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Arbeitszeitkonto – Belastung mit Minusstunden durch Arbeitgeber

Einem Arbeitnehmer wurden Minusstunden auf seinem Arbeitszeitkonto eingetragen, nachdem sein Unternehmen infolge des Ukraine-Krieges mit Produktionsausfällen zu kämpfen hatte. Das Gericht urteilte nun, dass dies unrechtmäßig sei, da es sich beim Umfang der Arbeitszeit nicht um eine Sache handle, die der Arbeitgeber im Alleingang entscheiden dürfe. Zudem hätte es einer schriftlichen Vereinbarung mit dem Betriebsrat bedurft, anstatt der erfolgten, lediglich mündlichen Zusage. Somit stärkt das Urteil die Rechte der Arbeitnehmer und schränkt die Befugnisse des Arbeitgebers in Bezug auf Minusstunden deutlich ein.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: ArbG Gera
  • Datum: 14.02.2024
  • Aktenzeichen: 1 Ca 88/23
  • Verfahrensart: Arbeitsgerichtsverfahren zur Korrektur der Arbeitszeiterfassung
  • Rechtsbereiche: Arbeitsrecht
  • Beteiligte Parteien:
  • Kläger: Arbeitnehmer, der die Gutschrift von 37,0 Stunden auf sein Arbeitszeitkonto verlangt und sich auf vertragliche sowie tarifliche Regelungen beruft.
  • Beklagte: Arbeitgeber aus der Metallverarbeitung, der die Führung des Arbeitszeitkontos bestreitet und in internen Regelungen (Betriebsvereinbarungen) verankert ist.
  • Um was ging es?
  • Sachverhalt: Streit um die korrekte Führung des Arbeitszeitkontos; der Arbeitnehmer fordert, dass ihm 37,0 Stunden als Arbeitszeit zusätzlich gutgeschrieben werden, basierend auf seinen vertraglichen und tarifvertraglichen Ansprüchen.
  • Kern des Rechtsstreits: Es wird darüber entschieden, ob die bestehende Arbeitszeiterfassung korrekt ist und dem Arbeitnehmer der Anspruch auf die Gutschrift von 37,0 Stunden zusteht.
  • Was wurde entschieden?
  • Entscheidung: Der Arbeitgeber wurde verpflichtet, dem Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers weitere 37,0 Stunden gutzuschreiben; die Kosten des Rechtsstreits trägt der Arbeitgeber; der Streitwert wurde auf 514,31 € festgesetzt; die Berufung wurde, soweit nicht kraft Gesetzes statthaft, nicht zugelassen.
  • Folgen: Der Arbeitnehmer erhält die zugesprochene Gutschrift, während der Arbeitgeber zusätzlich die Prozesskosten tragen muss; die Entscheidung präzisiert Anforderungen an die korrekte Führung der Arbeitszeiterfassung im Betrieb.

Klare Richtlinien zu Minusstunden: Urteil stärkt Rechte der Beschäftigten

Arbeitszeitkonten haben sich als flexibles Arbeitszeitsystem in vielen Unternehmen etabliert. Sie ermöglichen es Arbeitgebern und Beschäftigten, die Arbeitszeit an schwankende betriebliche Anforderungen anzupassen. Während Überstunden auf dem Konto gutgeschrieben werden, können in bestimmten Situationen auch Minusstunden entstehen.

Die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Arbeitgeber einseitig negative Stunden auf Arbeitszeitkonten ihrer Mitarbeiter buchen dürfen, beschäftigt immer wieder die Arbeitsgerichte. Besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wenn Unternehmen nach Wegen suchen, Auftragsschwankungen ohne Lohnabzüge auszugleichen, gewinnt diese Frage an Bedeutung. Ein aktuelles Urteil bringt nun mehr Klarheit in diese Thematik.

Der Fall vor Gericht


Arbeitsgericht stärkt Arbeitnehmerrechte bei Minusstunden im Arbeitszeitkonto

Mann mit Checkhemd zeigt auf Computeranwendung mit negativen Arbeitsstunden, Frau mit Blazer hält ungesigntes Dokument.
Arbeitszeitkonto und Minusstundenregelung | Symbolfoto: Ideogram gen.

