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Arbeitszeit -Umkleide- und Wegezeiten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern

ArbG Aachen, Az.: 5 BV 36/15 d, Beschluss vom 28.06.2016

Die Anträge des Beteiligten zu 1) und Betriebsrates werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei Umkleidezeiten und innerbetrieblichen Wegezeiten betreffend Arbeitnehmer der Arbeitgeberin in der Produktion und in produktionsnahen Bereichen sowie über die Rechtswirksamkeit bestehender einzelner Regelungen zur Arbeitszeit/ Arbeitszeiterfassung in der „Gesamtbetriebsvereinbarung 01/2004 über flexible Arbeitszeitenregelungen in den Produktionsbereichen“ sowie in der „Betriebsvereinbarung Arbeitsordnung“ vom 17. März 1992.

Arbeitszeit -Umkleide- und Wegezeiten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
Symbolfoto: Von Africa Studio /Shutterstock.com

Die Beteiligte zu 2) (Arbeitgeberin) ist ein Unternehmen mit Sitz in M. das Kartonverpackungen für Getränke und Lebensmittel herstellt und vertreibt. Sie unterhält an zwei Standorten in Deutschland, in M. und in X., jeweils einen Betrieb. In beiden Betrieben der Arbeitgeberin ist ein Betriebsrat eingerichtet; darüber hinaus besteht ein Gesamtbetriebsrat. Der Beteiligte zu 1) ist der im Betrieb der Arbeitgeberin am Standort M. eingerichtete Betriebsrat; dieser besteht aus 15 Mitgliedern. Die Arbeitgeberin beschäftigt in ihrem Betrieb am Standort M. ca. 1.060 Arbeitnehmer; hiervon sind ca. 650 Arbeitnehmer in den Produktionsbereichen Druck, Endfertigung und Beschichtung sowie in produktionsnahen Bereichen (u.a. Instandhaltung, Energieversorgung, Entsorgung, Lager, innerbetrieblicher Transport und Qualitätssicherung) tätig.

Die Arbeitgeberin ist tarifgebunden; auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer finden u. a. die Vorschriften des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer/innen in der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie vom 13. April 2006 (MTV PPV) und der Rahmentarifvertrag für die Angestellten der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie von Düren, Jülich, Euskirchen und Umgebung 01. Februar 1997 (zuletzt geändert am 27. Juli 2006) (RTV PPV) Anwendung. Die Tarifverträge enthalten jeweils in ihrem § 2 Regelungen zur Arbeitszeit. Diese lauten u. a. im MTV PPV wie folgt:

§ 2 Arbeitszeit

1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 35 Stunden. …

3. In Betrieben mit Betriebsrat ist die Verteilung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen durch Betriebsvereinbarung zu regeln. …

7. Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit werden für den gesamten Betrieb oder für Betriebsabteilungen mit dem Betriebsrat vereinbart. …

10. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Arbeitnehmer in der jeweils festgesetzten Arbeitszeit zu beschäftigen. Der Arbeitnehmer hat die Arbeit pünktlich zu beginnen und darf sie erst mit dem Zeitpunkt beenden, an dem der Arbeitsschluss festgesetzt ist. Waschen und Umkleiden vor Beendigung der Arbeitszeit ist nicht gestattet.

…“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den MTV PPV Bezug genommen (Bl. 20ff. d. A.). Der RTV PPV enthält zur Arbeitszeit der Angestellten in § 2 im Wesentlichen inhaltsgleiche Regelungen. Gemäß § 2 Ziffer 7 soll für die technischen Betriebsangestellten und Meister die für die Arbeiter/Arbeiterinnen des gleichen Betriebs oder der gleichen Betriebsabteilung maßgebliche Arbeitszeit gelten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den RTV PPV Bezug genommen (Bl. 34ff. d. A.)

Am 17. März 1992 schlossen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung „Arbeitsordnung“ ab. Diese enthält in Kapitel III „Arbeitszeit“ in den §§§ 13 und 15 folgende Regelungen:

„§ 13 Regelmäßige Arbeitszeit

1. …

2. Jeder Mitarbeiter ist verpflichtet, die Arbeit ggfs. in Arbeitskleidung, zur festgesetzten Uhrzeit am Arbeitsplatz aufzunehmen und die Arbeitszeit einzuhalten. Maßgebend für die Arbeitszeit ist die Betriebsuhr, nach der auch Laut- oder Leuchtzeichen zur Aufnahme und Beendigung der Arbeit gegeben werden.

3. Das Waschen und Umkleiden hat außerhalb der Arbeitszeit zu erfolgen. Wasch- und Badezeiten für Mitarbeiter, die durch ihre Tätigkeit einer besonders starken Verschmutzung ausgesetzt sind, werden besonders geregelt. …

§ 15 Arbeitszeitkontrolle

1. Für die Berechnung der bezahlten Arbeitszeit sind die Zeiterfassungsgeräte maßgebend; die Mitarbeiter sind verpflichtet, die Zeiterfassungsgeräte persönlich zu bedienen.

2. Die Zeiterfassungsgeräte sind bei Arbeitsbeginn nach und bei Arbeitsschluss vor dem Umkleiden persönlich zu bedienen.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Arbeitsordnung vom 17. März 1992 (in der Fassung vom 01. Mai 1998) Bezug genommen (Bl. 43ff. d. A.).

Mit Wirkung zum 01. März 2004 schlossen der Gesamtbetriebsrat und die Arbeitgeberin für die Produktionsbetriebe an den Standorten M. und X. die Gesamtbetriebsvereinbarung 01/2004 über flexible Arbeitszeitregelungen in den Produktionsbereichen ab (GBV 1/2004). In den Anhängen C1, C 2, D 1 und D2 zu der GBV 1/2004 befindet sich ein „Regelwerk für das 17-Schichten-System (35-Stunden-Woche). Die Regelung in Ziffer 9 lautet wie folgt:

„9. Zeiterfassung

Der Mitarbeiter bucht stets nach Betreten und vor Verlassen des Betriebes in Arbeitskleidung am ihm zugewiesenen Zeiterfassungsgerät. …“

Wegen des Inhalts im Einzelnen wird auf die GBV 1/2004 nebst Anhang C1 verwiesen (Bl. 46ff. d. A.).

