eine Kündigungserklärung abgegeben hat. Die Beklagte hat nur einen auf die Erklärung einer einheitlichen Kündigung gerichteten Willen „doppelt verlautbart“ (vgl. BAG 07.07.2011 – 6 AZR 248/10- Rn. 10 mwN). Die erstinstanzlichen Klageanträge zu 1) und 2) und Ziff. 1 des Tenors der angefochtenen Entscheidung können interessengerecht so ausgelegt werden, dass sie sich auf diese einheitliche Kündigung beziehen.

2. Wollte man das anders sehen, entspräche die am 10.01.2019 per Telefax übermittelte (selbständige) Kündigungserklärung nicht den Anforderungen des § 623 iVm. § 126 Abs. 1 BGB. Die Kündigung per Telefax wäre gem. § 125 Satz 1 BGB nichtig (vgl. BAG 17.12.2015 – 6 AZR 709/14 – Rn. 46, 47 mwN). Selbst wenn eine formgültige Erklärung nachfolgt, reicht ein Telefax auch nicht zur Fristwahrung (vgl. BAG 13.02.2008 – 2 AZR 864/06 – Rn. 57 mwN).

3. Die Kündigung vom 07.01.2019 ist unwirksam, weil sie der Kläger nach § 174 Satz 1 BGB berechtigterweise zurückgewiesen hat. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

a) Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Folge der Zurückweisung iSd. § 174 Satz 1 BGB ist – unabhängig vom Bestehen einer Vollmacht – die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts; eine Heilung oder Genehmigung nach § 177 BGB scheidet aus. § 174 BGB findet auch im öffentlichen Dienst Anwendung (vgl. BAG 20.09.2006 – 6 AZR 82/06 – Rn. 34).

b) Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die äußeren Voraussetzungen einer Zurückweisung vorliegen. Dem Kündigungsschreiben vom 07.01.2019, das nicht vom C., sondern von Regierungsdirektorin T. unterzeichnet worden ist, war keine Originalvollmacht beigefügt. Der Kläger hat die Kündigung aus diesem Grund unverzüglich iSv. § 174 Satz 1 BGB zurückgewiesen. Die Kündigung ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers im Original am 14.01.2019 zugestellt worden, seine Zurückweisung ist der Beklagten bereits am 11.01.2019 (nach Eingang des Telefaxes) und erneut am 18.01.2019 (nach Eingang des Originals) zugegangen. Die Zeit zwischen dem 14.01.2019 und dem 18.01.2019 hat das Arbeitsgericht rechtsfehlerfrei als angemessene Überlegungsfrist angesehen. Ein schuldhaftes Zögern liegt nicht vor. Das stellt auch die Berufung nicht in Abrede.

c) Das Zurückweisungsrecht ist entgegen der Ansicht der Berufung nicht nach § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte hat den Kläger über das Kündigungsrecht der Regierungsdirektorin T. nicht ausreichend in Kenntnis gesetzt. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

aa) Nach § 174 Satz 2 BGB ist das Zurückweisungsrecht nur dann ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber demjenigen, gegenüber dem das einseitige Rechtsgeschäft vorgenommen werden soll, die Bevollmächtigung (vorher) mitgeteilt hatte.

§ 174 BGB dient dazu, bei einseitigen Rechtsgeschäften klare Verhältnisse zu schaffen. Der Erklärungsempfänger ist zur Zurückweisung der Kündigung berechtigt, wenn er keine Gewissheit darüber hat, dass der Erklärende tatsächlich bevollmächtigt ist und sich der Arbeitgeber dessen Erklärung deshalb zurechnen lassen muss. Der Empfänger einer einseitigen Willenserklärung soll nicht nachforschen müssen, welche Stellung der Erklärende hat und ob damit das Recht zur Kündigung verbunden ist oder üblicherweise verbunden zu sein pflegt. Er soll vor der Ungewissheit geschützt werden, ob eine bestimmte Person bevollmächtigt ist, das Rechtsgeschäft vorzunehmen. Gewissheit können eine Vollmachtsurkunde oder ein In-Kenntnis-Setzen schaffen. Das In-Kenntnis-Setzen nach § 174 Satz 2 BGB muss ein gleichwertiger Ersatz für die Vorlage einer Vollmachtsurkunde sein (vgl. BAG 25.09.2014 – 2 AZR 567/13 – Rn. 19 mwN). Ein In-Kenntnis-Setzen in diesem Sinne liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Berufungskammer folgt, auch dann vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter – zB durch die Bestellung zum Leiter der Personalabteilung – in eine Stelle berufen hat, mit der üblicherweise ein Kündigungsrecht verbunden ist. Dabei reicht die interne Übertragung einer solchen Funktion nicht aus. Erforderlich ist, dass sie auch nach außen im Betrieb ersichtlich ist oder eine sonstige Bekanntmachung erfolgt. Der Erklärungsempfänger muss davon in Kenntnis gesetzt werden, dass der Erklärende die Stellung tatsächlich innehat (vgl. zuletzt BAG 25.09.2014 – 2 AZR 567/13 – Rn. 20 mwN).

bb) Danach war eine Zurückweisung der Kündigung durch den Kläger nicht deshalb gem. § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil der Präsident der Bundespolizeiakademie mit einer im Intranet veröffentlichten Verfügung vom 08.02.2017 der Leiterin oder dem Leiter des Dezernats 3 die Befugnis erteilt hat, ihn bei Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktion für Tarifbeschäftigte ab Entgeltgruppe 9b bis einschließlich Entgeltgruppe 13 TVöD ua. im Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrum Diez zu vertreten. Für ein In-Kenntnis-Setzen ist auch nicht ausreichend, dass in der Anlage zu dieser Verfügung die „Kündigung durch den Arbeitgeber“ als Aufgabenfeld für die Leiterin oder den Leiter des Dezernats 3 angekreuzt ist.