Das Arbeitsgericht Gera hat entschieden, dass ein Metallverarbeitungsbetrieb nicht einseitig Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto eines Mitarbeiters anordnen durfte. Der betroffene Mitarbeiter aus dem Bereich Lager/Logistik klagte erfolgreich auf die Gutschrift von 37 Stunden, die ihm im April 2022 als Minusstunden eingetragen wurden.

Kein Ausweg aus der Produktionskrise durch Minusstunden

Nach der Corona-bedingten Kurzarbeit bis Februar 2022 sah sich das Unternehmen mit etwa 150 Mitarbeitern durch den Ukraine-Krieg mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Lieferkettenunterbrechungen bei einem Hauptabnehmer, der 45 Prozent des Jahresumsatzes ausmachte, führten zu einem Produktionsrückgang. Die Geschäftsführung entschied, statt erneuter Kurzarbeit das bestehende Arbeitszeitkonto zu nutzen und Minusstunden anzuordnen. Der Betriebsrat stimmte diesem Vorgehen mündlich zu.

Fehlende schriftliche Vereinbarung wird zum Verhängnis

Das Gericht stellte klar, dass die Anordnung von Minusstunden nur unter strengen Voraussetzungen zulässig ist. Eine Belastung des Arbeitszeitkontos mit Minusstunden setze voraus, dass der Arbeitnehmer die Arbeitszeit vorschussweise vergütet erhält und zur Nachleistung verpflichtet ist. Dies sei nur der Fall, wenn der Arbeitnehmer selbst über die Entstehung einer Zeitschuld entscheiden kann.

Die mündliche Zustimmung des Betriebsrats reichte nach Ansicht des Gerichts nicht aus. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz ist für die vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit eine schriftliche Betriebsvereinbarung zwingend erforderlich. Eine formlose Regelungsabrede könne keine unmittelbar geltenden Rechte und Pflichten für Arbeitnehmer begründen.

Grenzen des Direktionsrechts bei der Arbeitszeitgestaltung

Das Gericht betonte, dass das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht den Umfang der Arbeitszeit umfasst. Nach § 106 GewO kann der Arbeitgeber zwar die Lage der Arbeitszeit einseitig festlegen, der Umfang gehört jedoch zum Kernbestand des Arbeitsverhältnisses. Auch der geltende Firmentarifvertrag bot keine Grundlage für die Anordnung von Minusstunden, da dieser für Arbeitszeitverkürzungen explizit eine Betriebsvereinbarung vorschreibt.

Das Arbeitsgericht verurteilte das Unternehmen zur Gutschrift der 37 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers und zur Übernahme der Prozesskosten. Der Streitwert wurde auf 514,31 Euro festgesetzt.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass Arbeitgeber bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten Minusstunden auf Arbeitszeitkonten anordnen können, wenn dies durch eine Betriebsvereinbarung geregelt ist und der Betriebsrat zustimmt. Diese Alternative zur Kurzarbeit kann für Arbeitnehmer vorteilhaft sein, da keine unmittelbaren Gehaltseinbußen entstehen. Entscheidend ist die korrekte betriebliche Mitbestimmung und eine entsprechende Rechtsgrundlage in Form einer Betriebsvereinbarung.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn in Ihrem Betrieb eine Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung existiert, kann Ihr Arbeitgeber Sie bei Auftragsmangel auch kurzfristig von der Arbeit freistellen und Minusstunden auf Ihrem Arbeitszeitkonto verbuchen. Dies ist oft die bessere Alternative zur Kurzarbeit, da Ihr Gehalt zunächst nicht gekürzt wird. Wichtig ist, dass Sie prüfen, ob eine entsprechende Betriebsvereinbarung vorliegt und der Betriebsrat der Maßnahme zugestimmt hat. Die Minusstunden müssen Sie später durch Mehrarbeit ausgleichen.

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Fragen zum Arbeitszeitkonto?

Das Urteil zeigt, dass die Anordnung von Minusstunden komplex ist und sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer vor Herausforderungen stellen kann. Arbeitgeber müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen beachten, insbesondere die Notwendigkeit einer Betriebsvereinbarung. Arbeitnehmer hingegen sollten ihre Rechte kennen und prüfen, ob die Anordnung von Minusstunden rechtmäßig erfolgt ist.