Mit Wirkung zum 01. Juli 2007 schlossen der Gesamtbetriebsrat und die Arbeitgeberin eine Gesamtbetriebsvereinbarung 06/06 Berufsbekleidung (GBV 06/06) ab. Danach besteht für die Mitarbeiter an den Produktionsstandorten M. und X. in den Produktionsbereichen und aller Randbereiche eine Tragepflicht für Berufsbekleidung. Die Arbeitgeberin stellt die unternehmenseinheitliche Berufsbekleidung den betroffenen Arbeitnehmern kostenfrei zur Verfügung. Wegen der Einzelheiten wird auf die GBV 06/06 Verwiesen (Bl. 64ff. d. A.). Die GBV 06/06 wurde mit einer weiteren GBV vom 24. November 2011 geändert. In der Reinigungsanleitung für Berufsbekleidung wird u. a. folgendes ausgeführt:

„…

Das Umziehen muss in den Umkleideräumen erfolgen. Die Arbeitskleidung darf keinesfalls zu Hause oder auf dem Arbeitsweg getragen werden. Sicherheitsschuhe gehören zur Firmenkleidung und unterliegen daher denselben Bestimmungen. …“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Nachtrag zur GBV 06/06 Bezug genommen (Bl. 69f. d. A.).

Im Oktober 2014 kam es zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat zu Gesprächen über die Thematik „Umkleidezeit und Arbeitszeit.“ Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat mit E-Mail vom 26. November 2014 mit, dass es sich ihrer Ansicht nach vor dem Hintergrund tariflicher Regelungen bei den Umkleidezeiten der Arbeitnehmer im Betrieb der Arbeitgeberin nicht um Arbeitszeit handele. Wegen des Inhalts wird auf die E-Mail der Arbeitgeberin vom 26. November 2014 verwiesen (bl. 98 d. A.).

Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin mit E-Mail vom 19. März 2015 mit, dass er am 11. März 2015 den Beschluss gefasst habe, u.a. das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts in Bezug auf Umkleidezeiten und innerbetriebliche Wegezeiten arbeitsgerichtlich klären und sich durch die Verfahrensbevollmächtigten vertreten zu lassen. Wegen der Einzelheiten wird auf die E-Mail des Betriebsrats vom 19. März 2015 verwiesen (Bl. 129 d. A.).

Mit seiner am 06. Mai 2015 bei dem Arbeitsgericht Aachen eingegangenen Antragsschrift, der Arbeitgeberin am 11. Mai 2015 zugestellt, begehrt der Betriebsrat zuletzt die Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts in Bezug auf Umkleidezeiten und Wegezeiten betreffend Arbeitnehmer der Arbeitgeberin in der Produktion und in produktionsnahen Bereichen sowie die weitere Feststellung, dass den Betriebsparteien diesbezüglich keine Befugnis zustehe, zu vereinbaren, dass es sich nicht um Arbeitszeit handele sowie die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Regelungen in der BV „Arbeitsordnung“ sowie der GBV 1/2004 des Inhalts, dass das Waschen und Umkleiden außerhalb der Arbeitszeit/Arbeitszeiterfassung zu erfolgen habe.

Der Betriebsrat trägt vor, der Einleitung dieses Beschlussverfahrens liege eine ordnungsgemäße Beschlussfassung zu Grunde. Er habe am 11. März 2015 im Rahmen einer ordentlichen Betriebsratssitzung einstimmig beschlossen, das vorliegende Beschlussverfahren einzuleiten. Auf die Sitzungsniederschrift Nr. 10/15 vom 11. März 2015 nehme er Bezug (Bl. 130ff. d. A.). An der Betriebsratssitzung hätten 15 Betriebsratsmitglieder bzw. Ersatzmitglieder wegen Verhinderung einzelner Betriebsratsmitglieder teilgenommen. Auf die beigefügte Anwesenheitsliste vom 11. März 2015 sowie die Verhinderungsmitteilungen der einzelnen Betriebsratsmitglieder und die Ladungen der Ersatzmitglieder nehme er ebenfalls Bezug (Bl. 134ff. d.A.). Der Betriebsratssitzung vom 11. März 2015 sei eine Einladung vom 06. März 2015 vorausgegangen, im Rahmen derer unter TOP 6 die Beschlussfassung zur Einleitung eines Beschlussverfahrens beim Arbeitsgericht mit dem vorliegenden Inhalt mitgeteilt worden sei. Auf die Einladung vom 06. März 2015 nebst Anlage verweise er (Bl. 138f. d. A.). Bereits in der ordentlichen Betriebsratssitzung vom 03. Dezember 2014 habe er beschlossen, die Verfahrensbevollmächtigten zu beauftragen. Dies sei der Arbeitgeberin am 04. Dezember 2014 per E- Mail mitgeteilt worden (Bl. 139f. d. A.). Letztlich seien aber etwaige Mängel der ursprünglichen Beschlussfassung am 11. März 2015 zwischenzeitlich geheilt, da er auf einer weiteren ordentlichen Betriebsratssitzung am 16. September 2015 vorsorglich erneut die Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens sowie die Vertretung durch die Verfahrensbevollmächtigten beschlossen habe. Auf das Protokoll der Betriebsratssitzung Nr. 37/15 zu TOP 4 vom 16. September 2015 verwiese er (Bl. 173ff. d.A.). Auf die Anwesenheitsliste der Betriebsratsmitglieder bzw. der Ersatzmitglieder und die mitgeteilten Verhinderungsgründe nehme er Bezug (Bl. 177ff. d. A.). Der Betriebsratssitzung vom 16. September 2015 sei eine Einladung vom 09. September 2015 vorausgegangen, die unter TOP 4 und 5 die erneute Beschlussfassung des Betriebsrats vorsehe. Auf die Einladung vom 09. September 2015 nehme er ebenfalls Bezug (Bl. 176ff. d. A.).

Die Anträge zu 1) bis 3) seien zulässig, insbesondere habe er in Bezug auf den Antrag zu 1) ein Feststellungsinteresse daran, das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei Beginn und Ende der Umkleide- und Wegezeiten für die Arbeitnehmer, die zur Tragung von Berufsbekleidung verpflichtet seien, überhaupt klären zu lassen. Denn die Arbeitgeberin bestreite ein solches. Dem Feststellungsinteresse stehe nicht entgegen, dass die BV Arbeitsordnung und die GBV 01/2004 nicht gekündigt seien. Er habe auch sein Mitbestimmungsrecht in dieser Frage nicht bereits ausgeübt. Das Feststellungsinteresse für den Antrag zu 2) ergebe sich daraus, dass auch über den Umfang des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG Streit bestehe. Eine Befugnis der Betriebsparteien zur Festlegung, dass Umkleide- und Wegezeiten keine Arbeitszeiten seien, bestehe nicht. Für den weiteren Antrag zu 3) ergebe sich das erforderliche Feststellungsinteresse daraus, dass er klären lassen wolle, mit welchem Inhalt die bereits abgeschlossene Betriebsvereinbarung „Arbeitsordnung“ und die GBV 01/2004 im Betrieb in M. durchzuführen seien. Er gehe von der Rechtsunwirksamkeit der streitgegenständlichen Regelungen in den vorgenannten Betriebsvereinbarungen aus, die Arbeitgeberin halte diese hingegen für rechtswirksam.