Das Bundesarbeitsgericht hat es im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung als nicht unproblematisch angesehen, ob eine komplizierte, zutiefst ausdifferenzierte Regelung wie der Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung vom 09.09.1996 noch den Anforderungen des In-Kenntnis-Setzens nach § 174 Satz 2 BGB genügt, das ein gleichwertiger Ersatz für die fehlende Vollmachtsurkunde sein muss (vgl. BAG 08.12. 2011 – 6 AZR 354/10 – Rn. 23, mwN).

Regierungsdirektorin T. war zwar in die Stellung als Leiterin des Dezernats 3 berufen, der Kläger war hierüber nicht in Kenntnis gesetzt. Der von der Beklagten zweitinstanzlich vorgelegte grafische Organisationsplan (Stab) hat einen Stand vom 01.02.2019 und damit nach Zugang der Kündigung vom 07.01.2019. In diesem Plan sind keine Namen der Stelleninhaber aufgeführt. Welche konkrete Person den Stabsbereichs 3 (Verwaltung) leitet, lässt sich dem Organisationsplan nicht entnehmen.

Entgegen der Ansicht der Berufung reicht es für sich allein nicht aus, Vertretungsregelungen ins Intranet einzustellen (vgl. BAG 20.09.2006 – 6 AZR 82/06 – Rn. 50), damit eine Zurückweisung der Kündigung gem. § 174 Satz 2 BGB ausscheidet. Es kommt vielmehr darauf an, ob sich aus dem für den Arbeitnehmer zugänglichen Intranet ergibt, wer die mit der Vertretungsmacht verbundene Funktion konkret bekleidet (vgl. BAG 14.04.2011 – 6 AZR 727/09 – Rn. 26 mwN). Die Berufung verkennt, dass den Anforderungen des § 174 Satz 2 BGB erst genügt ist, wenn der Erklärungsempfänger auch von der konkreten Person des Stelleninhabers in Kenntnis gesetzt ist. Erforderlich ist insoweit ein zusätzliches Handeln des Vertretenen zur Information des Erklärungsempfängers. Dafür reicht es aus, diesen aufzufordern, sich über die Organisationsstruktur aus den ihm übergebenen Unterlagen oder dem ihm zugänglichen Intranet zu informieren, sofern sich aus diesen Quellen ergibt, wer die mit der Vertretungsmacht verbundene Funktion konkret bekleidet (vgl. BAG 08.12.2011 – 6 AZR 354/10 – Rn. 30 mwN).

Vorliegend lässt sich der Verfügung des C. vom 08.02.2017 nebst Anlage nicht entnehmen, dass Regierungsdirektorin T. die Stellung der Leiterin des Dezernats 3 innehat. Frau T. wurde die Stelle nach dem Vortrag der Beklagten erst im September 2017 übertragen. Auch dem zweitinstanzlich vorgelegten Organisationsplan (Stab), der ohnehin erst ab 01.02.2019 gültig war, lässt sich nicht entnehmen, welche konkrete Person die Position innehat, mit der das Kündigungsrecht verbunden ist. Soweit die Berufung geltend macht, dass Regierungsdirektorin T. innerhalb der Bundespolizeiakademie ab ihrer Bestellung im September 2017 ihre Funktion als Leiterin des Dezernats 3 „in aller Öffentlichkeit“ ausübe, ersetzt dies keine Bekanntmachung, die eine Zurückweisungsmöglichkeit ausschließt. Erforderlich ist vielmehr ein zusätzliches Handeln des Vertretenen zur Information des Arbeitnehmers. Ein derartiges Handeln der Beklagten ist hier nicht erfolgt.

4. Die Voraussetzungen gem. § 140 BGB für eine Umdeutung der erklärten außerordentlich fristlosen in eine ordentliche Kündigung liegen nicht vor. Auch eine ordentliche Kündigung wäre gem. § 174 BGB mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde unwirksam. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die Voraussetzungen für eine Umdeutung im Übrigen gegeben wären, nachdem die Beklagte in ihrem Antrag auf Berichtigung des erstinstanzlichen Tatbestands vom 13.08.2019 ausdrücklich eine Unrichtigkeit des Tatbestands gerügt hat, weil eine hilfsweise fristgemäße ordentliche Kündigung nicht erklärt worden sei.

5. Das Arbeitsgericht hat auch dem Weiterbeschäftigungsantrag zu Recht stattgegeben. Nachdem der Kläger erst- und zweitinstanzlich mit seiner Kündigungsschutzklage erfolgreich war, besteht auch der Weiterbeschäftigungsanspruch bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzverfahrens.

III.

Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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