Wir unterstützen Sie bei der Auslegung und Anwendung des Arbeitsrechts in Bezug auf Arbeitszeitkonten und Minusstunden. Unsere Beratung hilft Ihnen, Ihre individuelle Situation zu bewerten und die richtigen Schritte einzuleiten. Wir bieten Ihnen eine umfassende Analyse Ihrer Arbeitsverträge und der betrieblichen Vereinbarungen, um Ihre Rechte zu wahren und Konflikte zu vermeiden.

Sprechen Sie uns an, um Ihre spezifischen Fragen zu besprechen und eine fundierte Einschätzung Ihrer Situation zu erhalten.

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Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Anordnung von Minusstunden erfüllt sein?

Die Anordnung von Minusstunden durch den Arbeitgeber ist nur unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen zulässig.

Grundlegende Voraussetzungen

Ein Arbeitszeitkonto muss als Basis vorhanden sein, bevor überhaupt Minusstunden erfasst werden können. Dabei muss eine explizite rechtliche Grundlage in Form einer der folgenden Vereinbarungen vorliegen:

  • Arbeitsvertragliche Regelung
  • Tarifvertragliche Bestimmung
  • Betriebsvereinbarung

Mitbestimmung des Betriebsrats

Bei der Einführung von Minusstunden spielt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats eine zentrale Rolle. Eine Verringerung der Arbeitszeit kann nur unter Wahrung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG angeordnet werden. Wenn ein Betriebsrat existiert, muss dieser der Regelung ausdrücklich zustimmen.

Grenzen der Anordnung

Der Arbeitgeber darf Minusstunden nicht einseitig anordnen, wenn:

  • keine ausreichende Arbeit zur Verfügung steht (Betriebsrisiko)
  • der Arbeitsausfall durch den Arbeitgeber selbst verursacht wurde
  • es sich um Feiertage oder Krankheitstage handelt

In diesen Fällen greift § 615 BGB, wonach der Arbeitgeber im Annahmeverzug ist und das wirtschaftliche Risiko trägt.

Nacharbeitungspflicht als Kriterium

Eine wichtige Voraussetzung ist die Pflicht zur Nacharbeitung der Minusstunden. Minusstunden dürfen nur dann auf dem Arbeitszeitkonto erfasst werden, wenn für die Arbeitnehmenden eine klare Verpflichtung besteht, diese nachzuarbeiten. Dies ist beispielsweise bei Gleitzeitmodellen der Fall, bei denen Beschäftigte selbst über ihre Arbeitszeiteinteilung entscheiden können.

Dokumentationspflichten

Bei der Anordnung von Minusstunden muss der Arbeitgeber für eine transparente Erfassung sorgen. Dies bedeutet:

  • Klare Dokumentation der Minusstunden
  • Regelmäßige Information der Beschäftigten über den Stand ihres Arbeitszeitkontos
  • Nachvollziehbare Begründung für die Anordnung der Minusstunden

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Wie kann ich mich als Arbeitnehmer gegen unrechtmäßig angeordnete Minusstunden wehren?

Wenn Ihr Arbeitgeber Minusstunden anordnet, können Sie sich mit verschiedenen Maßnahmen dagegen wehren. Der Arbeitgeber darf grundsätzlich keine Minusstunden anordnen, wenn Sie nicht frei über Ihre Arbeitszeit verfügen können.

Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen

Minusstunden sind nur zulässig, wenn:

  • Ein Arbeitszeitkonto vertraglich vereinbart wurde
  • Sie selbst über Ihre Arbeitszeit entscheiden können
  • Eine schriftliche Betriebsvereinbarung oder vertragliche Regelung vorliegt

Dokumentation und Widerspruch

Bei unrechtmäßig angeordneten Minusstunden sollten Sie schriftlich dokumentieren, dass Sie Ihre Arbeitsleistung anbieten. Wenn der Arbeitgeber keine Arbeit zuweisen kann, befindet er sich im Annahmeverzug nach § 615 BGB und muss die vereinbarte Vergütung weiterzahlen.