Die notwendige Antragsbefugnis für alle Anträge ergebe sich aus §§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 77 BetrVG; er sei Träger dieses Mitbestimmungsrechts bzw. des Durchführungsanspruchs bereits abgeschlossener Betriebsvereinbarungen. Eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG bestehe nicht. Eine solche habe auch weder für den Abschluss der GBV 01/2004 noch für die Nachtragsvereinbarung bestanden, der GBR sei vielmehr nach § 50 Abs. 2 BetrVG von den örtlichen Betriebsräten beauftragt worden. Auch mache er keine individualrechtlichen Ansprüche der Arbeitnehmer geltend.

Die Anträge zu 1) bis 3) seien begründet. Ihm stehe zunächst bei der Festlegung von Beginn und Ende der Umkleide- und Wegezeiten für Arbeitnehmer, die verpflichtet seien, im Betrieb der Arbeitgeberin in M. Berufskleidung zu tragen, ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu. Bei diesen Zeiten handele es sich um Arbeitszeit. Das Mitbestimmungsrecht sei durch die bestehenden tarifvertraglichen Regelungen im MTV PPV/RTV PPV weder ausgeschlossen noch eingeschränkt. Die Regelungen in den bestehenden Betriebsvereinbarungen – Betriebsvereinbarung „Arbeitsordnung“ und GBV 01/2004 -, die den Beginn der Arbeitszeit erst am Arbeitslatz festlegten und damit eine Vergütung der Umkleide- und Wegezeiten als Nichtarbeitszeit ausschlössen, seien rechtsunwirksam und im Betrieb in M. nicht mehr anzuwenden. Bei den Umkleide- und Wegezeiten handele es sich um tarifliche Arbeitszeit, die vergütungspflichtig sei. Eine Befugnis der Betriebsparteien, eine gegenteilige Regelung zu treffen, bestehe nicht.

Der Betriebsrat beantragt zuletzt,

1. festzustellen, dass er bei der Festlegung von Beginn und Ende der Umkleidezeiten und Wegezeiten von den Umkleideräumen zum Arbeitsplatz bei Schichtbeginn und der Wegezeiten vom Arbeitsplatz zu den Umkleideräumen sowie der Umkleidezeiten bei Schichtende derjenigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die nach der GBV 06/06 – Berufsbekleidung – vom 13. November 2006 verpflichtet sind, Arbeitskleidung zu tragen, ein Mitbestimmungsrecht hat;

2. festzustellen, dass die Betriebsparteien bei der Festlegung von Beginn und Ende der Umkleidezeiten und Wegezeiten von den Umkleideräumen zum Arbeitsplatz bei Schichtbeginn und der Wegezeiten vom Arbeitsplatz zu den Umkleideräumen sowie die Umkleidezeit bei Schichtende bezüglich derjenigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die nach der GBV 06/06 – Berufsbekleidung – vom 13. November 2006 verpflichtet sind, Arbeitskleidung zu tragen, nicht befugt sind zu vereinbaren, dass es sich nicht um Arbeitszeit handelt;

3. festzustellen, dass die Regelung „der Mitarbeiter bucht stets nach Betreten und vor Verlassen des Betriebs in Arbeitskleidung am ihm zugewiesenen Zeiterfassungsgerät“ gemäß Ziffer 9 Satz 1 des Anhangs C1, des Anhangs C2, des Anhangs D1 und des Anhangs D2 zur GBV 01/2004, die Regelung „jeder Mitarbeiter ist verpflichtet, die Arbeit, ggfs. in Arbeitskleidung, zur festgesetzten Uhrzeit am Arbeitsplatz aufzunehmen und die Arbeitszeit einzuhalten; maßgebend für die Arbeitszeit ist die Betriebsuhr, nach der auch die Laut- oder Leuchtzeichen zur Aufnahme und Beendigung der Arbeit gegeben werden“ gemäß § 13 Ziffer 2 der Arbeitszeitordnung vom 17. März 1992 und die Regelung „das Waschen und Umkleiden hat außerhalb der Arbeitszeit zu erfolgen“ gemäß § 13 Ziffer 3 Satz 1 der Arbeitsordnung vom 17. März 1992 sowie § 15 der Arbeitsordnung vom 17. März 1992 im Betrieb in Linnich nicht anzuwenden sind.

Die Arbeitgeberin beantragt, die Anträge des Betriebsrats zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin trägt vor, die Anträge des Betriebsrats seien bereits unzulässig. Sie bestreite, dass der Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens und der Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats zu Grunde gelegen habe. Überdies bestreite sie, dass ein solcher Beschluss nach ordnungsgemäßer Einladung der Betriebsratsmitglieder und mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden sei.

Darüber hinaus fehle dem Betriebsrat das jeweils notwendige Feststellungsinteresse und / oder die erforderliche Antragsbefugnis. Zum einen stehe dem Betriebsrat bereits nicht das von ihm reklamierte Mitbestimmungsrecht zu; die Dauer von Umkleide- und Wegezeiten sei nicht mitbestimmungspflichtig. Ein etwaiges Mitbestimmungsrecht bei Umkleide- und Wegzeiten sei zum anderen jedenfalls bereits durch die bestehenden und ungekündigten Betriebsvereinbarungen BV „Arbeitsordnung“ und GBV 01/2004 ausgeübt.