Durchsetzung Ihrer Rechte

Bei unrechtmäßigen Minusstunden können Sie:

  • Schriftlich der Anordnung widersprechen
  • Die volle Vergütung einfordern
  • Eine angemessene Zahlungsfrist setzen

Wichtig: Bei Krankheit oder gesetzlichen Feiertagen dürfen keine Minusstunden entstehen. Der Arbeitgeber muss Sie so stellen, als hätten Sie die Soll-Arbeitszeit erbracht.

Gehaltsabzüge

Wenn der Arbeitgeber bereits Gehaltsabzüge vorgenommen hat, können Sie die Differenz schriftlich und nachweisbar (zum Beispiel per Einschreiben) zurückfordern. Der Arbeitgeber trägt das wirtschaftliche Risiko für fehlende Aufträge und muss die angebotene Arbeitsleistung vergüten.


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Welche Rolle spielt der Betriebsrat bei der Einführung von Minusstunden?

Der Betriebsrat hat bei der Einführung von Minusstunden ein zwingendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Eine einseitige Anordnung von Minusstunden durch den Arbeitgeber ist ohne Zustimmung des Betriebsrats nicht zulässig.

Umfang der Mitbestimmung

Der Betriebsrat entscheidet gleichberechtigt mit dem Arbeitgeber über:

  • ob Minusstunden eingeführt werden
  • in welchem Umfang Arbeitszeit ausfallen soll
  • bei welchen Beschäftigten Minusstunden anfallen
  • wann genau die Arbeitszeit ausfallen soll

Formelle Anforderungen

Eine mündliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat genügt nicht. Es ist zwingend eine schriftliche Betriebsvereinbarung erforderlich, die das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beachtet. Diese Betriebsvereinbarung muss die Rahmenbedingungen für Minusstunden festlegen, wie etwa Obergrenzen oder Ausgleichszeiträume.

Durchsetzung der Mitbestimmung

Wenn ein Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats Minusstunden anordnet, hat der Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch. Dieser kann im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren – gegebenenfalls auch durch eine einstweilige Verfügung – durchgesetzt werden. Kommt zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat keine Einigung zustande, kann die Einigungsstelle angerufen werden.


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Wie unterscheiden sich Minusstunden von Kurzarbeit rechtlich und praktisch?

Rechtliche Grundvoraussetzungen

Minusstunden setzen zwingend ein bestehendes Arbeitszeitkonto voraus, das entweder im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt sein muss. Für Kurzarbeit hingegen ist eine separate rechtliche Grundlage erforderlich, die durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder individuelle Vereinbarung geschaffen werden muss.

Entstehung und Anordnung

Bei Minusstunden muss der Arbeitgeber die vertraglich vereinbarte Vergütung weiterzahlen, auch wenn weniger gearbeitet wird. Eine einseitige Anordnung von Minusstunden durch den Arbeitgeber ist nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer über seine Arbeitszeit frei verfügen kann.

Kurzarbeit hingegen führt zu einer offiziellen Reduzierung der Arbeitszeit mit entsprechender Lohnkürzung. Sie muss beim Arbeitsamt angezeigt werden und setzt voraus, dass mindestens ein Drittel der Beschäftigten einen Entgeltausfall von mehr als 10% haben.

Finanzielle Auswirkungen

Bei Minusstunden erhalten Sie weiterhin Ihr volles Gehalt, müssen die Stunden aber zu einem späteren Zeitpunkt nacharbeiten. Die Minusstunden stellen einen Vorschuss des Arbeitgebers dar.

Bei Kurzarbeit wird Ihr Gehalt entsprechend der reduzierten Arbeitszeit gekürzt. Als Ausgleich erhalten Sie Kurzarbeitergeld in Höhe von 60% (mit Kind 67%) des ausgefallenen Nettoentgelts.

Betriebliche Mitbestimmung

Der Betriebsrat hat bei beiden Instrumenten ein echtes Mitbestimmungsrecht. Bei Minusstunden muss der Betriebsrat der Einführung eines Arbeitszeitkontos und dessen Regelungen zustimmen. Bei Kurzarbeit ist die Zustimmung des Betriebsrats oder bei dessen Nichtexistenz die individuelle Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer erforderlich.

Besonderheiten bei Krankheit und Feiertagen

Minusstunden dürfen weder bei Krankheit noch an gesetzlichen Feiertagen entstehen. Bei Kurzarbeit besteht während einer Erkrankung Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe des Kurzarbeitergeldes.

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Bei Kündigung können Minusstunden nur dann mit dem letzten Gehalt verrechnet werden, wenn der Arbeitnehmer sie selbst zu vertreten hat. Kurzarbeit endet spätestens mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wobei bis zum letzten Tag Kurzarbeitergeld gezahlt wird.


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Welche finanziellen Folgen haben Minusstunden für Arbeitnehmer?

Die finanziellen Folgen von Minusstunden hängen maßgeblich davon ab, wer diese zu verantworten hat und ob ein Arbeitszeitkonto besteht.

Voraussetzungen für finanzielle Konsequenzen

Ohne Arbeitszeitkonto keine Minusstunden – dies ist die grundlegende Regel. Ein Lohnabzug ist nur möglich, wenn ein Arbeitszeitkonto existiert und Sie diesem ausdrücklich zugestimmt haben. Die Zustimmung kann durch den Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag erfolgen.

Selbst verschuldete Minusstunden

Wenn Sie selbst für die Minusstunden verantwortlich sind, etwa durch verspäteten Arbeitsbeginn oder überziehende Mittagspausen, gelten folgende Regelungen:

Der Arbeitgeber kann einen Lohnabzug vornehmen, allerdings nur unter strikten Voraussetzungen:

  • Die Minusstunden müssen während der vereinbarten Ausgleichsfrist nicht nachgearbeitet worden sein
  • Eine vertragliche Vereinbarung zur Verrechnung muss vorliegen
  • Die Pfändungsfreigrenze von aktuell 1.491,75 Euro netto monatlich darf nicht unterschritten werden

Vom Arbeitgeber verursachte Minusstunden

Wenn der Arbeitgeber die Minusstunden zu verantworten hat, etwa durch Auftragsmangel oder Betriebsstörungen, entstehen für Sie keine finanziellen Nachteile. In diesem Fall muss der Arbeitgeber das volle Gehalt weiterzahlen, da er das Betriebsrisiko trägt.

Besondere Situationen

Bei Krankheit, Urlaub oder Feiertagen können keine Minusstunden entstehen und es darf kein Lohnabzug erfolgen. Im Fall einer Kündigung müssen Sie nur dann einen finanziellen Ausgleich leisten, wenn Sie die Minusstunden selbst zu verantworten haben und eine entsprechende vertragliche Regelung besteht.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar - Fachbegriffe aus dem Arbeitsrecht

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Arbeitszeitkonto

Ein Arbeitszeitkonto ist ein flexibles System, in dem die geleisteten Arbeitsstunden eines Arbeitnehmers erfasst werden. Dabei werden geleistete Überstunden als Plus und weniger gearbeitete Stunden als Minus verbucht. Dieses System erlaubt es beiden Parteien – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – flexibel auf betriebliche Schwankungen zu reagieren, wobei gesetzliche Grundlagen wie tarifliche Regelungen oder Betriebsvereinbarungen eine Rolle spielen können. Rechtlich ist die Nutzung des Arbeitszeitkontos oft an spezifische Vereinbarungen gekoppelt, die u. a. im Arbeits- oder Tarifrecht verankert sind.
Beispiel: Ein Mitarbeiter sammelt in Zeiten hoher Auslastung Plusstunden und muss in ruhigeren Zeiten diese Stunden als Ausgleich ableisten.


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Minusstunden

Minusstunden bezeichnen die Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer weniger Arbeitszeit erbracht hat, als vertraglich vereinbart oder geplant war. Dadurch entsteht ein negativer Saldo auf dem Arbeitszeitkonto, den der Arbeitnehmer später durch Mehrarbeit ausgleichen muss. In der juristischen Praxis spielt die Frage, ob und wie Minusstunden einseitig vom Arbeitgeber angeordnet werden dürfen, eine zentrale Rolle. Gesetzliche Regelungen wie der § 106 GewO und tarifliche Vorgaben setzen dabei Grenzen.
Beispiel: Wird an einem Tag zu wenig gearbeitet, kann dieser Fehlbetrag als Minusstunde auf das Arbeitszeitkonto gebucht werden, den der Arbeitnehmer ausgleichen muss.