Die Anträge des Betriebsrats seien zudem unbegründet. Bei den Umkleide- und Wegezeiten handele es sich nicht um mitbestimmungspflichtige Arbeitszeit; ein Fall des § 87 Abs. 1 Ziffer 2 BetrVG liege nicht vor. Jedenfalls aber enthalte der MTV PPV eine ausdrückliche und abschließende Regelung in § 2 Ziffer 10 Satz 3, dass das Waschen und Umkleiden innerhalb der Arbeitszeit nicht gestattet sei und damit keine Arbeitszeit darstelle und infolgedessen auch nicht zu vergüten sei. Die hierfür aufgewendete Zeit sei gerade keine Arbeitszeit im Sinne der tarifvertraglichen Regelungen. Da der Arbeitnehmer die Arbeit umgezogen zu beginnen und in Arbeitskleidung beenden müsse, seien von der tariflichen Regelung auch zwingend eventuelle Wegezeiten zwischen Umkleidestelle und Arbeitsplatz erfasst. Die Regelungen der Betriebsparteien in der BV „Arbeitsordnung“ und in der GBV 01/2004 zum Umkleiden und der Arbeitszeiterfassung entsprächen den tariflichen Vorgaben. Die von dem Betriebsrat beanstandeten Regelungen in den vorgenannten Betriebsvereinbarungen seien mithin wirksam. Eine vom MTV PPV abweichende Regelung der Betriebsparteien zur Definition der Arbeitszeit noch zur Vergütungspflicht der Umkleidezeiten gebe es nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Anlagen sowie die Protokolle der Anhörungstermine verwiesen.

II.

Der Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens und der Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats liegt zunächst – entgegen der von der Arbeitgeberin vertretenen Ansicht – ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss – zumindest seit dem 16. September 2015 – zu Grunde.

1. Zur Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens und zur Beauftragung eines Rechtsanwalts ist ein ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrats erforderlich (vgl. statt vieler BAG 06. Dezember 2006 – 7ABR 62/05 – zitiert nach juris mwN). Ist die Beschlussfassung unterblieben oder fehlerhaft erfolgt, ist der Betriebsrat in dem Beschlussverfahren nicht wirksam vertreten und ein Prozessrechtsverhältnis kommt nicht zustande. Der für den Betriebsrat gestellte Antrag ist als unzulässig abzuweisen (vgl. BAG 06. Dezember 2006 – 7ABR 62/05 – zitiert nach juris mwN). Wirkt an der Beschlussfassung des Betriebsrats eine hierzu nicht berechtigte Person mit, führt dies in der Regel zur Nichtigkeit des Beschlusses, es sei denn, der Fehler hatte offensichtlich keinen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis (vgl. BAG 06. Dezember 2006 – 7ABR 62/05 – zitiert nach juris mwN). Bestreitet der Arbeitgeber eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats, hat der Betriebsrat die Tatsachen vorzutragen, aus denen das Zustandekommen des Beschlusses folgt. Das Gericht muss den Betriebsrat auf Grund des im Beschlussverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes zur Darlegung der Beschlussfassung und zur Überlassung etwaiger schriftlicher Unterlagen wie z. B. der Ladung und der Sitzungsniederschrift auffordern. Stellt sich heraus, dass die Verfahrenseinleitung nicht ordnungsgemäß erfolgt ist, hat das Gericht den Betriebsrat im Regelfall auf die Möglichkeit einer Heilung des Verfahrensmangels hinzuweisen und ihm gleichzeitig Gelegenheit zu geben, die fehlende Beschlussfassung nachzuholen oder die fehlerhafte Beschlussfassung zu korrigieren (vgl. BAG 06. Dezember 2006 – 7ABR 62/05 – zitiert nach juris mwN).

2. Es konnte nach Auffassung des Gerichts dahin stehen, ob bereits zum Zeitpunkt des Antragseingangs bei dem Arbeitsgericht Aachen am 06. Mai 2015 ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss zur Einleitung des Beschlussverfahrens und zur Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten vorlag. Die Unwirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses über die Einleitung eines Beschlussverfahrens und die Beauftragung eines Rechtsanwalts kann durch einen ordnungsgemäßen späteren Beschluss geheilt werden, wenn dieser noch vor Erlass einer den Antrag als unzulässig zurückweisenden Prozessentscheidung gefasst wird (vgl. BAG 06. Dezember 2006 – 7ABR 62/05 – zitiert nach juris mwN).

3. Nach Maßgabe der zu 1. und 2. vorangestellten Grundsätze erweist sich jedenfalls die vorsorgliche nachträgliche Beschlussfassung des Betriebsrats vom 16. September 2015 zur Einleitung des streitgegenständlichen Beschlussverfahrens und die Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats als ordnungsgemäß. Der Betriebsrat hat im Einzelnen unter Vorlage der Ladung der Betriebsratsvorsitzenden vom 09. September 2015 und der § 34 Abs. 1 BetrVG entsprechenden Sitzungsniederschrift sowie der Anwesenheitsliste der Betriebsratsmitglieder vorgetragen, dass er auf einer ordentlichen Betriebsratssitzung am 16. September 2015 zu TOP 4 vorsorglich