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Betriebsrat

Der Betriebsrat ist ein von den Arbeitnehmern gewähltes Gremium, das ihre Interessen im Betrieb vertritt. Er hat das Recht, bei wesentlichen betrieblichen Änderungen, insbesondere im Hinblick auf Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen, mitzuwirken und seine Zustimmung zu erteilen. Das Betriebsverfassungsgesetz regelt den Aufgabenbereich und die Rechte des Betriebsrats im Detail. Wichtig: Ohne ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats können Änderungen, wie die Anordnung von Minusstunden, unrechtmäßig sein.
Beispiel: Bei der Einführung neuer Arbeitszeitmodelle muss der Betriebsrat zustimmen, um die Interessen der Belegschaft zu schützen.


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Direktionsrecht

Das Direktionsrecht bezeichnet die Befugnis des Arbeitgebers, den Arbeitsplatz, Aufgaben und vor allem auch die Lage der Arbeitszeit innerhalb gesetzlicher und vertraglicher Grenzen festzulegen. Nach § 106 der Gewerbeordnung (GewO) kann er Arbeitszeiten bestimmen, jedoch gehört die Gesamtarbeitszeit zum Kernbestand des Arbeitsverhältnisses und darf nicht einseitig verändert werden. Kernpunkt: Dieses Recht unterliegt begrenzenden Vorschriften, um die Rechte der Arbeitnehmer zu schützen.
Beispiel: Ein Arbeitgeber kann festlegen, wann ein Mitarbeiter beginnt oder endet, darf aber nicht eigenmächtig die Gesamtstundenzahl verändern.


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Betriebsvereinbarung

Eine Betriebsvereinbarung ist ein schriftlicher Vertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, der Regelungen zu verschiedenen betrieblichen Angelegenheiten, wie Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen, festlegt. Sie hat eine verbindliche Wirkung und regelt oftmals spezifische Anpassungen, die über gesetzliche Mindeststandards hinausgehen. Gesetzliche Grundlage bildet das Betriebsverfassungsgesetz, das die Notwendigkeit solcher Vereinbarungen fordert, insbesondere bei Änderungen, die die Arbeitszeit betreffen.
Beispiel: Bei der Einführung von flexiblen Arbeitszeitmodellen muss häufig eine Betriebsvereinbarung geschlossen werden, um die neuen Regelungen rechtswirksam zu machen.


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Kurzarbeit

Kurzarbeit ist eine vorübergehende Reduzierung der Arbeitszeiten bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten, um Entlassungen zu vermeiden. Im Rahmen der Kurzarbeit wird den Beschäftigten oft ein Teil des Lohnausfalls vom Staat kompensiert, sodass der Verlust geringer ausfällt. Dies ist häufig in Krisenzeiten oder bei Auftragsrückgängen zu beobachten und durch gesetzliche Regelungen, wie das Kurzarbeitsgeld im SGB III, abgestützt. Wichtig: Kurzarbeit stellt ein Instrument dar, um den Erhalt von Arbeitsplätzen zu sichern, ohne grundlegende Änderungen im Arbeitsvertrag vorzunehmen.
Beispiel: Während der Corona-Pandemie wurden in vielen Betrieben die Arbeitszeiten reduziert, um die Beschäftigung zu stabilisieren und staatliche Unterstützung zu erhalten.