erneut die Einleitung eines Beschlussverfahrens bei dem Arbeitsgericht mit dem Ziel der Feststellung eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats in Bezug auf Umkleidezeiten und innerbetriebliche Wegezeiten (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) sowie dem Ziel der Nichtanwendbarkeit der streitgegenständlichen Regelungen in der BV „Arbeitszeitordnung“ und der GBV 1/2004 mit der erforderlichen Mehrheit im Sinne des § 33 Abs. 1 BetrVG sowie zu TOP 5 die Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten zur Durchführung des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens beschlossen hat. Die von dem Betriebsrat vorgelegte Einladung der Betriebsratsvorsitzenden vom 09. September 2015 zur Betriebsratssitzung am 16. September (Nr. 38/2015) erfolgte ordnungsgemäß. Den stimmberechtigten Betriebsratsmitgliedern bzw. den geladenen Ersatzmitgliedern wurde die Tagesordnung, u. a. die vorgenannten TOP 4 und 5, rechtzeitig mitgeteilt. Der Betriebsrat war nach den von ihm vorgelegten Unterlagen in der Betriebsratssitzung vom 16. September 2015 zudem beschlussfähig im Sinne des § 33 Abs. 2 BetrVG; von 15 stimmberechtigten Betriebsratsmitgliedern waren 12 Betriebsratsmitglieder bzw. Ersatzmitglieder anwesend. Die Beschlussfassung zu TOP 4 erfolgte mit 10 Ja-Stimmen und 2 Enthaltungen; TOP 5 wurde einstimmig zugestimmt. Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats ergaben sich aus dem Vortrag des Betriebsrats und den von ihm vorgelegten Unterlagen nach alledem nicht. Soweit die Arbeitgeberin zuletzt weiter beanstandet hat, auch der neugefasste Beschluss des Betriebsrats vom 16. September 2015 erfasse nicht sämtliche im Streitfall angekündigten Anträge, steht auch dieser Umstand der Zulässigkeit der Anträge zu 1) bis 3) nicht entgegen. Der Betriebsrat muss sich auf Grund einer ordnungsgemäßen Ladung als Gremium mit dem entsprechenden Sachverhalt befasst und durch Abstimmung eine einheitliche Willensbildung herbeigeführt haben. Dabei müssen die in dem Beschlussverfahren zu stellenden Anträge jedoch nicht bereits im Einzelnen formuliert sein. Vielmehr ist es ausreichend, wenn der Gegenstand, über den in dem Beschlussverfahren eine Klärung herbeigeführt werden soll, und das angestrebte Ergebnis bezeichnet sind (vgl. BAG 29. April 2004 – 1 ABR 30/02 – zitiert nach juris mwN). Der von dem Betriebsrat am 16. September 2015 gefasste Beschluss deckt die Anträge zu 1) bis 3) inhaltlich ab. Gegenstand der Willensbildung des Betriebsrats ist die Einleitung eines Beschlussverfahrens mit dem Ziel der Feststellung, ob überhaupt ein Mitbestimmungsrecht zu seinen Gunsten nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in Bezug auf Umkleidezeiten und innerbetriebliche Wegezeiten besteht sowie überdies die Rechtsunwirksamkeit bereits bestehender Regelungen der Betriebsparteien im Zusammenhang mit Umkleidezeiten und innerbetrieblichen Wegezeiten in der BV „Arbeitsordnung“ und der GBV 01/2004 klären zu lassen. Nichts anderes ist Gegenstand der Anträge zu 1) bis 3). Soweit die Arbeitgeberin schließlich meint, es bestünden Zweifel an der ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Betriebsrat, weil sich dem Protokoll über die Betriebsratssitzungen vom 10. März 2015 und vom 16. September 2015 nichts über eine Einleitung, Sachverhaltsdarstellung und Diskussion entnehmen ließe, wird sie auf § 34 Abs. 1 BetrVG hingewiesen. Danach muss das Sitzungsprotokoll als Mindestinhalt lediglich den Wortlaut der Beschlüsse und die Stimmenmehrheit, mit der sie gefasst wurden, wiedergegeben. Diesen gesetzlichen Mindestvorgaben entsprechen die seitens des Betriebsrats vorgelegten Sitzungsprotokolle vom 11. März 2015 und 16. September 2015.

III.

Der Antrag des Betriebsrats zu 1) ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Der Feststellungsantrag des Betriebsrats zu 1) ist zulässig.

a) Der Feststellungsantrag des Betriebsrats zu 1) ist zunächst hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er bedarf jedoch der Auslegung; der Betriebsrat möchte mit seinem Antrag zu 1) nach dem Verständnis des erkennenden Gerichts die Feststellung erreichen, dass es sich bei den Zeiten der Arbeitnehmer, die verpflichtet sind Berufskleidung auf der Grundlage der GBV 06/06 zu tragen, die diese vor Schichtbeginn und nach Schichtende für das Umkleiden und das Zurücklegen der innerbetrieblichen Wegstrecke von den Umkleideräumen zum Arbeitsplatz und umgekehrt aufwenden müssen, um betriebliche Arbeitszeit handelt, die mithin bei der Schichtplan-/Dienstplangestaltung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu berücksichtigen ist. Denn nach der von dem Betriebsrat vorgelegten GBV 01/2004 über flexible Arbeitszeitenregelungen in den Produktionsbereichen beginnt bislang die in den Schicht-/Dienstplänen zu verteilende Arbeitszeit erst, wenn der Mitarbeiter in Arbeitskleidung am Arbeitsplatz erscheint (Schichtbeginn) und endet in Arbeitskleidung am Arbeitsplatz (Schichtende). Umkleidezeiten und innerbetriebliche Wegezeiten sind bei dem durch GBV 01/2004 festgelegten Arbeitsbeginn und Arbeitsende im Rahmen des von den Betriebsparteien gewählten Schichtsystems nicht berücksichtigt.

b) Die besonderen Prozessvoraussetzungen zur Erhebung eines Feststellungsantrag im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO, die auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren vorliegen müssen, liegen im Streitfall vor. Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist für die Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens ein besonderes rechtliches Interesse daran erforderlich, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Dieses ist für einen Feststellungsantrag des Betriebsrats regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitgeber ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ernsthaft bestreitet. Dabei kann das Bestehen, der Inhalt oder die Reichweite eines Mitbestimmungsrechts losgelöst von einem konkreten Ausgangsfall geklärt werden, wenn die Angelegenheit, für die ein Mitbestimmungsrecht in Anspruch genommen oder bestritten wird, häufiger auftritt und sich auch zukünftig jederzeit wiederholen kann. Streitige Angelegenheit kann auch der Umfang eines bestimmten Mitbestimmungsrechts und damit die Mitbestimmungspflichtigkeit bestimmter Detailregelungen sein, ohne dass eine umfassende und endgültige Regelung der Angelegenheit schon getroffen sein müsste. Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen verfügt der Betriebsrat über das für den Antrag zu 1) notwendige Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO für die Klärung der Frage nach dem Inhalt der festzulegenden betrieblichen Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Diese Frage ist zwischen den Betriebsparteien in Bezug auf Umkleide- und Wegzeiten für die im Antrag zu 1) näher bezeichneten Arbeitnehmer – wie sich aus der im Verfahren vorgelegten schriftlichen Korrespondenz der Betriebsparteien ergibt – im Laufe des Jahres 2014 streitig geworden. Die Arbeitgeberin vertritt die Ansicht, Umkleide- und Wegezeiten der Arbeitnehmer, die verpflichtet seien, Berufskleidung zu tragen, stellten keine (mitbestimmungspflichtige) Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar. Diese Streitfrage der Betriebsparteien kann durch den Antrag zu 1) einer endgültigen Klärung zugeführt werden. Dem Feststellungsinteresse des Betriebsrats stehen die Regelungen in den bestehenden Betriebsvereinbarungen BV „Arbeitsordnung“ und GBV 01/2004 nicht entgegen. Diese lassen nicht erkennen, dass der Betriebsrat ein ihm etwaig zustehendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in Bezug auf Umkleide- und Wegezeiten bereits ausgeübt hat. Sämtliche bisher in den bestehenden Betriebsvereinbarungen enthaltenen Regelungen zu Ziffer 9 in den Anhängen zur GBV 1/2004 sowie die §§ 13 und 15 der BV „Arbeitsordnung“ befassen sich nur mit der Frage, ob und inwieweit Umkleidezeiten (und denknotwendig Wegezeiten) im Rahmen der Zeiterfassung als vergütungspflichtige Arbeitszeit der Arbeitnehmer berücksichtigt werden, nicht aber ob und wie diese Zeiten bei der Schichtplan-/Dienstplangestaltung zu berücksichtigen sind.