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Betriebsverfassungsgesetz

Das Betriebsverfassungsgesetz regelt die Rechte und Pflichten der betrieblichen Mitbestimmung, insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Es gibt vor, wann und in welchem Umfang der Betriebsrat bei Entscheidungen, wie der Einführung oder Änderung von Arbeitszeitkonten, beteiligt werden muss. Kernaspekt: Entscheidungen, die das Arbeitsverhältnis wesentlich beeinflussen, bedürfen häufig einer schriftlichen Vereinbarung, um rechtliche Klarheit zu schaffen. Dieses Gesetz sichert somit die Interessen der Arbeitnehmer ab und verhindert einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers.
Beispiel: Ohne eine schriftliche Vereinbarung gemäß Betriebsverfassungsgesetz ist es häufig unzulässig, Änderungen wie das Buchen von Minusstunden einseitig durchzuführen.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 87 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): Dieser Paragraph regelt die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Einführung und Änderung von Arbeitszeitregelungen, einschließlich der Arbeitszeitkonten. Der Betriebsrat hat das Recht, bei allen Fragen, die die Arbeitszeit der Arbeitnehmer betreffen, mitzubestimmen.
    Die Relevanz zum Fall liegt darin, dass der Arbeitgeber Änderungen am Arbeitszeitkonto vornimmt, bei denen der Betriebsrat ein Mitspracherecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat. Die Klage des Arbeitnehmers zielt darauf ab, ob die Anordnung von Minusstunden ohne Weiteres durch den Arbeitgeber erfolgen durfte.
  • Betriebsvereinbarung über Arbeitszeit, Gleitzeit und Urlaubsinanspruchnahme: Eine Betriebsvereinbarung wird zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat geschlossen und regelt spezifische Arbeitsbedingungen im Betrieb, wie Arbeitszeitmodelle und Arbeitszeitkonten. Sie hat eine bindende Wirkung für alle Arbeitnehmer des Betriebs.
    Im vorliegenden Fall stützt sich die Beklagte auf die Betriebsvereinbarung 04/08, um die Anordnung von Minusstunden bei betrieblicher Unterauslastung zu rechtfertigen. Der Kläger bestreitet die Rechtsmäßigkeit dieser Maßnahme im Rahmen der bestehenden Betriebsvereinbarung.
  • Arbeitszeitgesetz (ArbZG): Das ArbZG legt die Rahmenbedingungen für die Arbeitszeit fest, einschließlich maximaler Arbeitsstunden, Ruhezeiten und Regelungen zu Überstunden und Minusstunden. Ziel ist der Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer durch Begrenzung der Arbeitszeit.
    Die Anordnung von Minusstunden durch den Arbeitgeber muss im Einklang mit den Vorgaben des ArbZG stehen. Der Kläger argumentiert, dass die Reduzierung der Arbeitszeit ohne entsprechende gesetzliche Grundlage erfolgt ist, was eine Verletzung des ArbZG darstellen könnte.
  • Tarifvertragsgesetz (TVG): Das TVG regelt die Rechtsverhältnisse der Tarifvertragsparteien und die Anwendung von Tarifverträgen im Arbeitsrecht. Ein Firmentarifvertrag, wie im Fall beschrieben, enthält spezifische Regelungen, die für die Beschäftigten des Unternehmens verbindlich sind.
    Die Beklagte verweist auf den mit der IG Metall geschlossenen Firmentarifvertrag vom 03.02.2005, um die Maßnahmen zur Arbeitszeitreduzierung zu legitimieren. Der Kläger hinterfragt, ob diese tarifvertraglichen Bestimmungen ausreichend sind, um Minusstunden ohne zusätzliche Vereinbarungen anzuordnen.
  • Direktionsrecht des Arbeitgebers (§ 106 Gewerbeordnung – GewO): Das Direktionsrecht umfasst das Recht des Arbeitgebers, den Inhalt, Ort und Zeit der Arbeit im Rahmen des Arbeitsvertrags zu bestimmen. Es erlaubt dem Arbeitgeber, betriebliche Anweisungen zu erteilen, solange diese nicht gegen gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen verstoßen.
    Der Kläger argumentiert, dass das Direktionsrecht der Beklagten nicht ausreicht, um einseitig Minusstunden anzuordnen. Er stellt in Frage, ob die angewandten Maßnahmen innerhalb des zulässigen Rahmen des Direktionsrechts liegen oder ob sie durch die Betriebsvereinbarung und tarifvertragliche Regelungen überschritten wurden.

Das vorliegende Urteil


ArbG Gera – Az.: 1 Ca 88/23 – Urteil vom 14.02.2024


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