c) Der Betriebsrat besitzt zudem die erforderliche Antragsbefugnis. Diese ist nach den Regeln über die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gemäß § 81 Abs. 1 ArbGG zu bestimmen. Regelmäßig kann nur derjenige ein gerichtliches Verfahren einleiten, der vorträgt, Träger des streitbefangenen Rechts zu sein. Prozessführungsbefugnis im Urteilsverfahren und Antragsbefugnis im Beschlussverfahren sollen auf diese Weise sogenannte Popularklagen ausschließen. Im Beschlussverfahren ist die Antragsbefugnis gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen werden kann. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht (vgl. BAG 14. November 2006 – 1 ABR 5/06 – zitiert nach juris mwN). Der Betriebsrat macht im Streitfall im Antrag zu 1) eine eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition geltend; es geht ihm um die gerichtliche Feststellung eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in Bezug auf Umkleide- und Wegezeiten der Arbeitnehmer, die zum Tragen von Berufskleidung im Betrieb der Arbeitgeberin in M. verpflichtet sind.

2. Der Antrag des Betriebsrats zu 1) ist in der Sache jedoch nicht erfolgreich.

Die Zeiten für das An- und Ablegen der Berufskleidung in den Diensträumen der Arbeitgeberin sowie die Wegezeiten von den Umkleideräumen zum Arbeitsplatz und zurück stellen für die Arbeitnehmer in der Produktion sowie in produktionsnahen Bereichen, die auf Grund der GBV 06/06 zum Tragen von Berufskleidung verpflichtet sind, grundsätzlich zwar verteilungsfähige betriebliche Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist jedoch im Streitfall nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen.

a) Die Umkleide- und Wegezeiten der Arbeitnehmer in der Produktion sowie in produktionsnahen Bereichen der Arbeitgeberin, die auf Grund der GBV 06/06 zum Tragen von Berufskleidung verpflichtet sind, unterfallen dem Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

aa) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Das Beteiligungsrecht nach dieser Bestimmung dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung des Privatlebens zu Geltung zu bringen. Das von dem Betriebsrat beanspruchte Mitbestimmungsrecht betrifft die Lage der täglichen Arbeitszeit im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Dies ist die Zeit, während derer der Arbeitnehmer die von ihm in einem bestimmten zeitlichen Umfang vertraglich geschuldete Arbeitsleistung tatsächlich zu erbringen hat. Es geht um die Festlegung des Zeitraums, während dessen der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Erfüllung seiner vertraglichen Hauptleistungspflichten verlangen und dieser sie ihm gegebenenfalls mit der Folge des § 293 BGB anbieten kann. Arbeitszeit im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist deshalb die Zeit, in welcher der Arbeitnehmer verpflichtet bzw. berechtigt ist, seine vertraglich geschuldete Arbeit zu leisten (vgl. BAG 17. November 2015 – 1 ABR 76/13 – zitiert nach juris mwN).

bb) Arbeit in diesem Sinne ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (vgl. BAG 19. September 2012 – 5 AZR 678/11 – zitiert nach juris mwN). Umkleidezeiten gehören dann zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis (des Arbeitgebers) dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis (des Arbeitnehmers) erfüllt. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss. Die Fremdnützigkeit des Umkleidens ergibt sich in diesen Fällen schon aus der Weisung des Arbeitgebers, die ein Anlegen der Arbeitskleidung zu Hause und ein Tragen auf dem Weg zur Arbeitsstätte ausschließt (vgl. BAG 19. September 2012 – 5 AZR 678/11 – zitiert nach juris mwN). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Nach der GBV 06/06 sind die Mitarbeiter der Arbeitgeberin (u.a.) am Standort M. im Produktionsbereich und aller Randbereiche verpflichtet, Berufskleidung zu tragen (Tragepflicht). Hinzu kommt, dass die hiervon betroffenen Arbeitnehmer aus hygienischen Gründen und damit primär betrieblichen Belangen der Arbeitgeberin dienend die Berufskleidung ausschließlich in den Umkleideräumen der Arbeitgeberin anlegen dürfen; die Arbeitskleidung darf keinesfalls zu Hause oder auf dem Arbeitsweg getragen werden (siehe Nachtrag zur GBV 06/06 vom 24.November 2014). Da die Arbeit in diesem Falle mit dem Umkleiden beginnt, zählen auch die innerbetrieblichen Wege zur betrieblichen Arbeitszeit, da sie dadurch veranlasst sind, dass der Arbeitgeber das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle einrichtet, die der Arbeitnehmer zwingend benutzen muss (vgl. BAG 17. November 2015 – 1 ABR 76/13 – zitiert nach juris; 19. September 2012 – 5 AZR 678/11 – zitiert nach juris mwN).

b) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist jedoch im Streitfall nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen.

aa) Die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten dient dem Schutz der Arbeitnehmer durch gleichberechtigte Teilhabe an den sie betreffenden Angelegenheiten. § 87 Abs. 1 BetrVG beschränkt wegen der persönlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers und im Hinblick auf den Teilhabegedanken die Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei der Vertragsgestaltung und der Ausübung seines Direktionsrechts. Der Eingangshalbsatz in § 87 Abs. 1 BetrVG beruht dabei auf der Erwägung, dass für die Erreichung des Mitbestimmungszwecks kein Raum mehr besteht, wenn eine den Arbeitgeber bindende Regelung durch Gesetz und Tarifvertrag bereits vorliegt. In diesem Fall kann davon ausgegangen werden, dass mit dieser Regelung den berechtigten Interessen und Schutzbedürfnissen der Arbeitnehmer hinreichend Rechnung getragen worden ist (vgl. BAG 17. November 2015 – 1 ABR 76/13 – zitiert nach juris mwN).

bb) Die Tarifvertragsparteien haben in dem hier zur Anwendung kommenden MTV PPV eine abschließende Regelung über die durch die Betriebsparteien festzulegende Lage der Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG getroffen. Dies ergibt die vorzunehmende Auslegung des § 2 des MTV PPV.

(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG 29. Juni 2016 – 5 AZR 696/15 – zitiert nach juris mwN).

(2) Nach Maßgabe der vorangestellten Voraussetzungen lässt sich bereits dem Wortlaut § 2 des MTV PPV, von dem bei der Auslegung vorrangig auszugehen ist, hinreichend deutlich entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien die betriebliche Arbeitszeit abweichend von dem gesetzlichen Arbeitszeitbegriff im Sinne des § 2 Abs. 1 ArbZG, der auch Umkleidezeiten und innerbetriebliche Wegezeiten umfasst, festgelegt haben. In § 2 des MTV PPV haben die Tarifvertragsparteien zu Ziffern 1 bis 11 im Einzelnen Regelungen zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit (35 Stunden ausschließlich der Pausen), die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit (auch ohne Lohnausgleich), die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die Wochentage, insbesondere Samstagsarbeit, sowie zur Lage der Arbeitszeit (Dauer der täglichen Arbeitszeit) getroffen. Nach § 2 Abs. 7 Satz 1 des MTV PPV hat der Arbeitgeber – soweit ein Betriebsrat vorhanden ist – Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit für den gesamten Betrieb oder für Betriebsabteilungen mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. Gemäß § 2 Ziffer 2 Abs. 3 Satz 3 MTV PPV darf die tägliche Arbeitszeit 10 Stunden im Schichtbetrieb und einer ungleichmäßigen Verteilung der Wochenarbeitszeit von bis zu 78 Wochen nicht übersteigen. Diese Regelung entspricht erkennbar den Vorgaben des ArbZG. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ist innerhalb der Grenzen des ArbZG auszuüben, das Höchstgrenzen der Arbeitszeit zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer festlegt. Entgegen der von dem Betriebsrat vertretenen Ansicht folgt hieraus aber nicht, dass die Tarifvertragsparteien den Regelungen zur Arbeitszeit den gesetzlichen Arbeitszeitbegriff im Sinne des § 2 Abs. 1 ArbZG zu Grunde gelegt haben. In § 2 Abs. 1 ArbZG wird die Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen definiert. Zur Arbeit im Sinne dieser Vorschrift gehört – worauf der Betriebsrat zutreffend hingewiesen hat – auch das Umkleiden für die Arbeit und die innerbetrieblichen Wegezeiten, wenn wie hier das Tragen einer Berufskleidung vorgeschrieben ist und das Umkleiden aus hygienischen Gründen im Betrieb zu erfolgen hat. Die Tarifvertragsparteien haben in § 2 Ziffer 10 MTV PPV ein von § 2 Abs. 1 ArbZG abweichendes Verständnis des Arbeitszeitbegriffs zum Ausdruck gebracht. Gemäß § 2 Ziffer 10 Satz 1 des MTV PPV ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer in der jeweils festgesetzten Arbeitszeit zu beschäftigen. Nach § 2 Ziffer 10 Satz 2 und 3 MTV PPV hat der Arbeitnehmer die Arbeit pünktlich zu beginnen und darf sie erst mit dem Zeitpunkt beenden, an dem der Arbeitsschluss festgesetzt ist. Waschen und Umkleiden vor Beendigung der Arbeitszeit ist nicht gestattet. Die tarifliche Regelung des § 2 Ziffer 10 MTV PPV erschöpft sich nach ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut gerade nicht in der bloßen Widergabe des gesetzlichen Arbeitszeitbegriffs. Die tarifvertragliche Regelung nimmt in § 2 Ziffer 7 Satz 2 und 3 MTV PPV vielmehr die Zeiten des Waschens und Umkleidens und damit denknotwendig auch die Wegezeiten der Arbeitnehmer von der Umkleidestelle zur Arbeitsstelle und zurück ausdrücklich von der durch die Betriebsparteien gemäß § 2 Ziffer 7 durch Betriebsvereinbarung festgelegten/festgesetzten betrieblichen Arbeitszeit aus. Durch den Zusatz in § 2 Ziffer 7 Satz 3 des MTV PPV stellen die Tarifvertragsparteien nach Ansicht des erkennenden Gerichts mit der erforderlichen Deutlichkeit klar, dass nach ihrem Regelungswillen das Waschen und Umkleiden und somit denklogisch auch innerbetriebliche Wegezeiten gerade nicht von der nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG von den Betriebsparteien festzusetzenden betrieblichen Arbeitszeit erfasst sein sollen. Die Tarifvertragsparteien gehen nach dem Wortlaut der Regelung in § 2 Ziffer 10 zudem davon aus, dass nicht nur das Waschen und Umkleiden nach dem (ggfs. durch Betriebsvereinbarung) festgesetzten betrieblichen Arbeitsschluss zu erfolgen hat, sondern das Anlegen von Arbeitskleidung durch die Arbeitnehmer auch vor Beginn der (ggfs. durch Betriebsvereinbarung festgelegten) betrieblichen Arbeitszeit zu erfolgen hat. Denn insoweit bestimmt § 2 Ziffer 7 Satz 2 MTV PPV, dass der Arbeitnehmer die Arbeit pünktlich zu beginnen hat. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter einem pünktlichen Arbeitsbeginn, dass der Arbeitnehmer zur festgesetzten Zeit seine Tätigkeit aufnimmt. Die Tarifvertragsparteien gingen vor dem Hintergrund der weiteren Regelungen in § 2 Ziffer 10 ersichtlich davon aus, dass hiermit allein die Arbeitsaufnahme am Arbeitsplatz selbst gemeint ist. Das Waschen und Umkleiden und die hiermit verbundenen innerbetrieblichen Wegezeiten haben demzufolge nach dem Willen der Tarifvertragsparteien vor bzw. nach dem durch Betriebsvereinbarung festgelegten Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit zu erfolgen. Die betriebliche Arbeitszeit beginnt und beendet der Arbeitnehmer mithin – soweit erforderlich – in Arbeitskleidung. Eine Differenzierung danach, ob das Umkleiden betrieblichen Belangen oder den eigenen Belangen dient, enthält der MTV PPV – obwohl diese den Tarifvertragsparteien hinlänglich bekannt sein dürfte – gerade nicht. Dieses Verständnis des MTV PPV wird durch den Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen zur Arbeitszeit in § 2 des MTV PPV bestätigt. Nach § 2 Ziffer 1 MTV PPV beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen 35 Stunden. Die Arbeitszeit ist nach § 2 Ziffer 2 MTV PPV für den einzelnen Arbeitnehmer auf maximal 5 Tage zu verteilen. Sie ist auf die Wochentage Montag bis Freitag zu legen, sofern nicht zwingende technische Arbeiten (nicht Produktionsarbeiten), Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten eine andere Regelung erfordern. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kann ungleichmäßig auf einen Zeitraum von bis zu 78 Wochen verteilt werden. Soweit Betriebe drei oder mehr Schichten fahren, ist in diesen Bereichen eine ungleichmäßige Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit auf einen Zeitraum von bis zu 78 Wochen zulässig. Dabei ist sicherzustellen, dass dem einzelnen Arbeitnehmer im Wochendurchschnitt zwei arbeitsfreie Tage – möglichst zusammenhängend – gewährt werden. Die tägliche Arbeitszeit darf 10 Stunden nicht überschreiten. Das monatliche Einkommen der betroffenen Arbeitnehmer wird unabhängig von der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden auf der Basis der tariflichen Wochenarbeitszeit in der Höhe des vereinbarten Lohnes gezahlt. Die regelmäßige Arbeitszeit an Samstagen darf nicht länger als 22.00 Uhr dauern. Nach § 2 Ziffer 9 MTV PPV endet die Arbeitszeit spätestens um 13.00 Uhr ohne Verdienstausfall, wobei die an diesen Tagen etwa festgesetzte Mittagspause – soweit gesetzlich zulässig – entfällt. Am 01. Mai ruht die Arbeit. Aus den vorstehend wiedergegebenen Regelungen des MTV PPV folgt nach Ansicht des erkennenden Gerichts, dass die Tarifvertragsparteien im Einzelnen Regelungen zur Lage der betrieblichen Arbeitszeit und der Verteilung der tariflichen Arbeitszeit auf die Wochentage getroffen haben und damit insgesamt die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und ihrer freien Zeit ausreichend berücksichtigen wollten und auch berücksichtigt haben. Aus dem Kontext der tariflichen Regelungen ergibt sich im Hinblick auf § 2 Ziffer 10 Satz 3 MTV PPV zudem, dass Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeiten gerade nicht Gegenstand des von den Betriebsparteien festzulegenden Beginns und Endes der betrieblichen Arbeitszeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG sind. Hinzu kommt schließlich, dass der Arbeitszeitbegriff in § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht gänzlich deckungsgleich mit dem Begriff der vergütungspflichtigen Arbeitszeit und dem des Arbeitszeitgesetzes oder der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 4. November 2003 ist -hiervon scheint der Betriebsrat aber auszugehen – . Er bestimmt sich vielmehr nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechts (BAG 23. Juli 1996 – 1 ABR 17/96 – zitiert nach juris). Die Beteiligung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien und für die Gestaltung ihres Privatlebens nutzbaren Zeit zur Geltung zu bringen (BAG 26. Oktober 2004 – 1 ABR 31/03 (A) – zitiert nach juris). Da die Tarifvertragsparteien – wie dargelegt – im MTV PPV, neben einer Vielzahl weiterer einzelner Regelungen, die allesamt der Wahrung der Arbeitnehmerinteressen bei der Festlegung der Lage der Arbeitszeit positiv zu dienen bestimmt sind, jedoch im Hinblick auf die Berücksichtigung von Umkleidezeiten und innerbetrieblichen Wegezeiten in § 2 Ziffer 10 Satz 3 negativ vereinbart haben, dass der Arbeitnehmer die Arbeit pünktlich zu beginnen hat und sie erst mit dem Zeitpunkt beenden darf, an dem der Arbeitsschluss festgesetzt ist und das Waschen und Umkleiden vor Beendigung der Arbeitszeit nicht gestattet ist, ist das erkennende Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Tarifvertragsparteien betreffend Umkleidezeiten und innerbetriebliche Wegezeiten bereits eine Abwägung der Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit vorgenommen haben und diesbezüglich eine abschließende Regelung getroffen haben. Der Regelungsgegenstand „Umkleidezeiten und innerbetriebliche Wegezeiten“ im Bereich der Lage der Arbeitszeit ist der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbsatz – und zwar unabhängig von der Frage zu welchen Zwecken Arbeitskleidung angelegt wird – entzogen.

IV.

Der Feststellungsantrag des Betriebsrats zu 2) ist bereits unzulässig.

Der Betriebsrat verfügt diesbezüglich jedenfalls nicht über das für den von ihm erhobenen Feststellungsantrag erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Ziel dieses Feststellungsantrags ist nach vorzunehmender Auslegung des Antragsziels letztlich die Klärung der Frage,- das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats in Bezug auf Umkleidezeiten und innerbetriebliche Wegezeiten im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterstellt – ob es sich bei den vorgenannten Zeiten um vergütungspflichtige Arbeitszeit zu Gunsten der Arbeitnehmer handelt oder nicht. Offenbar geht der Betriebsrat davon aus, dass mit der Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG notwendigerweise die Feststellung verbunden ist, es handele sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit; eine Feststellung, die ihrerseits zu außerhalb des Mitbestimmungstatbestands liegenden vorteilhaften Rechtsfolgen für die Arbeitnehmer führt. Diese Annahme ist jedoch unzutreffend. Zum einen ist das Vorliegen von „Arbeitszeit“ im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unmaßgeblich für die Frage, ob es sich bei dieser zugleich um Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen und/oder arbeitsschutzrechtlichen Sinne handelt (vgl. BAG 15.04.2008 – 1 ABR 44/07 – zitiert nach juris mwN). Zum anderen vermag der Betriebsrat ein rechtliches Interesse an der Feststellung eines zwischen ihm und der Arbeitgeberin bestehenden betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses nicht auf deren mögliche Folgen für individuelle Rechtspositionen der Arbeitnehmer zu stützen (vgl. BAG 15.04.2008 – 1 ABR 44/07 – zitiert nach juris mwN).

V.

Der Feststellungsantrag des Betriebsrats zu 3) ist aus den zu IV. dargelegten Gründen ebenfalls in Ermangelung des erforderlichen Feststellungsinteresses im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig.

Nach alledem waren die Anträge des Betriebsrats in vollem Umfang zurückzuweisen.

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